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Die öffentlichen Kredite

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Autor: Otto Schwarz
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Titel: Die öffentlichen Kredite
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Zweiter Band: Die Aufgaben der Politik, Achtes Hauptstück: Die öffentlichen Lasten und Schulden, B. Die Kredite, 41. Abschnitt, S. 143−161
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[143]
B. Die Kredite.




41. Abschnitt.


Die öffentlichen Kredite.
Vom
Wirklichen Geheimen Oberfinanzrat Dr. Otto Schwarz,
Vortragenden Rat im Preussischen Finanzministerium, Berlin.

Literatur:

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Ausser den allgemeinen finanzwissenschaftlichen Werken (Lehrbüchern):
Nebenius, Der öffentliche Kredit, Karlsruhe 1820 (2. Aufl. 1829).
Dietzel, System der Staatsanleihen, Heidelberg 1855.
E. Richter, Das preussische Staatsschuldenwesen etc., Berlin 1869.
Sattler, Die Schulden des Pr. Staats von 1870–1890.
Schwarz & Strutz, Staatshaushalt Bd. III., Berlin 1904.
O. Schwarz, Staatsschuldentilgung der grösseren europäischen und deutschen Staaten, Berlin 1897.
Denkschrift zur Reichsfinanzreform Bd. I u. H.
Ferner die Artikel „Staatsschulden“ und „Gemeindeschulden“ in den verschiedenen Wörterbüchern.
Über Gemeindeschulden s. ferner noch:
Kähler, Die preussischen Kommunalanleihen 1897;
Jastrow, Der städtische Anleihemarkt und seine Organisation in Deutschland. Jahrb. N. Oek. 1900, 20 Bd. S. 289.
Derselbe, Kommunale Anleihen, 1900.
Heinle, Zur Reform des Gem. Finanzwesens 1905.
v. Kaufmann, Die Kommunalfinanzen 1900.
Bankarchiv 1905/06, Art. von Hatschet und Freund, S. 103, 115 und 185, sowie Silbergleit 217;
Plate, Munizipalsozialismus und städtisches Anleihewesen in England, Jahrb. G. Verw. V. W. 1906. S. 471, 1109.
Klose, Die Finanzpolitik der preussischen Grossstädte 1907;
Freund, Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Anleihen 1907;
Koch, Die städtische Anleihen- und Bankpolitik in Wuttke, Die deutschen Städte 1904 1, 690.
Rosenbusch, Die Organisation des Kommunalkredits 1908.
Gayl, Städtische Finanzpolitik, Verw. Arch. 13, 33 ff.
Most, Die Schuldenwirtschaft der deutsehen Städte (1909) und die dort angezogene Literatur.
Silbergleit, Preussens Städte 1908.
Kutzer, Zur Organisation des Kredits der deutschen Städte, Schriften des Vereins für Sozialpolitik 126, Bd. I S. 163 ff.
Schäfer, Die Befriedigung des Kreditbedürfnisses der grösseren deutschen Städte 19o6–1909, 1909.
Die Artikel „Landschaften“, „Landeskulturrentenbanken“ von Hermes, „Landeskreditkassen“ von Hermes & Schulte im Handwörterbuch der Staatswissenschaften.
Dr. Zurhorst, Organisation des ländl. Bodenkredits in Deutschland. Zeitschr. f. d. ges. Staatsw., Tübingen 1912.
Weyermann, Geschichte des Inneren Kreditwesens, Karlsruhe 1911.
S. auch die zu Abschnitt 42 angegebene Literatur.

A. Einleitung.

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Den Begriff „Öffentlichen Kredit“ kann man in zweifachem Sinne verstehen, je nachdem man von dem kreditsuchenden Subjekt ausgeht oder – unter Absehen von der kreditsuchenden Persönlichkeit – auf die Form blickt, in welcher der Kredit begehrt wird. In ersterem Sinne handelt es sich um den Kredit aller öffentlichen Körperschaften, also des Reiches, der Bundesstaaten, der Gemeinden und anderer öffentlich-rechtlicher Korporationen. Im zweitgedachten Sinne würde der Kredit von Industriegesellschaften, Hypothekenbanken, also privater Institute dann als öffentlicher Kredit zu bezeichnen sein, wenn er in öffentlicher Form, auf dem allgemeinen Geldmarkt, also bei Jedem, der gewisse öffentlich bekannt gemachte Bedingungen erfüllen will, nachgesucht wird. Für uns kommt hier nur der Kredit der öffentlichen Körperschaften (Wirtschaften) in Betracht.

Ein irgend erhebliches Kreditbedürfnis öffentlicher Wirtschaften setzt ein politisch und wirtschaftlich schon vorgeschritteneres Staats- oder Gemeindewesen voraus. Nur dann, wenn die Organisation, Ordnung und Wohlhabenheit einer öffentlichen Körperschaft und ihrer Glieder den Gläubigern [144] die Sicherheit des Kapitals und regelmässiger Zins- und Tilgungszahlung gewährleistet, werden sie bereit sein, den verlangten Kredit zu gewähren. Solange die Fürsten der älteren und mittelalterlichen Zeit nicht ein fest fundiertes, geordnetes Staatswesen hinter sich hatten und mehr auf Erträge ihres Domaniums als auf Steuern angewiesen waren, war eine Schuldaufnahme für sie ausserordentlich erschwert. Ursprünglich Kleinodien, Edelsteine, später die Domäneneinkünfte, die Regalien gewisser Länderstriche und sogar – entsprechend der damaligen lehens- und privatrechtlichen Rechtsauffassung vom Staat und Staatsgebiet – dieses letztere selbst mussten verpfändet werden. Viele Territorialveränderungen im Mittelalter sind darauf zurückzuführen, dass solche Pfänder schliesslich nicht eingelöst werden konnten. Dabei waren es meist einzelne wenige Gläubiger, mit denen paktiert wurde, Fürsten, reiche Kaufleute und Bankiers. Die Vertragsform war eine privatrechtliche.

Unter diesen Umständen ist es nicht zu verwundern, dass wir die ersten Vorbilder heutigen öffentlichen Schuldenwesens früher im Städte- als im Staatswesen vorfinden. Vor allem sind es die geschlossenen italienischen Städteorganismen des Mittelalters, die zuerst eine so wirtschaftlich erstarkte Bevölkerung, eine so gute und straffe Organisation für ihr Herrschaftsgebiet zeigten, dass sie öffentlich zur Gewährung von Darlehen an die Regierung auffordern, Städteobligationen im heutigen Sinne ausgeben und auch bereits Stadtschuldbücher entrichten konnten. In der Hansazeit sind dann die grösseren deutschen Handelsstädte ihrem Beispiele gefolgt.

Was die Schulden der deutschen Fürsten und Territorialherren anbelangt, so unterschied man hier zunächst von den reinen Privatschulden die sog. Kammerschulden, welche letzteren von dem Regierungsnachfolger anerkannt werden mussten, weil sie, wenn auch nur vom Landesherrn, nicht von den Ständen, doch im Interesse der Regierungsgewalt und damit des Landes gemacht wurden. Einen weiteren Schritt stellten die Landesschulden dar, Schulden, die, ursprünglich Kammerschulden, von den Landständen als Landesschulden übernommen oder von ihnen ganz neu aufgenommen waren und aus ihren Steuerkassen verzinst und getilgt wurden, während für die Kammerschulden die landesherrliche oder Hofkasse zu haften und zu sorgen hatte.

Die absolute Monarchie, wie sie sich später in Preussen und anderwärts ausbildete, räumte wie mit dem Unterschiede von Kammer- und Landesgut auch mit dem von Kammer- und Landesschulden auf. Anleihen, die der König als Oberhaupt des Landes machte, wurden ohne weiteres Staatsschulden. Aber – zu einem Appell an den öffentlichen Geldmarkt gelangte man damit immer noch nicht. Zunächst war noch die Form der Anleiheaufnahme auf Grund privatrechtlicher Verträge mit einzelnen Bankiers, oft des Auslandes, mit kurzfristigen Rückzahlungsbedingungen usw. massgebend. Erst allmählich ging man zu Inhaberobligationen, Staatsschuldscheinen über.

Zu einer ausgedehnteren Anwendung dieser neuen Schuldform der Staatsanleihen unter Anrufung des in- und ausländischen Geldmarktes konnten erst folgende Umstände führen: Einmal die Veröffentlichung des Staatshaushaltsetats, die der Allgemeinheit einen Einblick in die staatliche Finanzgebarung eröffnete (in Preussen, wenn auch in beschränktem Masse, seit 1820), ferner die Einführung des Verfassungsstaates, welcher der Vertretung des Volkes das Recht gewährte, zur Aufnahme von Anleihen und zur Bereitstellung der zur Verzinsung und Tilgung erforderlichen Mittel im Steuerwege seine Zustimmung zu erteilen und damit die Haftung des ganzen Landes für die Landesschuld ausdrücklich anzuerkennen, endlich in letzter Linie der enorme wirtschaftliche Aufschwung, welcher seit dem 19. Jahrhundert in den grossen Kulturstaaten des Kontinents genug Kapitalisten erstehen liess, die ihre überflüssigen Mittel in Staatspapieren anlegen konnten.

Die damit eingeleitete Staatsschuldenperiode seit Beginn und Mitte des 19. Jahrhunderts weist im einzelnen wichtige Entwickelungsphasen auf. Anfänglich machte die Sicherheit der Gläubiger sowohl die Verpfändung gewisser Staatsgüter und Staatseinnahmen, wie die vertragliche Verpflichtung des Staats zur Rückzahlung des geliehenen Kapitals notwendig, bis später als einzige Sicherung der Gläubiger, selbst bei Anleihen für bestimmte Sonderzwecke, wie für produktive Anlagen (Eisenbahnen), lediglich die moralische Verpflichtung eines Staates, der gute Wille und die Fähigkeit der Regierung, ihre Obliegenheiten zu erfüllen, von den Gläubigern als genügende Sicherheit anerkannt und von diesen sogar [145] schliesslich auf das Recht auf allmähliche, ja auf Rückzahlung des Schuldkapitals überhaupt, verzichtet und lediglich die ordnungsmässige Verzinsung des angeliehenen Kapitals als ausreichend angesehen wurde.

Durch die grossen Vorteile, welche der öffentliche Kredit dem Staatswesen gebracht hat, wurden in neuerer Zeit mehr und mehr auch andere, dem Staat untergeordnete Gemeinwesen auf die Betretung dieses Weges bei Erfüllung ihrer Aufgaben hingewiesen. Vor allem waren es die grossen Bevölkerungszentren, die sich im Verein mit den und infolge der politischen Freiheiten, der Verkehrserleichterungen, der zunehmenden Industrialisierung und Handelstätigkeit des Volkes gebildet haben, die grossen Städte, welche im Laufe der letzten Dezennien in ausserordentlichem Masse den öffentlichen Kredit benutzt haben, um Bedingungen und Voraussetzungen für Gesundheit und kulturellen Fortschritt ihrer Bürger zu schaffen, Massnahmen, die nur grösste Bewunderung hervorrufen können. Die Inanspruchnahme des öffentl. Kredits dieser Körperschaften nimmt gegenwärtig bereits in einer Weise zu, dass bei gleichem Fortschreiten die Zeit nicht fern sein wird, wo der Jahreszuwachs an Gemeindeschulden denjenigen an Reichs- und Staatsschulden überflügeln wird.

Andere, dem Staate untergeordnete Verbände, wie grössere Kommunalverbände, sodann aber auch Kirchen- und Schulverbände, Handelskammern, Innungen usw. haben, wenn auch vorläufig noch in bescheidenerem Masse, sich ebenfalls den öffentlichen Kredit zu Nutze gemacht.

