RE:Caelius 35

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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M. C. Rufus, Schüler Ciceros, befreundet mit Clodia (IV 105 Nr. 66). (L).
Band III,1 (1897) S. 12661272
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35) M. Caelius Rufus, Sohn von Nr. 34. Sowohl die Zeit wie der Ort seiner Geburt sind fraglich. Die Angabe des Plin. n. h. VII 165: C. Mario Cn. Carbone III cos. a. d. V. kal. Iunias (28. Mai 672 = 82) M. Caelius [Hss. Caecilius] Rufus et C. Licinius Calvus eadem die geniti sunt, oratores quidem ambo, sed tam dispari eventu ist von Nipperdey (Rh. Mus. X 289ff. = Opusc. 298 ff.; vgl. Mommsen St.-R. I 570, 3) als falsch nachgewiesen worden, weil sie sich vor allem nicht mit der Ämterlaufbahn des C. verträgt. C. muss älter gewesen sein, aber es lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, wie der Fehler entstanden ist, und ob das Geburtsjahr L. Cinna III Cn. Carbone cos. 669 = 85 (Nipperdey. Wieschhölter 5f.) oder ein früheres ist (666 = 88 nach Wegehaupt 5). Die Vermutungen über die Heimat des C. sind angeknüpft an die Wiederherstellung des verdorbenen Wortes bei Cic. Cael. 5: nam quod est obiectum municipibus esse adolescentem non probatum suis, nemini unquam praesentipraetoriani maiores honores habuerunt, quam absenti M. Caelio, [1267] doch ist es fraglich, ob in praetoriani überhaupt der Name des Municipiums steckt (vgl. Harnecker Wochenschr. f. klass. Philol. III 1099). Immerhin kann zu Gunsten der sich sachlich empfehlenden Conjectur Baiters (Cicero ed. Orelli² II 1451), wonach C. aus Tusculum stammen würde, der Umstand angeführt werden, dass dort Caelii zu den angesehensten Familien gehören (CIL XIV 2624. 2627) und namentlich ein Caelius Rufus in augustischer Zeit ein municipales Ehrenamt bekleidete (Nr. 33), während sonst ein Caelius Rufus nur auf einer verdächtigen und jedenfalls späten Inschrift aus Aeclanum vorkommt (CIL IX 1238). C. wurde von seinem Vater streng erzogen und bald nach Anlegung der Toga virilis zu M. Crassus und Cicero gebracht, um sich unter ihrer Anleitung besonders in der Beredsamkeit auszubilden (Cic. Cael. 9. 12. 39, danach Quintil. inst. or. XII 11, 6). Mit Cicero stand er im J. 688 = 66 schon seit einiger Zeit in Beziehung und blieb im Verkehr mit ihm (Cic. 10), bis er sich 691 = 63 dem Catilina näherte (Cic. 10–14). Es scheint richtig zu sein, dass er sich dabei nicht ernstlich compromittierte (Cic. 15), aber dennoch hielt er es wahrscheinlich für angemessen, auf einige Zeit aus Rom zu verschwinden, und begleitete daher 692 = 62 den Proconsul Q. Pompeius nach Africa, wo auch sein Vater Besitzungen hatte (Cic. 73; vgl. Schwabe Quaest. Catull. 65. Wieschhölter 13). Nach seiner Rückkehr trat er Anfang 695 = 59 mit zwei Genossen erfolgreich als Ankläger gegen C. Antonius auf (Cic. 18. 47. 74. 78. Schol. Bob. Flacc. p. 229; Vatin. p. 321 Or.; Fragmente seiner Anklagerede bei Quintil. inst. or. IV 2, 123f. IX 3, 58; vgl. o. Bd. I S. 2580ff.). Er nahm sich damals eine eigene Wohnung auf dem Palatin in einem dem P. Clodius gehörigen Hause, weil er mit dessen Schwester ein Liebesverhältnis angeknüpft hatte (Cic. 17f.), und machte sich durch sein ausgelassenes und wüstes Leben sehr verrufen (Cic. 19. 20. 25. 