RE:Calpurnius 90

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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L. C. Piso Caesoninus, Konsul 58 v. Chr., Schwiegervater Caesars
Band III,1 (1897) S. 13871390
Lucius Calpurnius Piso Caesoninus (Konsul 58 v. Chr.) in der Wikipedia
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90) L. Calpurnius Piso Caesoninus. Die Hauptquelle für sein Leben ist Cicero; im folgenden abgekürzt S = Rede pro Sestio, P = in Pisonem. Piso war Sohn von Nr. 89, Enkel von Nr. 88 (Caes. b. G. I 12, 7), Schwiegersohn eines Atilius oder Rutilius Nudus (Fenestella bei Ascon. p. 4), Vetter des Catilinariers C. Cethegus (Cic. p. red. 10; de dom. 62). Zur Zeit des Bundesgenossenkrieges grandis iam puer (P 87) bekleidete er später Quaestur, Aedilität und Praetur (P 2), letztere wahrscheinlich 693 = 61, und verwaltete darauf eine Provinz. Wegen dort begangener Erpressungen wurde er von P. Clodius angeklagt, aber freigesprochen, da er durch seine Selbsterniedrigung das Mitleid der Richter erregte (Val. Max. VIII 1, 6) und einen mächtigen Rückhalt an dem Consul Caesar hatte, der damals seine Tochter Calpurnia heiratete (vgl. Nr. 126, dazu P 59. 90. Caes. b. G. I 12, 7. Plut. Cat. min. 33, 3). Dessen Beistand verdankte er es auch, dass er mit dem Candidaten des Pompeius A. Gabinius zum Cousul für 696 = 58 gewählt wurde (f. Cap. CIL I 730. 787. Lex Furfon. CIL I 603, 2 = IX 3513, 2. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Caes. b. G. I 6, 4. Ascon. Milon. p. 41. Suet. Caes. 21. Cassiod. Plut. Caes. 14, 4; Pomp. 48, 3; Cat. min. 33, 3. Appian. b. c. II 14. Dio XXXVIII 9, 1. 13, 3 und ind.). Er hatte sich bei der Bewerbung auch Ciceros Unterstützung zu verschaffen gesucht, zu dem er durch die Heirat des C. Piso (Nr. 93) mit Tullia in verwandtschaftliche Beziehungen getreten war (S 20; P 11; p. red. 17; ad Quir. 11. Schol. Bob. p. 248), und erwies ihm die Ehre, im Anfang seiner Amtsführung bei Senatssitzungen ihn gleich nach den Triumvirn zu befragen (P 11; p. red. 17). Sehr bald aber näherte er sich dem Clodius, indem er ihm überall freies Spiel liess (S 33f.; P 8. 23. Ascon. p. 6f.), und es wurde nun eine Art Vertrag zwischen diesem und den beiden Consuln geschlossen, dessen Zweck die Beseitigung Ciceros war. Anfangs hielt sich Piso noch zurück, z. B. fehlte er in der Senatssitzung, in welcher die Angelegenheit zur Sprache kam, wegen Krankheit, sei es wegen vorgeschützter [1388] (S 26) oder wegen wirklicher (P 13. Dio XXXVIII 16, 6). Aber er verbot mit Gabinius dem Senat, Trauer um Cicero anzulegen (S 32; P 17; Planc. 87; p. red. 12. 16. 31; ad Quir. 13. Schol. Bob. p. 249. Plut. Cic. 31, 1. Dio XXXVIII 16, 3); er spottete, als Pompeius den Redner fallen liess, sein stolzer Vers cedant arma togae habe ihm das eingetragen (P 72ff.); er gab den Fürbittern, die Pompeius an ihn wies, eine kühl ablehnende Antwort (P 77), und als Cicero in Begleitung seines Schwiegersohnes ihn persönlich aufsuchte, gab er ihm einfach den Rat, sich in sein Geschick zu fügen (P 13. Plut. 31, 3. Dio XXXVIII 16, 5). Endlich erklärte er sich in der von Clodius berufenen, entscheidenden Volksversammlung offen gegen ihn mit den Worten, er missbillige ein grausames Verfahren, nämlich das gegen die Catilinarier geübte (P 14ff.; p. red. 17. Dio). Von diesem Zeitpunkt an datiert der furchtbare Hass, mit welchem Cicero