Eine bedeutsame Rolle spielt der öffentliche Kredit ferner schon seit Mitte des vor. Jahrhunderts auf dem Gebiete der Förderung des landwirtschaften Personal- und Meliorationskredits, sowie des ländlichen und städtischen Boden(Gebäude-)kredits. Hier haben sich mit staatlicher und kommunaler Unterstützung gemeinnützige Kreditunternehmungen gebildet, die auf diesem Tätigkeitsgebiete ganz Hervorragendes geleistet haben, noch leisten und vielfach bahnbrechend gewesen sind für private Institute, die sich später in ausgedehntestem Masse ähnlichen Zwecken widmeten (Hypothekenbanken). Ausführlicheres über diese Institute ebenfalls in der ersten Aufl. 184 ff.

Bevor wir in die Erörterung der einzelnen Arten von öffentlichen Krediten eingehen, müssen wir uns die Verschiedenheiten und Unterschiede zwischen öffentl. und Privatkredit kurz vergegenwärtigen.

Die allgemeinen Grundbegriffe und Elemente des Kredits und Kreditwesens gelten ebenso für den öffentlichen wie den Privatkredit. Aus der verschiedenen Natur und den verschiedenen Aufgaben der öffentlichen Wirtschaft einerseits und des Privathaushalts andererseits folgt indess notwendig eine Anzahl recht wesentlicher Unterschiede zwischen öffentlichem und privatem Kredit. Die Staats- wie Gemeindewirtschaft ist nicht wie die Einzelwirtschaft auf Erwerb an sich, als Selbstzweck, sondern auf Durchführung gemeinsamer Ausgaben und Beschaffung der Mittel zu dieser Durchführung gerichtet. Der öffentliche Kredit ist daher überwiegend Konsumtiv-, der private überwiegend Produktiv- oder Geschäftskredit. Erst in neuerer Zeit, wo Staat und Gemeinde vielfach Geschäfte und Gewerbe nach Art privater Unternehmungen betreiben, (Eisenbahnen, Bergwerke, Gas- und Elektrizitätswerke u. s. f.), deren Anlage- und Betriebskapitalien aus Mitteln des Kredits beschafft werden müssen, nimmt auch der Produktivkredit im öffentl. Kredit eine grössere Rolle ein. Aber auch in diesen Fällen soll die aus dem Produktivunternehmen gewonnene Rente nicht zur blossen Vermögensvermehrung, sondern zur Verminderung der allgemeinen Steuerlasten dienen. Andererseits muss da, wo ein solches Unternehmen unrentabel wird oder mit Defizit arbeitet, der Steuerzahler helfend eintreten, um die erforderliche Zins- und Tilgungslast zu decken. Die Sicherheit des Gläubigers besteht daher beim öffentlichen Kredit in letzter Linie nicht wie beim Privatkredit in der Rentabilität des Unternehmens, sondern in der Zahlungskraft und Leistungsfähigkeit der Steuerzahler. Daneben liegen nicht unwesentliche Garantien für den Gläubiger in der Qualität der verwaltungsführenden Beamten und in den öffentlichen Kontrollen der Verwaltung.

Weitere Unterschiede zwischen öffentlichem und Privatkredit folgen aus dem Umstande, dass Staat und Gemeinden „ewige“ Wesen sind, deren Bestand begrifflich ein dauernder ist, weshalb [146] aus der Natur des Schuldners heraus der Gläubiger von seinem Standpunkte aus im Gegensatze zum privaten Kredit auf eine Rückzahlung in bestimmter Zeit verzichten oder doch die Rückzahlung ziemlich lange hinausschieben kann. Die Aufgaben, welche den öffentlichen Wirtschaften obliegen, machen ferner für diese in weit überwiegendem Masse langfristigen Kredit erforderlich, während bei dem privaten Geschäftsmann oft der kurzfristige Kredit eine weitaus grössere Rolle spielt.

Endlich fordert die mit der Grösse der öffentlichen Ausgaben zusammenhängende Höhe der Anleihesummen, die beim öffentl. Kredit in Frage kommen, dass die Form der Anleiheaufnahme (Namens- und Inhaberobligation, Schuldbuch), von der im Privatleben üblichen Form der Schuldaufnahme (Darlehen) erheblich abweicht. Erst seitdem in neuerer Zeit in der Volkswirtschaft die Gesellschafts- und Genossenschaftsbildung immer mehr überhand genommen hat, hat die von öffentl. Kreditinstituten geschaffene Form der Namens- und Inhaberobligationen auch im privaten Wirtschafts- und Kreditleben einen immer wachsenden Eingang gefunden (Industrieobligationen, Pfandbriefe usw.)

B. Staatliches Kreditwesen.

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Entsprechend der Bedeutung und den Aufgaben des Staates spielt das staatl. Kreditwesen unter allen Arten des öffentlichen Kredits die weitaus bedeutendste und zugleich führende Rolle.

Die starke Rückwirkung, welche die Aufnahme staatlicher Kredite für den lebenden und zukünftigen Steuerzahler ausübt oder doch ausüben kann, lässt es fast als selbstverständlich erscheinen, dass im konstitutionellen Staat die Ermächtigung zur Aufnahme von Staatskredit nur durch Gesetz geschehen kann (R. V. Art. 73 Pr. V. U. Art. 103, Bayerische V. U. v. 26. Mai 1818, Tit. VII, §§ 11–13 usw.).[1] Und nicht minder einleuchtend ist, dass die Vorbereitung und Ausführung der Kreditgesetze, auch wenn andere Ressorts der Kredite bedürfen, dem Finanzchef obliegt, der für die Übereinstimmung von Einnahmen und Ausgaben im staatlichen Haushalt zu sorgen hat. Er ist zugleich derjenige Minister, der über Art und Form der Kreditaufnahme regelmässig Entscheidung zu treffen hat.

Als hauptsächlichste Arten des Staatskredits hat man zu unterscheiden Staatspapiergeld, schwebende Schulden und feste oder fundierte Schulden.

1. Staatspapiergeld.

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Staatliches Papiergeld spielt heute im Deutschen Reiche nur noch eine untergeordnete Rolle.

Durch das R. Ges. v. 30. April 1874 (Rgbl. S. 40) wurden an Stelle der verschiedenen Staatspapiergeldarten, welche binnen einer bestimmten Frist aufzurufen und schnellstens einzuziehen waren, 120 Mill. unverzinsliche Reichskassenscheine geschaffen, eine Summe, welche dem im Juliusturm zu Spandau liegenden baren Reichskriegsschatze genau entsprach, aber nicht etwa auf derselben radiziert war.

Diese 1874 ausgegebenen Reichskassenscheine wurden unter die Bundesstaaten nach dem Massstabe ihrer durch die Zählung vom 1. Dezember 1871 festgestellten Bevölkerung verteilt. Doch durften die Bundesstaaten die Reichskassenscheine nur in dem Masse ausgeben, als sie ihr eigenes Papiergeld einzogen.[2]

Hinsichtlich der Natur dieser Reichskassenscheine ist daran festzuhalten, dass sie kein eigentliches Papiergeld darstellen. Sie sind der Kategorie des uneigentlichen Papiergeldes [147] zuzuzählen, da sie uneinlösbar sind und ein Zwang zu ihrer Annahme im Privatverkehr nicht stattfindet. Dagegen werden sie (§ 5 aaO) bei allen Kassen des Reichs und sämtlicher Bundesstaaten nach ihrem Nennwerte in Zahlung angenommen (Steuerfundation) und von der Reichshauptkasse für Rechnung des Reichs jederzeit auf Erfordern gegen baares Geld eingelöst. Auch gelten sie als Teil des Barvorrats im Sinne des § 17 des Reichsbankgesetzes vom 14. März 1875. (R.G.Bl. S. 177).

Sie wurden ursprünglich in Höhe von 5, 20 und 50 Mark ausgegeben.[3] Durch Ges. v. 5. Juni 1906 (R.G.Bl. S. 730) wurden sodann, um den durch Gesetz v. 20. 2. 1906 (R.G.Bl. S. 318) neu geschaffenen kleinen Banknoten von 20 und 50 Mark keine Konkurrenz zu bereiten, an Stelle der alten Reichskassenscheine neue Scheine zu 5 und 10 Mark ausgegeben (nach Bundesratsbeschluss v. 28. 6. 1906 30 Mill. M. 5 M.- und 90 Mill. M. 10 M.-Scheine).

Neuerdings findet auf Grund des Reichsgesetzes v. 3. 7. 1913 eine Vermehrung der Reichskassenscheine um 120 Mill. M. statt. Bisher ist indessen nur ein Teil dieser Scheine ausgegeben. Gegenwärtig (Dez. 1912) sind im Umlauf: 5 M.-Scheine: 41,5 Mill., 10 M.-Scheine: 150,9 Mill., 20 M.-Scheine: 0,7 Mill., 50 M.-Scheine: 0,9 Mill. Zus. 195 Mill. M. Das Staatspapiergeld wird voraussichtlich erst im Falle eines Krieges wieder eine Rolle zu spielen haben (sog. Darlehnskassenschein-Ges. v. 21. 7. 1870).

2. Schwebende Staatsschulden.

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Die Schwebenden Schulden beruhen auf dem Gedanken und der praktischen Erfahrung, dass in einem grossen Finanzwesen vielfach die Eingänge der im Budget vorgesehenen Einnahmen später erfolgen, als die daraus zu deckenden Ausgaben notwendig werden, und dass die Betriebsfonds der Kassen (eiserne Bestände) zu grosse Summen und damit einen zu grossen Zinsverlust verursachen würden, wenn man lediglich aus ihnen den notwendigen zeitlichen Ausgleich herbeiführen wollte. Daraus geht zugleich hervor, welche grosse Bedeutung eine einheitliche wohlgeleitete Kassenverwaltung, ein möglichst viel Bargeld sparender Zahlungsverkehr indirekt auf die Niedrighaltung der schwebenden Schuld ausüben kann. Das vollkommenste System stellt, unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, das englische und belgische dar, wo die Nationalbank zugleich als Staatskasse fungiert, wo alle Staatseinnahmen von dieser vereinnahmt, alle Ausgaben von ihr geleistet werden. Bei uns im Reiche ist die Reichshauptkasse zwar auch nur eine besondere Buchhalterei der Reichsbank. Doch bestehen daneben noch eine Anzahl Sonderkassen, deren Kassenfonds nicht durch die Bücher und Kassen der Reichsbank gehen, sondern die nur von den Reichshauptkassen nach Bedarf mit Geldmitteln ausgestattet werden und ihre Überschüsse an sie abführen (Generalmilitärkasse, Legationskasse usw.).

Infolge des Bedarfs dieser von der Reichshauptkasse zu versorgenden Sonderkassen und auch für die Zwecke etwaiger Vorschüsse an die Landeskassen für die von ihnen auf Rechnung des Reichs geführten Verwaltungen sind heute immer noch Betriebsfonds (Eiserne Bestände) in Höhe von 132,6 Mill. M. (Ende 1911) in den Reichskassen nötig.

Auch in Preussen und den anderen Bundesstaaten sind zwar die Staatskassen meist an die Reichsbank und die Privatnotenbank des betr. Landes, (Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden) angeschlossen. Bei der Vielzahl von Kassen sind aber trotz Durchführung des Prinzips der Kasseneinheit im allgemeinen auch hier noch erhebliche Betriebsfonds erforderlich z. B. in Preussen etwa 140 Mill. M.

All’ diese Betriebsfonds können schon ihrer Natur nach nur für die nötigsten normalen Bedürfnisse der Kassenverwaltung ausreichen.