27–30). Clodia war ihres bisherigen Geliebten Catull überdrüssig, als sie ihre Gunst dem C. zuwandte (Cic. 36f.), und der Verschmähte griff nun diesen aufs heftigste an. Denn ohne jeden Zweifel ist unser C. der Rufus, dem der Dichter (c. 77) vorwirft, er habe ihre alte Freundschaft verraten und ihm das Herz der Geliebten gestohlen, und derselbe Rufus, der c. 69 mit giftigem Spott verfolgt wird, während die Beziehung anderer Gedichte wie c. 59 und 71 unsicher bleibt. Dagegen wird meistens (z. B. von Wegehaupt 9, 3. Wieschhölter 17f.) der in c. 58 und 100 genannte Caelius von ihm unterschieden, und wo die Identität angenommen worden ist (besonders von F. Schöll Jahrb. f. Phil. CXXI 483ff.; nur für den C. in c. 58 neuerdings von Fenner Quaest. Catull. [Barmen 1896] 21), bleiben meistens die Beweisgründe unbefriedigend. Der Anstoss, dass der C. in c. 100 in Verona erscheint, wo allerdings später Caelii vorkommen (CIL V 3441, 2. 3570. 3689; ebenda der ganz seltene Name Auffilenus 3506. 3507, vgl. 4008. 4129), kann auf verschiedene Weise gehoben werden (vgl. Schöll a. O. Baehrens Commentar. Catull. 587), und das ganze Gedicht ist voll der boshaftesten Ironie gegen den falschen Freund, der unnatürlichen Lastern fröhnt, was [1268] alles sehr gut auf M. Caelius Rufus passt. In c. 58 wendet sich dann Catull an ihn, weil beide schliesslich dieselben Erfahrungen mit der Geliebten gemacht haben und sich nun, auch ohne dass ihre alte Freundschaft wiederhergestellt wäre, gemeinsam darüber freuen könnten, wie die Treulose von Stufe zu Stufe sinkt. Obgleich Cicero behauptet, der Stadtklatsch habe sich in der Ausmalung des Verhältnisses zwischen C. und Clodia, die nur eine feile Strassendirne sei, gefallen (30. 48–50. 75), so lässt er doch manches ahnen, wenn er sagt (35): accusatores quidem libidines, amores, adulteria, Baias, actas, convivia, comissationes, cantus, symphonias, navigia iactant, und obgleich er angiebt, C. habe sich bald von diesen Fesseln befreit (75), so müssen die Beziehungen doch etwa zwei Jahre hindurch gewährt haben (vgl. Schwabe a. O. 66f.). Ende 697 = 57 erhob C. eine Anklage de ambitu gegen L. Sempronius Atratinus und bereitete nach dessen Freisprechung eine neue Klage vor, als ihn selbst der Sohn des Atratinus vor Gericht lud (Cic. 1. 76. 78, vgl. 16. 45). Mit Atratinus erschienen als Kläger C. Herennius Balbus und P. Clodius, aber hinter ihnen stand Clodia, die den C. nach dem wohl von ihm ausgegangenen Abbruch ihrer Beziehungen grimmig hasste. Die Verhandlung fand in den ersten Tagen des Aprils 698 = 56 statt (Schwabe a. O. 63 Anm. Wegehaupt 10. Wieschhölter 26f.). Es scheint, dass auch die Beteiligung an Wahlumtrieben zu den Anklagepunkten gehörte, und zwar an solchen zu Gunsten des L. Calpurnius Bestia, der damals deswegen vor Gericht stand (Cic. 16, vgl. 26. 30). C. verteidigte sich selbst (Cic. 45. Quintil. inst. or. VIII 6, 53 vgl. I 5, 61. XI 1, 51. Suet. rhet. 2), als zweiter sprach für ihn M. Crassus de seditionibus Neapolitanis, de Alexandrinorum pulsatione Puteolana, de bonis Pallae (Cic. 23) und als dritter Cicero in der erhaltenen Rede. Er ging besonders auf die Behauptungen der Gegner ein, C. habe die Ermordung des alexandrinischen Gesandten Dio veranlasst und sich von Clodia für diesen Zweck Geld geben lassen (23–25. 30. 51–55), und er habe dann, nachdem der Bruch mit Clodia erfolgt war, ihr mit Gift nach dem Leben getrachtet (30. 