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Die Gartenlaube (1873)/Heft 20

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1873
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[317]

No. 20.   1873.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Glück auf!
Von E. Werner.


(Fortsetzung.)


Hartmann schwieg. Eugenie blickte mit einem Gemisch von Grauen und Mitleid auf ihn hin. Sie wußte nur zu gut, daß die Anklagen gerecht waren, die er gegen den Todten schleuderte, und wenn auch sie im Augenblick der Gefahr selbst dem gehaßten Berkow die Hand zur Rettung geboten hätte, der Mann ihr gegenüber hatte kein Verzeihen und kein Vergessen gelernt; er ließ den Feind ruhig vor seinen Augen verderben.

„Sie haben mir die volle Wahrheit gesagt, Hartmann? Auf Ihr Wort und Ihre Ehre?“

„Auf mein Wort und meine Ehre, gnädige Frau!“

Sein Auge begegnete finster aber fest dem ihrigen; die junge Frau hegte keinen Zweifel mehr, als sie vorwurfsvoll entgegnete: „Und warum lösten Sie den Irrthum nicht? Warum sprachen Sie nicht zu den Anderen, wie jetzt eben zu mir?“

Ein Ausdruck herber Verachtung überflog seine Züge. „Weil es mir Keiner geglaubt hätte! Nicht ein Einziger, auch mein Vater nicht. Er hat ganz recht: ich bin maßlos wild und unbändig gewesen mein Lebenlang, habe Alles niedergeworfen, was mir im Wege stand, und mich nie darum gekümmert, was Andere von mir sagten; das habe ich jetzt büßen müssen. Sie wußten Alle, daß ich den Todten haßte, und nun das Unglück passirte, als ich dabei war, nun mußte ich es auch angerichtet haben. Da war gar kein Zweifel. Der eigene Vater hat es mir in’s Gesicht gesagt, und als ich nicht Ja sagen konnte, als er mich fragte, ob ich ganz unschuldig wäre an jenem Tode – ich brauchte ja blos den Arm auszustrecken, um ihn zu retten, und ich hatte es doch nicht gethan – als ich nicht Ja sagen konnte, da wollte er mich gar nicht weiter anhören. Er hätte mir auch nicht geglaubt, und wenn ich es ihm zugeschworen hätte. Dann habe ich es noch hier und da versucht bei den Cameraden, und wenn sie mir auch nicht widersprachen, so sah ich es doch an ihren Gesichtern, daß sie mich nun noch dazu für einen Lügner hielten. Betteln um ihren Glauben mochte ich nicht; so ließ ich es denn gehen, wie es gehen wollte; ich hatte ohnedies genug von ihrer Freundschaft und Cameradschaft. Wäre man mir mit den Gerichten zu Leibe gegangen, dann freilich hätte ich gesprochen; aber es wäre noch die Frage gewesen, ob mir auch da Einer geglaubt hätte.“

Eugenie schüttelte leise den Kopf. „Sie mußten sich den Glauben erzwingen, Hartmann, und Sie hätten es auch gekonnt, wenn Sie nur ernstlich gewollt hätten; aber Ihr Stolz und Trotz litten das nicht. Sie begegneten dem Argwohn mit Verachtung, und gerade das hat ihn bestärkt. Jetzt sind Sie verfehmt auf den ganzen Werken, bei den Beamten, bei meinem Gatten –“

„Was frage ich nach Herrn Berkow!“ fiel er rauh ein, „was nach all den Uebrigen! Ob sie mich verdammen oder nicht, mir gilt’s gleich. Von Ihnen, gnädige Frau, habe ich es nicht ertragen können, daß Sie sich mit Furcht, mit Verachtung von mir wandten, von Ihnen allein nicht, und Sie glauben mir jetzt, ich sehe es an Ihren Augen – das Uebrige ist mir Alles Eins!“

„Ich glaube Ihnen!“ sagte Eugenie ernst. „Und ich werde Sie meinem Gatten gegenüber wenigstens von dem schlimmsten Verdachte reinigen. Daß Sie nicht retteten, wo Sie retten konnten und mußten, darüber dürfen wir nicht mit Ihnen rechten. Das verantworten Sie vor Ihrem eigenen Gewissen! Aber Arthur soll nicht mehr glauben, daß der Mörder seines Vaters ihm gegenübersteht. Zur Versöhnung ist es freilich zu spät. Sie haben es zu weit getrieben. Ich weiß erst seit wenigen Stunden, was Alles geschehen ist und was vielleicht noch geschehen wird, wenn sich morgen der Angriff gegen die Schachte erneuert. Hartmann“ – die junge Frau beging die Unvorsichtigkeit, ganz nahe an ihn heranzutreten und bittend die Hand auf seinen Arm zu legen – „Hartmann, wir stehen an einer furchtbaren Katastrophe. Sie haben meinen Gemahl gezwungen, sich und die Seinigen auf jede Gefahr hin zu schützen, und er ist entschlossen, es zu thun. Wenn morgen Blut fließt, fließen muß, bedenken Sie, auf wen es fällt!“

Ihre Nähe, die Hand, die auf seinem Arme lag, verfehlten ihre Wirkung nicht auf Ulrich; aber die Wirkung war diesmal keine heilbringende. Seine Stimme verlor mehr und mehr die dumpfe Ruhe, indem er antwortete:

„Auf mich, meinen Sie? Nehmen Sie sich in Acht, gnädige Frau! Es könnte auch auf Sie fallen, wenn es zum Beispiel Jemanden träfe, den Sie lieben. Herr Berkow bleibt sicher nicht hier im Hause, wenn draußen gekämpft wird; das weiß ich, und ich weiß auch, wen ich mir zuerst suche, wenn der Kampf einmal los ist!“

Eugeniens Hand war schon längst zurückgezuckt, als sie selbst von ihm zurückwich. Sie hörte diesen Ton und sah zugleich einen Blick, der sie warnte; es war immer nur der gebändigte Tiger, der in der einen Minute noch ihrer Stimme gehorchte, um sich vielleicht in der nächsten schon mit seiner ganzen [318] fürchterlichen Wildheit gegen sie zu erheben, und die Minute schien jetzt gekommen zu sein; der Blick drohte auch ihr.

„Hartmann, Sie sprechen mit der Gattin Ihres Chefs,“ rief sie mit einem vergeblichen Versuche, ihn zur Besinnung zu bringen; „wenn Sie ihn hassen –“

„Den Chef?“ unterbrach er sie mit wildem Hohne. „Dem gilt’s hier nicht; mit dem habe ich nur zu thun an der Spitze meiner Cameraden. Arthur Berkow ist’s, den ich hasse, weil Sie seine Frau sind, weil Sie ihn lieben, und ich, ich liebe Sie, Eugenie, mehr als sonst Jemand auf der ganzen weiten Welt. Entsetzen Sie sich doch nicht so davor! Sie mußten es ja längst wissen; ich konnte ja nicht Herr darüber bleiben, sobald ich Ihnen nur nahe kam. Ich habe es niedertreten und niederzwingen wollen mit Gewalt – es ging nicht; es geht auch heute nicht, wenn ich auch erst heute wieder die alte Geschichte erlebt habe, daß nur Gleich und Gleich sich zusammenfindet und daß für Unsereins nur ein vornehmes Achselzucken übrigbleibt, wenn man sein Leben auch in die Schanze geschlagen hat. Aber wenn jetzt wieder ein Leben zu verlieren ist, dann bin ich es nicht, der sich wieder so unsinnig opfert wie damals bei Ihrer Hochzeitsfahrt unter den Hufen Ihrer Pferde; dann gilt es ein anderes als das meinige. Ich habe schon einmal einen Berkow gehaßt bis auf’s Blut; ich glaubte damals, ich könnte keinen Menschen ärger hassen auf Erden. Jetzt freilich weiß ich das besser. Zum Mörder bin ich doch nicht an ihm geworden; aber Einen giebt’s, an dem ich das werden könnte, einen Einzigen! Der Vater war es nicht; aber wenn ich einmal so an den Sohn gerathe, dann heißt es: er oder ich, oder – wir Beide!“

Er war furchtbar, der Augenblick, wo die fast bis zum Wahnsinn gesteigerte Leidenschaft dieses Mannes ihre Schranken durchbrach, ein losgelassener verheerender Strom, den nichts mehr dämmen oder aufhalten konnte. Eugenie sah, daß hier jedes Wort, jeder Ruf zu spät kam, und begriff, daß ihre Macht zu Ende war. Sie konnte nicht fliehen; er hatte ihr den Weg zur Thür vertreten, aber sie eilte zum Klingelzuge und riß mit aller Gewalt daran. Die Diener befanden sich freilich drüben auf der andern Seite, aber es war doch immerhin möglich, daß die Glocke ihr Ohr erreichte.

Hartmann war ihr gefolgt. Er wollte ihre Hand wegreißen von der Klingelschnur, aber in dem gleichen Moment wurde er selbst zurückgerissen von einem Arme, dem die Empörung jetzt Kraft genug lieh, die riesenhafte Gestalt wie ein Kind zur Seite zu schleudern. Arthur war es, der zwischen ihnen stand, und mit einem Aufschrei der Freude, aber auch zugleich der Todesangst flüchtete Eugenie zu ihrem Gatten; sie wußte, was jetzt kam.

Ulrich hatte sich aufgerafft, ohne einen Laut von sich zu geben, aber mit einem von der Wuth bis zur Unkenntlichkeit entstellten Antlitze. Was da in seinem Auge aufflammte, als er den Gegner erkannte, das verhieß unabwendbares Verderben; aber Arthur hatte bereits mit schneller Geistesgegenwart eine der Pistolen herabgerissen, die über seinem Schreibtische hingen, und den linken Arm um seine Frau legend, hielt er mit der Rechten dem Eindringlinge die tödtliche Waffe entgegen.

„Zurück, Hartmann! Wagen Sie es nicht, sich noch einmal zu nahen! Noch einen Schritt gegen meine Gattin, einen einzigen, und Sie liegen am Boden!“

Der Bedrohte hielt inne; trotz der Wuth, mit der er sich vorwärts stürzen wollte, sah er doch, daß die Mündung des Geschosses fest und sicher auf ihn gerichtet war und daß die Hand nicht bebte, die ihm diese Richtung gab; schon beim zweiten Schritte mußte die Kugel ihn treffen, und der Gegner blieb Sieger; er ballte die Faust, der die gleiche Waffe fehlte.

„Ich habe keine Pistolen,“ sagte er knirschend, „hätte ich sie, dann ständen wir gleich auf gleich, Herr Chef, aber freilich, so standen wir ja nie. Sie haben sich besser vorgesehen als ich; ich habe nur meine Fäuste gegen Ihre Kugel zu setzen, und da freilich ist’s kein Zweifel, wer den Kürzern zieht.“

Arthur ließ ihn nicht aus den Augen. „Sie haben dafür gesorgt, Hartmann, daß man jetzt die geladenen Waffen immer zur Hand hat. Mein Haus und mein Weib wenigstens werde ich vor Ihnen schützen, und wenn es auch eine Kugel kostet. Zurück, sage ich noch einmal!“

Es war wieder jenes secundenlange athemlose Anschauen der Beiden, wie damals bei der ersten verhängnißvollen Begegnung, wo sie ihre Kräfte zu messen schienen, und wie damals blieb der junge Chef Sieger, wenn es auch jetzt so weit gekommen war, daß er einer andern Waffe bedurfte, als blos seines Auges. Er stand noch immer unbeweglich da, den Finger am gespannten Hahne der Pistole und mit dem Blicke jeder Bewegung seines Gegners folgend, bis dieser zurückwich.

„Ich habe mein Leben nie viel geachtet,“ entgegnete Ulrich trotzig, „ich dächte, das hättet Ihr Beide hinreichend erfahren, aber ich mag mich doch nicht auf Eurer Schwelle niederschießen lassen; ich habe noch abzurechnen mit Euch. Zittern Sie doch nicht so, gnädige Frau! Sie sind ja in seinen Armen, und er ist ja sicher; jetzt ist er’s noch, aber wir sind noch nicht am Ende. Und wenn Ihr auch Beide dasteht, als könnte Euch nichts mehr auseinanderreißen, als wäret Ihr Eins in’s Andere gekettet für alle Ewigkeit, es wird auch einmal die Stunde für mich kommen, und dann, dann sollt Ihr an mich denken!“

Er ging. Der schwere Schritt tönte erst im Nebengemach, dann im Vorzimmer; zuletzt verhallte er draußen. Die junge Frau schmiegte sich fester in die Arme ihres Mannes; sie hatte es jetzt erprobt, wie sie zu schützen wußten.

„Du kamst zu rechter Zeit, Arthur,“ sagte sie, noch bebend von dem Schrecken jener Scene. „Ich hatte meine Zimmer verlassen, trotz Deiner Warnung; es war eine Unvorsichtigkeit, ich weiß es; aber ich wollte Dich hier erwarten, und im Hause wenigstens glaubte ich noch sicher zu sein.“

Arthur ließ die Waffe sinken und zog sie näher an sich. „Du warst es aber nicht, das haben wir soeben erfahren! Was wollte Hartmann hier in meinem Arbeitszimmer?“

„Ich weiß es nicht. Er suchte Dich, jedenfalls in keiner guten Absicht.“

„Ich bin von dieser Seite her auf Alles gefaßt,“ entgegnete er ruhig, die Pistole auf den Schreibtisch legend. „Du siehst, ich hatte mich bereits für ähnliche Fälle vorgesehen, aber ich fürchte, das war nur ein Vorspiel zu morgen, wo erst das eigentliche Drama beginnt. Zitterst Du davor, Eugenie? Die erbetene Hülfe kann erst gegen Abend hier sein; wir haben noch den ganzen Tag allein mit den Empörern auszuhalten.“

„An Deiner Seite zittere ich vor nichts mehr! Nur, Arthur,“ ihre Stimme nahm den Ausdruck flehender Angst an, „nur gehe mir nicht wieder allein hinaus in das Toben, wie heut Mittag! Er ist dort, und er hat Dir den Tod geschworen.“

Arthur richtete sanft das Haupt seiner jungen Gattin empor und sah ihr tief und fest in’s Auge. „Leben und Tod steht doch wohl nicht in Hartmann’s Hand allein; darüber hat doch noch ein Anderer zu entscheiden. Sei ruhig, Eugenie! Ich werde meine Pflicht thun, aber ich thue sie anders, als all die Tage vorher; weiß ich doch jetzt, daß mein Weib sich um mich ängstigt; das vergißt sich nicht so leicht!“

Draußen auf der Terrasse stand Ulrich Hartmann. Die Dämmerung war tiefer hereingebrochen; man konnte nicht mehr unterscheiden, was seine Züge aussprachen, als er zu den Fenstern des Hauses hinaufblickte, das er soeben verlassen; aber die Stimme verrieth es, mit der er halblaut, wie zum Schwur, die Drohung wiederholte, die er vorhin gegen Arthur Berkow geschleudert: „Er oder ich, oder, wenn’s sein muß – wir Beide!“




Der nächste Morgen! Das war ein Gedanke, der nicht blos Arthur und seine Gattin allein, sondern Alles, was überhaupt zum Berkow’schen Hause stand, mit schwerer Sorge erfüllte. Nun war er gekommen, dieser so gefürchtete Morgen, und schien in der That all die Befürchtungen verwirklicht zu haben, die man ihm entgegentrug. Trotz der frühen Stunde befanden sich die sämmtlichen Beamten bereits im Hause ihres Chefs. Ob sie zu einer Berathung versammelt waren, ob sie sich dorthin geflüchtet hatten – es sah fast aus, als sei das letztere der Fall, denn die Gesichter der Herren waren bleich, aufgeregt, verstört, und Reden und Gegenreden, Vorschläge, Sorgen und Befürchtungen schwirrten bunt durcheinander.