Sobald dagegen ein ausserordentlicher Bedarf eintritt, wie er z. B. in Reiche hervorgerufen wird durch erforderlich werdende Ausgaben des noch nicht genehmigten ausserordentl. Etats, durch Nachtragsetats, durch eine – in früheren Jahren üblich gewesene – Stundung eines Teiles der nichtgedeckten Matrikularumlagen, Nichtgenehmigung von Steuervorlagen, [148] Vorschusszahlungen der Unfallrenten, welche die Reichspost und die bayerische und württemb. Postverwaltung für Rechnung der Berufsgenossenschaften usw. gesetzlich zu leisten hatten, können die gewöhnlichen Betriebsfonds von vornherein nicht ausreichen. In solchen Fällen muss ergänzend die Aufnahme schwebender Schulden eintreten.[4]

Die hierfür übliche Form ist, soweit das Reich in Frage kommt, die der unverzinslichen Reichsschatzanweisungen. Das sind Anweisungen auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme zu einem bestimmten Termine seitens der Reichshauptkasse. Sie lauten in der Regel auf Beträge von 1000, 10 000, 50 000 oder 100 000 M.

Sie werden in der Regel von der Reichsbank[5] gegen Verrechnung eines Zinses in Höhe des Bankdiskonts diskontiert. Die Reichsbank hat das Recht, diese Schatzanweisungen weiter an andere Banken und Private zu rediskontieren, ein Recht, von dem sie namentlich im Interesse ihrer Diskontpolitik Gebrauch macht, um bei unerwünschter Geldfülle im offenen Markte den Geldmarkt durch Verkauf von Sch. zu verengen, zu versteifen. Der Reichskanzler hat zu bestimmen, wann und in welcher Höhe Sch. ausgegeben werden sollen, wie lange die Umlaufszeit dauern soll u. s. f. Bei den zu vorübergehenden Verstärkungen der ordentl. Betriebsmittel der Reichshauptkasse bestimmten Sch. darf die Umlaufszeit den Zeitraum von 6 Monaten nach Ablauf des betr. Rechnungsjahres nicht überschreiten (§ 7 der Reichsschuldenordng. in der Fassung der Nov. v. 22. 2. 1904).

Der etatsmässig zulässige Höchstbetrag des Umlaufs der Schatzanweisungen zur vorübergehenden Verstärkung des Betriebsfonds der Reichshauptkasse wird alljährlich im Reichsfinanzetatsgesetz festgelegt (§ 1 Abs. 2 der Reichsschuldenordn. v. 19. 3 1900). So wurde diese Höchstsumme für 1877 und 1879 auf 24 Mill., für 1878, 1880–81 auf 40 Mill. festgesetzt. In den Jahren 1882–86 erhöhte man ihn auf 70 Mill., 1887–91 auf 100, von 1892–1901 auf je 175 Mill. Seitdem musste er gewaltig gesteigert werden; er betrug 1902–1904 je 275, 1905–1907 je 350, 1908 475, 1909, dem Jahre der Finanzreform, sogar 600 Mill. M. Erst infolge der Reichsfinanzreform konnte der Höchstsatz wieder 1910 auf 450, 1911 auf weitere 375 Mill. M. ermässigt werden. Seit 1912 ist der Höchstbetrag weiter auf 350 Mill. M. herabgemindert. Diese Zahlenentwicklung gibt jedoch insofern kein ganz vollständiges Bild, als Schatzanweisungen in den Grenzen jener Maximalsummen mehrfach im Jahre begeben werden können.

Der unverzinsliche Schatzanweisungskredit als schwebende Schuld zur Verstärkung der Betriebsfonds ist ausser im Reiche auch in einer Anzahl der grossen Bundesstaaten üblich. In Preussen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Elsass-Lothringen pflegt in den Finanz- und Etatsgesetzen ein Höchstbetrag für Ausgabe kurzfristiger Schatzanweisungen „zur vorübergehenden Verstärkung des Betriebsfonds“ der Staatshauptkasse festgesetzt zu werden.

Rechnet man die Inanspruchnahme des deutschen Geldmarkts durch Schatzanweisungen und sonstige kurzfristige Geldaufnahmen seitens des deutschen Reichs und der Bundesstaaten zusammen, so ergeben sich steigende und namentlich in gewissen Monaten, vor allem in der Winterhälfte oft erhebliche Summen.

Erst in neuerer Zeit hat sich diese Gesamtsumme namentlich infolge geringerer Bedürfnisse des Reiches erheblich vermindert. (Nähere Ziffern in der 1. Aufl. S. 147.)

Der Form nach als schwebende Schulden auftretende, ihrem Wesen nach mehr den festen, fundierten Schulden zuzurechnende Schuldformen sind die verzinslichen (mehrere Jahre laufenden) Schatzanweisungen.

Als sich gegen Ausgang der 90er Jahre der deutsche Anleihemarkt erheblich verschlechterte und die Wirtschaftskrise des Jahres 1900 die Ausgabe 3% Reichsanleihen zu annehmbaren Preisen unmöglich machte, fing man zum ersten Male im Reiche wiederum an, längerfristige aber verzinsliche Schatzanweisungen auszugeben. Man begann zunächst mit Ausgabe, von 80 Mill. [149] 4% Schatzanweisungen, in 4 Serien zu je 20 Mill. M., fällig in 4–5 Jahren, Begebungspreis: 99¼%. Die Begebung erfolgte – was vielen Tadel erfuhr – zur Schonung des einheimischen Marktes in New-York, von wo übrigens bald wieder ein Rückfluss in die Heimat stattfand. Gegenwärtig hat das Reich 200 Mill. derartiger Schatzanweisungen ausgegeben (zu 4%).

Was den Charakter dieser Schatzanweisungen anbetrifft, so werden sie von der Reichsfinanzstatistik den schwebenden Schulden zugerechnet, obgleich sie im letzten Grunde nichts anderes als eine feste langfristige Schuld sind, die nur in kurzfristiger Form aufgenommen wurde. Das sieht man deutlich daran, dass sie bei Verfallzeit meist immer wieder durch Schatzanweisungen eingelöst sind.[6]

Die Ausgabe dieser Schatzanweisungen erfolgt in der Regel gar nicht in der Absicht, aus künftigen Einnahmen wieder eingelöst zu werden, sondern um den in Folge der allgemeinen Wirtschaftslage oder mit Reichs- und Staatsanleihen bereits übersättigten Kapitalmarkt augenblicklich zu schonen. Sie bereiten also vielfach nur neuere weitere feste Anleihen vor.[7]

Die gesetzliche Ermächtigung des Reichsschatzsekretärs zur Wahl dieser Form der Schuldaufnahme für Zwecke, die sonst im Wege von Reichsanleihen gedeckt werden, ergibt sich einmal aus der neueren Fassung der Reichsanleihegesetze, sowie ferner aus einer Vorschrift der Reichsschuldenordnung v. 19. März 1900, § 1, wonach die im Wege des Kredits auf Grund des ausserordentl. Etats zu beschaffende Geldsumme entweder durch Aufnahme einer verzinslichen Anleihe oder durch Ausgabe von Schatzanweisungen zu erfolgen hat. Durch die Nov. v. 22. 2. 1904 wurde dann hinzugefügt, dass diese Ermächtigung zugleich die Befugnis in sich schliesse, Schatzanweisungen durch Ausgabe von neuen Schatzanweisungen und von Schuldverschreibungen in dem erforderlichen Nennbetrag einzulösen.

Preussen ist dem Vorgange des Reiches gefolgt und hat seit 1907 zum ersten Male 200 Mill. 4% bis 1. Juni 1912 laufender Schatzanweisungen ausgegeben, die nicht zur vorübergehenden Verstärkung der Betriebsfonds, sondern zur Begebung von bereits genehmigten Anleihekrediten dienten. Gegenwärtig sind 635 Mill. derartiger Sch. ausgegeben.

C. Feste, fundierte Schulden.

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1. Feste oder fundierte Reichsschuld.[8]

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Die 770 Mill. M. Schulden des Norddeutschen Bundes und die aus Anlass des Krieges aufgenommenen Schulden waren bereits 1873 fast restlos gedeckt. 1875 wurden sie noch mit 45 000 Mark angegeben. Sie sanken bis 1902 dann weiter bis auf 17 700 Mark, welche Ende 1902 verjährt waren.

Die erste Anleihe des neuen Deutschen Reiches wurde 1875[9] zu Marinezwecken bewilligt, aber zunächst nicht begeben, da die Einnahmen aus der Kriegskostenentschädigung noch zur Deckung hinreichten. Erst im Jahre 1877 wurden die ersten Reichsschuldverschreibungen ausgegeben. Es handelte sich dabei um 43 Mill. Reichsanleihe zu 4%, die im Wege der öffentl. Subskription dem Publikum zum Kurse von 94,60% angeboten wurden. Seitdem erhöhte sich [150] die Reichsanleiheschuld von Jahr zu Jahr, jedoch anfänglich in durchaus mässigem Tempo. Anfang 1882 war die fundierte Reichsschuld erst auf annähernd 300 Mill. M. gestiegen, wovon 88 Mill. für Post, Telegr. u. Eisenbahnen und 48 Mill. für Durchführung der Münzreform, also ein erheblicher Teil für sog. produktive Zwecke ausgegeben worden waren. Auch in den nächsten Jahren stieg die Reichsschuld zunächst noch langsam an bis 1886. Seit 1887 aber vermehrte sie sich in weit stärkerem Tempo wie bisher. Und zwar überwogen nunmehr immer mehr die Heeres- und Flottenanleihen gegenüber den produktiven Anleihezwecken. Sehr begünstigt wurde die Schuldenaufnahme durch die Einführung des ausserordentlichen Etats im Reiche, welcher mit dazu verführte,[10] die zur Etatsbalancierung fehlenden ordentlichen Einnahmen durch Anleihen im ausserordentlichen Etat zu ersetzen, indem man Ausgaben, die eigentlich ihrer wirtschaftlichen Natur nach in den ordentlichen Etat gehörten, in den ausserordentl. Etat einstellte. Der Versuch im Jahre 1893/94 u. 1894/95, durch eine Reichsfinanzreform die laufenden Einnahmenquellen des Reiches zu erhöhen, scheiterte leider, und so blieb der Reichsregierung zur Durchführung ihres militärischen und Flottenprogramms kaum anderes übrig, als den ausserordentlichen Etat und das Anleihekonto übermässig zu belasten. Von dieser Zeit an muss man die schleichende Finanzkrankheit datieren, welche über ein Jahrzehnt die Gesundheit der Reichsfinanzen untergrub und schliesslich zu einer akuten Finanzkrise in den Jahren 1906 bis 1909 führte, die durch eine sehr einschneidende Sanierung mittelst der Reichsfinanzreformen von 1906 und 1909 geheilt werden musste. Namentlich in dem Gebiete der Heeres- und Marineverwaltung waren es eine Anzahl von Ausgaben, die ihrer Natur nach keinesfalls eine Deckung aus Anleihe rechtfertigten und die auf Anleihe zu nehmen man in Frankreich und auch in England nicht dachte. So wurden Ausgaben zur Heeresverstärkung, Truppendislokationen, Steigerung der Operations- und Schlagfertigkeit des Heeres, Komplettierung des Waffenmaterials, Torerweiterungsbauten, Garnisoneinrichtungen, Kasernenbauten auf Anleihe übernommen, im Gebiete der Marineverwaltung wurden Armierungskosten durch Anleihe gedeckt usw.

Dadurch steigerten sich die Ziffern der Schuld allmählich bis 1901 auf 2315,6 Millionen Mark.

Erst im Jahre 1901, nachdem sich die Reichsschuld mittlerweile auf 2,3 Milliarden M. erhöht hatte, wurde in dieser Verschuldungsfreudigkeit insofern etwas Wandel geschaffen, als Regierung und Reichstag bestimmte Grundsätze vereinbarten, welche Arten von Ausgaben allein in Zukunft auf Anleihen verwiesen werden sollten. Diese Grundsätze sind enthalten in einer Denkschrift zum Etat 1901. Eine weitere Ausbildung erfuhren sie in einer Denkschrift zum Etat für 1907.