56–69), aber seine Rede erregt durch ihre Angriffe und Sittenschilderungen mehr Interesse als durch die sachliche Verteidigung (vgl. Quintil. inst. or. IV 2, 27). Die Feindschaft des C. mit P. Clodius und Clodia dauerte nach seiner Freisprechung fort, denn im J. 700 = 54 sah er sich aufs neue durch eine von ihnen angestiftete Klage bedroht, die aber nicht zur Ausführung gekommen zu sein scheint (Cic. ad Q. fr. II 13, 2). Es war daher natürlich, dass er als Volkstribun im J. 702 = 52 – über seine Verwaltung der Quaestur ist nichts bekannt – auf jede Weise den Mörder des Clodius, Milo, zu unterstützen suchte, indem er ihm Gelegenheit gab, sich in einer Volksversammlung zu verteidigen, und dabei selbst für ihn sprach (Cic. Mil. 91; Brut. 273. Ascon. Milon. p. 29. App. b. c. II 22), indem er Änderungen in dem Processverfahren zu Gunsten Milos vorschlag (Ascon. Milon. p. 30. 31), dessen Sclaven in Schutz nahm (ebd. 32), später nach der Verurteilung des Mörders dessen Genossen M. Saufeius verteidigte [1269] (ebd. 48) und sich seiner Vermögensverhältnisse annahm (Cic. ad fam. VIII 3, 2). Von Cicero liess er sich für die Forderung der Pläne Caesars gewinnen, der mit Unterstützung sämtlicher Volkstribunen danach strebte, sich abwesend um das Consulat bewerben zu dürfen (Cic. ad Att. VII 1, 4). Anfang 703 = 51 klagte C. nach Niederlegung des Tribunates seinen bisherigen Amtsgenossen Q. Pompeius Rufus de vi an, weil er jene für Milo abgehaltene Volksversammlung gewaltsam gestört hatte; er erreichte seine Verurteilung, aber als Pompeius darauf durch die Habsucht seiner Mutter in grosse Not geriet, verhalf er selbst ihm zu seinem Rechte (Val. Max. IV 2, 7. Cic. ad fam. VIII 1, 4). Da Pompeius in Baiae lebte, hatte vielleicht diese Angelegenheit den C. dorthin geführt, denn im Frühjahr war er in Cumae und sprach dort noch einmal Cicero, der auf der Reise in seine Provinz Kilikien war (ad fam. VIII 1, 2). Dieser hatte ihn gebeten, ihn selbst während seiner Abwesenheit über alle wichtigeren Ereignisse in Rom auf dem Laufenden zu erhalten, und C. liess nicht nur durch einen Sclaven oder Freigelassenen Chrestus Neuigkeiten sammeln und berichten (ad fam. VIII 1, 1f. II 8, 1), sondern erfüllte auch selbst die Bitte des Freundes. Seine Briefe bilden das VIII. Buch der ep. ad fam., die Antworten Ciceros ebd. II 8–16; einzelne sind verloren. Die chronologische Reihenfolge ist leicht ersichtlich. Im J. 703 = 51 schrieb C. vom Ende Mai an VIII 1. 2. 3. 4. 5. 9. 8. 10 und Cicero II 8. 9. 10, im J. 704 = 50 bis gegen Ende September Caelius VIII 6. 11. 7. 13. 12. 14 und Cicero II 14. 11. 13. 12. 15 (vgl. Wieschhölter 32–38. 40–45. O. E. Schmidt Briefwechsel des Cicero [Leipzig 1893] 74f. 79. 83. 86–88). Mitteilungen über das äussere Leben des C. sind darin verhältnismässig spärlich. Er bewarb sich um die Aedilität (VIII 2, 2. 3, 1. 4, 3) und wurde Ende August 703 = 51 mit M. Octavius gewählt (VIII 9, 1. II 9, 1ff.; Brut. 273). Schon vorher hatte er Cicero gebeten, ihm in Kilikien für seine Spiele Panther zu verschaffen, und kam auf diese Bitte immer wieder zurück (VIII 2, 2. 4, 5. 9, 3. 8, 10. 6, 4), obgleich der Freund sie recht lästig fand und mit einem Witz abfertigte (II 11, 2, daraus Plut. Cic. 36, 3. Cic. ad Att. V 21, 5). Eine andere Bitte des C., die Schuldverschreibung eines gewissen Sittius betreffend, die in der Provinz einzutreiben war, hat Cicero nach wiederholtem Drängen (VIII 2, 2. 4, 5. 9, 3. 