„Ich bleibe dabei, es war ein Fehler, die drei Leute in Verhaft zu nehmen!“ behauptete Schäffer, zum Director gewendet. „Das hätte man allenfalls wagen können, wenn die militärische Hülfe schon da wäre, aber nun und nimmermehr auf eigene [319] Hand. Jetzt stürmen sie uns das Haus, um die Gefangenen zu befreien; wir werden sie herausgeben müssen.“

„Erlauben Sie, das werden wir nicht!“ rief der Oberingenieur, der sich wie gewöhnlich in vollster Opposition seinen beiden Collegen gegenüber befand. „Wir werden den Sturm aushalten und uns nöthigenfalls hier im Hause vertheidigen; Herr Berkow ist durchaus entschlossen dazu.“

„Nun, Sie freilich müssen seine Beschlüsse am besten kennen. Sie sind ja sein ausschließlicher Berather!“ meinte etwas pikirt der Director, der sich allerdings einer gleichen Intimität mit dem jungen Chef nicht rühmen konnte, obgleich seine Stellung ihn vielleicht eher dazu berechtigte.

„Herr Berkow pflegt seine Beschlüsse gewöhnlich allein zu fassen,“ entgegnete der Oberingenieur trocken. „Ich befinde mich nur, wie gewöhnlich, auch diesmal in dem Falle, ihm vollkommen beizustimmen. Es wäre wider Recht und Gewissen, es wäre eine erbärmliche Feigheit gewesen, die drei Uebelthäter laufen zu lassen. Sie hatten die eingestandene Absicht, uns die Maschinen zu zerstören.“

„Auf Hartmann’s Befehl!“ warf Schäffer ein.

„Gleichviel, sie gaben sich doch zur Ausführung her. Der Herr kam gerade recht, um das Bubenstück noch zu verhindern, und ich möchte Den sehen, der da Ruhe genug gehabt hätte, die Anstifter straflos ausgehen zu lassen. Er ließ sie festnehmen, und daran that er recht. Hartmann war freilich nicht dabei; er befand sich noch bei den Schachten, wo der Lärm gerade im vollen Gange war und wo er doch schließlich die Einfahrt nicht hindern konnte, weil der eigene Vater sich ihm entgegenstellte.“

„Ja, es war ein Glück, daß der Schichtmeister uns zu Hülfe kam!“ sagte der Director. „Er muß wohl eingesehen haben, daß ihm kein anderes Mittel mehr übrig blieb, um das Aeußerste zu verhüten, als er sich heute Morgen aus freien Stücken erbot, die Leute zur Schicht zu führen, obgleich es gar nicht sein Amt ist. Er wußte am Ende, daß sich der Sohn an ihn nicht wagen würde, und von den Uebrigen rührte Keiner die Hand gegen die Cameraden, als sie den Führer zurückweichen sahen. Dem Alten allein danken wir es, daß die Einfahrt wirklich erzwungen wurde.“

„Ich sage es ja,“ beharrte Schäffer, „die Einfahrt wurde erzwungen, mehr als die Hälfte der Knappschaft verhielt sich bereits neutral dabei, und hätte man sie nicht durch die Festnahme ihrer Cameraden gereizt, so wäre die ganze Sache in Ruhe und Frieden verlaufen.“

„In Ruhe und Frieden, so lange Hartmann befiehlt?“ lachte der Oberingenieur bitter auf; „da täuschen Sie sich ganz und gar. Er suchte einen Vorwand zum Angriffe, gleichviel, welchen, und hätte ihn schlimmsten Falles auch ohne Vorwand unternommen. Der heutige Morgen hat ihm doch wohl gezeigt, daß es mit seiner Macht reißend schnell zu Ende geht, daß er vielleicht nur heute noch über seinen Anhang gebietet, und da wagt er das Letzte. Der Mensch weiß jetzt, daß er verloren ist, und reißt rücksichtslos mit sich in’s Unglück, was ihm noch aus Furcht oder Gewohnheit folgt. Er hat nichts mehr zu schonen, und uns schont er da am wenigsten.“

Sie wurden durch Herrn Wilberg unterbrochen, der mit bleicher Miene vom Fenster zurückkam, wo er während der letzten zehn Minuten Posto gefaßt hatte.

„Der Lärm wird immer ärger,“ berichtete er zaghaft. „Es ist kein Zweifel mehr, daß sie einen Angriff gegen das Haus beabsichtigen, wenn Herr Berkow nicht nachgiebt. Das Parkgitter ist schon nieder; die ganzen Anlagen sind zerstampft und zertreten. Ach, und der herrliche Rosenflor auf den Terrassen –“

„Bleiben Sie uns mit Ihrer Sentimentalität vom Leibe!“ fuhr der Oberingenieur auf, während der Director und Schäffer zum Fenster eilten. „Jetzt, wo die Empörer uns das Haus stürmen, denken Sie an zertretene Rosenstöcke. Wollen Sie sich nicht lieber gleich hinsetzen und den Rosenjammer in Verse bringen? Ich dächte, es wäre gerade die rechte Stimmung für einen Poeten.“

„Ich habe seit einiger Zeit das Unglück, daß Alles, was ich sage und thue, den Unwillen des Herrn Oberingenieurs erregt,“ entgegnete Herr Wilberg gekränkt, aber doch mit einer Miene geheimen Selbstbewußtseins, die den Grimm seines Vorgesetzten noch zu steigern schien.

„Weil Sie nichts Vernünftiges sagen oder thun!“ grollte er, ihm den Rücken wendend und seinen Collegen folgend, die vom Fenster aus den immer mehr anwachsenden Tumult beobachteten.

„Das wird Ernst!“ sagte der Director unruhig, „sie bedrohen den Eingang. Man wird den Herrn benachrichtigen müssen.“

„Lassen Sie ihn doch wenigstens für den Augenblick in Ruhe!“ fiel der Oberingenieur ein. „Ich dächte, er wäre seit Tagesanbruch so ununterbrochen auf dem Posten gewesen, daß wir ihm die fünf Minuten bei seiner Frau gönnen dürfen. Die nothwendigsten Maßregeln sind ja alle getroffen, und wenn die Gefahr da ist, wird er auch da sein; das wissen Sie doch.“

Der Beamte hatte Recht. Arthur, seit den ersten Morgenstunden mit Befehlen, Anordnungen und persönlichem Eingreifen in ununterbrochener Thätigkeit begriffen, war bisher seiner Gattin kaum zu Gesicht gekommen und hatte sich jetzt erst mit ihr auf einige Minuten in eines der Nebengemächer zurückgezogen. Er mußte ihr dort wohl den ganzen Stand der Dinge mitgetheilt haben, denn die Arme der jungen Frau waren in angstvoller Erregung um seinen Hals geschlungen.

„Du darfst nicht hinaus, Arthur; es ist ein tollkühnes, ein verzweifeltes Wagniß! Was willst Du, der Einzelne, gegen die tobende Menge ausrichten? Gestern waren sie unter sich selber im Streite, als Du dazwischen tratest; heute wendet sich Alles gegen Dich allein. Du wirst die Kühnheit büßen müssen; ich lasse Dich nicht hinaus!“

Arthur machte sich sanft, aber entschieden los aus ihren Armen. „Ich muß, Eugenie! Es ist die einzige Möglichkeit, den Sturm noch aufzuhalten, und es ist ja nicht das erste Mal, daß ich solchen Scenen Stand halten muß. Was thatest Du denn gestern bei Deiner Ankunft?“

„Ich wollte zu Dir!“ sagte Eugenie in einem Tone, als sei damit jedes Wagniß gerechtfertigt. „Aber Du willst Dich von mir losreißen, um Dich der blinden Wuth dieses Hartmann entgegenzuwerfen. Denke an den Auftritt gestern Abend, an seine Drohungen! Wenn Du hinaus mußt, wenn es keine Wahl giebt, so laß mich wenigstens mit Dir gehen. Ich bin nicht furchtsam; ich bebe vor der Gefahr nur, sobald ich Dich allein darin weiß.“

Er beugte sich ernst, aber liebevoll zu ihr nieder. „Ich weiß, daß Du Muth hast, meine Eugenie, aber ich würde feig sein der Menge gegenüber, wüßte ich, daß ein Stein aus ihrer Mitte auch Dich treffen könnte. Ich brauche heute meinen vollen Muth, und den habe ich nicht, wenn ich Dich neben mir bedroht sehe, ohne Dich schützen zu können. Ich weiß, warum Du mich begleiten willst: Du glaubst mich sicher vor einem Arme, so lange Du an meiner Seite stehst. Täusche Dich nicht! Das ist vorbei seit gestern Abend; seitdem hast Du Antheil an dem Hasse, mit dem er mich verfolgt, und auch wenn das nicht wäre,“ hier verlor seine Stimme den zärtlich weichen Klang und die Stirne faltete sich, „ich will meine Sicherheit nicht einem Gefühl verdanken, das eine Beleidigung ist für Dich wie für mich und das schon allein die Entfernung jenes Mannes forderte, auch wenn sein sonstiges Benehmen es nicht thäte.“

Die junge Frau mußte wohl die Wahrheit dieser Worte fühlen – sie senkte in stummer Resignation das Haupt. Arthur fuhr auf:

„Da bricht das Toben von Neuem los! Ich muß fort! Unser Wiedersehen wird sich heute nur auf Minuten beschränken, und auch die werden angstvoll genug sein für Dich, mein armes Weib. Du hättest zu keiner schlimmeren Zeit zurückkehren können.“

„Möchtest Du den Sturm lieber allein aushalten, ohne mich?“ fragte Eugenie leise.

Ein Ausdruck leidenschaftlicher Zärtlichkeit erhellte die umdüsterten Züge des jungen Mannes. „Ohne Dich? Ich habe bisher ausgehalten wie der Soldat auf einem verlorenen Posten. Erst seit gestern weiß ich, daß auch der Kampf etwas werth sein kann, wenn man ein Lebensglück und eine Zukunft dabei zu gewinnen hat. Du hast mir Beides zurückgebracht, und wenn es jetzt von allen Seiten noch ärger auf uns einstürmte, ich glaube wieder an den Sieg, seit ich Dich wieder habe.“ –

Die noch immer in größter Aufregung geführten Debatten [320] der Beamten verstummten, als Berkow mit seiner Gemahlin eintrat, aber die Bewegung, welche sich dabei von allen Seiten kund gab, war mehr als die bloße Rücksicht für das Erscheinen des Chefs. All die ernsten, besorgten, ängstlichen Blicke hefteten sich auf sein Gesicht, als wollten sie Hoffnungen oder Befürchtungen daraus lesen. Alle drängten sich um ihn, wie um einen Mittelpunkt, an dem sie Halt und Stütze suchten; Alles athmete auf bei seinem Eintritt, als sei damit allein schon ein Theil der Gefahr beseitigt. Diese Bewegung, unwillkürlich wie sie war, zeigte Eugenien doch hinreichend, welche Stellung ihr Gatte sich bei seiner Umgebung errungen hatte und die Art, wie er in ihre Mitte trat, zeigte noch mehr, daß er sie zu behaupten wußte. Sein Antlitz, das die junge Frau noch vor wenig Augenblicken so schwer umdüstert gesehen hatte, verrieth jetzt, wo es all den besorgten Gesichtern begegnete, nur einen ruhigen Ernst, nichts weiter, und seine Haltung war von einer Sicherheit, die auch dem Zaghaftesten Muth einflößen mußte.

„Nun, meine Herren, es sieht ziemlich feindselig und bedrohlich aus da draußen. Wir werden uns auf eine Art von Belagerung, vielleicht sogar auf einen Angriff gefaßt machen müssen. Meinen Sie nicht?“

„Man will die Gefangenen heraus haben,“ sagte der Director, indem er einen Unterstützung fordernden Blick auf Schäffer warf, der jetzt gleichfalls herantrat.

„Ja wohl, Herr Berkow, und ich fürchte, wir werden uns hier nicht behaupten können gegen den Aufruhr. Die Festnahme der drei Bergleute ist im Augenblick freilich der alleinige Grund oder Vorwand dazu; wenn man ihnen den nähme –“

„So würden sie einen anderen finden,“ schnitt ihm Arthur das Wort ab, „und die verrathene Schwäche würde sie vollends entfesseln. Wir dürfen jetzt weder Schwanken noch Furcht zeigen, oder wir verlieren das Spiel noch im letzten Augenblick. Ich sah die Folgen voraus, als ich die drei Unheilstifter festnehmen ließ, aber diesem Attentat gegenüber blieb nur die vollste Strenge übrig. Die Gefangenen bleiben in Haft, bis das Militär eintrifft.“

Der Director trat zurück, und Schäffer zuckte die Achseln; sie hatten ihren jungen Chef nun nachgerade genug kennen gelernt, um zu wissen, daß es diesem Tone gegenüber keinen Widerspruch gab.

„Ich vermisse Hartmann unter der Menge,“ wandte sich Arthur an den Oberingenieur. „Er pflegt doch sonst überall der Erste zu sein, wo es Lärm und Tumult giebt; heute aber scheint er die Schaar nur zum Angriff gehetzt und sie dann allein gelassen zu haben. Er ist nirgends sichtbar.“

„Auch ich vermisse ihn schon seit einer Viertelstunde, entgegnete der Gefragte bedenklich. „Wenn er nur nicht wieder irgend ein neues Unheil anstiftet. Sie befahlen die Posten von den Maschinenhäusern zurückzuziehen, Herr Berkow.“

„Gewiß! Wir brauchen die wenigen Leute, über die wir verfügen können, nothwendiger hier im Hause, und seit die Einfahrt erzwungen wurde, sind die Schachte wie die Maschinen vollkommen sicher. Sie können nichts dagegen unternehmen, ohne ihre eigenen Cameraden da unten zu gefährden.“

„Ob das bei einem solchen Führer in Betracht kommt?“ meinte der Beamte zweifelnd.

Die Stirn Arthur’s umwölkte sich. „Ich dächte doch! Hartmann ist ein Unbändiger, ein Wütherich sogar, wenn er gereizt wird, ein Schurke ist er nicht, und das, was Sie da andeuten, wäre Schurkerei. Er hat die Maschinen zerstören wollen, um die Anfahrt zu hindern, und als er sie nicht mehr hindern konnte, weshalb glauben Sie denn, daß er sich da so unsinnig nach den Häusern stürzte? Es geschah wohl nicht, um den Vater und die Cameraden dem Verderben preiszugeben. Er wollte seine früheren Befehle rückgängig machen und erst als er sah, daß wir ihm bereits zuvorgekommen waren, brach er in der Wuth über den gescheiterten Plan gegen uns los. Die Anfahrt allein hat uns die Maschinen gerettet. Es hebt Keiner die Hand dagegen, so lange der Schichtmeister und die Uebrigen in den Schachten sind, aber dafür richtet sich der Sturm jetzt gegen das Haus. Ich werde hinausgehen und einen Versuch machen, ihn zu beschwichtigen.“

Die Beamten waren es seit den letzten Wochen gewohnt, daß ihr Chef mit der vollsten Kühnheit und ohne alle Rücksicht auf seine Person vorging, wenn es sich um ähnliche Scenen handelte, heute aber wurden doch von allen Seiten Bitten und Abmahnungen laut; sogar der Oberingenieur schloß sich diesmal den Vorstellungen an, während Schäffer, der wohl wußte, von welcher Seite ein Widerspruch allein nützen konnte, sich zu Eugenien wandte, die noch an der Seite ihres Gemahls stand.

„Lassen Sie es nicht zu, gnädige Frau! Heute nicht – heute ist es gefährlicher als all’ die Tage vorher. Die Leute sind furchtbar gereizt, und Hartmann spielt diesmal va banque gegen uns. Halten Sie den Herrn zurück!“

Die junge Frau wurde todtenbleich bei dieser Mahnung, die ihre eigenen Befürchtungen nur zu sehr bestätigte, aber sie behauptete ihre Fassung; ein Theil der Ruhe Arthur’s schien auch auf sie übergegangen zu sein.

„Mein Gatte hat mir erklärt, er müsse den Versuch machen,“ entgegnete sie fest, „und er soll nicht sagen, daß ich ihn mit Thränen und Klagen von dem zurückgehalten habe, was er für seine Pflicht hält. Lassen Sie ihn hinaus!“

Arthur hielt ihre Hand noch immer fest in der seinigen; er dankte ihr nur mit einem Blick.