Danach sollen auf die Anleihe nur verwiesen werden:

1. im Bereiche des Reichsamts des Innern: die Kosten der diesem Reichsamt übertragenen Wohnungsfürsorge (Baudarlehen und Geländeerwerb für Erbbauzwecke), ferner etwaige grössere bauliche Änderungen am Kaiser-Wilhelm-Kanal, die schon wegen des erheblichen Aufwandes über den Begriff der laufenden Unterhaltung und der durch die regelmässige Fortentwicklung des Verkehrs bedingten Erweiterung hinausgehen;
2. bei der Heeresverwaltung:
a) die Ausgaben für Festungszwecke,
b) die Kosten für die Vervollständigung des deutschen Eisenbahnnetzes im Interesse der Landesverteidigung;
3. bei der Verwaltung der Kaiserlichen Marine: diejenigen Ausgaben, welche zur Weiterentwicklung der Marine bestimmt sind. Bei den Ausgaben für Schiffsbauten wird der zur Erhaltung des bestehenden Zustandes notwendige Betrag mit 6% vom Schiffbauwerte der Flotte auf ordentliche Mittel, der Mehrbedarf in Gestalt eines Zuschusses des ausserordentlichen Etats auf Anleihe übernommen. Dabei sollen Schiffsbaukosten für die Übernahme auf Anleihe – unter Einbeziehung auf die Schiffsbaugemeinschaft bei den einmaligen Ausgaben des Marine-Etats – nur in Frage kommen, soweit es sich um Schiffe oder Fahrzeuge handelt, welche die Kriegsflagge zu führen berechtigt sind und mit ihren Indiensthaltungskosten demgemäss dem Kapitel 52 des Marine-Etats zur Last fallen. Die Baukosten aller übrigen Fahrzeuge werden auf den ordentlichen Etat verwiesen. Ausgaben für die artilleristische, Torpedo- oder Minenarmierung der Schiffe sind von der Übernahme auf die Anleihe ausgeschlossen;

[151]

4. bei der Post- und Telegraphenverwaltung:
a) die Ausgaben zur Erwerbung von Telegraphenkabeln, sowie zur Herstellung unterseeischer und unterirdischer Telegraphenlinien, letztere nur insoweit, als andere Telegraphenverwaltungen dabei interessiert sind, oder militärische Interessen mit in Frage kommen oder Stadtfernsprechdrähte unter die Erde verlegt werden müssen;
b) die Ausgaben für solche Fernsprechanlagen, die vorzugsweise der Zukunft zugute kommen, einen dauernden Wert besitzen und auch eine ausreichende Verzinsung gewähren, soweit die Ausgaben nach Art und Umfang über den Rahmen der blossen regelmässig wiederkehrenden Ausgestaltung des Fernsprechwesens hinausgehen;
c) die Ausgaben für die zur Vermietung an minderbesoldete Beamte oder an Arbeiter bestimmte und sich angemessen verzinsende Gebäude, sofern ihre Einrichtung hauptsächlich aus Rücksichten der sozialen Fürsorge erfolgt und eine Verweisung auf den im Etat des Reichsamtes des Innern ausgebrachten allgemeinen Fonds nicht angängig ist;
5. bei der Eisenbahnverwaltung:
a) die Ausgaben für solche Anlagen, Einrichtungen und Beschaffungen, welche der Eisenbahn einen für sie noch nicht erschlossenen Verkehr zuführen sollen, mit Ausnahme derjenigen, welche, obwohl ihrer Natur nach zum Erwerb einer zu der vom Reiche für seine Anleihen aufzuwendenden Zinshöhe im angemessenen Verhältnisse stehenden Verzinsung bestimmt, dennoch dauernd oder doch auf absehbare Zeit eine solche nicht erwarten lassen. Anlagen, Einrichtungen und Beschaffungen, welche die Bewältigung eines bereits bestehenden Verkehrs ermöglichen oder zur Erhöhung der Betriebssicherheit dienen sollen, oder welche aus der Entwicklung eines bereits bestehenden Verkehrs notwendig werden, also entweder durch die schon eingetretenen Zunahme des Verkehrs veranlasst werden oder einen bereits vorhandenen Verkehr zu erweitern bestimmt sind, sind auf den ordentlichen Etat zu übernehmen;
b) die Ausgaben für ungewöhnlich kostspielige Anlagen, Einrichtungen und Beschaffungen, deren Übernahme auf den ordentlichen Etat das finanzielle Ergebnis (Überschuss der Einnahmen über die ordentlichen – fortdauernden und einmaligen – Ausgaben) der Verwaltung – der Regel nach für mehrere Jahre – aussergewöhnlich beeinträchtigen würde, und zwar bei solchen Anlagen, Einrichtungen und Beschaffungen, die einer verhältnismässig schnellen Abnutzung unterworfen sind, unter Verzinsung und entsprechend abgekürzter Tilgung des aufgewendeten Anleihekapitals zu Lasten des ordentlichen Eisenbahnetats;
c) die Ausgaben für sich angemessen verzinsende, zur Vermietung an minderbesoldete Beamte oder an Arbeiter bestimmte Gebäude, sofern ihre Errichtung hauptsächlich aus Rücksichten der sozialen Fürsorge erfolgt und eine Verweisung auf den im Etat des Reichsamtes des Innern ausgebrachten allgemeinen Fonds nicht angängig ist.

Wären diese Grundsätze früher festgehalten worden, so würden allein in der Zeit von 1887–94 etwa 8–900 Mill. M. weniger Schulden gemacht worden sein.

Tatsächlich stieg die Reichsschuld von 1901 ab wie folgt:

31. März 1902       2733,5 Mill. Mark.
31. März 1903 2733,5 Mill. Mark.
31. März 1904 3023,5 Mill. Mark.
31. März 1905 3023,5 Mill. Mark.
31. März 1906 3383,5 Mill. Mark.
31. März 1907 3643,5 Mill. Mark.
31. März 1908 3643,5 Mill. Mark.
31. März 1909 3893,5 Mill. Mark.
31. März 1910 4556,6 Mill. Mark.
31. März 1911 4523,7 Mill. Mark.
31. März 1912 4582,2 Mill. Mark.
1. Oktober 1913 4897,2[11] Mill. Mark.

Auch in dieser späteren Periode haben den Löwenanteil der Anleiheerträge Heer und Marine davongetragen.

Das der Reichsschuld gegenüberstehende werbende Aktivvermögen des Reichs ist gegenwärtig hinsichtlich der Post- und Telegraphenverwaltung auf etwas über 1 Milliarde, hinsichtlich der Reichseisenbahnverwaltung auf 900 Mill. bis 1 Milliarde M., hinsichtl. der Reichsdruckerei auf 15 Mill., zusammen also auf 2 Milliarden M. zu veranschlagen. Der kapitalisierte Reichsbankanteil würde auf etwa 3–400 Mill. M. zu bewerten sein, so dass der gegenwärtige Gesamtbestand der Reichsschuld von rund 5 Milliarden M. fast zur Hälfte durch werbende Aktivwerte gedeckt ist. Unter den nicht werbenden Aktivwerten sind namentlich der Flottenbestand, die Kriegshäfen, Werften, die Kasernen, Festungen, militärischen Werkstätten, Depots usw. zu nennen.

[152] Was die Verzinsung der Reichsschulden anbelangt, so wurde, wie bereits hervorgehoben, die erste Anleihe von 43 Mill. M. des Reiches im Jahre 1877 mit 4% zu 94% begeben und dem Publikum (im Wege der öffentl. Zeichnung) zu 94,6% angeboten. Es wurden aber 1877 noch einige kleinere Anleihen durch freihändigen Verkauf zu Kursen zwischen 94,25–96 begeben. Der Durchschnittskurs der im Jahre 1877 begebenen 72,2 Mill. M. nominal stellte sich auf 94,33%, was Realzinsfuss von 4,24% bedeutete. Von da an besserten sich die Zinsbedingungen von Jahr zu Jahr in fast ununterbrochenem Tempo bis zum Jahre 1889. Die Emissionskurse der bis zum Jahre 1886 neu aufgenommenen 4% Anleihen stiegen allmählich bis auf fast 106% (105,96%) an, wodurch der Realzins bis auf 3,77% herabgemindert wurde. In diese Zeit (4. 3. 85) fiel in Preussen eine grosse Konversion 4½%iger Konsols (545¾ Mill. M.) und die Umwandlung von über 1½ Milliarden Eisenbahnprioritäten, zu meistenteils 4½% verzinslich, in 4% Konsols. Zugleich ging Preussen (seit Juli 1885) zum 3½%igen Typ über. Dieser Tatsache gegenüber glaubte die Reichsregierung berechtigt zu sein, nunmehr auch ihrerseits den 4% Typ verlassen zu können, und gab 1886 neben 10 Mill. M. 4% zum ersten Mal 36,2 Mill. M. 3½%iger Reichsanleihe aus. Wie richtig die Massnahme war, ergab sich am besten daraus, dass die neuen 3½%igen Titres fast genau zu pari (zu 100,03%) ausgegeben werden konnten, wodurch sich der Realzins von 3,77 auf 3,50% herabminderte. Im folgenden Jahre, 1887, konnte dieser Emissionskurs allerdings nicht ganz aufrecht erhalten werden, was wohl vor allem daran lag, dass, während bisher die Jahresaufnahme von Anleihen sich zwischen Summen von 24–79 Mill. M. bewegte, in diesem Jahre mit einem Male nicht weniger wie 235 Mill. M. Schulden aufgenommen wurden. Der Emissionskurs konnte daher nur auf 99,28% festgestellt werden, was den Realzins auf 3,53% erhöhte. In den Jahren 1888 und 1889 hob sich aber, obgleich die sehr erheblichen Summen von 163 und 234 Mill. M. aufgenommen werden mussten, der Emissionskurs bereits wieder auf 102,59 und 102,70%, der Realzins senkte sich also auf 3,41% und 3,40%.

So hatte die Regierung in dieser ganzen Zeit mit dem System der Emission nominell hoch verzinslicher Schulden recht gute Erfolge erzielt. Für die in der Zeit von 1877 bis 1889 begebenen Anleihen im Nominalbeträge von insgesamt 1 117 981 800 M. wurden bei der Emission in Wirklichkeit erzielt 1 225 555 904 M.[12]

Das Jahr 1890 brachte eine wesentliche Wandlung in der Anleihepolitik der Regierung insofern, als diese mehr zum System nominell niedrig verzinslicher Schulden überging. Es wurden nämlich in diesem Jahre zum ersten Mal neben 29,8 Mill. M. 3½%iger zu 98,58% auf 170 Mill. M. 3%ige Reichsanleihe zu 86,39% ausgegeben.

Der Erfolg der Anleihe vom rein fiskalischen Standpunkte war zunächst ein günstiger. Während die 3½% Anleihe des Jahres 1890 von 29,8 Mill. den Realzins wieder auf 3,55% gesteigert hatte, senkte sich nun bei 3% und einem Emissionskurse von 86,39% der Realzins wieder auf 3,47%. Für die Besitzer der bestehenden 4 und 3½% Reichsanleihen bedeutete diese Einführung des 3% Typs aber einen gewissen Schreckschuss, indem sie nunmehr ernstlich genötigt wurden, sich auf Konvertierungsmassnahmen vorzubereiten. Namentlich mussten die Besitzer 4% Titres mit einer solchen Massnahme rechnen. Für diese Anleihen war daher die aufsteigende Richtung der Kursbewegung nunmehr dauernd vorbei. Während sich ihr Durchschnittskurs von 1877 bis 1889 von 95,69% allmählich bis auf 108,16% (Höchstsatz 1889 sogar 109,60%) gesteigert hatte, wurde ein solcher Kurs von nun an nicht mehr erreicht. Der Kurssteigerung von Beginn der 90er Jahre bis 1896 von 98,39% auf 104,58% bei den 3½%igen und bis 1895 von 87,10% bis 100,30% bei den 3%igen stand bei den 4%igen eine rückläufige Entwickelung des Börsenkurses von 106,75%[13] bis 103,64% im Jahre 1897 gegenüber.

