BLKÖ:Hartig, Franz Graf von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Harting, Franz von
Band: 7 (1861), ab Seite: 399. (Quelle)
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Hartig, Franz Graf von (Staatsmann, geb. 5. Juni 1789).[BN 1] Sohn des Grafen Franz de Paula Anton [s. d. Vorigen S. 392] aus dessen Ehe mit Marie Elenora Gräfin Colloredo. Welche Erziehung ein Vater, den ein freisinniges Werk (im Jahre 1833) mit folgenden Worten charakterisirt: „ein warmer Freund der Literatur, ein Beförderer des Volksunterrichts und ein offener Gegner des Pfaffenthums und des Unwesens der geheimen Polizei“, seinem Sohne geben ließ, bedarf keiner Auseinandersetzung. Ungewöhnliche Talente und andauernder Fleiß gesellten sich fördernd zu der eingeschlagenen Richtung. Kaum 20 Jahre alt, vermälte sich Graf Franz (6. Jänner 1810) mit Julie Gräfin Grundemann, einer Familie angehörig, die sich der besonderen Huld der Kaiserin Maria Ludovica von Este, dritten Gemalin des Kaisers Franz I., erfreute. Der Graf trat in den Staatsdienst, [400] wurde 1815 Gubernialrath in Brünn, wo er seine sinnvollen Arbeiten für das Landesbauwesen und rationelle Landwirthschaft begann, letztere nicht ohne fördernde Mitwirkung des als Berg- und Hüttenmannes und als großartig experimentirenden Oekonomen hoch verdienten Grafen Salm. Im Jahre 1819 wurde Graf Franz Hofrath und Referent der politischen Hofkanzlei und 1825 Gouverneur von Innerösterreich. Mitten unter den Umtrieben einer Partei der Intoleranz und Verfinsterung wirkte der Graf im Geiste edler und wohlthätiger Mäßigung, in seinen Maßnahmen wesentlich gefördert durch Erzherzog Johann, der, was zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse und zur Belebung der gesunkenen Erwerbszweige der schönen Steiermark und Unterkärnthens beitrug, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln unterstützte. Auch in dieser Stellung hatte Graf Franz es mit einem mächtigen Gegner zu thun, mit dem Gratzer Bischof Roman Zängerle, der, wie es die Umstände erheischten, offen und heimlich dem segensvollen Wirken des Grafen entgegentrat. Doch des Grafen durchdachte Verfügungen, gekrönt von dem sichtbar zunehmenden Wohlstande im Lande und den Beweisen allseitiger Zufriedenheit der Bewohner mit der Regierung, vereitelten alle Umtriebe dieser mächtigen und energischen Gegenpartei. Nach dem Tode des Grafen Straßoldo wurde ihm, 1. Juli 1830[WS 1], das Gouvernement in Mailand übertragen. Es war dieß, obgleich die Militärgewalt nicht mehr in den Händen des Statthalters sich befand, und durch die Gegenwart des Vicekönigs auch die administrative Bedeutenheit gesunken war, der wichtigste und schwierigste Posten im Kaiserstaate. In seine Zeit fiel, 1838, die Krönung des Kaisers Ferdinand zum Könige des lombardisch-venetianischen Königreiches, welcher festliche Act mit großer Pracht begangen wurde. Der Graf bekleidete diesen Posten durch volle zehn Jahre, bis er im Jahre 1840 in die Hauptstadt berufen wurde, wo er als Staats- und Conferenzminister und als Sectionschef der inneren Angelegenheiten eine energische und erfolgreiche Thätigkeit entfaltete und von der öffentlichen Meinung als der dereinstige Nachfolger des Grafen von Kolowrat bezeichnet wurde. Für den Geist seiner Verwaltung