„Nun, meine Herren, nehmen Sie sich ein Beispiel an dem Muthe meiner Frau! Sie hat doch wohl am meisten zu zittern. Ich wiederhole es Ihnen, der Versuch muß gemacht werden! Lassen Sie die Eingangsthür öffnen.“

„Wir gehen alle mit!“ rief der Oberingenieur. „Fürchten Sie nichts, gnädige Frau! Ich weiche dem Herrn nicht von der Seite.“

Arthur wies ihn ruhig, aber entschieden zurück. „Ich danke Ihnen, aber Sie bleiben hier und die übrigen Herren gleichfalls – ich gehe allein. In solchem Falle ist höchstens der Einzelne der Menge gegenüber sicher. Ihr gesammtes Erscheinen könnte als eine Herausforderung gelten. Halten Sie sich nur bereit, mir, wenn es zum Aeußersten kommen sollte, den Rückzug in’s Haus zu decken! Leb’ wohl, Eugenie!“

Er ging, von dem Oberingenieur und einem Theil der Beamten bis zur Treppe begleitet. Es machte Keiner mehr den Versuch, ihn zurückzuhalten; sie wußten Alle, daß in seinem Erscheinen draußen die einzige Möglichkeit lag, eine Gefahr abzuwenden, gegen die noch stundenlang sich hier im Hause zu behaupten schwer, wenn nicht unmöglich erschien.

Eugenie eilte an’s Fenster. Sie sah nicht, daß die noch Anwesenden sich in ängstlicher Spannung an die übrigen Fenster drängten, hörte nicht die halblauten Bemerkungen, die der Director und Schäffer, die unmittelbar hinter ihr standen, mit einander austauschten; sie sah nur die wild empörte Menge, die, Kopf an Kopf gedrängt, das Haus umwogte und mit wüthendem Geschrei die Freilassung der Gefangenen verlangte, diese Menge, der sich ihr Gatte jetzt allein entgegenwerfen wollte und die im nächsten Augenblick vielleicht sein Leben bedrohte. Das freilich mehr zierliche als feste Eisengitter des Parks war dem Ansturm bereits gewichen; es lag zertrümmert am Boden; die kostbaren, so sorgfältig gepflegten Gartenanlagen bildeten, von Hunderten von Fußtritten zerstampft, nur noch ein wüstes Chaos von Erde, Blumenscherben und zertretenen Gesträuchen. Schon waren die Ersten bis an die Terrasse und damit bis in die unmittelbare Nähe des Hauses vorgedrungen; schon zeigten sich die Fäuste Einzelner mit Steinen bewehrt, bereit, sie gegen die Fenster zu schleudern. Geschrei, Drohungen, Rufe aller Art tönten wild durcheinander; das Toben stieg von Minute zu Minute und steigerte sich bisweilen zu einem secundenlang andauernden Geheul, das nichts Menschliches mehr zu haben schien.


(Fortsetzung folgt.)




Wieder einmal beim alten Kreuzberg.

Dreierlei Ursachen sind es, welche mir den letzten Aufenthalt der Kreuzberg’schen Menagerie in Leipzig (Michaelis 1872) immer wieder lebhaft ins Gedächtniß zurückrufen werden. Die Erwähnung der ersten gehörte zwar nicht hierher, wenn sie nicht einen Anknüpfungspunkt böte, um zur Abstellung eines rohen Unfuges eine Bitte an unsere deutschen Behörden zu richten. Sie möge daher hier einen Platz finden.

Unter den Schaubuden der vorigen Leipziger Michaelismesse

[321] 

Eine programmwidrige Scene in der Kreuzberg’schen Menagerie.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

[322] befand sich auch, und zwar der Kreuzberg’schen Menagerie gegenüber, eine Bude, in welcher, der Ankündigung nach, zwei „Indianer aus dem Westen Nordamerika’s“, also Wilde, gezeigt wurden.

Als Freund der Natur bin ich von jeher auch sehr für Wilde eingenommen gewesen. Aber auch die nicht ganz echten Wilden sind nicht zu verachten. So erinnere ich mich unter anderen eines Negers, welcher als Diener bei Kreuzberg an der Casse beschäftigt war, aber entlassen wurde und am zweiten Tage darauf sich als Wilder, nämlich als halbnackter Negerhäuptling, etablirte, wobei er eifrig und mit großem Ernst einen Messingmond anbetete. Des Vormittags war er zahm und ging, gekleidet wie wir, unter dem Publicum einher, und erst vom Mittag an, wo das schaulustige Publicum sich einfand, wurde er zum Wilden.

In der letzten Messe wurde auch „Cora (so hieß sie wohl), die junge Nubierin“ gezeigt. Cora war ein ungefähr sechs- bis achtjähriges, reizendes Negermädchen, mit dem nöthigen Flitter als Wilde aufgeputzt. Sie tanzte auch, so ungefähr, wie Elephanten tanzen würden; das Interessanteste an ihr aber war, daß die „Nubierin“ verschiedene glänzende Zierrathe an der Nase befestigt trug, wovon ein Theil das Zeichen ihrer Abstammung war, der andere aber nach der sinnreichen Erklärung des Cicerone „die Aufrichtigkeit und Sündhaftigkeit ihrer Eltern“ bedeutet. Und das wird dem Publicum von Personen im Frack und mit der ernstesten Miene der Welt vorgetragen. Als Wilde wollte wohl auch „Hippolyta, das lebende Fischweib“ gelten, welches in der letzten Messe gezeigt wurde. Ich habe mich selbst gründlich ausgelacht, daß mich die reine Neugierde in die Bude hineintrieb und ich nun als Angeführter dastand. Aber konnte man wissen, daß „Hippolyta, das lebende Fischweib“ – ein ganz gemeiner Seehund war?

Diese Beispiele mögen beweisen, daß man auch den fabricirten Wilden ein gewisses Interesse abgewinnen und sich bei ihnen mindestens doch eine gewisse Erheiterung holen kann. Das veranlaßte mich denn auch, die eben angeführten „Indianer aus dem Westen Amerika’s“ zu besuchen. Daß es Neger sein würden, konnte nicht zweifelhaft sein. Echt nordamerikanische wilde Indianer sind meines Wissens noch nie nach Deutschland gekommen, und wer sie zeigte, müßte ein glänzendes Geschäft machen und brauchte nicht eine Messe aufzusuchen. Die Hauptursache meines Besuches war eigentlich, die Erklärung zu hören und das Verschlingen lebendiger Tauben und Kaninchen anzusehen. Dies übt bekanntlich die größte Anziehungskraft auf die große Menge, und deshalb müssen sogar manchmal Albinos aus der Schweiz, wenn sie als Wilde aus Centralamerika gezeigt werden, sich zum Fressen von lebenden Kaninchen und Tauben bequemen. Ich bin, zum jedesmaligen Erstaunen des Publicums, seit Jahren stets hinausgegangen, wenn diese Scheußlichkeit beginnen sollte; aber diesmal bezwang ich meinen Ekel, um die Sache wirklich einmal gesehen zu haben, und ertrug den Anblick, schildere ihn aber natürlich nicht.

Der eine der Neger trug eine Perrücke von langen Haaren, wie man dieselbe bei Indianern gewöhnlich voraussetzt, und über die Perrücke, um dieselbe oben zu verdecken, einen fast bis an die Augenbrauen herunterreichenden Kopfputz. Die Kerle rasselten schon vorher hinter dem Vorhange fürchterlich mit Ketten, brüllten wie das Vieh, wahrscheinlich aus Wuth über ihr Schicksal, und wenn sie auf die Bühne kamen, so traten sie gegen das nahe Publicum so drohend mit Keulenschwingen, Grimassenschneiden u. dgl. auf, daß es offenbar Vielen angst und bange geworden ist. Aber die Gegenwart des Erklärers bändigte sie stets. Der eine der Neger kam mir gleich anfangs bekannt vor, und ich erkundigte mich daher bei der Geschäftsdame an der Casse nach dessen Vergangenheit; aber mit unerschütterlichem Ernst versicherte mir dieselbe, daß die Indianer echt seien, denn der Erklärer habe sie selbst eingefangen, und mein Lächeln machte sie dabei gar nicht irre. Die Leute machten mit den Wilden glänzende Geschäfte. Ob es nun damit zusammenhing oder nicht, kurz, plötzlich erschien im „Leipziger Tageblatt“ eine Anzeige von einem dasigen Thierhändler, daß der eine der gezeigten Neger sein früherer Diener Ferdinand sei. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf dies die glücklichen Geschäftsleute. Noch an denselben Tage sammelte sich das Publicum, am Abend durch die edlen Lehrlinge verstärkt, vor der Bude und begann männiglich die Leute an der Casse zu verhöhnen, immer dazwischen nach „Nante“ rufend. Mit großer Tapferkeit suchten die Betrogenen das nahende Schicksal abzuwehren und die Echtheit ihrer Wilden zu verfechten, aller „Verleumdung“ zum Trotz, aber der Scandal wuchs und von der Casse der Kreuzberg’schen Menagerie sah ich es schließlich mit an, als am zweiten oder dritten Abend, denn im Dunkeln ist das am gemüthlichsten, ein Sturm auf die Bude gemacht und mit Erfolg durchgeführt wurde. Man wollte die Wilden herausholen, insbesondere Nanten, da derselbe gegen das Publicum grob geworden sein solle. Das Ende war aber natürlich der Schluß der Bude und des so glänzend begonnenen Geschäfts.

Und nun die schon angekündigte Bitte an die deutschen Behörden: Wenn man einmal dem vielerlei Schwindel der Schaubuden freien Lauf lassen will, so verbiete man doch wenigstens das Zerreißen und Verschlingen lebendiger Thiere durch Menschen! Es ist dies etwas so Empörendes und Scheußliches, daß man wirklich bei diesem Anblick nicht glaubt, in einem gesitteten Staate sich zu befinden. Dieses Verbot würde ohnedies den gemeinen Wildenschwindel etwas beschränken, denn man vergesse nicht, nur der unechte Wilde frißt lebende Tauben und Kaninchen, weil dies eben das liebe Publicum am meisten anzieht, der echte „hat’s eben nicht nöthig“, womit natürlich nicht gesagt ist, daß Jeder, der nicht dergleichen frißt, echt sein muß. Ein solches Verbot müßte allerdings schon aus Gesundheitsrücksichten möglichst allgemein sein; denn wenn der Wilde an einem Orte fressen darf, am andern aber nicht, so würde selbst die unbändigste Gesundheit unter dieser Unregelmäßigkeit leiden müssen.

Nicht Jeder weiß, in welcher Weise diese Wilden-Candidaten, diese Neger, nach Europa, insbesondere nach Deutschland kommen. Das geht aber meistens so zu: Sie werden von reichen Afrikareisenden als pikantes Spielzeug im Kindesalter als Sclaven gekauft. In Europa machen die Besitzer derselben dann mit ihnen Effect. Die Negerkinder, die ich gesehen, waren wirklich durchweg reizende Geschöpfe. So lange sie nicht wissen, daß es gesetzlich in Europa keine Sclaverei giebt, bleiben sie bei ihrem ersten Herrn, bis ihnen durch irgend Jemand die Augen geöffnet werden, das Verhältniß dann locker und lockerer wird und sie zuletzt ohne Beruf sich selbst überlassen sind.

Nur ungern hatte ich mich durch den Sturm auf die Wildenbude aus der Kreuzberg’schen Menagerie heraus an die Casse derselben locken lassen, wo man vom erhöhten Standpunkt aus einen schönen Ueberblick über das Schlachtgewühl hatte. Gern kehrte ich daher nach eingetretener Ruhe in das Innere zurück, um immer wieder von Neuem mich an dem Anblick der schönen Thiergestalten, insbesondere der beiden Löwenbrüder und ihrer prachtvollen Dressur zu erfreuen. Aeltere Leser der Gartenlaube werden sich erinnern, daß in dem Jahrgang 1864 durch Wort und Bild eine Darstellung der Löwendressur gegeben wurde, wie sie der dadurch berühmt gewordene Batty, und zwar damals im Renz’schen Circus, vorführte. Das Neue an der Sache war, daß die fast nur jungen Löwen durch Peitschenhiebe fortwährend in Wuth und Angst erhalten wurden und ihr Brüllen und die abwehrenden Tatzenhiebe der ganzen Sache den Anschein des ungeheuer Gefährlichen gaben. Ich sage den Anschein, denn im Grunde war die Angst der jungen Thiere die Hauptsache. Seit Batty’s Auftreten sind diese Löwenwagen als Begleiter von manchem Circus Mode geworden, und auch der jetzt in Deutschland reisende höchst originelle amerikanische Circus hat einen solchen, aber ebenfalls mit jungen, öfter erneuten Thieren. Als ich den Circus in Leipzig sah, lag zum Beispiel der älteste Löwe der Sicherheit wegen bereits an der Kette. Sobald Kreuzberg die Erfolge Batty’s sah, ließ er sich sofort sieben junge Löwen aus England kommen und vereinigte dieselben in seinem Centralkäfig zur Vorstellung mit einem größeren Löwen, mit Bären, mit gefleckten und gestreiften Hyänen. Seine viele Jahre hindurch „sechszehnjährige Schwedin“ gab nun à la Batty Vorstellungen mit großem Geschrei, Peitschenhieben und Löwengebrüll. (Auch das ist später in der Gartenlaube dargestellt worden.) Kreuzberg wollte eben zeigen, daß er das auch könne, wenn er nur wolle, denn daß das keine Schwierigkeiten für den Fachmann habe, wußte Niemand besser als er. Gern gesehen habe ich diese Vorstellungen allerdings auch, aber nicht blos als wunderbare und gefährliche Dressur, sondern um mich an den schönen und wechselnden Stellungen und Bewegungen der Thiere zu erfreuen [323] und sie zu beobachten, da man sonst fast nie Gelegenheit dazu hat. Was nun aber Kreuzberg unter eigentlich seiner Dressur versteht, das hat er neuerdings wieder bewiesen durch die Vorstellung, welche er seit einigen Jahren mit den zwei schönen großen und prächtig gemähnten Löwen giebt. Früher vereinigte er, seiner Mittheilung zufolge, dieselben auch mit Hyänen und Bären, seit aber eine der Hyänen von dem einen Löwen todtgebissen wurde, sind diese Thiere nicht mehr aus ihrem Käfig herauszubringen, denn selbst die pöbelhaft freche und gemeine Hyäne hat ihr Leben lieb. Für den schönen Eindruck der Löwendressur ist übrigens dieses Fernbleiben der Hyänen nur vortheilhaft, da dadurch jede Störung wegfällt, und so geht denn diese Vorstellung auch stets glatt und elegant vor sich.

In dem Centralkäfig, wo diese Vorstellung stattfindet, hat gewöhnlich der Elephant seinen Stand, muß aber, ehe die Löwen eintreten, seinen Platz verlassen, um in dem von den Hyänen theilweise geräumten Menageriewagen der andern Seite Platz zu nehmen. Derselbe Elephant war bisher der seltene „weiße“ Elephant, wird aber jetzt, wenn ich nicht irre, nicht mehr so genannt. Er sah auch früher manchmal erstaunlich weiß aus und verdiente seinen Namen mit Recht. Warum das jetzt nicht mehr der Fall ist, ob das zunehmende Alter eine Aenderung veranlaßt, wer kann das wissen, da über weiße Elephanten eben ihrer Seltenheit wegen die Erfahrungen sehr karg sind.