Bei der Frage, ob jenes Übergehen der Reichsregierung zum 3%igen Typ – das Hand in Hand ging mit der Einführung des 3%igen Typs in Preussen – berechtigt war, oder nicht, wird zu berücksichtigen sein, dass der Anleihemarkt damals mit 36%igen Anleihen durch die starken Anleiheaufnahmen in Preussen und im Reich sehr wesentlich überlastet war, [153] die Regierung also nur zu starken Kursabschlägen ihren erheblichen Anleihebedarf bei Festhaltung eines 3½% Typ hätte decken können. Deshalb riet namentlich die Bankwelt die Wahl 3%iger Anleihen an. Für die Regierung spielte dabei noch der Wunsch, das Ansehen des deutschen Staatskredits gegenüber dem Auslande aufrecht zu erhalten, eine erhebliche Rolle. In London hatte soeben die grosse Goschen’sche Konversion stattgefunden, welche den grössten Teil der englischen Staatsschuld von 1891 von 3 auf 2¾% Nominalzins – mit automatischer Weiterverminderung auf 2½% in 1903 – herabsetzte und zunächst vollen Erfolg gehabt hatte. Auch in Frankreich plante man eine Konvertierung von 6,8 Milliarden für 4½% ige in 3½%ige Staatsrente (durchgeführt 1893). Da erschien es der preussischen und Reichsregierung offenbar nicht recht würdig, Anleihen zu 3½% wesentlich unter Pari aufnehmen zu müssen.

Zunächst schien die weitere Entwickelung des Anleihemarktes der Politik der Regierung Recht geben zu wollen. Das Jahr 1891 (das Jahr der Baringkrisis), in welchem 8,2 Mill. M. 3½%iger und die ausserordentlich hohe Summe von 360 Mill. M. zu 3% begeben wurden, hob bei 97,92% bzw. 83,81% Emissionskurs zwar den Realzins vorübergehend wieder auf 3,57% bezw. 3,58%. Von 1892 an aber stiegen die Emissionskurse sowohl bei den 3½%, sowie den 3%igen Reichsanleihen ununterbrochen, wodurch der vom Staate zu zahlende Realzins fortgesetzt sank. 1895 konnten 34,6 Mill. M. 3% Anleihe sogar zu 99,33%, also fast zu Pari ausgegeben werden, wodurch der Realzins bis auf 3,02% ermässigt wurde. Damit aber war der Höhepunkt der günstigen Entwickelung erreicht. Von nun an begann sich langsam aber stetig die Misere unserer 3%igen anzubahnen. Von 1895 bis 1901 sanken die Emissionskurse der in dieser Zeit aufgenommenen 3%igen allmählich von 99,53% herab bis auf 87,48%, wodurch der Realzins wieder von 3,02 bis auf 3,43% anstieg.

Die günstige Kursentwickelung der 3½%igen Titres seit Beginn der 90er Jahre und noch mehr die Erreichung des Parikurses der 3%igen im Jahre 1895 (Höchstkurs 100,30%) liess den schon längst gehegten Gedanken einer Ermässigung des Nominalzinses der 4%igen Titres in den Vordergrund treten. Der Markt bereitete sich immer mehr darauf vor. Die Höchstkurse der 4%igen sanken von 1894 bis 1897 allmählich von 108,40 auf 104,70, die Durchschnittskurse von 106,59 auf 103,64%. Nachdem Preussen 1896 zur Konvertierung seiner 4% auf 3½%ige übergegangen war, konnte das Reich nicht mehr zurückbleiben. Durch RG. v. 8. März 1897 wurde die Konvertierung der umlaufenden 450 Mill. M. 4%igen Reichsanleihe in 3½% verfügt.

Mit diesem Zeitpunkte hatte man gerade noch den letzten Augenblick der Möglichkeit einer wirksamen Konversion wahrgenommen, nachdem man vielleicht ein bis zwei Jahre zu lange gezögert hatte, wenn man überhaupt entschlossen war, sie durchzuführen. Ein bis zwei Jahre später wäre der Zeitpunkt verpasst gewesen. Die aufsteigende wirtschaftliche Entwickelung und verschiedene andere Momente führten von nun an bei allen Reichs- u. Staatsanleihen eine rückläufige Kurs- und steigende Realzinsbewegung herbei. Die konvertierten 3½%igen fielen im Kurse von 1898 bis 1900 von 103,64% auf 95,81%, die nicht konvertierten 3½%igen von 103,59 auf 95,80%, die 3%igen von 97,66 sogar auf 86,74%. Für 1901, 1902 und 1903, in denen sich als Nachwirkung der Wirtschaftskrise von 1900 auf dem Industrie-Anlagemarkt eine gewisse Stagnation einstellte, zogen die Kurse wieder etwas an. Die 3½%igen stiegen bis 102,30% (im Höchstsatz auf 103,30) in 1903. Dann aber trat eine fortgesetzt rückläufige Kursbewegung ein, die erst 1908 einen gewissen Abschluss fand bei 92,85 (niedrigster Satz 90,90). Das Jahr 1909 brachte eine Erhöhung im Durchschnitt auf 95,15%, während 1910 wieder ein Rückschlag auf 93,17% stattfand.

Bei den weit empfindlicheren 3%igen Anleihen trat der Rückschlag schon etwas früher ein. Während der Durchschnittskurs sich 1902 bis auf 92,618% (Höchstkurs 93,50) gehoben hatte, ging derselbe schon 1903 auf 91,49 (Höchstsatz 93,40%) herab und sank nun fortgesetzt von Jahr zu Jahr bis auf 83,24 in 1908 (niedrigster Satz 81,20 in 1907), 1909 hob er sich wieder auf durchschnittlich 85,84 (Höchstsatz 87,70), ging aber 1910 wieder herunter auf 84,41 (Höchstsatz 85,50 niedrigster 82,75). Seitdem erfolgte ein weiterer Abstieg. Stand am 25. März 1912: 81,30%.

Bei dieser Entwickelung war es dauernd nicht möglich, die zahlreich notwendig werdenden neuen Anleihen weiter in 3%igem Typ aufzunehmen. Die letzte Aufnahme von 290 Mill. M. [154] zu 3% erfolgte im Jahre 1903 zu dem noch annehmbaren Emissionskurse von 91,39%, was einem Realzins von 3,28% entsprach. Dann aber musste man definitiv zum 3½%igen Kurse zurückkehren. 1904 half man sich zunächst mit 100 Mill. langfristigen zu 3½% verzinslichen Schatzanweisungen (Kurs 99,50, Realzins 3,52). Dann folgten 1905 360 Mill. u. 1906 260 Mill. 3½% Reichsanleihe zu 100,46 bezw. 99,38% Kurs d. h. zu 3,48 bezw. 3,52% Realzins.

Aber auch damit kam man auf die Dauer nicht aus. So sehr sich die Reichsregierung und der preussische Finanzminister gegen den Gedanken, zum 4% Typ wieder zurückzukehren, den man seit 1886 verlassen und nur einmal in 1900 in beschränktem Masse wieder hervorgeholt hatte, sträubten, die Verhältnisse des Marktes erwiesen sich als stärker.

1907 gab man im Reiche zum ersten Male zunächst 5jährige Schatzanweisungen (200 Mill.) zu 4% aus, die bei einem Begebungskurse von 98% einen Realzins von 4,08% trugen. (Übernahmeprovision 1%.) Die Verhältnisse entwickelten sich weiter ungünstig. Das Ende des Jahres 1907 brachte eine von Amerika ausgehende starke wirtschaftliche Störung des gesamten Kapitalmarktes. So musste man bei der infolge der Reichsfinanznöte unumgänglich nötigen 250 Mill.-Anleihe im April 1908 nunmehr zum 4%igen Typ übergehen und dabei noch die Unkündbarkeit bis 1918 aussprechen. In Preussen hatte man die Fiktion einer nur vorübergehenden Massnahme anfangs Januar bei Ausgabe einer Anleihe von 210 Mill. noch dadurch festzuhalten gesucht, dass man diese Anleihe nur für 10 Jahre bis zum 1. April 1918 mit 4% Nominalzins ausstattete, während an diesem Tage der Zins ohne weiteres auf 3¾% und vom 1. April 1923 auf 3½ zurückgehen sollte. (System der sog. gleitenden Skala, „Staffelanleihe“.) Die weiter im April 1908 notwendige 400 Mill. Anleihe wurde dagegen ebenso wie im Reiche zu 4% unkündbar bis 1918 aufgenommen.

Die ferneren Anleihen im Reich von 1909 und 1910 sind ebenso wie in Preussen (Reich 3. 5. 09 160 Mill. u. 5. 2. 10 340 Mill. M. Preussen: 270 bezw. 170 Mill. M.) nach dem gleichen Typ (4%, bis 1918 unkündbar) emittiert.

Die allerneueste gemeinsame Emission aus Anfang 1912 (Preussen 420 Millionen, das Reich 80 Mill. M.) in 4%igem ebenfalls bis 1918 unkündbarem Typ erzielte einen Zeichnungspreis von 101,20 M. für Stücke, die unter Sperrung bis 15. Jan. 1913 in d. Reichs- oder Staatsschuldbuch eingetragen werden, für sonstige Stücke 101,40 M. pro 100 M. Nennwert. – Für 1913 musste man den Gläubigern aber erheblich weiter entgegenkommen. Im März 1913 mussten für 50 Mill. 4% Schuldverschreibungen, Unkündbarkeit bis 1925, im Juni für weitere 50 Mill. sogar bis 1935 zugesichert werden. Dabei betrug der Zinsfusszins nur 98,40 bezw. 98,60 und im Juni nur noch 97,70 bezw. 97,90 %.

Was die Schuldentilgung anbelangt, so hatten die ersten Anleihen des Norddeutschen Bundes noch an der Zwangstilgung festgehalten. Die Anleihe, welche durch R. G. v. G. 11. 67 (RGBl. S. 157) bis zur Höhe von 10 Mill. Thl. = 30 Mill. M. für Marine- u. Heereszwecke genehmigt wurde, gewährte den Inhabern der Schuldverschreibungen zwar kein Kündigungsrecht, ordnete aber eine gesetzliche Zwangstilgung von mindestens 1% des Schuldkapitals unter Zurechnung der ersparten Zinsen vom Jahre 1873 ab an. Verstärkte Tilgung oder gänzliche Rückzahlung mit 6monatl. Kündigungsfrist war zugelassen. Die Tilgung hatte durch Ankauf oder, wenn die Anleihe pari und darüber stand, durch Auslosung zu erfolgen.

Infolge der preuss. Konsolidierungs-Gesetzgebung von 1869 und des hier grundsätzlich eingeführten Prinzips der freien Tilgung wurde auch für die genannte Reichsanleihe die Zwangstilgung aufgehoben und bestimmt, dass der jährliche Bundesetat die Höhe der Tilgungsmittel zu bestimmen habe: R. G. v. 6. 4. 70 (RGBl. S. 65). Ähnlich R. G. v. 21. Juli 1870 (RGBl. S. 491) v. 29. Nov. 1870 (RGBl. S. 620) u. v. 26. April 1871 (RGBl. S. 91).

Die Rückzahlung der Kriegsanleihen erfolgte trotzdem in der Hauptsache bald und zwar aus den Geldern der Kriegskontribution (R.G. v. 28. 10. 71 RGBl. S. 343).

Solange sich die Reichsschuld auf einem verhältnismässig geringen Stande hielt, konnte man über das Nichtvorhandensein jeglicher Tilgung hinwegsehen. Als aber seit Ausgang der 80er Jahre die Vermehrung der Reichsschuld ein rapides Tempo anzunehmen begann und der Schuldenzinsendienst von Jahr zu Jahr stärker auf das Budget drückte, begann bei der Regierung wie [155] bei einsichtigen Männern des Parlaments das Fehlen jeglicher Tilgungsvorschrift als bedenklich empfunden zu werden. Man muss es als das Verdienst des Zentrums (Abg. Lieber) anerkennen, zuerst auf die Notwendigkeit einer Schuldentilgung nachdrücklich hingewirkt zu haben.