in Mailand gibt das achtungsvolle Andenken, in welchem sein Name bei allen Parteien Italiens steht, den entsprechendsten Beleg. Ja als im Jahre 1848 die Revolution in Mailand ausbrach, gab es keinen populäreren Namen als den des Grafen Hartig, und alle Hoffnungen auf einen friedlichen Ausgleich waren auf ihn gesetzt. Der Graf wurde auch zum kaiserlichen Commissär mit unumschränkter Vollmacht ernannt und richtete am 17. April eine versöhnende Proclamation an die mailändische Bevölkerung. Aber es war bereits zu spät, die Revolution im vollen Zuge, und Mitte Juli legte der Graf seine Mission nieder. Bald darnach erschien das Werk: „Genesis der Revolution in Oesterreich im Jahre 1848“ (Leipzig 1851, Fleischer, 3. Aufl. mit vielen Zusätzen, 8°.), welches in den betheiligten Kreisen großes Aufsehen erregte und als dessen Verfasser, nach Anderen als Urheber, der Graf bezeichnet wurde. In den letzten Jahren zog sich der Graf von den Staatsgeschäften zurück, bis ihn das Vertrauen seines Monarchen wieder berief, als die sich immer verwickelter gestaltenden Verhältnisse im Innern des Kaiserstaates, die Berufung des verstärkten Reichsrathes (mit Allerhöchstem Handschreiben vom 29. April 1860) nothwendig machten. [401] Unter den 9 lebenslänglichen Mitgliedern der außerordentlichen Reichsräthe befand sich auch der Graf H., welcher in den Versammlungen derselben eine hervorragende Rolle spielte, und wie er einerseits durch seine reiche Erfahrung, seinen praktischen, stets auf das Nächste, Ausführbare und Nothwendige gerichteten Blick erfolgreich wirkte, so auch durch seinen Geist edler und bewußter Mäßigung wesentlich dazu beitrug, die widerstrebenden Elemente zu versöhnen und jene Dissonanzen zu mildern, die bei dieser ersten, den Vertretern des Kaiserstaates sich auszusprechen gebotenen Gelegenheit sich vernehmen lassen mußten. Es ging keine wichtige Frage vorüber, in welcher nicht Graf Hartig in einer die Beschlußfassung entweder fördernden oder modificirenden oder auch ganz berichtigenden Weise gesprochen hätte. In den Quellen sind die Anlässe, bei denen Graf Hartig gesprochen, namhaft gemacht. Als später durch das Allerhöchste Diplom vom 20. October 1860 und das Allerhöchste Patent vom 28. Februar 1861 die Bildung eines Reichsrathes mit einem Herren- und Abgeordnetenhause erfolgte, wurde Graf H. mit Handschreiben vom 18. April 1861 in das Herrenhaus des Reichsrathes als Mitglied auf Lebensdauer berufen.[BN 2] Die großen und vielfältigen Verdienste des Grafen hat sein Monarch durch Verleihung des Großkreuzes des Leopold-Ordens und der ersten Classe des Ordens der eisernen Krone belohnt; viele gelehrten und Kunstakademien, als z. B. jene der bildenden Künste in Mailand, die Atheneen von Brescia und Bergamo, die Landwirthschaftsgesellschaften von Wien, Steiermark, Krain, Mähren und Schlesien, von Böhmen, die der patriotischen Kunstfreunde in Prag, die philharmonische Gesellschaft und das königl. böhmische Museum ebenda u. m. A., haben sich und den Grafen durch seine Aufnahme unter ihre Mitglieder geehrt. Der Graf, gegenwärtig im Alter von 72 Jahren stehend, ist mit ungebeugter geistiger und physischer Kraft im Interesse des Staates, der leider über nicht zu viele ihm ebenbürtige Kräfte zu gebieten hat, thätig.