Nachdem wir nun also den weißen Elephanten entlassen haben, betreten die beiden schönen Löwen den Raum. Der junge Kreuzberg (er leitet jetzt größtentheils die Vorstellungen) hat die Käfigthür geöffnet, und beim Heraustreten schmiegen sich die herrlichen Thiere behaglich im Vorbeigehen an ihn, ganz in der Weise der Katzen. Zunächst beginnt eine kleine Promenade, und bei dem Ausruf „ganzes Bataillon“ wandelt das ganze Bataillon, das heißt die beiden Löwen, hinter ihnen ihr Freund, einige Mal um den massiven, durch öftern Gebrauch etwas wackligen Tisch herum. Dann erhebt sich der eine Löwe, springt auf den vorgerückten Tisch und richtet sich auf den Hinterbeinen zu einem oben hangenden Brett auf, um einen Bissen Fleisch dort zu finden, und dann in schöner stolzer Haltung eine Zeit lang aufgerichtet stehen zu bleiben – ein herrlicher Anblick. Auch der andere Löwe richtet sich sodann, um seine Figur zu zeigen, am vordern Gitter auf, wobei sich Herr Kreuzberg jedes Mal an die Thiere anlehnt, um Gruppe zu machen und das Größenverhältniß zu zeigen. Sodann kommt die eigentliche Mahlzeit. Dazu richten sich beide Thiere auf, legen sich mit den Vordertatzen nebeneinander auf den Tisch und bekommen nun in reicher Auswahl „Hammelbraten, Schweinebraten, Coteletten, Beefsteaks, Roastbeef, Rinderbraten“; alles dieses, aus einem geschlachteten Pferde geschnitten, wird trotz oft wiederholter Vorstellungen immer mit Appetit verzehrt. Aber nun kommt die Krisis. Die Herren haben so reichlich gespeist und sollen bezahlen, aber das Geld fehlt. Herr Kreuzberg fordert sie erst gütlich auf, wird aber dann grob und hält dringend den Teller hin. Die Löwen grinsen ihn an, und endlich geben sie ihm – Jeder einen gründlichen Tatzenhieb auf seinen Teller, wiederholen denselben auch, wenn ihrem Wirth das Verständniß dafür nicht gleich aufgeht. Ueber solche Schlechtigkeit, solche Zechprellerei ist natürlich Herr Kreuzberg ganz entrüstet; er macht seinen Gästen die bittersten Vorwürfe, droht ihnen mit der Polizei, schließlich mit Hinauswerfen und ladet gewöhnlich das Publicum ein, ihm dabei behülflich zu sein, bis jetzt immer ohne Resultat. Zuletzt öffnet er die Thür und fordert die Herren auf, sein Local schleunigst zu verlassen. Der eine Löwe geht auch wirklich nach Oeffnung der Thür in seinen Käfig zurück; der andere aber hat sich behaglich hingestreckt und nimmt nicht die geringste Notiz von der Aufforderung, mag dieselbe auch noch so laut und ungestüm wiederholt werden. Da geht dem Wirth ein Licht auf; er erinnert sich, daß ja der Löwe der König der Thiere ist, man also sehr höflich mit ihm reden müsse. Er bittet nun in gebückter Haltung Seine Majestät um gütiges Verlassen des Locals, und jetzt erhebt sich der Löwe und wandelt ruhigen Schrittes in seinen Käfig zurück.

Wie sich diese Schlußeffecte der Vorstellung erklären, auf welchen Kunstgriffen sie beruhen, will ich nicht verrathen, da sonst ein großer Reiz für den Beschauer, und deren wünsche ich dieser Vorstellung recht viele, verloren gehen würde. Daß die Anrede mit „Seine Majestät“ dem Löwen, um mit Bebel zu sprechen, „ganz wurst“ ist, weiß ja Jedermann, aber gerade dadurch ist dieser Schluß um so effectvoller – man kann sich die Sache eben nicht gleich erklären.

Nach der Vorführung der Löwen muß dann der Elephant seine Künste zeigen, welche wohl Jedermann kennt und deren Erwähnung daher überflüssig ist. Er bleibt auch in dem Raume, bis die bei starkem Besuch öfter wiederholte Vorstellung mit den Löwen ihn von Neuem zum jeweiligen Verlassen desselben veranlaßt. Diese Vorführung der Löwen war die zweite der im Eingang dieser Zeilen angedeuteten Ursachen meines erhöhten Interesses, und wir sind somit bei der dritten, dem Gegenstande unsres Bildes, angelangt.

Es war, glaube ich, am vorletzten Tage des kurzen Aufenthalts der Menagerie, als ich dieselbe Abends betrat. Alles war bereits von uns in Augenschein genommen, auch der unternehmende Pavian, der jedem nahe genug Gekommenen sofort Hut oder Mütze vom Kopf riß, als wir langsam nach dem Platz vor dem Centralkäfig zurückgingen, in welchem der Elephant einsam und allein stand, eben mit dem Kopf nach der rechten Seite gewandt, um die Wand dieser Seite, zum wievielsten Male weiß ich nicht, zu betrachten. Man hatte ihn ganz kurz am Fuß angekettet, um ihn am Zerstören der Bretterwände, dem die Elephanten aus Langeweile sich stets mit Erfolg widmen, zu verhindern. Da – plötzlich werden wir gewahr, daß die Thür zum Löwenkäfig offensteht, und in demselben Augenblick erscheint auch schon der eine Löwe in der Oeffnung, und sein erster Blick mußte auf den Elephanten fallen, welcher mit dem Rücken ihm zugekehrt war. Bei dem Heraustreten aus dem Käfig war der Löwe dem Nichts ahnenden Elephanten bereits so nahe, daß ein Sprung gar nicht möglich war. Trotzdem war es ein herrlicher Anblick, als sich der Löwe beim Herauskommen und beim Gewahrwerden des Elephanten sofort auf den Hinterbeinen in die Höhe richtete und mit Macht seine Tatzen in das Hintertheil des Armen einschlug, wobei er den Rachen öffnete und das Opfer zugleich mit den Zähnen packte. Ich stand wie starr von dem fesselnden Anblick und verließ meinen Platz nicht, um keinen Augenblick von dieser Scene zu verlieren, denn die Stellung des Löwen war in der That der Mühe werth, studirt zu werden.

Der Elephant, der durch die Kette gehindert war, sich umzudrehen, und wegen des kurzen Halses sich nicht umsehen kann, war offenbar höchst betroffen über die sonderbare Last und strebte nach vorwärts, aber der Kette wegen vergebens. Als indessen jetzt die Klauen seines lieben Nachbars ihm durch die Haut drangen, erscholl sein Schmerzens- und Angstgebrüll, das Einzige, was er in seiner Lage leisten konnte, in einer die Bude erschütternden Weise. Dieses Gebrüll vermehrte besonders die Angst der noch nicht zahlreichen Leute auf dem ersten Platze, und wer noch nicht geflohen war, dachte jetzt daran – aber der Maler hielt immer noch Stand, was, beiläufig gesagt, gar keine Reclame für seinen Muth sein soll. Zugleich hatte aber das Gebrüll des Elephanten die Wirkung, daß der Löwe, wie es schien, plötzlich zur Besinnung kam, von seinem Opfer abließ und in seinen Käfig zurücklief. Jetzt erschienen auch einige der Wärter, welche in den ersten Augenblicken nicht in der Nähe waren, mit Stangen, gerade als der Löwe das Versäumte nachholen wollte und bereits wieder aus dem Käfig herauskam, um seinen Angriff zu wiederholen. Aber die drohende Stange scheuchte ihn zurück, das Gitter des Elephantenkäfigs wurde geöffnet; ein Wärter stieg hinein, schloß die Thür des Löwenkäfigs und damit auch die ganze Scene. Noch lange lief Mustapha, so hieß der Missethäter, aufgeregt in seinem Käfig hin und her, während der phlegmatische Pascha, sein Bruder und College, ruhig, wie während des ganzen Vorgangs, in seiner Ecke liegen blieb, als wäre für ihn die geöffnete Thür gar nicht dagewesen. Der Elephant hingegen schien sehr durch den nachwirkenden Schmerz genirt zu werden, denn er näherte sich nach Kräften von hinten der Bretterwand und suchte sich mit großer Betriebsamkeit an den wunden Stellen zu reiben. Die Spuren der Krallen sah man deutlich, obgleich nicht alle fünf Krallen, sondern nur ungefähr drei von jeder Tatze durchgegriffen hatten. Von der Wirkung der Zähne war Nichts zu sehen; jedenfalls hatte die große Fläche des Elephantenrückens dem Erfassen Schwierigkeiten geboten; übrigens erwies [324] es sich auch hier wieder, daß ein dickes Fell in der Welt sehr praktisch ist. Das zahlreiche Publicum des zweiten und dritten Platzes war weniger erregt, als das des ersten. Viele mochten die Sache gar nicht recht deutlich gesehen haben, und die es gesehen, nahmen es wohl leichter, weil der Löwe dabei gar keinen Laut hören ließ ja, es sollen naive Aeußerungen gefallen sein, wonach Manche die ganze Scene für die beginnende Vorstellung gehalten hätten.

Der junge Kreuzberg, der später eintrat, nahm die Nachricht sehr ruhig auf, und bei der danach wie gewöhnlich stattfindenden Vorstellung machte er Herrn Mustapha einige humoristische Vorwürfe über seine Eigenmächtigkeit und drohte ihm, ihn dafür bei den Ohren zu nehmen. Er nahm ihn aber nicht bei den Ohren. Man könnte reichliche Betrachtungen anstellen, was Alles hätte geschehen können, wenn Das oder Jenes anders passirt wäre. Aber Das ist sehr unfruchtbar. Die umsichtigsten Behörden befinden sich oft in der üblen Lage, nicht früher eingreifen und Vorsichtsmaßregeln treffen zu können, als bis bereits ein Unglück geschehen ist, und es wäre eine große Ungerechtigkeit, hier streng zu tadeln, wo durch das tägliche Umgehen mit der Gefahr nothwendig eine gewisse Gleichgültigkeit dagegen entstehen muß. Mir, ich gestehe es offen, dauerte die meinetwegen gefährliche Scene viel zu kurz, und was das Bild zur Anschauung bringt, ist daher nur aus der Erinnerung Dessen gegeben, was sich allerdings dem Gedächtnisse für das ganze Leben eingeprägt hat. Wie unvollkommen wir Menschen körperlich sind, fühlte ich übrigens dabei recht sehr, denn wie gern hätte ich mit dem einen Auge den Löwen, mit dem andern den Elephanten mir eingeprägt, während, da meine ganze Aufmerksamkeit sich dem Packendsten, und das war gewiß der Löwe, zuwandte, dazu auch beide Augen überflüssiger Weise gezwungen wurden. Indessen beweist diese Geschichte wieder einmal die Unrichtigkeit des Geschwätzes, daß gefangene Löwen nur ein schwächliches Abbild ihrer wilden Brüder seien und ihren Charakter gar nicht erkennen ließen.

L.




Bilder aus dem Ehestandsleben im Orient.

Von Heinrich Freiherrn von Maltzan.


Nr. 2. Ein orientalischer Pantoffelheld. – Die provisorischen Anstandsehen der Pilgerinnen in Mekka. – Abenteuer einer Pilgerin, die zweimal denselben Mann heirathet. – Eine Liebesintrigue in Cairo. – Philemon und Baucis im Orient.

Hat eine Frau oder ein Mädchen Unehre auf ihre Familie gebracht, so muß sie, nach dem Sittengesetze dieser Völker, sterben. Die Familie selbst vollzieht das Urtheil. Dieser Grundsatz ist so tief eingewurzelt, daß sogar die Franzosenherrschaft in Algier nicht vermocht hat, ihn auszurotten. Ich erinnere mich eines Falles, wo ein junger Kabyle vor Gericht stand, weil er seine Schwester getödtet hatte. Er wurde zum Tode verurtheilt. Aber alle seine Landsleute sahen ihn wie einen Märtyrer an, weil er nach ihrer Ansicht nichts Unrechtes, sondern nur seine Pflicht gethan hatte. Zum Glück übrigens kann man die Thatsache verbürgen, daß diese Leute nur sehr schwer und nur durch die unwiderleglichsten Gründe von der Schuld einer der Ihrigen zu überzeugen sind. Deshalb trifft auch den Gatten, der seine Frau wegen angeblicher Untreue tödtet, oft die Rache von deren Familie, das heißt immer, wenn die directen Beweise der Schuld fehlen. Wie selten sind aber diese Beweise beizubringen! Man sieht, die arabische Sitte trägt ihr eigenes Correctiv in sich, welches verhindert, daß das Blutvergießen überhand nehme.

Sollte man es für möglich halten, daß bei einem Volke, welches der Frau eine so tiefe Stufe anweist, dennoch Ehen vorkommen, in denen die Gattin das Scepter oder, wie wir sagen, den Pantoffel schwingt? Schwerlich, würde ein Europäer denken. Dennoch ist es unzweifelhaft, daß der Pantoffelheld auch unter orientalischen Ehegatten gefunden wird. Es giebt, wie überall, so auch im Orient zweierlei Arten solcher Helden. Die Einen sind es aus Liebe, die Anderen aus Furcht vor häuslichem Unfrieden, vor der bösen Zunge ihrer Xanthippe. Ich kannte eine sehr hochgestellte Persönlichkeit, die vom Volksmunde allgemein als ein Opfer dieser letzterwähnten Art von Pantoffelherrschaft bezeichnet wurde. Es war Niemand Geringeres als der erste Minister eines wohlbekannten orientalischen Fürsten. Dieser Mann beherrschte seinen Souverain und dessen Land fast auf unumschränkte Weise. Er war im eigentlichsten Sinne des Wortes Despot und Tyrann, überall, aber nur nicht in seinem eigenen Hause. Dort herrschte mit eisernem Scepter die gestrenge Dame, welche er seine Gattin nannte. Diese hohe Frau erfreute sich, vermöge ihrer Geburt, einer Ausnahmsstellung, wie sie nur selten Orientalinnen zu Theil wird. Sie war nämlich eine Prinzessin, Schwester des regierenden Herrn. Es war eine ungeheure Gunst, daß sie ihre Hand einem Unterthan gereicht hatte. In einem solchen Falle, wie dem ihrigen, findet eine völlige Umkehrung des gewöhnlichen Eheverhältnisses der Orientalen statt. Alle Herrschaft in Haus und Familie, die sonst der Mann tyrannisch führt, geht unter diesen Umständen auf die Frau über. Der Mann einer Prinzessin ist ihr demüthiger Sclave; er darf keine zweite Frau, keine Sclavin als Favoritin haben; er darf seine Gattin selbst nur nach vorher eingeholter Erlaubniß besuchen. Diese läßt ihn gern seine niedrige Abkunft fühlen. In dem genannten Falle war diese Abkunft, wie so oft bei orientalischen Würdenträgern, wirklich eine sehr tiefe. Der Minister war nämlich ursprünglich einer jener weißen Sclaven, wie sie als Knaben an orientalische Höfe kommen und dort nicht selten glänzende Carrière machen. Er hatte es weiter gebracht, als die Meisten, die höchste Ehre im Staatsdienste errungen, ja er war Schwager des Fürsten geworden. Kein Mensch hätte es gewagt, auch nur die leiseste Anspielung auf seinen einstigen Sclavenstand zu machen, selbst der Fürst that es nicht. Nur in seinem eigenen Hause mußte er sich täglich als „Sclave“ anreden hören; seine Gattin hatte für ihn keine andere Bezeichnung. Sie sandte ihm ihre Befehle durch die Eunuchen und nicht selten kam es vor, daß die Ankunft eines solchen schwarzen Boten eine ganze Ministerconferenz in Verwirrung brachte. War er in der wichtigsten Berathung, so ließ sie ihn oft plötzlich rufen. Er gehorchte, aber sie, um ihre Macht fühlen zu lassen, ließ ihn Stunden lang im Vorgemach warten, um ihm später irgend etwas ganz Unwichtiges zu sagen. Und zu derselben Zeit wartet unten vielleicht eine wichtige Staatsangelegenheit auf ihn. Einmal hatte sie die Grille, daß er nicht zu Hofe gehen solle. Als er eben, umringt vom Personal seines Ministeriums, in den Wagen steigen wollte, erschien plötzlich der verhängnißvolle Eunuche, murmelte ihm einige Worte in’s Ohr und die Folge war – daß Seine Excellenz plötzlich ein Fieber bekommen hatte und deswegen heute zu Hause bleiben mußte. Seinen Untergebenen konnte dieses Verhältniß nicht verborgen bleiben; aber sie freuten sich darüber und lachten sich in’s Fäustchen, als sie sahen, wie ihr Tyrann seinen Meister gefunden hatte, der sie für alle von ihm erlittene Unbill rächte. So oft der Eunuche erschien, ging jedes Mal ein heimlicher Freudenschauer durch die Schaar der Beamten.