8, 10) anscheinend schliesslich erfüllt (VIII 11, 1), während er die Zumutung, noch andere Mittel für die Spiele des C. aufzubringen, ärgerlich ablehnte (ad Att. VI 1, 21). Gelegentlich empfahl einer dem andern einen Freund (II 14. Val. Max. V 3, 4), und C., der an manchen Processen lebhaften Anteil nahm (VIII 8, 1), verwandte sich bei Cicero besonders eifrig für dessen Vorgänger in der kilikischen Statthalterschaft Ap. Claudius, der Anfang 704 = 50 von dem Verlobten Tullias Dolabella angeklagt wurde und Ciceros Gegnerschaft fürchtete (VIII 6, 1f. 6, 5. II 13, 2f. III 10, 5. VIII 12, 1). Von seiner amtlichen Thätigkeit als Aedil in diesem Jahre meldet C. nur, dass er gegen Missbräuche in der Benutzung der ihm unterstehenden Wasserleitungen einschritt (Ende Februar VIII 6, 4; vgl. Frontin. [1270] de aqu. II 76), und im Senat wirkte er für die Bewilligung von Supplicationen zu Ciceros Ehren (VIII 11, 1f. II 15, 1), aber mehr persönliche Nachrichten enthält nur sein Brief vom 20. September, VIII 12. Er gab damals seine Spiele, für die ihm Curio wilde Tiere zur Verfügung gestellt hatte (VIII 9, 3. 8, 10), und geriet in ein ernstes Zerwürfnis mit Ap. Claudius. Er meinte sich diesen durch seine Unterstützungen zu höchstem Dank verpflichtet zu haben, aber Appius, der damals mit L. Piso Censor war, schlug nicht nur seine Bitte um Geld ab, sondern bereitete ihm im Bunde mit L. Domitius verschiedene Nachstellungen. Als C. gegen eine Rüge des Censors bei dessen Amtsgenossen Schutz fand, veranlasste jener den Servius Pola, eine gewiss nicht ganz unbegründete Klage gegen ihn wegen widernatürlicher Unzucht zu erheben, worauf C. den Appius nach derselben lex Scantinia vor Gericht zu ziehen drohte (vgl. VIII 14, 4); Anspielungen auf sein lockeres Leben auch in dieser Zeit vielleicht VIII 7, 2. II 15, 5 (nach Boissier 185). Wichtigere Ereignisse liessen diese Zänkereien in den Hintergrund treten, aber sie standen doch mit der Bildung der grossen Parteien in Zusammenhang. Denn jeder der beiden Censoren stand auf der Seite eines anderen der zwei Machthaber, und C. entschied sich schliesslich durchaus für Caesar (Cic. ad Att. VII 3, 6 vom 9. December), nachdem er schon längst die Persönlichkeit des Pompeius durchschaut hatte (VIII 1, 3), und obgleich ihm Cicero (II 8, 2) zum Anschluss an diesen geraten und er selbst noch im September geschwankt hatte (VIII 14, 2). Psychologische und materielle Motive wirkten wohl bei seiner Entscheidung damals zusammen und ebenso später bei seinem Abfall von Caesar (vgl. Boissier 205–208). Dem zurückkehrenden Cicero kam er auf sein cumanisches Landgut entgegen und offenbarte ihm nicht nur den Wechsel seiner Gesinnung, sondern wollte sogar ihn selbst zum Anschluss an Caesar bewegen (II 16, 3; Brut. 273; vgl. Schmidt 95). In der Senatssitzung vom 1. Januar 705 = 49 stimmte er den Anträgen des eifrigsten Caesarianers M. Calidius mit geringen Abweichungen bei (Caes. b. c. I 2, 4. Dio XLI 2, 1), und nach dem Senatsbeschluss vom 7. Januar, der die Kriegserklärung bedeutete, eilte er mit M. Antonius, Q. Cassius und Curio sofort zu Caesar nach Ariminum (Dio 3, 2. Oros. VI 15, 2). In der Nacht war er noch heimlich bei Cicero gewesen (ad fam. VIII 17, 1) und hielt die Verbindung mit dem Redner auch weiterhin aufrecht. Er schrieb ihm ungefähr am 9. März, dass Caesar ihn nach Rom berufen wolle, aber fürs erste zur Unterdrückung eines Aufstandes nach Intemelium im westlichen Ligurien senden müsse (VIII 15, vgl. Schmidt 165), und von dort am 16. April gleichzeitig mit Caesar selbst und in dessen Auftrage, Cicero solle unter allen Umständen seine bisher beobachtete Neutralität bewahren und nicht zu Pompeius übergehen (VIII 16 = ad Att. X 9 A, vgl. X 9, 2; Ciceros Antwort II 16). Von sich selbst berichtete er dabei nur, dass Caesar ihn mit sich nach Spanien nehme. In Ciceros Briefen an Atticus ist in der folgenden Zeit wiederholt (X 12, 6 [= 12 b, 2]. 