Oesterreich und seine Staatsmänner (Leipzig 1844, Reclam jun.) Bd. II, S. 65. – Rittersberg, Kapesní slovníček (Prag 1850, 16°.) Bd. I, S. 579. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 516, und Bd. VI, Supplement, S. 472. – Muoni (Damiano), Collezione ď autografi, di famiglie sovrani, celebrità politiche, militari, ecclesiastiche, scientifiche, letterarie ed artistiche ecc. di alcuni stati italiani. Governatori, luogotenenti e capitani generali dello stato di Milano dall’anno 1499 all’anno 1848 (Milano 1859, Franc. Colombo, Lex. 8°.) S. 104. – Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur. In 4 Bänden (Leipzig 1833, F. A. Brockhaus, gr. 8°.) Bd. II, S. 359. – Tagespost (Gratzer Journal) 1861, Nr. 137, Beilage: „Skizzen aus dem Herrenhause“. – Verhandlungen des österreichischen verstärkten Reichsrathes 1860. Nach den stenographischen Berichten (Wien 1860, Manz, kl. 8°.) S. 387.[BN 3] – Der Graf war eines der hervorragendsten Mitglieder des verstärkten Reichsrathes, in jeder der vielen brennenden Fragen, welche in demselben verhandelt wurden, gab er sein wohlmotivirtes Gutachten ab; aus allen seinen Anträgen und der Art wie er sie einbrachte und begründete, leuchtet der versöhnende Geist wohlthuender Mäßigung, imponirender Sachkenntniß und eindringlicher Klarheit. Da seine Ansichten und Aussprüche als die Ergebnisse des wahren vielerfahrenen Staatsmannes unter allen Umständen ihre Wichtigkeit behaupten, lasse ich hier mit Hinweis auf die im Manz’schen Verlage erschienene Handausgabe, der „Verhandlungen des österreichischen verstärkten Reichsrathes[WS 2] 1860“ (Wien 1860, kl. 8°.) dieselben in alphabetischer Reihe folgen: Ueber Administrativjustiz, Bd. I, S. 144; – über Administrativreformen, I, 220; – über den Austritt des Grafen Barkóczy, I, 119; – über Bergwesen, I, 690; – über das bezirksärztliche Personale in Wien, I, 236; – über [402] die Biersteuer, I, 570; – über Borelli’s Antrag, ein Organ zur obersten Controle der Administrativgewalt zu gründen. I, 138; – über die Branntweinsteuer, I, 519, 522; – über die Central-Seebehörde, I, 409; – über die Comitébildung, I, 35, 39; – über das Concordat, I, 480; – über die Stellung der Confessionen, I, 178, 185; – über Controlsbehörden, I, 140; – über Behebung des Deficit, I, 713, 752; – über die Finanzprocuraturen, I, 396; – über Förstereien, I, 286; – über die Gensd’armerie. I, 241; – über die geologische Reichsanstalt, I, 295; – über die Berathung der Grundbuchsordnung, I, 73, 78; – über die Grundsteuer, I, 427, 457, 459, 483; – über den Grundsteuer-Kataster, I, 399; – über den Voranschlag für den Hofstaat, I, 131; – über Subventionirung einzelner Kronländer, I, 272, 279, 280, 282; – über Landesbehörden, I, 330; – über Militärverwaltung und Militär-Bildungsanstalten, I, 207; – über Verwendung des Militärs zu öffentlichen Arbeiten, I, 210, 213; – über die Presse, II, 12; – über die Reichsorganisation, II, 190, 223, 361; – über das Salzgefälle, I, 605; – über die Tabakfabriken in Dalmatien, I, 625, 626; – über den Urkundenstempel, I, 662, 671.