Solche bevorzugte Stellung, wie sie diese Dame in der Ehe einnimmt, ist freilich im Islam eine große Seltenheit. Indeß giebt es auch für minder Vornehme Gelegenheit, wenigstens zeitweise dem Gatten gegenüber die überlegene Rolle zu spielen. Hierzu bietet die Pilgerfahrt nach Mekka und Medina den Anlaß. Die Vorschrift will, daß kein erwachsenes weibliches Wesen diese Wallfahrt mache, ohne von ihrem Manne begleitet zu sein. Leider ist dies jedoch nicht immer leicht zu erfüllen. Trotz der Vielweiberei giebt es doch im Orient stets eine Menge Frauen, die keinen Schatten von einem Gatten besitzen: nicht etwa alte Jungfern (dieses bei uns so blühende Institut ist dort fast unbekannt), sondern junge Wittwen und namentlich unzählige Geschiedene. Diese Personen, besonders die Wittwen, sind oft mehr bei Casse, als die verheiratheten Frauen. Da nun, wer im Orient zu Geld kommt, gewöhnlich keinen lieberen Gedanken kennt, als den, nach Mekka zu pilgern, so geschieht es, daß gerade unter dieser Classe von Weibern sehr viel wallfahrtslustige sind. Nun sollen sie aber nicht ohne Eheherrn reisen; woher jedoch einen solchen in der Geschwindigkeit nehmen? In [325] Persien, wo der schiitische Ritus den Abschluß einer Zeitehe (und zwar auf kürzeste Zeit; eine Stunde ist das Minimum) sehr erleichtert, soll es vorkommen, daß eine Wittwe mit irgend einem untergeordneten Manne, etwa einem Diener, einen Contract schließt, wonach dieser nur für die Dauer der Reise den Ehemann spielt. Indeß wird es den Frauen in ihrem Vaterland meist schwer, einen solchen provisorischen Tugendwächter zu finden. Was machen sie also? Sie begeben sich dennoch auf die Reise. Sie wissen, daß sie den Erwarteten (der nicht immer ein Ersehnter ist) in Mekka oder Medina finden werden. In diesen beiden Städten hat sich nämlich ein Geschäft ausgebildet, welches darin besteht, daß Männer, deren ehelicher Himmel nicht das vollzählige Viergestirn aufweist, gegen gute Bezahlung fromme Pilgerinnen für die Dauer der Wallfahrt in denselben aufnehmen. In diesem Fall wird die Ehe ganz regelmäßig geschlossen und nach beendigter Pilgerfahrt ebenso gesetzmäßig wieder gelöst. Meist sind diese Ehestandsverkäufer arme Teufel, Fremdenführer (denn dieses Geschäft blüht in Mekka), die wir Lohnbediente nennen würden. Sie stehen also gewöhnlich auf einer viel tieferen gesellschaftlichen Stufe, als die Damen, welche sie mit ihrer Hand beglücken, und diese würden sich schämen, zu Hause solche Eheherren zu besitzen. In sehr vielen Fällen sind die provisorischen Gatten denn auch nichts, als die unterthänigen Diener ihrer Zahlmeisterinnen. Ich kannte einen alten Fremdenführer in Mekka, einen kleinen verschrumpften Greis, der längst über das Alter hinaus war, wo man sich noch nach einer Gattin sehnt, und der dennoch mit dem Heirathen von Pilgerinnen ganz lucrative Geschäfte zu machen pflegte. Dieser Biedermann war während drei Viertheilen des Jahres Wittwer, während der Pilgermonate aber erfreute er sich eines vollen Viergespanns legitimer Gattinnen. Diese zahlten so gut, daß er das ganze übrige Jahr bequem davon leben konnte, behandelten ihn jedoch fast immer ziemlich verächtlich. Seine Thätigkeit beschränkte sich übrigens auf deren Begleitung auf der Straße und zur Moschee. In ihre Zimmer ließen ihn die Frauen, obgleich sie vor dem Gesetz seine Gattinnen waren, gar nicht hinein.

Daß ein solches Verhältniß zu einem bleibenden Bunde führt, soll nur sehr selten vorkommen. Diese Art von Ehemännern pflegt nur für die Reize des Beutels empfänglich zu sein. Indeß wurde mir ein Fall erzählt, wo von Seiten des Mannes wenigstens der Wunsch vorhanden war, das Verhältniß zu einem dauernden zu gestalten, nicht aber von Seiten der Frau. Diese, eine stolze, junge Wittwe aus Bagdad, hatte das Unglück, ihren gemietheten Eheherrn rasend verliebt in sich zu machen, so daß dieser, als die Zeit des Scheidens kam, nichts davon wissen wollte. Nach dem Buchstaben des Gesetzes konnte sie ihn nicht zur Scheidung zwingen. Aber sie besaß andere Mittel. Durch die schönen Augen ihres Geldbeutels wußte sie die ganze Zunft der Fremdenführer zu gewinnen, so daß diese das Benehmen des Mannes als eine Schmach für ihr Gewerbe erklärten und diesen zwangen, der Frau ihren Willen zu thun. Damit war aber seine Liebe noch nicht ausgelöscht. Sie blieb vielmehr so heftig, daß er ihr nachreiste. In ihrer Heimath, Bagdad, konnte sie nicht ausgehen, ohne diesen unbequem gewordenen Menschen sich ihr nachschleichen zu sehen. Blickte sie zum Haremgitter heraus auf die Straße, unfehlbar sah sie den Schmachtenden ihrer Thür gegenüber aufgepflanzt. Dies wurde ihr so lästig, daß sie, um mehr Schutz zu haben, der Werbung eines höhern Officiers Gehör gab. Aber auch der neue Ehebund schreckte den Verliebten nicht ab. Endlich klagte sie ihrem Manne ihr Leid. Das half. Schon am folgenden Tage war der Anbeter nicht mehr zu sehen. Sie war indeß doch neugierig zu erfahren, was aus ihm geworden. Aber sie fürchtete sich ihren Mann zu fragen. Lange blieb sie im Ungewissen. Da begegnete ihr eines Tages, als sie aus dem öffentlichen Bade nach Hause ging, ein Trupp türkischer Soldaten, in dessen letzter Reihe sie eine klägliche, abgehärmte Gestalt in Rekrutenuniform gewahrte, die ihr bekannt schien. Es war wirklich ihr unberufener Liebhaber und einstiger Gemahl, den ihr jetziger Mann mir nichts dir nichts unter die Soldaten gesteckt hatte. Jetzt aber begann das Gegenstück dieses Liebesromans: die Frau fühlte sich plötzlich von Mitleid bewegt über den, der aus Liebe zu ihr so viel leiden mußte. Das Mitleid führte zu einem wärmeren Gefühl. Ihr neuer Gatte war ihr auf einmal verhaßt geworden und sie beschloß, ihm die Hölle so heiß zu machen, daß er sich von ihr scheiden lasse. Diesen Zweck erreichte sie denn am Ende auch, mußte jedoch in den Händen des Officiers manche ihrer goldnen Federn lassen, denn auf’s Rupfen verstehen sich die türkischen Officiere vortrefflich. Nun war sie frei, aber der Liebhaber, der jetzt auch ein Geliebter geworden war, diente in der türkischen Armee. Sie wollte ihn loskaufen. Zum Unglück aber speculirte der Oberst des Regiments selbst auf die Hand der immer noch schönen und wohlhabenden Geschiedenen. Da machte sie sich nach Constantinopel auf, reichte dort bei Hoch und Niedrig Bittschriften ein, bestach rechts und links, bis sie endlich die Befreiung ihres Anbeters erkauft hatte. Damit reiste sie nach Bagdad zurück. Jetzt sollte der Abschluß des Romans durch eine Heirath erfolgen. Dazu konnte es jedoch leider nicht kommen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die Hauptperson fehlte. Der Liebhaber war nicht mehr in Bagdad. Er war desertirt und Niemand wußte, wohin. Nun versank die Frau in Schwermuth und um sich zu trösten, unternahm sie abermals eine Wallfahrt nach Mekka. Dort mußte sie sich natürlich wieder nach einem Anstandsgatten als Tugendschild und Beschützer umsehen. Man verschaffte ihr bald einen solchen, und als sie ihn zu sehen bekam, fand es sich, daß es der Deserteur von Bagdad war. Diesmal soll die Verbindung keine bloße Anstandsehe geblieben sein. Dieses Stückchen ist vielleicht nicht wahr, aber jedenfalls „gut erfunden“, da es ein rechtes Bild von orientalischen Eheschicksalen giebt. Es ist eine Lieblingsanekdote der Fremdenführer, da es ihren Stand ehrt. Man könnte ein Lustspiel daraus machen, aber nur ein türkisches.

Daß in einem Lande, wo die Frau so tief gestellt ist, wo sie keine Erziehung genießt, wo man ihr keinerlei Vertrauen zeigt, auch ihr Charakter und ihre sittliche Würde oft leiden, wird man begreiflich finden. Indeß ist dies nicht in dem Grade der Fall, wie man vielleicht annehmen möchte. Beispiele von Untreue kommen allerdings vor, jedoch stets nur durch Schuld des Mannes, wenn er seine Gattin in ungebührlicher Weise vernachlässigt. Namentlich geschieht dies in den vornehmen Ständen, wo die Harems oft so zahlreich sind, daß auf jede einzelne Bewohnerin derselben wenig Rücksicht genommen wird. Manche sucht sich deshalb auf verbotene Weise zu entschädigen. An Vermittlerinnen, die ihr einen Liebhaber verschaffen, fehlt es nicht. Wie jedoch mit diesem zusammenkommen? Die Harems der Vornehmen sind fest verschlossen und von der schwarzen Schaar der Eunuchen treu bewacht. Hier giebt aber gerade die eifersüchtige Sitte den besten Ausweg an die Hand. In vielen Ländern des Orients nöthigt diese Sitte die Frauen zu einer so dichten Verschleierung, daß man sie eher eine „Gesichtsverpackung“ nennen kann. Eine so verschleierte Frau kann an ihrem Bediententroß, ja an ihrem eigenen Eheherrn vorbeigehen, ohne erkannt zu werden, außer allenfalls an ihren Kleidern. Diese vertauscht sie deshalb mit dem Costüm einer Frau von niedrigem Stande, und dazu giebt das Bad die beste Gelegenheit. Pomphaft gekleidet und dicht verschleiert, gefolgt von Sclavinnen und Eunuchen, begiebt sich die vornehme Frau in das öffentliche Frauenbad. Die Eunuchen lagern vor der Thür und erwarten die Rückkunft der Herrin, die gewöhnlich erst in einigen Stunden erfolgt, denn das Bad ist im Orient ein langwieriger Proceß. Inzwischen gehen die Frauen niedrigen Standes unbeachtet und unbegleitet ein und aus. In der Tracht einer solchen, die sie im Bade angezogen, verläßt auch die Vornehme das eben betretene Local, geht unerkannt und unbehelligt mitten durch die Schaar ihrer Wächter und begiebt sich in das von der Vermittlerin bestimmte Haus, wo sie den Liebhaber erwartet. Dies soll namentlich in Cairo sehr oft vorkommen, wo die übliche sehr dichte Verschleierung und das bescheidene, aber auch gut verhüllende Costüm der Fellahat (Bäuerinnen) die Täuschung sehr erleichtern.

Selbst Europäer kommen zuweilen dazu, mit einer vornehmen Cairierin eine solche Intrigue anzuknüpfen. Ich kannte einen in Cairo wohnenden Engländer, welcher einem ähnlichen Verhältnisse einen eigenthümlichen Einblick in die von der europäischen so verschiedene Denkungsart der Orientalinnen verdankte. „Von Liebe,“ sagte er, „war von Seiten meiner Schönen keine Rede. Sie suchte nur Zerstreuung, weil ihr Mann sie vernachlässigte, und auch dies nur so lange, als die Vernachlässigung [326] währte; denn so lange fühlte sie sich nach ihrer Privatmoral nicht zur Treue verpflichtet.“ Nachdem die Intrigue einige Monate gedauert hatte, erschien eines Tages die Schöne freudestrahlend vor ihrem Geliebten und meldete ihm auch sogleich den Grund dieser Freude.

„Denke Dir,“ sprach sie, „ich bin so glücklich, die Liebe meines Mannes wiedergewonnen zu haben. Ich komme deshalb, Dir dies zu sagen, damit Du Dich mit mir über dieses glückliche Ereigniß freuen mögest, aber zugleich auch, um von Dir Abschied zu nehmen, denn jetzt würde es unrecht sein, wenn wir uns in Zukunft noch sähen.“

Man kann sich denken, welchen sonderbaren Eindruck solche Sprache auf einen Europäer, der von der Liebe ganz anders denkt, hervorbringen mußte. Aber der Engländer, obgleich er nun erkannte, daß er nur die traurige Rolle eines Lückenbüßers gespielt hatte, machte doch gute Miene zum bösen Spiel, gratulirte ihr zum Friedensschluß mit dem Gott Hymen und fragte nur, um nicht allzu gleichgültig zu erscheinen, ob sie denn jetzt plötzlich Liebe für ihren früher so schnöde verrathenen Gatten empfinde, und ob er denn gar nicht mehr hoffen könne, sie jemals wieder zu sehen, worauf die Schöne folgende naive Antwort gab:

„Ob ich meinen Mann liebe? Natürlich! Wenn er mich wieder liebt. Ich war ihm nur untreu, weil ich mich von ihm verlassen fühlte. So lange er mich aber liebt, brauche ich keinen Ersatz. Sollte er jedoch abermals anfangen, mich zu vernachlässigen, so kann auch unser Verhältniß wieder von Neuem angeknüpft werden.“

Einer deutschen Leserin wird eine solche Denkungsart mit Recht verdammlich und wahrscheinlich auch unbegreiflich vorkommen. Aber man bedenke die von der unsrigen so abweichende Erziehung der Orientalinnen und ihre Stellung zu den Männern, ehe man einen Stein auf sie wirft. Der Orientale, welcher das Weib knechtet und es nicht viel anders behandelt, als einen schönen Vogel im Käfig, der kann vom Weibe auch keine würdige Denkungsart verlangen. Indeß, wie erwähnt, gehören solche Erscheinungen, wie die obigen, zu den ausnahmsweisen Absonderlichkeiten, wie sie das unnatürliche Haremswesen der Vornehmen mit sich bringt.

Im Mittelstand finden wir dagegen zuweilen die schönsten ehelichen Verhältnisse, wie sie selbst in Europa nicht besser gedacht werden können. Als ein Beispiel einer solchen glücklichen Ehe kann ich die Familie eines alten Mufti anführen, den ich im Jahre 1852 in Algier kennen lernte. Er besaß nur eine Frau, mit der er bereits die goldene Hochzeit hätte feiern können, wäre eine solche Feier dort üblich. Sie hatte ihm von ihrem sechszehnten Jahre an bis zu ihrem fünfzigsten eine große Anzahl von Kindern geboren, von denen noch achtzehn lebten, darunter über ein Dutzend Söhne, die ich alle kannte und deren Aeltester vom halben Jahrhundert nicht mehr fern war; der Jüngste war noch ein Jüngling. Alle diese Söhne sprachen mit einer seltenen Ehrfurcht von ihrer hochbetagten Mutter, freilich nicht oft und dann auch nur andeutungsweise, denn von Frauen überhaupt spricht der anständige Orientale fast nie; aber bei dem bloßen Namen „Mutter“ kam es wie ein frommer Schauer über sie. Der alte Mufti selbst sprach absolut niemals von seiner Frau, und zwar aus Achtung, denn je mehr der Orientale seine Frau achtet, desto mehr scheint es ihm eine Entweihung, ihrer im Gespräch zu erwähnen. Aber mir entging doch nicht das innige Verhältniß, in welchem er mit ihr lebte. Oft, wenn ich in dem den Männern vorbehaltenen Theile seines Hauses mit ihm und seinen Söhnen den Abend zubrachte, schlich sich der Alte plötzlich davon, um erst in einer Stunde wieder zurückzukehren. Frug ich nach seinem Verbleib, so genügte das einzige Wort „Imah“ (Mutter), bei dessen Klang plötzlich eine feierliche Stille eintrat, um mich aufzuklären. Der gelehrte Mufti verschmähte es nicht, einen Theil seines Abends bei seiner ihm an Bildung natürlich sehr nachstehenden, aber an Charakter vielleicht doch ebenbürtigen Gattin zuzubringen: eine Seltenheit bei Moslems, aber desto erfreulicher. Man sah die alte Frau nie. Sie schaltete wie ein unsichtbarer guter Geist im Hauswesen, aber ihr Ruhm, als einer exemplarischen Gattin und Mutter, war in der ganzen Stadt verbreitet. Dieses alte Paar war wirklich wie Philemon und Baucis. Als der Mufti hochbetagt starb, überlebte ihn seine Frau nur um wenige Wochen. Wie ich ihre Söhne fragte, woran sie gestorben, schüttelten sie nur die Köpfe und sagten: „Sie wollte eben dem Vater folgen.“




Literaturbriefe an eine Dame.
Von Rudolf Gottschall.
XIII.