Die Massnahmen der Clausula Franckenstein, welche im Laufe der 80er Jahre den Einzelstaaten alljährlich erhebliche Beträge aus den Reichszöllen u. -steuern auch über die Matrikularumlagen hinaus zuwies, musste gegenüber der dabei stark steigenden Reichsverschuldung als eine unbedachte und in gewissem Masse leichtsinnige Finanzwirtschaft des Reiches erscheinen. So wurden denn auf Antrag derjenigen Partei, welcher die Verantwortung der Cl. Fr. in erster Linie zufiel, des Zentrums, die sog. leges Lieber erlassen, welche bestimmten, dass der grössere Teil des etwaigen Überschusses der Gesamtsumme aller Überweisungen an die Bundesstaaten über die Matrikularbeiträge des betr. Jahres hinaus zur Tilgung der Reichsschuld zu verwenden sei.[14] Leider erwiesen sich die Vorschriften der leges Lieber in der Wirklichkeit nicht als so nützlich, wie sie gedacht waren, weil sie Überschüsse voraussetzten, während die steigende Finanznot des Reiches seit Ende des 19. Jahrhunderts die glückliche Zeit der Mehrüberweisungen an die Bundesstaaten endgültig beseitigte.

Der Gedanke, in irgendeiner Form eine obligatorische Tilgung im Reiche einzuführen, kam gleichwohl nicht mehr zur Ruhe, um so weniger, nachdem Preussen in seinem Gesetze v. 8. 3. 97 (GS. S. 43) eine gesetzliche Prozentualtilgung durchgeführt (3/5%) und zugleich bestimmt hatte, dass alle rechnungsmässigen Überschüsse (die etatsmässigen Überschüsse waren schon nach Ges. v. 18. 12. 1871 (RGBl. 593) grundsätzlich zur Tilgung zu verwenden) zur ausserordentl. Schuldentilgung verwendet werden mussten. So wurde zunächst in der kleinen lex Stengel von 14. 5. 1904 (RGBl. S. 169) im § 2 bestimmt, dass – unter Abänderung des Art. 70 der RV. – in Zukunft etwaige Überschüsse aus den Vorjahren, insoweit durch den Reichshaushalt nicht ein anderes bestimmt wird, zur Deckung gemeinschaftl. ausserordentlicher Ausgaben dienen sollten, was einer Tilgung bezw. Schuldminderung gleichkam.

Weiter bestimmte der § 4 des Reichs-Ges. v. 3. 6. 06 (RGBl. S. 620), dass von 1908 ab jährlich 3/5% der Reichsschuld aus bereiten Staatsmitteln getilgt werden sollten (evtl. durch Verweisung auf Anleihe).

Aber es stellte sich bald heraus, dass alle gesetzlichen und Zwangstilgungen das Vorhandensein genügender laufender Mittel zur wesentlichsten Voraussetzung ihrer Wirksamkeit haben. Wenn beim Mangel solcher 1908 u. 1909 von der Durchführung der Bestimmung in § 4 a. a. O. abgesehen werden musste, so hatte diese beschämende Tatsache den guten Erfolg, dass man die durch die Reichsfinanzreform neu zu schaffenden Mittel reichlich genug bemass, um die erforderlichen Beträge für eine angemessene Schuldentilgung sicherzustellen. Die Erörterungen in der Öffentlichkeit über die enorme Schuldenvermehrung verfehlten ihre Wirkung auch auf das Parlament so wenig, dass auf Anregung aus dessen Mitte eine über die in Preussen festgesetzte Schuldentilgung noch weit hinausgehende Tilgung der Reichsschulden vorgeschrieben wurde. Nr. 3 des R. G. v. 15. 7. 09 (RGBl. S. 743) bestimmte, unter Ausserkraftsetzung der Tilgungsbestimmungen des RG. v. 1906, dass – abgesehen von etwa 100 Mill. Anleiheschulden, die in den letzten Jahren für Fernsprechanlagen, Reichseisenbahnen, Arbeiterwohnungen und Darlehen für Kolonien gemacht und mit besonderen Tilgungsplänen versehen waren, die aufrecht erhalten blieben, – alle bis 30. September 1910 aufgenommenen Anleihen mit mindestens 1%, die nach dieser Zeit aufgenommenen Anleihen, soweit sie für werbende Zwecke aufgenommen sind, mit mindestens 1,9%, alle anderen Schulden sogar mit mindestens 3% getilgt werden mussten. Die ersparten Zinsen, welche mit 3½% anzusetzen sind, müssen ebenfalls zur Tilgung verwendet werden. Die Tilgung kann ebenso, wie dies das Preuss. Tilgungsgesetz von 1897 vorgesehen hatte, auch durch Verrechnung auf Anleihe erfolgen. Doch hat man neuerdings, um die Kurse der Reichs- und Staatsanleihen zu heben, mehr auf den Rückkauf von Anleihetitres als auf Verrechnung auf Anleihen Wert gelegt (s. darüber den Artikel: Die Kurse unserer Reichs- und Staatsanleihen.)

[156] Bisher ist es in der Tat gelungen, die reichsgesetzlich angeordnete Tilgung in den Etats aufrecht zu erhalten, und es ist zu hoffen, dass dies auch in der Zukunft geschehen könne. Neuerdings haben sogar noch über dieses Mass hinaus erhebliche ausserordentliche Tilgungen aus Überschüssen im Reichsetat und bei den Überweisungssteuern stattgefunden. S. dazu R.G. vom 15. Juli 1909 § 3 (RGBl. S. 743), v. 21. 3. 1910 § 6 (RGBl. S. 525) u. RG. v. 7. 4. 1911 § 4 (RGBl. S. 113). –

Die Übernahme (Emission) von Anleihen erfolgt in Deutschland in der Regel durch ein Konsortium auf eigene Rechnung. Dabei hat sich im Laufe der Zeit, beginnend mit den 50er Jahren, für preussische und später auch für die Reichsanleihen eine gewisse feste und dauernde Gruppe von Banken gebildet, die regelmässig die Staats- und Reichsanleihen zu übernehmen pflegen. Es ist das sog. „Preussenkonsortium“, welches im Laufe der 90er Jahre erheblich erweitert wurde.

Die Verwaltung der Reichsschulden lässt sich nur zugleich mit der Verwaltung der preussischen Staatsschuld darstellen. Für Preussen fungiert auf Grund des Ges. v. 24. 2. 1850 (GS. S. 57) als Verwaltungsorgan für die Verwaltung der Staatsschulden die Hauptverwaltung der Staatsschulden, welche als eine von der allgemeinen Finanzverwaltung abgesonderte, selbständige Behörde unbedingt verantwortlich ist für An- und Ausfertigung, sowie Ausgabe der Staatsschuldverschreibungen (Konsols) und Zinsscheine, für die regelmässige Verzinsung, für die vorgeschriebene Tilgung, für Löschung, Kassation und Aufbewahrung der eingelösten sowie der behufs Eintragung ins Staatsschuldbuch eingereichten Schulddokumente, endlich dafür, dass sie nicht über den Betrag der gesetzlich genehmigten Anleihedokumente hinaus ausgegeben werden. Nur soweit es mit dieser unbedingten Verantwortlichkeit vereinbar ist, unterliegt die H. d. St. der oberen Leitung des Fin. Min. (Ges. v. 24. 2. 50 §§ 1, 6 u. v. 20. 7. 83 § 23).

Im übrigen ist ihre Aufgabe Verwaltung der Staatsschuld und der zu diesen Zwecken ihr überwiesenen Mittel, An- und Ausfertigung, Ausweisung, Wiedereinziehung der Schulddokumente, Einrichtung von Staatsgarantien, Ermittelung und Verfolgung von Fälschungen pp. und endlich Führung des Staatsschuldbuchs.

Sie ist eine kollegiale Behörde. Präsident und Mitglieder werden vom König ernannt und leisten vor dem Ob.Verw.Ger. einen Eid auf die besonderen Pflichten ihres Amts nach gesetzlich bestimmter Formel. Als nachgeordnete Organe sind ihr unterstellt 1. Die Kontrolle der Staatspapiere 2. die Staatsschuldentilgungskasse, 3. das Staatsschuldbuchbureau.

Die parlamentarische Kontrolle über die Hauptverw. d. Staatssch. bezieht sich nur auf die ihrer eigenen Verantwortlichkeit unterliegenden Geschäfte und ist eine fortlaufende, durch die Staatsschuldenkommission ausgeübte. Letztere besteht aus je 3 auf 3 Jahre gewählten besonders vereidigten Mitgliedern der beiden Häuser des Landtags und dem Präsidenten der O. R. K. Alljährlich hat sie dem Landtag über ihre Tätigkeit und die Verwaltung des Schuldenwesens schriftlichen Bericht zu erstatten.

Unter dem Titel „Reichsschuldenverwaltung“ hat die H. d. St. zugleich auch die Reichsschuld zu verwalten. Die Funktionen des Fin. Min. hat hier der Reichskanzler, diejenigen der Staatsschuldenkommission die Reichsschuldenkommission zu übernehmen, welche letztere aus dem Vorsitzenden des Ausschusses des Bundesrats für das Rechnungswesen oder einem Stellvertreter des Vorsitzenden und 5 vom Bundesrat alljährlich gewählten Mitgliedern des Rechnungsausschusses, 6 vom Reichstag gewählten Mitgliedern und den Präsidenten des Reichsrechnungshofes besteht. Ihr Bericht ist dem Bundesrat und dem Reichstage zu erstatten. (Reichsschuldenordnung v. 19. März 1900 §§ 9–15).

Zur Zuständigkeit der Hauptverwaltung der Staatsschulden in Preussen und der Reichsschuldenverwaltung gehört auch die Verwaltung des preussischen Staats- und des Reichsschuldbuches.

Hinsichtlich der Einrichtung des Schuldbuchs sind für Preussen die Gesetze v. 20. 7. 83 (GS. S. 120) v. 21. 4. 86 u. 8. 6. 91 (GS. S. 124 bezw. 105) v. 24. 7. 04 (GS. S. 167) und v. 22. 5. 1910 (GS. S. 47),für das Reich die R. Gesetze v. 31. 5. 91 (RGBl. S. 321) v. 28. 6. 04 (RGBl. S. 251) und v. 6. 5. 1910 (RGBl. S. 665) massgebend.

[157] Dem Beispiele Preussens und des Reiches in der Schaffung von Staatsschuldbüchern sind mehrere andere Bundesstaaten gefolgt, so Sachsen (Ges. v. 24. 4. 84, 11. 6. 1906), Hessen (Ges. v. 27. 3. 98, 31. 3. 1908, 1. 4. 09), Bremen (Ges. v. 2. 12. 98), Hamburg (14. 4. 1902), Sachsen-Weimar (G. v. 20. 1. 1900). Neuerdings auch Württemberg, (Ges. v. 12. 8. 11), ferner Bayern (Ges. v. 20. 7. 12), Baden (Ges. v. 8. 6. 1912).