14, 3. 15, 2. 16, 4) in dunklen Wendungen von einem C. [1271] und einem caelianischen Plane die Rede; unter den verschiedenen Möglichkeiten, diese geheimnisvollen Anspielungen zu deuten (vgl. Ziehen Ephemerides Tullianae [Budapest 1887] 24ff.) hat die von Schmidt (a. O. 179) angenommene am meisten für sich, dass darunter die Entscheidung Ciceros für Pompeius zu verstehen sei, die ihm C. in dem an Atticus weitergeschickten Briefe zugetraut hatte. Nach der Rückkehr aus dem spanischen Feldzuge übertrug Caesar dem C. die Praetur für 706 = 48, setzte ihn aber dadurch zurück, dass er die angesehenere Stadtpraetur dem C. Trebonius übergab. Schon längst hatte sich im Herzen des C. infolge seiner getäuschten Hoffnungen Groll und Erbitterung gegen das neue Regiment angesammelt, und er gedachte, als der Herrscher den Rücken gekehrt hatte, seine Macht gegen ihn zu gebrauchen, wohl kaum zu Gunsten der Pompeianer, sondern als ein zweiter Catilina zunächst zum Umsturz aller Ordnungen ohne positive Ziele. Sein letzter Brief an Cicero ist Ende Januar 706 = 48 geschrieben, als er schon an die Ausführung seiner Pläne gegangen war (vgl. Ziehen a. O. 42ff. Schmidt a. O. 196). Über die Einzelheiten weichen die Berichte Caesars b. c. III 20, 1–22, 3 und Dios XLII 22, 1–25, 3 mehrfach von einander ab (vgl. o. Bd. I S. 2276); daneben sind die kürzeren des Liv. ep. CXI. Vell. II 68, 1f. Oros. VI 15, 10 (jedenfalls ungenau). Hieron. zu Euseb. II 137 r Schöne von geringerer Bedeutung. C., der vermutlich immer mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte und dadurch häufig in seinen Entschlüssen beeinflusst wurde, versprach zunächst allen Schuldnern, die auch nach den von Caesar eingeführten Erleichterungen bei der Schuldentilgung nichts bezahlen wollten, seinen Schutz, fand aber infolge der gerechten Durchführung der Reformen keinen Anklang. Darauf beantragte er ein Gesetz, das den Schuldnern die Rückgabe der Darlehen ohne Zinsen in einer sechsjährigen Frist gestatten sollte, und auf den Widerstand der übrigen Magistrate antwortete er mit der Veröffentlichung von zwei weiteren Gesetzentwürfen, die Erlass des Mietzinses für ein Jahr und Aufstellung neuer Schuldbücher bezweckten. Damit erreichte er den Ausbruch einer Revolte, bei der Trebonius in grosse Gefahr geriet, aber nun schritt der Consul Servilius ernstlich gegen ihn ein und suspendierte ihn laut Senatsbeschluss von seinem Amte (vgl. noch Quintil. inst. or. VI 3, 25. Mommsen St.-R. I 262, 4). Die folgenden Begebenheiten lassen sich nur in ihren Hauptzügen erkennen; C. gab vor, sich persönlich an Caesar wenden zu wollen, aber statt dessen trat er in Verbindung mit Milo, der in Campanien einen Aufstand zu erregen suchte. Es gelang ihm nicht, sich mit Milo zu vereinigen, sondern dieser wurde vorher besiegt und getötet; seine eigenen Versuche, Unruhen zu erregen, schlugen fehl, und schliesslich wurde er in Thurii von keltischen und spanischen Reitern Caesars, die er durch Bestechung gewinnen wollte, niedergehauen (spätestens im März nach Schmidt a. O.).