Sie gehören, verehrte Frau, nicht zu jenen Romanleserinnen, die ihren Bedarf aus den Leihbibliotheken beziehen und sich nicht scheuen, die gelesensten Bücher, die mit allen Odeurs de Paris behaftet sind, in die zarte Hand zu nehmen. Es ist dies einmal in Deutschland der Brauch; die gebieterischen Anforderungen des Salons erstrecken sich nicht auf die Lectüre; der Roman, den die fashionable Dame im Stillen liest, gehört zu den wenig ästhetischen Toilettengeheimnissen. Noch hat kein humoristischer Autor die Wanderungen eines Leihbibliothekenromans beschrieben, und doch hat ein solches Buch sehr viele Schicksale und Abenteuer, deren Erzählung vielleicht als eine Warnungstafel dienen könnte, solche ausgetretene Pfade nicht zu wandeln.

Ob indeß alle Wohlgerüche Arabiens, wie Lady Macbeth sagt, die kleinen zarten Hände der Salondamen wieder wohlriechend machen können, das ist, verehrte Freundin, nicht meine Sorge. Nicht Wohlwollen gegen die Damen der haute-volée bestimmt mich zu diesem Bedenken, sondern mein Interesse für die Literatur. Ich verkenne den Werth der Leihbibliotheken nicht, aber die besser gestellte Minderheit der Nation hat jedenfalls die Pflicht, durch Ankauf guter Dichtwerke und Romane für ihre Privatbibliothek die Literatur zu fördern. Dies ist in England und Frankreich der Fall. Alle namhaften Autoren prangen in den Bücherschränken; es gehört dies mit zur geistigen Toilette. Ob sie gerade gelesen werden oder nicht, das ist eine Frage, die in zweiter Linie steht; doch der gute Ton verlangt, daß man selbst besitzt, was man zunächst lesen will oder gelegentlich einmal lesen könnte. Dadurch wird den Werken bekannter Schriftsteller ein bedeutender Absatz gesichert, der in Deutschland zu den allergrößten Ausnahmen hört. Hier denkt der Romanverlag fast ausschließlich an die Leihbibliotheken; wegen des geringen Absatzes stellt er die Preise so hoch, daß der Ankauf für die Privatbibliothek erschwert wird.

Es kommt darauf an, verehrte Frau, daß die englische und französische Mode sich auch in Deutschland einbürgert. Hätten viele Damen der Hauptstädte ein so reizendes Leseboudoir wie Sie in Ihrem einsamen Schloß am Meere – es wäre damit der Ton angegeben, und an Nachfolge würde es nicht fehlen! Die Bücherschränke in den grünen Umrankungen, mitten in dem prächtigen Blumenflor – hier die Classiker, dort die neuen Lyriker, dort die Romanschriftsteller – dazu der schattige Balcon, der entzückende Ausblick auf die unendliche See – kann es eine einladendere Stätte geben, bald mit diesem, bald mit jenem geistigen Liebling sich zu unterhalten? Es bedarf hier keines Geisterklopfens, um sie herbei zu beschwören; man glaubt ihr unsichtbares Wehen und Weben zu empfinden, „den Geisterhauch, der ihren Zug umwittert“.

Ich bin heute so glücklich, verehrte Frau, Ihnen für Ihre Bibliothek einen neuen Roman empfehlen zu können, den dreibändigen Roman von Paul Heyse, „Kinder der Welt“.

Es giebt verschiedene Sorten von Romanen; die Aesthestik hat sich mit dem Sortiren große Mühe gegeben; aber immer neue Spielarten verwirren alle Grenzbestimmung. Nur die äußersten Gegensätze stehen fest – auf der einen Seite für das stoffhungrige Publicum der handlungsüberreiche Lieferungsroman mit seiner meistens derben und kunstlosen Holzschnittmanier, auf der andern der Roman der Geistreichen, der Roman der feinen Entwicklungen und sinnigen Betrachtungen.

Es ist wahr, der Roman von Paul Heyse gehört ganz [327] dieser letzteren Gattung an; wer eine mannigfache und wechselnde Handlung in demselben sucht, eine Fülle von Abenteuern, welche die Phantasie in rastloser Beschäftigung und Aufregung halten, wird sich getäuscht fühlen; es fehlt auch nicht an jenen „Gesprächen“, welche „Caviar sind für das Volk“ und sich oft wie selbstständige Abhandlungen in die Erzählung der Begebenheiten einschieben.

Gleichwohl hat mich der Roman auf das Angenehmste überrascht! Sie wissen, verehrte Frau, daß ich ein Gegner der akademischen Richtung bin, der es nur auf die Eleganz und Schönheit der künstlerischen Form ankommt und die sich bei allen Völkern und Zeiten die Modelle für ihre Nachdichtungen sucht. Paul Heyse zeigte bisher eine starke Hinneigung zu dieser Richtung; viele seiner Dichtungen erinnerten dadurch an Porcellanmalereien auf einem Nipptischservice und machten den Eindruck sehr gebrechlicher Waare; und selbst in manchen gerühmten Novellen dieses Dichters fanden wir mehr zierliche Schönmalerei, mehr darüber gehauchte Grazie der Darstellung als innern geistigen Kern. Dies noli me tangere gegenüber allen Zeitfragen und dem geistigen Streben der Gegenwart gab seinen Helden und Heldinnen oft etwas statuenhaftes – „kalt und glatt wie Marmor“. In seinem neuesten Werk ist es anders. Man mag über die Berechtigung philosophischer Gespräche in Romanen denken, wie man will – daß in diesem Roman, dessen Held sogar seines Zeichens ein Philosoph ist, eine reiche Gedankenwelt sich enthüllt, daß Paul Heyse hier keine zeit- und weltfremde Haltung beobachtet, sondern Sympathien zeigt mit den bewegenden Geistesmächten der Gegenwart – das ist eine Thatsache, die gerade ich um so mehr hervorheben muß, je schärfer ich dem Gebahren der Akademiker entgegengetreten bin.

Der Roman ist „geistreich“ in dem besten Sinne des Wortes, nicht im Sinne des witzhaschenden Esprit, der mit Bienenstachel und Schmetterlingsflug auf Raub ausgeht, sondern er ist gedankenvoll, wichtigen Fragen des Geistes und des Lebens zugewendet und sich überall auf den Höhen einer freien Weltanschauung behauptend. Und dieser Geist spricht sich nicht in langweilig schleppender Weise mit breiter Lehrhaftigkeit aus, er hat eine feine und interessante Art sich zu geben, eine liebenswürdige Tournüre, eine meistens ethische Grazie und das ironische Lächeln der Tieck’schen Novellistik, welches auch der Freytag’schen Muse eigen ist. Freilich würde in diesem verdünnten Aether auf der Höhe des geistigen Strebens vielen Romanlesern und namentlich Romanleserinnen etwas beklommen zu Muthe werden, wenn der Dichter nicht wieder hinabführte in die traulicheren Regionen, wo das Lebensgeschick der Menschen sich abspielt. So wenig verwickelt auch diese Geschicke sind – der Dichter weiß doch eine Spannung zu erregen, die uns nie gleichgültig gegen den Fortgang der Handlung sein läßt; er interessiert uns für seine Helden und Frauen, und so folgen wir mit Antheil allem, was ihnen begegnet. Es sind in dem Roman reizende Stillmalereien, Schilderungen von großer Anschaulichkeit, von stimmungsvollem Hauche, Genrebilder von feingeistigem Humor, nicht rohe Abdrücke des wirklichen Lebens; hin und wieder herrscht auch die Kühnheit des Boccaccio in dem Ausmalen des Liebesabenteuers, sowie überhaupt der Pulsschlag einer unerschrockenen, aber stets graziösen Sinnlichkeit das ganze Werk belebt.

Die interessanteste Gestalt desselben ist jene Toinette Marchand, welche so lange das Gemüth und die Phantasie des Helden gefangen nimmt, und bei dem Wiedersehen nach längerer Trennung sein Leben mit einer bedenklichen Krisis bedroht. Sie hat etwas von einer Undine, einer Melusine – und es hat eine an diese Sagengestalten anklingende Bedeutung, daß Edwin sie belauscht, wie sie zu nächtiger Stunde in die kühlen Fluthen des Teiches taucht. Das Problem, das der Dichter mit dieser „seelenlosen Undine“ aufgestellt hat, ist ein durchaus anziehendes. Das Wesen „mit dem Märchenblut“ kann sich selbst mit einer Scheintodten vergleichen, die im Sarge liegt und sieht und hört, wer alles um sie her sich in Trauer und Liebe erschöpft, und mit aller Gewalt sich nicht rühren kann, den Weinenden die Hand zu bieten und zu sagen: ich lebe ja und habe euch lieb und will bei euch bleiben; sie ist ein Räthselwesen, dem die Unfähigkeit sich hinzugeben zur Qual wird. Sie weist die Hand des jungen Gelehrten zurück und heirathet den reichen Grafen, den sie nicht liebt. Der spannendste Theil des Romans ist das Wiedersehen zwischen der Gräfin und ihrem früheren Anbeter. Es ist eine tragische Ironie des Schicksals, daß gerade in mehreren Jahren einer lieblosen Ehe ihr Herz für eine hingebende Leidenschaft empfänglich geworden ist. Es giebt einen Dämon der Jungfräulichkeit, des spröden Unglaubens an das Glück, das die Liebe gewähren kann. Diesem Dämon war Toinette verfallen; mit dem Gürtel, mit dem Schleier riß dieser böse Wahn entzwei; sie lernte ein Glück verstehen, das in ihrer Ehe ihr versagt blieb. Da sieht sie Edwin wieder, und diese Undine hat plötzlich eine Seele gefunden: „Der Sargdeckel sprang, unter dem ihr Herz begraben lag; sie sinkt mit glühender Leidenschaft, mit schmerzlicher Seligkeit an das Herz des Geliebten; hier ist die einzige Stätte, wo sie ihr Glück finden kann.“ Doch es ist zu spät! Edwin hat ein liebendes und geliebtes Weib; der Sirenenzauber kann ihn stürmisch erregen, aber nicht dauernd fesseln. Toinette sucht dieses Weib auf; sie erkennt, daß es seiner würdig sei; ihr Leben ist verödet; sie sucht den Tod.

Das ist eine spannende Herzenstragödie, welche im Mittelpunkte des ganzen Romans steht. Die zweite Frauengestalt, welcher unsere Theilnahme sich zuwendet, ist Edwin’s spätere Gattin, Lea, die Tochter des „Zaunkönigs“, eines Malers, der von seiner Vorliebe für Vordergründe, Zäune u. dergl. vor seinen Namen den spottenden Zusatz erhielt. Lea ist jüdisches Halbblut, aber geistiges Vollblut, eine Berlinerin, bei deren Zeichnung dem Dichter wohl das Bild jener bedeutenden Jüdinnen vorschwebte, welche durch ihren geistreichen Verkehr mit namhaften Männern sich selbst einen Namen machten. Lea ist freilich eine einsame Denkerin, keine Beherrscherin eines geistfunkelnden Salons; doch Geist und Herz sind bei ihr von gleicher Tiefe. An stiller und unerwiderter Liebe siecht sie dahin; der Philosoph Edwin, der ihr durch die geheime Magie des gleichen geistigen Lebens und Strebens verbunden ist, wird ihr Retter und ihr Gatte.

Toinette und Lea sind Frauencharaktere, die in bedeutsamen Contrast gestellt sind, und wenn man in den Frauen etwas von den elementarischen Gewalten der Natur wiederzufinden meint, so könnte man jene mit dem Element des Wassers, diese mit dem des Feuers vergleichen. Die verzehrende Liebesgluth der Lea und die kühl ablehnende zweifelnde Neigung einer Toinette bilden in der ersten Hälfte des Romans einen fesselnden Gegensatz; man gewinnt aus dieser Gruppirung der Charaktere das Bewußtsein, daß der Dichter den Plan seines Werkes künstlerisch geordnet hat – ein wohlthuendes Gefühl gegenüber den wildwuchernden Phantasiegebilden der meisten Romane, welche verwahrlosten Gärten gleichen, wo die Blumen nicht blos auf den Beeten, sondern auch in den Gängen wachsen.

Die dritte interessante Frauengestalt ist die düstere Claviermeisterin Christiane. Daß ein Romanheld etwas von jener Unwiderstehlichkeit besitzt, durch welche die Don Juans aller Zeiten sich auszeichnen, das ist etwas so Hergebrachtes, daß sich jeder moderne Autor diese Ueberlieferung zu nutze macht. Wir dürfen uns daher nicht wundern, daß auch Christiane für den Helden Edwin eine stille und hoffnungslose Neigung besitzt. Sie verfällt indeß einem tragischen Geschick, indem sie das Opfer eines heuchlerischen Candidaten wird – eine Scene, die wir aus dem Roman fortgewünscht hätten, da er durch dieselbe in die grelle Beleuchtung französischer Sensationsromantik gerückt wird. Dieser allzu criminelle Zwischenfall, der Selbstmordversuch, die Lebensrettung der düsteren Christiane bilden freilich nur ausweichende Dissonanzen in einem Lebenslauf, der von dem Dichter noch zu harmonischem Abschluß geführt wird; einer seiner Helden besitzt Tapferkeit genug, um sich durch die unverschuldete Schmach der Heldin nicht abschrecken zu lassen, sondern sie an seinen häuslichen Herd zu führen und ihr Glück zugleich mit dem seinigen zu begründen.

Dieser tapfere „Mohr“ ist eines von den „Kindern der Welt“, von denen der Roman den Titel hat; wir bewegen uns in demselben in der zersetzenden Atmosphäre der Berliner Freigeistigkeit, die in früheren Jahren nach mehr als jetzt wie ein geistiger Duft über der preußischen Hauptstadt schwebte, während die deutsche Reichshauptstadt die „Farbe der bleichen Reflexion“ mit einem etwas gesunderen Aussehen vertauscht hat. Sie haben, verehrte Frau, gewiß von dem Verein der „Freien“ gehört,

[328] 

Der Mirabellgarten in Salzburg.
Nach der Natur gezeichnet von G. Petzolt.

[329] 

Das neu eingerichtete Vogelhaus im Mirabellgarten zu Salzburg.
Nach der Natur gezeichnet von G. Petzolt.

[330] der am Anfang der vierziger Jahre in Berlin von sich sprechen machte; es waren dies improvisiere Zusammenkünfte von Philosophen, die ein renommistisches Denken und Empfinden in die kecksten Ausdrücke kleideten und in deren Kreisen manche schöne Emancipirte mit der Cigarre im Munde erschien. Die Atmosphäre jener Zeit hat Robert Giseke in den „Modernen Titanen“ vortrefflich geschildert. Die „Kinder der Welt“ von Paul Heyse sind ein etwas späteres Geschlecht, das aber in gerader Linie von jenen Himmelsstürmern abstammt; sie streben mit gleicher Unerschrockenheit nach geistiger Freiheit; sie haben sich von allen Ueberlieferungen der Vergangenheit emancipirt; aber ihr Streben hat einen ernsten, oft schmerzhaft ernsten Zug, nichts Herausforderndes, nichts höhnisch Ueberlegenes, nichts von jenem Cynismus, welcher zur Zeit der Berliner Freien die geistige Atmosphäre verpestete – und das Deficit an religiöser Gläubigkeit, welches anders Gesinnte ihnen zum Vorwurf machen können, wird reichlich ersetzt durch einen Fonds echt menschlicher Tugenden, durch ein Freundschaftsgefühl, das zu jeder Aufopferung bereit ist, durch die strengste Wahrheitsliebe, durch den Haß gegen das sittlich Schlechte und Verwerfliche.