Berichtigungen und Nachträge

  1. Hartig, Franz Graf von [s. d. Bd. VII, S. 399, und Bd. XI, S. 424], gestorben zu Wien 11. Jänner 1865. In allen Schichten der Gesellschaft erweckte das Hinscheiden des greisen Staatsmannes, der die Idee eines großen gemeinsamen Oesterreich lebendig in sich trug und geistig stark genug war, sie zu verwirklichen, die tiefste Theilnahme. Der erste General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers richtete an dessen älteren Sohn im Allerh. Auftrage ein Schreiben, womit demselben das antheilvollste Bedauern über das Hinscheiden seines, um den Thron und den Staat hochverdienten Vaters ausgedrückt wird. – Noch in seinem Testamente findet sich ein Zeugniß für die Unantastbarkeit dieses in seiner Weise einzig dastehenden politischen Charakters. Der Zug ist zu eigenthümlich und zu sehr diesen Staatsmann charakterisirend, um hier nicht angeführt zu werden. Die Stelle im Testamente lautet: „Ich vermache der k. k. Staats- und Centralcasse zu Wien den Betrag von Eintausend Gulden aus dem Grunde, weil ich den mit der Verzollung von Kleinigkeiten bei dem Eintritte aus dem Auslande in die österreichischen Länder verbundenen Plagen und Schreibereien durch Nichtanmeldung solcher Kleinigkeiten auszuweichen pflegte, es aber nicht in meiner Absicht liegt, das Staatseinkommen zu schmälern, sondern solches vielmehr durch gegenwärtiges, den nicht entrichteten Zoll ohne Zweifel übersteigendes Legat zu erhöhen“. In Folge des Hinscheidens seines Vaters hat Edmund Graf Hartig dem Ministerium des Aeußern angezeigt, daß er auf sein Wartegeld, welches er als ehemaliger Gesandter in einem Betrage von 6000 fl. jährlich bezogen, nun, da er durch diesen [469] Todesfall Majoratsherr geworden, verzichte.
    Czoernig (Carl Freiherr von), Biographische Skizze des Grafen Franz von Hartig, k. k. Kämmerers, wirkl. geheimen Rathes, Staats- und Conferenzministers etc. (Wien 1865, 8°.) [Abdruck des Nekrologes in der Augsburger Allgemeinen Zeitung 1865, Nr. 28, 29 u. 30.] – Franz Graf Hartig (Prag 1865, k. k. Hofbuchdruckerei von Gottlieb Haase, 8°.) [gibt Nachricht über die Feierlichkeit der Beisetzung der Leiche in der Familiengruft zu Wartenberg und Auszüge aus den Nekrologen der Wiener Journale, von denen die meisten nur Variationen der in meinem Lexikon enthaltenen Lebensskizze – ohne Quellenangabe – waren]. – Wiener Zeitung 1865, Nr. 14, S. 188. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 12 [Abdruck der Lebensskizze meines Lexikons ohne Quellenangabe). – Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 12 u. 15. [Band 14, S. 468 f.]
  2. E Hartig, Franz Graf von [s. d. Bd. VII, S. 399]. Mitglied auf Lebensdauer des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes, trat H. in der Herrenhaus-Sitzung vom 12. Februar 1864 der Einzige der von den Reichsräthen Cardinal Rauscher und Leo Grafen Thun entwickelten Ansicht: der Reichsrath habe die auswärtigen Angelegenheiten nicht in seine Discussion zu ziehen, entschieden entgegen, und legte seinem Votum folgenden Gedankengang zu Grunde: „daß, wenn die Regierung dem Reichsrathe Finanzfragen vorlegt, die mit der auswärtigen Politik zusammenhängen, derselbe sich nicht bloß in die Erwägung der Ziffern, sondern auch in die Motive einlassen muß, welche diese Frage hervorgerufen haben“. Und er fragt, wozu dieser große kostspielige Apparat des Reichsrathes bestände, würde man sich bloß auf die Ziffer beschränken.
    Stenographische Berichte der Sitzungen des Herrenhauses, 2. Session, Sitzung vom 12. Februar 1864, S. 636 u. f. [Band 11, S. 424]
  3. E Hartig, Franz Graf von [Bd. VII, S. 399; Bd. XI, S. 424; Bd. XIV, S. 468].
    Hoffinger (J. Ritt. v.), Oesterreichische Ehrenhalle (Wien, Anton Schweiger u. Comp., Lex. 8°.) III. 1865, S. 23–29 [auch im Volks- und Wirthschafts-Kalender für 1867]. – Bohemia (Prager polit. u. Unterhaltungsblatt, 4°.) 1865, Nr. 12, S. 122; – dieselbe Nr. 17, S. 182: „Ueber die gräfliche Familie Hartig“. [Band 28, S. 346]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1836.
  2. Vorlage: Reichrathes.