den Piso verfolgte und dem er namentlich in den ersten Reden nach seiner Rückkehr den schärfsten Ausdruck lieh. Persönliche Feindschaft hatte zwischen beiden bis dahin nicht bestanden; nur Eigennutz und Habsucht waren es, die Piso zu seiner Stellungnahme bestimmten. Gewiss ist der Vorwurf übertrieben, er habe sich an dem Eigentume Ciceros bereichert und dessen Verbannung mit Freudenfesten gefeiert (S 54; P 22; de domo 62;. p. red. 18). Nachdem er den Vertrag erfüllt hatte, erhielt er seinen Lohn; Clodius brachte ein Gesetz ein, durch welches Gabinius Syrien, sein Amtsgenosse Makedonien als Provinz erhielt (S 24f. 44. 53. 71; P 37. 57; de domo 23. 55. 60. 70; prov. cons. 2ff. Schol. Bob. p. 271. Auct. de vir. ill. 81, 4. Plut. Cic. 30, 1), angeblich mit ausserordentlichen Vollmachten und Mitteln (P 37. 86; de domo 55). Bei den Streitigkeiten, die jetzt sehr rasch zwischen den bisherigen Verbündeten ausbrachen, suchte Piso neutral zu bleiben (P 27; de domo 66). Von seiner Amtsthätigkeit wird das strenge Vorgehen gegen die Ausbreitung der ägyptischen Kulte gerühmt (von Varro bei Tertull. apol. 6; ad nat. I 10. Arnob. II 73; vgl. Preller Röm. Mythol. II 378), wogegen ihm von Cicero (har. resp. 32) die Aufhebung eines kleinen alten Heiligtums vorgeworfen wird. Ende des Jahres ging er in seine Provinz ab (S 71; P 31), die er bis in den Anfang 699 = 55 verwaltete (P 86. 97). Während dieser Zeit lebte über ein Jahr der verbannte Cicero in Thessalonike und Dyrrhachion; auf Grund eigener Beobachtung entwarf er nach der Heimkehr zunächst in der Rede für Sestius (94) mit wenigen Strichen ein Bild von der Misswirtschaft Pisos, das er dann in der de provinciis consularibus (2–8) und schliesslich in der Invectiva (P 83–98) in den schwärzesten Farben ausmalte (vgl. auch die Angriffe Catulls aus derselben Zeit gegen Piso und sein Gefolge c. 28 und 47). Zwar hätte der Statthalter infolge einiger glücklicher Gefechte seiner Legaten den Imperatortitel angenommen (vgl. noch har. resp. 35), aber thatsächlich sei das Land schutzlos den Thrakern preisgegeben, das Heer in gänzlicher Auflösung; er hätte Unterthanen und Bundesgenossen auf das schamloseste ausgesogen, Gesetz und Recht nur zu seinem Vorteil walten lassen, Kunstwerke geraubt, den Frauen nachgestellt, schliesslich die [1389] Provinz in dem trostlosesten Zustand verlassen und sei vor den eigenen Truppen flüchtend heimlich und unbemerkt nach Rom zurückgekommen. Die einzelnen Anklagen auf ihr richtiges Mass zurückzuführen, ist aus Mangel an anderen Berichten nicht möglich; dass sie ungemein übertrieben und entstellt sind, liegt auf der Hand. Piso säumte auch nicht, sich 699 = 55 bald zu rechtfertigen und seinerseits gegen Cicero Klage zu erheben, worauf dieser kurz vor Einweihung des Pompeiustheaters, also im Frühjahr (P 65. Ascon. z. d. St. p. 14 u. p. 1), mit einer Rede antwortete, die uns nebst dem Commentar des Asconius erhalten ist. Ihre masslose ungezügelte Heftigkeit lässt erkennen, dass die vorangegangene des Piso ihre Wirkung gethan hatte und der Redner sich empfindlich getroffen fühlte. Auf diese Invectiva entgegnete Piso mit einer Flugschrift und Q. Cicero hielt es für angemessen, dass sein Bruder den Kampf fortsetze (ad Qu. fr. III 1, 11), aber dies erfolgte ebensowenig, wie die Anklage, mit der dem Gegner gedroht worden war (P 94. 