Stand der fundierten Staatsschulden zu Beginn der Rechnungsjahre
(Beträge in 1 000 M.)
Bundesstaat 1881 1891 1901 1906 1909 1910 1911 1912
Preussen 1 965 313,0 5 834 782,6 6 602 802,5 7 228 616,0 8 225 149,8 8 776 770,8 8 921 677,2 8 788 874,0
Bayern 1 311 078,1 1 331 499,1 1 362 511,6 1 707 063,0 [15]1 794 767,6 2 165 942,9 2 165 942,9 2 285 976,1
Sachsen 673 445,5 625 780,7 829 822,5 941 266,8 896 837,5 893 042,6 871 467,6 868 894,6
Württemberg 418 751,8 439 105,2 495 168,5 551 431,0 584 789,8 606 042,8 600 509,5 624 793,3
Baden 322 915,8 339 045,9 335 726,5 446 992,4 506 308,9 557 178,3 546 951,9 567 219,6
Hessen 31 752,8 35 109,7 284 450,0 366 843,3 430 037,9 428 064,4 441 242,0 431 283,6
Mecklenburg-Schwerin 37 908,0 94 549,7 108 583,4 129 065,3 130 588,9 129 566,7 139 948,1 139 900,2
Grossherzogtum Sachsen 6 068,4 4 675,8 1 823,1 1 721,8 2 401,5 2 361,5 2 321,2 1 772,1
Mecklenburg-Strelitz 567,4 737,2 1 465,2 1 636,2 2 235,2 2 370,8 2 734,1 2 680,2
Oldenburg 36 811,3 36 450,6 55 821,9 59 317,7 58 419,9 73 847,2 73 581,0 75 071,0
Braunschweig 84 164,4 69 384,7 58 452,2 52 651,3 49 823,9 48 771,3 47 443,9 45 619,1
Sachsen-Meiningen 11 540,8 12 512,9 9 243,6 8 718,0 8 880,6 7 847,6 7 012,5 7 287,8
Sachsen-Altenburg 2 125,7 2 128,5 882,7 882,7 882,7 882,7 882,7 882,7
Sachsen-Coburg-Gotha 12 688,7 4 807,1 5 999,3 [16]5 534,2 4 379,8 4 344,9 4 293,9 4 241,2
Anhalt 3 000,0 1 260,0
Schwarzburg-Sondershausen 884,4 904,6 733,9 677,4 654,3 629,3 1 303,9
Schwarzburg-Rudolstadt 4 279,0 3 852,3 4 013,6 4 397,5 4 702,5 654,3 4 635,0 4 600,0
Waldeck 3 496,6 3 243,7 1 902,3 1 755,3 1 635,9 4 668,5 1 551,9 1 508,4
Reuss ält. Linie 995,2 171,1 1 594,2
Reuss jüng. Linie 1 040,6 1 040,6 1 040,6 1 040,6 1 040,6 1 040,6
Schaumburg-Lippe 310,9 379,6 266,1 433,7 402,8 336,9 325,7 369,6
Lippe 1 149,7 810,4 1 288,0 835,5 907,9 1 096,0 1 006,0 913,8
Lübeck 23 742,4 11 309,4 37 549,3 47 922,3 64 596,8 64 109,8 63 387,7 62 715,8
Bremen 80 702,3 80 283,6 160 068,3 220 695,0 264 757,8 263 431,4 263 097,5 301 606,1
Hamburg 160 821,0 271 392,2 406 736,7 491 524,8 607 692,4 654 421,6 675 804,7 742 970,0
Elsass-Lothringen 19 806,8 25 798,2 30 332,5 36 071,4 37 569,1 39 758,1 42 167,0 43 725,9
Summe Bundesstaaten 5 244 320,9 9 229 974,7 10 796 684,3 2 307 093,2 13 679 464,1 14 728 745,9 14 879 653,9 15 005 249,5

Die Summe der bundesstaatlichen Schulden hat sich also

seit 1881 um 9 761,0 Mill. M.
seit 1891 um 5 775,3 Mill. M.
seit 1901 um 4 208,6 Mill. M.

vermehrt.

[158] In den anderen Bundesstaaten ist die Verwaltung der Staatsschuld, wie hier ebenfalls gleich bemerkt sein mag, insofern ähnlich geregelt, als auch hier überall besondere Schuldenverwaltungen eingerichtet sind, deren Tätigkeit vom Finanzchef, aber auch vom Parlament kontrolliert wird.

2. Feste oder fundierte Schulden der Bundesstaaten.

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Wenn wir die Zwecke betrachten, für welche die Schulden der Einzelstaaten aufgenommen sind und aufgenommen werden, so scheiden Anleihen für Heer- und Flottenkosten und damit die wichtigsten der sog. unproduktiven Ausgaben hier naturgemäss aus. In den Bundesstaaten sind die Anleihen vor allem für sog. produktive Zwecke aufgenommen worden. Ganz genau lässt sich der auf produktive Ausgaben entfallende Anleihebetrag namentlich in den Ländern nicht feststellen, welche nur eine einheitliche, die konsolidierte Schuld besitzen und Sonderschulden für besondere Verwaltungszweige z. B. Eisenbahnschulden nicht kennen. Dies ist z. B. der Fall in Preussen. In mehreren anderen Bundesstaaten mit Staatsbahnbesitz ist wenigstens die Eisenbahnschuld von der allgemeinen Schuld getrennt. So in Bayern, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin; bei Sachsen, Oldenburg, Sachsen-Meiningen ist die Trennung nicht ganz scharf durchgeführt.

In manchen Einzelstaaten findet sich noch eine weitere Zerlegung der Staatsschuld in besondere Schuldenzweige. So teilt sich die Bayerische Staatsschuld in 4 grosse Fonds: Die Allgemeine Staatsschuld, die Eisenbahnschuld, die Grundrentenablösungsschuld und die Landeskulturrentenschuld. Hessen hat eine eigentliche Staatsschuld, eine Landeskreditkassen-Schuld, eine Staatsrenten-Ablösungsschuld und eine Landeskulturrentenschuld. Auch die kleineren Bundesstaaten sind meist noch nicht zu einer einheitlichen konsolidierten Schuld vorgeschritten.

Die Entwicklung der Schulden aller Bundesstaaten ergiebt die Tabelle auf Seite 157.

3. Schulden der deutschen Schutzgebiete.[17]

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Die deutschen Schutzgebiete sind nicht Teile des Reichsgebiets und den Bundesstaaten nicht gleichstehend, sondern sind als Pertinenzien des Reichs anzusehen, die aber in vermögensrechtlicher Hinsicht als besondere Rechtssubjekte behandelt werden und besondere Landesfisci bilden. Die gesetzliche Grundlage ihrer vermögensrechtlicher Stellung bildet das Ges. v. 30. 3. 1892 RGBl. S. 369. Als Landesfisci solche können sie selbständig Vermögen besitzen und Schulden machen. Eine Einrichtung besonderen Papiergeldes und besonderer schwebender Schulden für die Schutzgebiete besteht nicht. Um dringliche Ausgaben decken zu können, sind für die Schutzgebiete besondere Ausgleichsfonds, früher Reservefonds genannt, geschaffen worden, welche gespeist werden aus den etatsmässigen Einnahmen und aus Ersparnissen bei den fortdauernden und einmaligen Einnahmen, sowie aus Rückeinnahmen bei Verkaufserlösen. Die Verfügung über diese Fonds erfolgt durch den Etat, der meist einen Posten „zu unvorhergesehenen Ausgaben“ aufweist. Die Fonds sind in Schuldverschreibungen der Schutzgebiete oder in Schuldverschreibungen bezw. verzinslichen Schatzanweisungen des Reichs oder deutscher Bundesstaaten anzulegen. Bis 1911 sind in die Ausgleichsfonds geflossen für Ostafrika 2 745 738 M., Kamerun 2 110 709 M:, Südwestafrika 3 288 223 M., Togo 430 551 M., Samoa 82 916 M.

Besondere feste oder fundierte Schutzgebietsanleihen giebt es für die Schutzgebiete erst seit dem Gesetz v. 18. Mai 1908 (RGBl. S. 157). Bis dahin waren im Falle der Notwendigkeit der Aufbringung ausserordentlicher Einnahmen für die Schutzgebiete (für fehlende ordentliche Einnahmen werden Reichszuschüsse gewährt) Anleihen vom Reiche als solchem aufgenommen worden, deren Erlös den Schutzgebieten als rückzahlbares Darlehen gegeben wurde. S. Ges. v. 23. Juli 04. RGBl. S. 329, 18. Mai 08 RGBl. S. 206 betr. Darlehen in Togo (7,8 Mill.) und R. G. v. 16. Marz 07 RGBl. S. 73 betr. Darlehen an das südwestafrikanische Schutzgebiet (40,6 Mill. M.).

[159] Betreffs der ausserordentlichen Bedürfnisse der Schutzgebiete hatte § 4 Ges. v. 30. 3. 92 bestimmt, dass, im Falle solche die Aufnahme einer Anleihe oder die Übernahme einer Garantie erfordern sollten, dies durch Gesetz zu geschehen habe. Diese Bestimmung wurde in der schon erwähnten Novelle v. 18. Mai 08 durch einen § 4 a dahin ergänzt, dass die in den – durch Dernburg neu eingerichteten – ausserordentl. Etat eingestellten Ausgaben, für welche nicht andere Einnahmen vorhanden sind, auf dem Wege der Anleihe zu Lasten dieser Schutzgebiete, (wobei das Reich für Verzinsung und Tilgung die Bürgschaft übernimmt), und zwar entweder zu Lasten eines einzelnen Schutzgebietes oder mehrerer Schutzgebiete aufzubringen sind. Die Tilgung der Anleihen hat mit mindestens 3/5% unter Hinzurechnung der ersparten Zinsen zu erfolgen (§ 4 e). Die alte Form der Darlehnsgewährung bleibt daneben zulässig.

Für die Verzinsung und Tilgung der Anleihen haftet jedes beteiligte Schutzgebiet dem Gläubiger gegenüber als Gesamtschuldner. Im Verhältnis zueinander haften die einzelnen Schutzgebiete indessen nur für ihren Anteil (§ 4 e).

Auf diesem Wege waren bis 1908 35 325 000 M. Schutzgebietsanleihen aufgebracht. Ende 1910 betrug die Schutzgebietsschuld bereits 98 175 000 M.

Nach dem Etatsentwurf für die Schutzgebiete für 1914 beläuft sich die Schutzgebietsschuld bereits auf 136 150 000 M. In dem Entwurf sind weitere Anleihekredite 56 856 440 M. für 1914 vorgesehen.

Garantien seitens der Schutzgebiete sind bisher nicht nötig geworden.

D. Kommunales Kreditwesen.

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Für den Kommunalkredit gilt nicht minder, wie für den Staatskredit, dass ohne ihn die grossartige Entwicklung kommunalen Lebens, wie wir sie in den letzten 3–4 Dezennien erlebt haben, nicht denkbar gewesen wäre. Die Milliardensummen, welche in dieser Zeit auf dem Kreditwege beschafft worden sind, um zahlreiche nutzbringende Gemeindeanstalten zu schaffen, stellen allerdings eine schwere Last dar, die der zukünftigen Generation auferlegt wird, aber letztere wächst dafür auch unter so gesicherten, gesundheitlich günstigen, wirtschaftlich und sozial vorgeschrittenen Bedingungen auf, wie es der gegenwärtigen und vergangenen Generationen nicht entfernt beschieden war. Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, welche Errungenschaften die mit Anleihen hergestellten oder von früher privaten Gesellschaften übernommenen Kanalisationen, Beleuchtungsanstalten (Gas-, Elektrizitätswerke), Wasserleitungen, Schlachthofanlagen Markthallen, Feuerwehranstalten, Strassenbahnen, Häfen, Brücken, Strassenbauten, Krankenhäuser Badeanstalten, neuerdings auch Talsperren, Hypothekenämter usw. für die Bevölkerung bedeuten, um sich zu überzeugen, dass diese Gegenwerte mit der gegenüberstehenden Schuldenlast an sich keineswegs zu teuer erkauft sind. Ein Teil dieser Anlagen ist zudem werbender Natur, deren Überschüsse oft nicht nur die eigenen Schuldzins- und Tilgungsquoten, sondern auch einen Teil des sonstigen Verwaltungsaufwandes decken, für die Benutzung anderer können Gebühren erhoben werden, welche einen wenn auch oft nur geringen Teil des Schuldendienstes aufbringen können. Vielfach mussten allerdings namentlich in Städten mit stark wachsender Bevölkerung (Verkehrszentren, Industriegebiete) auch Schul- und ähnliche reine Verwaltungskosten auf Anleihe genommen werden. Derartige sog. unproduktive Anlagen ganz auf Steuern zu verweisen, ist oft eine vollständige Unmöglichkeit. Trotz der in Preussen geltenden scharfen Bestimmungen über die Einschränkung der Aufnahme von kommunalen Anleihen entfielen nach einer Berechnung Silbergleits 1908 bei 104 preussischen Städten mit mehr als 25 000 Einwohnern von 2 456 937 000 M. auf andere als gewerbl. Zwecke also auf sog. unproduktive 1 161 827 000 M. oder 47,3%. (Gleiches ist übrigens auch in England der Fall.)