Der Fachphilosoph Edwin, dem die Studien des ewig Weiblichen durch die freundliche Geneigtheit stillhaltender Modelle erleichtert werden, ist der eigentliche Honorarprofessor des Romans, welcher an Ludwig Feuerbach erinnernde Collegien, aber stets in anziehender und geistreicher Form liest. Sein Bruder „Balder“ ist eine Gestalt, die man nur als eine „Jean Paul’sche“ bezeichnen kann: eine schöne Seele in einem kranken Körper, eine durch ihre Gebrochenheit verklärte Erscheinung. Dieser schwindsüchtige Jüngling, dem die Welt verschlossen ist, der nur seinen Träumen, seinen Idealen in stiller Arbeit an seiner Drechslerbank lebt, dessen einzige verschwiegene Neigung in so schmerzlicher Weise enttäuscht wird, und der für seinen Bruder einen schönen Opfertod stirbt, ist offenbar die am meisten dichterisch empfundene Gestalt des Romans, und es ist ein feiner Zug des Dichters, daß noch Balder’s Todtenmaske ein mit Zerrüttung bedrohtes Verhältniß, die gestörte Ehe seines Bruders, wieder in harmonische Bahnen führen hilft. Der Socialist Franzelius mit dem naiven Schuhmacherstöchterchen Regina, der epikuräische Mediciner Marquard mit seiner Soubrette, der tapfere athletische Mohr, sind die andern „Kinder der Welt“, und auch der Schuhmachermeister Feyertag, der aus Schopenhauer seinen Weiberhaß schöpft, gehört mit in diesen Kreis.

Die Vertreter der entgegengesetzten Weltanschauung bilden freilich kein genügendes Gegengewicht gegen diese jüngere Generation, die wie ein Fisch im Wasser in ihrem „Atheismus“, oder wie die Frommen diese Freigeisterei bezeichnen mögen, herumplätschert. Da ist der gute Zaunmaler König, der für seine kleinen Vordergründe einen großen Hintergrund braucht und denselben in dem Glauben der Väter findet, dem er mit großer Kindlichkeit und Innigkeit anhängt; da ist die Frau Professor Valentin mit ihren „frommen“ Strümpfen für wohlthätige Zwecke und ihren sauber gestrickten Katechismusgedanken, bei denen nie eine Masche fällt; da ist vor Allem der Candidat Lorinser, der heuchlerische Wollüstling, eine allerdings aus Jesuitenromanen hinlänglich bekannte Gestalt, welche von dem Dichter mit geistreicher Glaubenssophistik retouchirt ist. Der Graf und die Vertreter des aristokratischen Lebens sind mehr episodische Figuren. Paul Heyse weiß das Glatte und geistig Nichtssagende dieser Kreise trefflich zu schildern. Dabei gewinnen die Gestalten alle Leben durch einzelne frappante Züge; in den Scenen, die auf dem Schloß des Grafen spielen, zeigt sich Paul Heyse als eleganter Salonmaler, als ein moderner Watteau.

Und soll ich Ihnen, verehrte Frau, noch von dem Styl des Romans sprechen? Paul Heyse’s Grazie ist aus seinen Novellen und Gedichten bekannt; diese etwas kühle Grazie verleugnet auch der Styl des neuen Romans an vielen Stellen nicht; aber er ist an anderen auch wieder bewegter, leidenschaftlicher; es funkelt darin von Blitzen des Esprit und jener auf den Grund des Lebens untertauchende Tiefsinn, den wir in den anmuthigen Arabesken seiner Verse vermißten, giebt hier der Darstellung oft ein ernsteres Gepräge. Man fühlt sich angeregt, einzelnen Gedankengängen wiederholt zu folgen, während man über die leichtflüssigen Schilderungen seiner früheren Novellistik dahin gleitet, ohne das Bedürfniß, zu einer oder der andern Stelle zurückzukehren.

Man wird vielleicht behaupten, daß dieser Roman nur ein Bündel von Novellen sei, mit lockerem Faden zusammengebunden; jeder der Helden hat ja seine eigene Geschichte und die Berührungspunke derselben erscheinen als zufällig; doch alle diese Helden bewegen sich in demselben geistigen Fahrwasser, und die Contraste der Charaktere und Schicksale geben nicht nur eine künstlerische Beleuchtung, sondern sie ergänzen das Gesammtbild geistigen Lebens, wie es die modernen Kinder der Welt führen.

Freilich, für das große Lesepublicum, das die Blätter eines Romans mit fieberischer Spannung umzuwenden liebt, ist der Heyse’sche Roman nicht bestimmt, wohl aber für sinnige Gemüther, wie das Ihrige, welche sich in das wechselnde Geschick der Menschen, wie sie es sich selbst schaffen durch ihre Gedanken und Empfindungen, mit liebevoller Hingebung zu vertiefen wissen.




Ein erzbischöfliches Vogelhaus.


Das rege Bestreben, welches seit einem Decennium in den Bewohnern unserer schönen Alpenstadt erwacht ist, Salzburg aus einer engen, mit alten, dumpfen Festungsmauern umgebenen Stadt zu einem freien, freundlichen Orte umzugestalten, ein Bestreben, welches bereits erfreuliche Erfolge aufweisen kann, hat sich in diesem Jahre einem Gegenstand zugewendet, der lange unbeachtet sein kümmerliches Dasein gefristet und dem Zahn der Zeit beinahe zum Opfer gefallen wäre, wenn nicht einige Naturfreunde auf denselben aufmerksam gemacht und sich dessen Rettung zur Aufgabe gestellt hätten. Es ist dies das Vogelhaus am nördlichen Ende des Mirabellgartens, d. h. des zu dem ehemals kurfürstlichen und erzbischöflichen und jetzt kaiserlichen Lustschloß Mirabella gehörigen Parks. Dieses Versailles der geistlichen Herren ist von den Erzbischöfen Wolf Dietrich und Marcus Sittich am Nordfuß des Capuzinerbergs und unweit des rechten Salzachufers zum Sommeraufenthalt erbaut und ebendeshalb mit den prachtvollsten Gartenanlagen ausgestattet worden. Das Schloß brannte 1818 ab, ist aber als Eigenthum des Kaiserhauses, seiner Bestimmung entsprechend, restauriert und der Garten dem öffentlichen Zugang frei gegeben worden. Er gehört zu den beliebtesten, oft von Concertmusik belebten Luststätten der heiteren Salzburger und ihrer zahlreichen Sommergäste. Hier nun, und zwar jenem Platze zugewendet, auf dem ein neuer Stadttheil im Entstehen begriffen ist und als dessen Mittelpunkt man die in edlem römischen Styl gehaltene Badeanstalt betrachten kann, steht das Vogelhaus, dessen schön gewölbte Kuppel herrlich von wildem Wein umrankt ist und dem Auge durch sein mildes Grün den wohlthuendsten Anblick bietet.

Dieses Gebäude dient seit wenigen Monaten einer großen Anzahl hier einheimischer Vögel zum wohnlichen Aufenthalt. Es hat schon in frühern Zeiten diese Bestimmung erfüllt und war von den prachtliebenden erzbischöflichen Fürsten zwischen 1723 und 1748 erbaut worden. Der Name „Canarizimmer“ ist ihm damals zu Theil geworden, obwohl es kaum jemals blos zum Wohnort für Kanarienvögel gedient haben dürfte. Als mit der Säcularisation des Erzstiftes die Bedeutung des Mirabellschlosses und seines Gartens als Sommeraufenthalt der regierenden Erzbischöfe fiel, gerieth auch das Vogelhaus in Vergessenheit und diente nur als Rumpelkammer. Da traten 1872 mehrere Naturfreunde in der löblichen Absicht zusammen, die Kenntniß von den befiederten Bewohnern unserer Alpenwelt unter dem größern Publicum zu fördern und lebende Exemplare zur Ansicht vorzuführen, und zwar an einem Orte, der denselben die möglichste Freiheit und Bequemlichkeit bieten könnte. Hierzu war natürlich jenes alte Vogelhaus der geeignetste Platz. Schnell wurde mit bereitwilligster Unterstützung der Stadtgemeinde an die Restauration des alten Vogel-Tempels Hand gelegt und es ging daraus ein „Aviarium“ hervor, das wohl seines Gleichen in [331] Deutschland suchen dürfte. Es besteht aus drei Abtheilungen, von welchen die mittlere große, welche von der Kuppel gekrönt ist, als eigentlicher Flugkäfig dient und mit Allem versehen ist, dessen Alpen-Vögel zu ihrer Existenz bedürfen. Ein Netz unterhalb der Kuppel hindert den allzu hohen Flug, durch den die Betrachtung der Vögel, welche durch eine hohe breite Gitterthür vermittelt wird, erschwert oder gar unmöglich gemacht würde. Dieser Raum ist neun Wiener Klafter lang, fünf Klafter breit und mißt bis zum Netz unterhalb der Kuppel etwa fünfzehn Fuß, er ist also groß genug, um eine bedeutende Anzahl der lieblichsten Geschöpfe der Erde aufzunehmen und der lebenslustigen Schaar reichliche Bewegung zu gestatten. Felsen-, und Baumgruppen ermöglichen das Klettern, und ein in der Mitte befindliches Bassin ladet mit seinem frischen klaren Wasser die niedlichen Thiere zum Baden ein.

Rechts von diesem Flugkäfig ist eine Abtheilung für jene Vögel angebracht, welche, wie die Alpendohlen und Alpenkrähen, eine Ausnahme-Stellung einnehmen wollen und sollen und mit den sanfter gearteten Bewohnern des Flugkäfigs nicht zum Besten harmoniren würden. Die linke Abtheilung enthält in eigens eingerichteten kleineren Einzel-Käfigen jene Vögel, welche, wie z. B. Zaunkönige, im Flugkäfig der Beschauung entzogen wären oder, wie die Nachtigallen und Grasmücken, ihren Gesang einstellen würden, endlich solche, welche für den Aufenthalt im großen Raume erst herangezogen werden müssen, und zuletzt ausländische Vögel, deren Gemeinschaft mit alpinen für das Auge ein störender Anblick wäre. Im großen Flugkäfig befinden sich gegenwärtig ungefähr 80 Vögel, welche freilich bei der bedeutenden Ausdehnung des Raumes denselben nicht in einer für das Auge befriedigenden Weise füllen, weshalb das Comité bestrebt ist, es auf wenigstens die doppelte Anzahl zu bringen, eine Aufgabe, die besonders deshalb mehrfache Schwierigkeiten verursacht, weil trotz wiederholter Aufforderungen viele Exemplare nicht im Lande Salzburg erhalten werden konnten. Daher sah sich das Comité genöthigt, viele Alpenvögel aus der Schweiz herbeizuschaffen, und andere aus der Gegend von Wien kommen zu lassen.

Unter den Inwohnern des großen Flugkäfigs sind besonders die verschiedenen Arten von Drosseln, Bachstelzen und Meisen als lebhafte und zuthuliche Geschöpfe hervorzuheben, welche zum größten Theil alle Scheu abgelegt haben, so daß sie nicht blos aus der Hand Futter nehmen, sondern auch selbst herbeikommen und durch verschiedene Bewegungen und Rufe auf sich aufmerksam machen. Von größern alpinen Vögeln befinden sich in der mittleren Abtheilung fünf Steinhühner; an die Stelle der früher vorhandenen, aber leider bald zu Grunde gegangenen Birk- oder Schildhühner sind einige Rebhühner getreten; außerdem treiben Alpen-Flüevögel, hier „Steinlerchen“ genannt, Braunellen, allerlei Finkenarten, dann Laubvögel und Pieper hier ihr munteres Wesen. Ein allerliebster, unglaublich zahmer Buntspecht fiel leider nach ein paar Monaten einem Marder zum Opfer. Von außen hatte dieser freche Räuber am Drahtnetz gelauert und riß im Moment, als der Specht die Drahtwand hinaufkletterte, letzterem beide Füße aus.

Ferner möchten wir aufmerksam machen auf die in der rechten Abtheilung befindlichen Alpenkrähen, Vögel, welche nicht nur durch ihr Aeußeres, glänzendes Schwarz und korallenrothe Schnäbel und Füße, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern auch durch die ungemeine Zuthulichkeit, welche sie gegen Solche, die sich mit ihnen beschäftigen, an den Tag legen, wirklich gewinnend sind. Auch vier herrliche Mandelkrähen (oder Blauracken) weilen in diesem Raume.

Mögen die Sympathien, die man dem schönen Unternehmen entgegengebracht, auch in weiteren Kreisen erwachen! Unter den vielen Leser der Gartenlaube befinden sich gewiß gar manche, die bei ihrem letzten Besuche in Salzburg unser schönes Aviarium sich angesehen haben und bestätigen können, daß dasselbe als eine nicht unbedeutende Zierde unserer Alpenstadt wird betrachtet werden können.




Blätter und Blüthen.

Eine großartige Zahnanstalt. New-York kann sich mit Recht rühmen, die großartigste Zahnausziehanstalt der Welt zu besitzen. Die Großartigkeit derselben besteht aber nicht in weitläufigen Gebäulichkeiten etc., sondern in der Thätigkeit, welche daselbst an den Tag tritt. Hier wird nämlich nichts Anderes gethan, als Zähne ausgezogen, und zwar – ohne Schmerzen. Die Räumlichkeiten befinden sich im sogenannten Cooper-Institute, welches so ziemlich im Centrum der Stadt liegt.

Mit Bangen und Zagen treten wir, von Zahnschmerzen gepeinigt, in ein geräumiges Vorzimmer. Der Fußboden ist mit kostbarem Sammetteppich belegt, und die soliden Möbel sind mit rothem Sammet überzogen. An den Wanden hängen billige Stahlstiche in kostspielige Rahmen gefaßt. (Wir Amerikaner haben nämlich großen Kunstsinn und schätzen einen Holzschnitt in schönem Rahmen höher, als einen Kupferstich in schlechtem.) Ein matter Lichtschein fällt durch eine über der Thür angebrachte Glasscheibe herein, um Alles in einem feierlichen Halbdunkel erscheinen zu lassen. Die Stühle und Sophas sind von Männern und Frauen aus allen Ständen besetzt, die ungeduldig warten, bis sie an die Reihe kommen.

Alle fünf Minuten öffnet sich eine Seitenthür; der „Doctor“ erscheint in derselben und ruft in geschäftsmäßigem Tone: „Next!“ (der Nächste). Sogleich erhebt sich einer der Zahnpatienten, folgt mit klopfendem Herzen dem Doctor in ein kleines, hellerleuchtetes Gemach und nimmt auf einem hohen, weichen Armstuhle Platz.

„Welche Zähne wollen Sie los sein?“ fragt der Doctor. Nachdem solche bezeichnet sind, erscheint ein hübsches Mädchen, bindet dem Patienten ein Tuch um und ein anderer Assistent befestigt ihm einen Kork zwischen den Zähnen; dann steckt ihm der Doctor das Ende des mit Lachgas gefüllten Schlauches in den Mund. Innerhalb einer Viertelminute hat ihn das Gas vollständig eingeschläfert. Träume, sanfte und anmuthige oder wilde und phantastische, durchziehen sein Gehirn, und zwar weit rascher und mannigfaltiger, als solches im gewöhnlichen Schlafe möglich wäre. Ein zufriedenes Lächeln läßt den Zuschauer angenehme, stierartiges Brüllen aber unangenehme Träume des Betäubten erkennen. Unterdessen zieht der Doctor ganz gemüthlich die bezeichneten Zähne aus und läßt sie in eine aus dem Fußboden hervorragende Röhre fallen, durch welche sie irgendwo in die Unterwelt gleiten.

Das Mädchen streicht jetzt mit einem nassen Schwamme über das Gesicht des Schlafenden; – er erwacht und blickt verwirrt umher. Der Assistent bedeutet ihm, daß die Zähne ausgezogen sein und er jetzt jemand Anders Platz machen möge.

Die ganze Geschichte hat nur drei bis vier Minuten gedauert und der Betreffende nicht die geringsten Schmerzen empfunden. Er bezahlt jetzt seine zwei Dollars für den ersten Zahn und einen Dollar für jeden weiteren, schreibt seinen Namen in ein Fremdenbuch und verabschiedet sich.

Wie viele Zähne hier im Laufe des Jahres ausgezogen werden, weiß ich nicht; man kann aber annehmen, daß während des Tages durchschnittlich alle fünf Minuten ein Zahn das Zeitliche segnet. Die meisten Zahnärzte gebrauchen zwar jetzt dieses Gas, allein nicht mit demselben Erfolg, da durch mangelhafte Zubereitung desselben manche Unannehmlichkeiten auftreten.
C. Keutgen.