C. war mit reichen körperlichen Vorzügen begabt (Cic. Cael. 6. 36, dazu Gell. XVII 1, 4ff.), und wie er diese ausgebildet hatte (Macrob. sat. III 14, 15), so hatte er auch seinen Geist durch [1272] sorgfältige Studien geschult (Cic. Cael. 44f.; ad fam. II 10, 3) und galt stets als einer der ersten Redner seiner Zeit (vgl. z. B. Colum. I praef. 30. Tac. dial. 17. Quintil. inst. or. XII 10, 11. Plin. ep. I 20, 4). Aber seinen glänzenden Geistesgaben standen sehr grosse Fehler gegenüber, die Cicero bei all seiner grossen Vorliebe für C. sowohl in seiner Verteidigungsrede, wie in gelegentlichen Bemerkungen (ad Att. VI 1, 21 u. a.) und besonders in seinem Nachruf (Brut. 273) deutlich erkennen lässt. Auch die Urteile von Späteren über C., wie Vell. II 68, 1f. Quintil. inst. or. X 1, 115, und kleine Beiträge zu seiner Charakteristik wie Sen. de ira III 8, 6 sind von Interesse. In Übereinstimmung mit solchen Urteilen zeigen die Bruchstücke seiner Reden (gesammelt bei Meyer Orat. Rom. frg.² 458–470) einen schlagfertigen Witz und eine geschickte Darstellung. Die besten darunter, die noch von Quintilian und Tacitus eifrig studiert wurden, waren die Anklagereden (Cic. Brut. 273. Quintil. inst. or. VI 3, 69); es ist aus der Stelle Ciceros aber nicht mit Nipperdey (Opuscula 299, 1) zu folgern, dass er überhaupt nur dreimal als Ankläger aufgetreten sei, sondern auch eine Notiz wie Plin. n. h. XXVII 4 kann sich auf ihn beziehen. Seine Briefe gehören zu den interessantesten der ciceronianischen Sammlung; die Gabe fesselnder und pikanter Schilderung, scharfer Beobachtung und treffender, oft boshafter Beurteilung verleiht ihnen einen besonderen Reiz. Eingehend aber übellaunig hat Drumann G. R. II 411–422 Leben und Persönlichkeit des C. gewürdigt; eine günstigere Beurteilung erstrebte Wegehaupt (M. Caelius Rufus, Breslau 1878), doch hat seine Monographie sonst nicht viel mehr selbständigen Wert als die von Wieschhölter (De M. Caelio Rufo oratore Leipzig 1885, mit Recension von Harnecker Wochenschr. f. klass. Philol. III 1098–1103). Am meisten ist vielleicht Boissier (Cicéron et ses amis 167–219) dem C. gerecht geworden, indem er ihn als typischen Vertreter der römischen Jugend jener Zeit auffasste und darstellte, obgleich bei Boissier selbst dieses Bild manchmal etwas freie Züge aufweist. Über die Stellung und Bedeutung des C. in der römischen Litteratur vgl. Teuffel-Schwabe § 209, 6. 7, wo weitere moderne Litteratur verzeichnet ist.

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35) (Zu S. 1266, 61.) Wahrscheinlich ist das Geburtsjahr ein früheres als 669 = 85, vielleicht 666 = 88, wie Wegehaupt 5 und Groebe Herm. XXXVI 612f. annehmen.

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S. 1254ff. zum Art. Caelius:

35) Zum Leben des M. Caelius Rufus vgl. meine Ausführungen Herm. XLIV 135ff. (s. auch Suppl.-Heft I S. 269).

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35) M. C. Rufus, Schüler Ciceros, befreundet mit Clodia (IV 105 Nr. 66). (L) S I. (L) S III.