Da ein grosser Teil der Schulden zu Anstalten werbender Natur aufgenommen ist, hat der Wert des werbenden Gemeindevermögens in den letzten Jahren ganz erheblich zugenommen. So wurde 1908 der Wert der Gemeindebetriebsanstalten im Deutschen Reich von Jaffé in Hirths [160] Annalen auf rund 3–4 Milliarden M. geschätzt. Rechnet man zu diesen Werten noch das Grundstücks- Domänen-, Forst- und Kapital-Vermögen hinzu, so dürfte das Gemeindeschuldkapital durch das gegenüberstehende werbende Aktivvermögen reichlich ausgeglichen, ja sogar überdeckt sein. Von dem Grund- und Forstvermögen sind leider Anfang des vorigen Jahrhunderts namentlich zur Tilgung von Kriegsschulden grosse Komplexe veräussert worden. Immerhin wurde 1900 noch ein Gemeindeforstbesitz in Deutschland von insgesamt 2 258 090 ha amtlich ermittelt (1/6 der Gesamtforstfläche). 1210 Städte und 37 Landgemeinden Preussens mit mehr als 10 000 Einwohnern verfügten nach einer amtlichen Statistik von 1906 allein über eine Gesamtfläche von 586 028 ha an Forsten, Gütern, Äckern, Wiesen, Weiden u. Seen. Ihr Kapitalvermögen betrug über ½ Milliarde (557 Mill. M.). Über die Vermögensentwicklung gegenüber der Schuldenentwicklung liegen namentlich für Bayern amtliche Materialien vor. Von 1892 bis 1907 vermehrten sich dort die Gemeindeschulden von 215,3 auf 701,7 Mill. M., dagegen das Vermögen von 577,9 auf 1350,7 Mill. M., darunter das werbende Vermögen (sog. rentierendes Vermögen) von 401,5 auf 952,5 Mill. M.

Trotz dieses günstigen Verhältnisses darf das gewaltige Anschwellen der Gemeindeschulden in neuerer Zeit nicht ganz ohne Besorgnis betrachtet werden. Das Mass dessen, was ein Gemeinwesen den Bürgern an nützlichen Anstalten und Annehmlichkeiten bietet, ist an sich unbegrenzt. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts in Preussen ist die Gemeinde in der Ausdehnung ihres fakultativen Aufgabenkreises theoretisch nahezu unbeschränkt. In der Praxis muss aber ein Mass gefunden werden in dem Druck der Steuerlast und dem Widerwillen des Kapitalmarkts zur fortwährenden Neuaufnahme festverzinslicher Werte, wie er in dem Kurszettel zutage tritt. Und schliesslich sollte auch die Möglichkeit wirtschaftlicher Rückschläge, kriegerischer Verwicklungen und die Rücksichtnahme auf den namentlich in ernsten Zeitläuften ungeheuer wichtigen Staatskredit der Unternehmungslust allzu tatendurstiger Bürgermeister und allzu freigiebiger Stadtparlamente Zügel anlegen. In diesem Sinne kann der vor kurzem ergangene Pr. Min.-Erl. v. 1. Febr. 1912, wonach sich die Regierungs-Präsidenten in möglichst frühem Stadium um die Frage der Finanzierung grösserer Anleiheprojekte in den ihrer Aufsicht unterstellten Gemeinden kümmern sollen, nur dankbar begrüsst werden. Denn sehr häufig sind die Vorarbeiten zu Gemeindeanleihen bei Nachsuchung der Anleihegenehmigung schon soweit gediehen, dass für die die Anleihen zu diesem Zwecke genehmigenden Behörden ohne schwere Schädigung gemeindlicher Interessen eine Versagung kaum mehr möglich ist. Ähnliche Erlasse sind auch in anderen Bundesstaaten ergangen. (Sachsen).

Was die Schuldformen der Gemeinden anbetrifft, so würden begrifflich unkündbare also Renten-Schuldobligationen für Städte ebenso wie für Staaten zulässig sein, da ja auch Gemeinden als ewige Wesen gelten müssen. Der Staat hält indessen regelmässig streng an dem Erfodernis einer angemessenen Tilgung bei Genehmigung aller kommunalen Anleihen fest, schon um den Gemeinden das Schuldenmachen nicht zu sehr zu erleichtern, und weil die Entwicklungsbedingungen einer Gemeinde immerhin leichter einem Wechsel unterworfen sind, als diejenigen des gesamten Staatswesens (Änderungen der Verkehrsverhältnisse, wirtschaftlicher Konjunkturumschwung bei industriellen Gemeinden, Fortzug reicher Steuerzahler, Kriegführung namentlich im eigenen Lande u. A. m.) In einigen deutschen Gesetzgebungen ist dies Prinzip sogar gesetzlich zum Ausdruck gebracht worden, z. B. Bayersch. G.O. rechtsrh. Art. 62, Hess. St. O. Art. 117 Sächs. Rev. St.O. § 131. In den anderen Staaten wird im Verwaltungswege auf sachgemässe Tilgung gehalten. In Preussen war schon in dem bereits zitierten Erlasse von 1891 vorgeschrieben, dass der Mindesttilgungssatz 1% sein müsse, dass aber bei den rascher sich abnutzenden Pflasterungen mindestens 2, bei Kanalisationen 1½% des Anlagekapitals unter Zuwachs der ersparten Zinsen usw. als Mindestsätze zu gelten hätten. Ein Erlass von 1907 erhöht alle diese Mindestsätze auf 1¼, 2½ bezw. 2%.

Die Schulden der höheren Kommunalverbände in Deutschland treten gegenüber den Gemeindeschulden an Bedeutung sehr zurück. Die Ursache liegt nicht allein in der geringeren Zahl dieser Verbände, in dem jüngeren Datum der kommunalen Bedeutung dieser ursprünglich meist mehr als Verwaltungsbezirke gedachten Institutionen, sondern auch in der weit eingeschränkteren Zahl der ihnen obliegenden Aufgaben.

[161] Die Reichsfinanzstatistik gibt die Gesamtsumme der Inhaberobligationen der grösseren Selbstverwaltungskörper am 31. Dez. 1912 auf nicht weniger wie 1685 Mill. M. an (davon die preussischen mit 1623, die bayerischen mit 23, die braunschweigischen mit 16 Mill. M., die lothringischen und sächsischen mit je 7 Mill. M.)

Zurzeit betragen die sämtlichen öffentlichen Kredite in Milliarden M. rund:

Schulden Summe davon Obligationenschuld
des Reichs[18] 05,1–3 05,1–3
der Bundesstaaten ca. 16,0 16,0
der deutschen Schutzgebiete 00,1 00,1
der Gemeinden 08,5 04,5
der höheren Kommunalverbände 00,9 00,2
der Kirchengemeinden und Schulen 00,1 00,02
der Handwerkskammern, Innungen pp. 00,1 00,04
sonstiger öffentl. Kreditinstitute 05,2 05,2
Sa. öffentliche Kredite 36,0–2 31,2–4
Dazu Obligationenschulden nicht öffentlicher Körperschaften:
Hypothekenpfandbriefe u. -kommunalobligationen rund 11,4
Eisenbahnobligationen 00,3
Industrieobligationen (im weiteren Sinne) 04,3
Sa. Private und öffentliche Obligationenschulden: 47,2–4


Die Summe der öffentlichen Kredite in Deutschland kann hiernach gegenwärtig auf 36–37 Milliarden Mark geschätzt werden, wovon 31–32 Milliarden in der Form von festverzinslichen Obligationen – meist auf den Inhaber – aufgenommen bezw. in Schuldbücher eingetragen sind.

Die Summe der festverzinslichen Obligationenschulden, sowohl öffentlicher wie privater Kreditnehmer im deutschen Reich ist auf 47–48 Milliarden Mark anzusprechen.





  1. Es handelt sich hier nur um die eigentlichen Finanzschulden, welche zur Ergänzung fehlender ordentlicher Deckungsmittel für den Staatsbedarf zu dienen bestimmt sind, nicht dagegen sog. Verwaltungsschulden d. h. Kreditmassnahmen, die in der gewöhnlichen Geschäftserledigung der Verwaltungsorgane vorkommen, aber sich im übrigen in nichts von den Kreditgeschäften des gewöhnlichen privaten Geschäftslebens unterscheiden und nicht dazu dienen sollen, fehlende Einnahmen des Staates dauernd oder vorübergehend zu ergänzen. Die Vornahme derartiger Schulden vollzieht sich in rein privatrechtlicher Form, ist ein Ausfluss der allgemeinen Ressortbefugnisse der Verwaltungsbehörden und bedarf einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung nicht.
  2. Neues Staatspapiergeld dürfen die Bundesstaaten nur auf Grund eines Reichsgesetzes ausgeben (§ 8 R Ges. v. 30. 4. 74).
  3. Infolge des Reichsges. v. 21. 7. 84 (R.G.Bl. 172) wurden die mit Datum v. 11. 7. 74 ausgefertigten Reichskassenscheine eingezogen und neue ausgefertigt.
  4. Schwebende Schulden finden sich daher auch in England und Belgien.
  5. Gelegentlich werden auch an andere Banken oder Private Schatzanweisungen gegeben.
  6. Durch R. Ges. betr. Aenderung des Reichsschuldenwesens v. 22. 2. 1904 (RGBl. S. 66) ist es ausdrücklich für zulässig erklärt worden, dass bei Fälligwerden von Schatzanweisungen und zu ihrer Einlösung erforderlichenfalls – ohne spezielle Ermächtigung – neue Schatzanweisungen ausgegeben werden. Erst in neuester Zeit hat man angefangen, fällig gewordene derartige Schatzanweisungen wenigstens teilweise nicht zu erneuern.
  7. So diente die 1912 ausgegebene Anleihe des Reiches in Höhe von 80 Mill. zur Aufnahme einer fundierten Schuld an Stelle früherer Schatzanweisungen.
  8. Den festen und fundierten Schulden zuzurechnen sind auch die Garantieschulden, d. h. Schulden anderer Korporationen, Gesellschaften oder Institute, für welche Reich oder Staat die Garantie der Zins-Tilgungszahlung pp. übernommen haben. Auch sie bedürfen im Verfassungsstaate eines Gesetzes. (R.V.A. 73, Pr.V.U. A. 103) Im allgemeinen spielen diese Schulden keine finanziell bedeutende Rolle.
  9. R. G. v. 27. 1. 1875. RGBl. S. 18.
  10. S. O. Schwarz, Formelle Finanzverwaltung. Berlin 1907, S. 21.
  11. Die Summe setzte sich zusammen aus 1072 Mill. Mk. 4%, 1070 Mill. M. 3½%, 1634 Mill. Mk. 3% Schuldverschreibungen und 220 Mill. Mk. 4% Schatzanweisungen.
  12. S. Bericht der Reichsschuldenkommission Reichst.-Session 90/92 Aktenst. 422.
  13. Nur um 1892 u. 1893 fand eine kleine Steigerung auf 106,90 und 107,24% statt.
  14. Näheres s. Schwarz u. Strutz, Staatshaushalt, Bd. III, Buch 3, S. 122.
  15. Stand am 1. Juli 1905.
  16. Stand am 1. Jan. 1908.
  17. S. Dr. v. Osterroth, Das Schuldenwesen der deutschen Schutzgebiete, Leipzig 1911.
  18. S. darüber auch die Broschüre „Die Kurse der Reichs- und Staatsanleihen“. S. 31.