Ein Riesen-Epos in Prosa. In jenem denkwürdigen Momente am Abende des 15. Juli 1870, wo König Wilhelm von Ems zurückkehrend „Unter den Linden“ von Tausenden und Abertausenden empfangen wurde, wo der ganze unsägliche Druck, der auf den Gemüthern lag, in dem von Thränen opferfreudiger Begeisterung begleiteten Rufe: „Hoch, hoch unser Feldherr!“ sich Luft machte, da war es wohl Zeit zu guten patriotischen Vorsätzen, und wie Mancher von Denen, die damals dem Vaterlande Treue gelobten, mag nun in französischer Erde schlummern! An jenem Abende entstand denn auch der Plan zu dem Riesen-Epos in Prosa, das die Thaten des deutschen Volkes in Waffen berichten sollte und das nunmehr fast vollendet vor uns liegt. Wir meinen das große „Tagebuch“ des Krieges von G. Hirth und J. von Gosen (Verlag von Hirth in Leipzig), ein ebenso einfach als großartig angelegtes Buch, wie weder über diesen Krieg noch über irgend eine andere Geschichtsepoche ein ähnliches existirt. Daß die Herausgeber so früh den Plan zu ihrem Werke faßten, hatte zwei Vortheile: einmal, weil sie zeitig darauf Bedacht nehmen konnten, sich das nöthige Material an Zeitungen etc. zu verschaffen (so war Dr. Hirth u. A. während der Belagerung von Paris Abonnent auf das „Journal officiell“); und sodann, weil sie später wahrscheinlich vor den Schwierigkeiten der Ausführung zurückgeschreckt sein würden. Denn wer von uns glaubte damals, daß unsere deutschen Krieger um den endlichen Siegespreis in Schnee und Eis an den Ufern der Loire und im Jura ringen müßten? – wer glaubte das selbst kurz nach dem gewaltigen Kesseltreiben und Kaiserfange an der Maas?

So ist denn das Hirth-Gosen’sche „Tagebuch“ mit der Riesenarbeit des Krieges selbst in’s Monumentale gewachsen. Der Plan aber, auf dem das ganze Werk beruht, ist einfach der: für jeden Tag in möglichster Vollständigkeit und Ausführlichkeit Alles zu berichten, was sich in rein militärischer, politischer und selbst culturgeschichtlicher Beziehung irgendwie Bemerkenswerthes ereignet hat; das „Tagebuch ist sonach nicht nur eine vollständige Sammlung aller officiellen Actenstücke, authentischen Berichte u. s. w., sondern ein wirklicher Zeitspiegel, aus dem auch der Feuilletonist, der Genremaler und der Culturhistoriker zahllose Anregungen gewinnen; die Redaction der „Gartenlaube“ selbst bezeugt es gern, daß das „Tagebuch“ ein unentbehrliches Auskunftsmittel für sie geworden ist, und sie glaubt nur eine patriotische Pflicht zu erfüllen, wenn sie ihre Leser auf dieses ebenso mühsame als verdienstvolle Werk aufmerksam macht. Der große Umfang von etwa dreihundert Bogen mit fünftausend Spalten vollen Druckes macht zwar das „Tagebuch“ zu einem kostspieligen Buche – die drei starken Quartbände kosten etwa zehn Thaler im Abonnement –; wer aber überhaupt ein monumentales Werk über den letzten Krieg in seiner Bibliothek haben [332] will, der wird es sich wohl oder übel anschaffen müssen; keinesfalls darf es in öffentlichen und Leihbibliotheken fehlen; und daß es ein ganz vortreffliches Geschenk gerade für Theilnehmer am Feldzuge bildet, versteht sich von selbst. Wir schlugen unsere warme Empfehlung des Hirth-Gosenschen „Tagebuchs“ mit den Worten Ad. Bacmeister’s: „Wenn man diese scheinbar so trockenen Blätter durchliest, so ist es der fast künstlerische Genuß eines Epos – des schönsten und gewaltigsten, von welchem die heute Lebenden zu sagen wissen, von welchem noch späte Geschlechter singen und sagen werden.“





Jedem Unglück sein Asyl! Wenn dieser Wunsch erfüllt wäre, wie würde das die vielen bittern Thränen verringern, die der Menschheit nicht zur Ehre gereichen!

Wir suchen ein Asyl für einen solchen Unglücklichen. Einen Künstler, einen Maler, der im skandinavischen Norden ebenso durch die Tüchtigkeit in seinem Fach wie durch seine umfassende Bildung eine einträgliche und geachtete Stellung sich erworben und den das anmuthigste Familienleben erfreute, traf plötzlich das harte Geschick, auf einer Reise in Lappland von einem Augenleiden befallen zu werden, das ihm die fernere Ausübung seiner Kunst unmöglich machte und damit seine ganze Existenz untergrub. Zur heranrückenden Noth des Beklagenswerthen gesellte sich noch ein Rückenmarksleiden, das sich bald als unheilbar herausstellte. Unter solchen Umständen war seine Familie, die Gattin mit sechs Kindern, ihm zwar die größte Sorge, aber doch zugleich der einzige Trost. Auch diesen raubte ihm das unerbittliche Schicksal: in wenigen Jahren starben Mutter und Kinder dahin, und nur eine Schwester blieb dem armen Kranken als tröstender Engel und letzte Stütze an seinem Schmerzenslager, aber nicht lange –: vor einem Vierteljahr hat der Tod ihm auch diese entrissen.

So ist ein begabter, geschickter und fleißiger Mann in wenigen Jahren aus dem blühendsten Lebens- und Familienglück in die erbarmungswürdigste Lage gekommen, die wohl geeignet ist, in den vielen schlaflosen Nächten des Vereinsamten an dessen besserem selbst zu zehren und ihm den Tod – so oder so – nur noch als Wohlthat erscheinen zu lassen. Und doch empört des strengsittlichen Mannes Herz sich gegen solche augenblicklichen Siege der Verzweiflung über den abgematteten Willen, und in einer dieser kummervollen Nächte war es, daß in ihm die Frage aufstieg, ob nicht durch eine Anfrage der Gartenlaube vielleicht ein Asyl für leibliche und geistige Pflege auch für ihn gefunden werde. Allerdings beträgt seine jährliche Einnahme nur etwa hundertundzwanzig Thaler, aber auch seine Bedürfnisse sind die bescheidensten. Freunde, die, da er selbst nicht mehr schreiben kann, für ihn die Feder führen, versichern, daß es, wenn auch mitleiderregend, doch wahrhaft erhebend sei, mit welcher Geduld der Unglückliche sein Leiden trage.

Unsere Frage ist nun: Giebt es in Deutschland eine Anstalt, eine Stiftung, oder irgend eine Gelegenheit, die einem solchen Unglücklichen für den kurzen Rest seines Lebens ein Asyl bietet, in welchem die milde, sanfte Hand und der herzliche Zuspruch labender Theilnahme dem Armen nicht fehlen, wenn schwere Stunden ihn bedrängen? Wir vermitteln gern jeden Antrag und bitten, diesem ungewöhnlichen Fall auch ungewöhnliche Aufmerksamkeit zu Theil werden zu lassen.





Gebildeten Musikfreunden ist es Bedürfniß, nicht blos dem Genuß der Töne sich hinzugeben, sondern auch in das Wesen der Musik und ihrer Meister, in die wissenschaftliche (Grundlage der Kunst und den Studienkreis, in das Leben und Schaffen der Künstler einen Einblick zu gewinnen. Die oft vielbeanspruchte Zeit gestattet jedoch nicht jedem Laien, aus dickleibigen Lehrbüchern die erwünschten Kenntnisse zu schöpfen; manchem muß daher das Allgemeinfaßliche derselben in möglichst zugänglicher Weise geboten werden. Dies ist schon früher durch musikalische Lexica geschehen, und dasselbe Bedürfniß, das diese erzeugt, ruft auch neue Leistungen aus demselben Felde in’s Leben, welche den höheren Ansprüchen der vorschreitenden Gegenwart entsprechen. Das Neueste dieser Art ist das „Handlexicon der Tonkunst von Dr. Oscar Paul“ (Leipzig bei Heinr. Schmidt). In zwei Bänden giebt Dr. Paul, der als Professor an der Universität und Lehrer am Conservatorium für Musik zu Leipzig seine kunstwissenschaftliche Tüchtigkeit durch Lehre und Schriften längst dargethan, einen Kenntnißschatz von mehr als fünfundzwanzigtausend Artikeln, also einen Reichthum, der allein schon andeutet, daß an der Vollständigkeit des Werkes in der Wahl und Behandlung seiner Stoffmasse nicht zu zweifeln ist. Die Darstellung ist, dem Zweck entsprechend, gedrängt, aber klar: Druck und Ausstattung erfreuen das Auge, und der Preis (drei Thaler) ist für das Gebotene billig.





Der Invalidendank. der bekannte Unterstützungsverein, welcher für noch arbeitsfähige invalide Krieger geeignete Beschäftigung zu vermitteln sucht, ist ein Privatunternehmen ohne allen officiellen Charakter. Seine Bemühungen geschehen natürlich für die Invaliden vollständig kostenfrei und sind, wie wir aus der uns vertrauensvoll mitgetheilten „Nachweisung“ über den Stellennachweis vom 1. April 1872 bis Mitte April 1873 ersehen, schon zweihundertvierundsiebenzig Invaliden zu Gute gekommen. Aus dieser Nachweisung geht zugleich hervor, daß fast alle diese Stellen nur für subalterne sich eigneten, dagegen solche. welche von invaliden Officieren hätten besetzt werden können, bis jetzt nur äußerst selten zur Anmeldung gelangten. Darnach ist auch eine Bemerkung in dem Artikel „Zu den bittersten Kriegsnachwehen etc.“ in Nr. 16 (Blätter und Blüthen) aufzufassen.





Der „Verein Düsseldorfer Künstler zu gegenseitiger Unterstützung und Hülfe“ hat aus seiner Mitte ein Comité gewählt, welches einen Aufruf zur Betheiligung an der Verloosung von Kunstwerken erläßt, deren Erlös dazu bestimmt ist, die von den Mitgliedern des Vereins gefaßte Idee verwirklichen zu helfen, durch eigene Kraft ein größeres Vereinsvermögen zu erwerben, dessen Ertrag hülfsbedürftigen Genossen zu Gute kommen soll. Die mit diesem Aufrufe in’s Leben tretende Idee verdient die allgemeinste Beachtung und Förderung; es tritt hier an die ganze Nation die Gelegenheit heran, denjenigen unter ihren Söhnen, welche im Dienste geistigen Schaffens erlahmt sind, den erkrankten oder verarmten Künstlern, einen schuldigen Ehrentribut zu zollen. Für den künstlerischen Werth der zu verloosenden Bilder zeugt vor Allem der Umstand, daß unter den Namen, welche dieselben tragen, die gefeiertsten Koryphäen der deutschen Kunst zahlreich vertreten sind. Das Loos kostet einen Thaler. Nur bis zum 30. Juni dieses Jahres sind die Loose zu verkaufen.

Wir begleiten dieses Unternehmen des Düsseldorfer Künstlervereins mit dem Wunsche, der ihm zu Grunde liegende edle Gedanke möge mit den erfreulichsten Erfolgen gekrönt werden. An die Leser der Gartenlaube aber stellen wir zur Erfüllung dieses Wunsches die Bitte, recht zahlreich Loose zu kaufen.





Eginhard und Emma – ein Märchen. In Nr. 12 der „Gartenlaube“ wird bei Anlaß einer Schilderung der „Emmaburg im Ardennerwalde“ die Sage von Karl’s des Großen Tochter Emma und ihrer Liebe zu dem gelehrten Eginhard (eigentlich Einhard) gleichsam als verbürgte Erzählung behandelt. An derselben ist nur Das wahr, daß Einhard’s Frau Imma hieß; aber es steht ihrer Glaubwürdigkeit der sehr bedenkliche Umstand entgegen, daß Karl der Große keine Tochter Namens Emma oder Imma hatte. Die Sage läßt sich indessen dadurch erklären, daß zwei Töchter Karl’s, Ruotrud und Bertha, mit nicht ebenbürtigen Männern innige, aber keineswegs moralische Bekanntschaften pflogen, denen es auch nicht an sehr compromittirenden Folgen, fehlte: verheirathet haben sie sich aber nicht. Einhard erwähnt dieser Abenteuer selbst in seinen Schriften, was er nicht gethan hätte, wenn er selbst dabei betheiligt gewesen. Uebrigens wurde er später – Mönch und seine Frau – Nonne. Dies zur Steuer der Wahrheit.






Vermißt. Johann Peer von Sins in Graubünden, geboren 1848 den 6. Mai, reiste im Mai 1868 nach New-York und von dort nach Wisconsin (Nordamerika). Von Berlin in diesem Staate schrieb er im Herbst desselben Jahres, daß er dort bei Herrn Fränk Stein angestellt sei. Die dorthin adressirten Briefe kamen unbestellt zurück und konnten seitdem keine Nachrichten über ihn eingeholt werden, trotz wiederholter Nachforschungen. Auch der schweizerische Konsul in New York gab keine Antwort. Etwaige Mittheilungen über den Verbleib des Obengenannten bittet man an die Redaction der Leipziger Gartenlaube zu richten.





Grabschändung. Aus Ilmenau wird uns geschrieben. Es wird Ihnen neu sein, daß sich nach dem Schmelzen des Schnees herausgestellt hat, daß während des Winters die stählerne Platte vom Grabe der Corona Schroeter, der großen Künstlerin und Freundin Goethe’s, verschwunden, resp. gestohlen und aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt schon als altes Eisen längst geschmolzen ist. Siebenzig Jahre lag die Platte unangerührt auf dem Grabeshügel der einst so gefeierten Frau.




Kleiner Briefkasten.



Kl. in Riga. Wir theilen ihren Enthusiasmus für Tirol und das Salzkammergut und begreifen namentlich ihren Wunsch, die schönsten Punkte ihrer Reise durch gute Originalbilder noch einmal ihrem Auge vorgeführt zu sehen. Bei der Menge von interessanten Landschaften dürfte die Erfüllung dieses Wunsches aber doch das Portemonnaie etwas allzusehr angreifen, und Sie müssen sich deshalb schon nach einem Ersatz umsehen, der das Angenehme mit dem Nützlichen vereint.

Nach dieser Richtung hin dürfte ihnen die Empfehlung einer Serie von photographirten Ansichten gelegen kommen, die geradezu als Kunstblätter bezeichnet werden müssen und auch als solche bereits überall großen Anklang gefunden haben: wir meinen die im Verlage von Moser in Bozen erschienenen „Originalphotographien und Studien aus Tirol von E. Lotze.“ Die geachtetsten Blätter haben sich über diese Sammlung mit großem Lob ausgesprochen und wir können dem nur beistimmen. Der Orteles mit den ihm nahegelegenen Eiscolossen, der Großglockner, die Ampezzaner- und Pilmöser-Alpen, die anmuthigsten Dörfer, Schlösser, Rundansichten von Städten und Rastörtern sind der Sammlung einverleibt und in scharfer Aufnahme zur Darstellung gebracht. Dem kunstgeübten Auge fällt sofort die glückliche Wahl der Standpunkte auf, von denen aus die Aufnahmen stattfanden, die als Lichtbilder selbst dem strengsten Kritiker genügen werden und dem malerischen Talente des obengenannten Lotze, das Conterfei der Natur zu einem malerischen Bilde abzurunden, alle Ehre machen. Er hat sich dadurch den Dank aller Freunde der schönen Alpennatur erworben.

Ph. M. und I. Petrowitsch in Ptbg. Ungeeignet! Die Manuscripte stehen zu ihrer Verfügung.






Zu gefälligen Beachtung!

Wir halten es für unsere Pflicht, den Lesern unseres Blattes hiermit die Mittheilung zu machen, daß Herr Krüsemann, bekannt durch seine vielaufgeführten Bühnenstücke „Lieb Vaterland, kannst ruhig sein“, „Kriegsgefangen“ und „Heimliche Zusammenkünfte“,

von E. Werner dem Verfasser von „Glück auf!“ das Recht alleiniger Dramatisirung dieser Novelle rechtskräftig erworben hat. Jede anderweitige dramatische Bearbeitung dieses Stoffes wird nicht nur durch E. Werner, sondern auch durch die „Genossenschaft dramatischer Autoren“ und uns selbst auf das Nachdrücklichste gerichtlich verfolgt werden.
Die Redaktion.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. - Verlag von Ernst Keil in Leipzig. - Druck von Alexander Wiede in Leipzig.