96). Im Gegenteil, Piso, der ruhig in Rom lebte, ohne an den politischen Kämpfen teilzunehmen und nur 700 = 54 unter den Fürsprechern des M. Scaurus auftrat (Ascon. Scaur. p. 24), gelangte sogar 704 = 50 mit Ap. Claudius Pulcher zur Censur (Caes. b. c. I 3, 6. Tac. ann. VI 10. Invect. in Sall. 16. Dio XL 63, 2), was gar nicht sein Wunsch war (Dio). Das Schweigen des Gegners über seine Verwaltung dieses Amtes spricht zu seinen Gunsten; es scheint, dass er damals schon eine neutrale Stellung zwischen den Parteien einnahm, denn während er einen Caesarianer, Sallust, aus dem Senat stiess (Invect. in Sall. 16. Dio XL 63, 4), nahm er den anderen, Curio, in Schutz (Dio). Beim Ausbruch des Bürgerkrieges trat er im Senat für seinen Schwiegersohn ein (Plut. Pomp. 58, 4) und erbot sich, als Vermittler zu ihm zu gehen (Caes. b. c. I 3, 6), aber als jener gegen Rom marschierte, verliess er die Stadt und gab ihm dadurch seine Missbilligung zu verstehen, was ihm selbst Ciceros Hochachtung wiedergewann (ad fam. XIV 14, 2; ad Att. VII 13, 1). Freilich schloss er sich auch dem Pompeius nicht an, sondern erklärte nochmals seine Bereitwilligkeit den Frieden zu vermitteln (Dio XLI 16, 4), wiederholte dasselbe dem Caesar nach dem spanischen Feldzuge (Plut. Caes. 37, 1) und verwandte sich später für einen von dessen entschiedensten Gegnern, den M. Marcellus (Cic. ad fam. III 4, 3). Nach der Ermordung des Dictators forderte er in der Senatssitzung vom 17. März 710 = 44 ein öffentliches Begräbnis und volle Gültigkeit des Testaments (Suet. Caes. 83. Appian. b. c. II 135f.), das der Verstorbene in seine Hände (nach Sueton vielmehr in die der Obervestalin, wie später Augustus) niedergelegt hatte (vielleicht ist hierauf das Fragment eines Briefes Caesars an Piso bei Charis. p. 79, 22 zu beziehen), und leitete selbst die Bestattungsfeierlichkeit (Appian. II 143). Anscheinend suchte man ihn später aus der Hauptstadt zu entfernen (Cic. ad Att. XV 26, 1), indes er blieb und fuhr fort, beiden extremen Richtungen entgegenzutreten. So wagte er allein am 1. August, da Cicero noch fern war, die Ansprüche des Antonius zurückzuweisen (Cic. Phil. I 10. 14. V 19; ad Att. XVI 7, 7; ad fam. XII 2, 1), was ihm allgemeinen [1390] Beifall eintrug, und zu erklären, dass er unter keinen Umständen dessen Herrschaft dulden wolle (Cic. Phil. XII 14). Doch mit derselben Entschiedenheit wandte er sich am 1. Januar 711 = 43 gegen Ciceros fünfte Philippica und gegen die Verhängung der Acht über Antonius (Appian. III 50. 54–61). Er ging selbst mit Sulpicius Rufus und L. Philippus in das Lager vor Mutina und auch nach dem Scheitern dieser Sendung (Cic. Phil. VII 28. IX 1. XIV 4; ad fam. XII 4, 1) gab er die Hoffnung noch nicht auf, eine Versöhnung zu erzielen (Cic. Phil. XII 3. 15). Spätere Nachrichten über ihn fehlen, vielleicht weil er sehr bald darauf starb. Von seinem Äusseren und seinem Charakter giebt Cicero eine gleichmässig abschreckende und offenbar verzerrte Schilderung. In seiner Erscheinung und in seinem Privatleben suchte Piso den Römer der guten alten Zeit herauszukehren; doch war er der griechischen Bildung keineswegs fremd (vgl. z. B. S 23; P 68; p. red. 14. Ascon. p. 14). Die Hypothesen über seine Villa in Herculanum, seine Bibliothek und sein Portrait sind von Mommsen (Archaeol. Ztg. XXXVIII 32) mit vollstem Recht zurückgewiesen worden; die Beziehung der Inschrift CIL XIV 3591 (vgl. Nr. 81) ist zweifelhaft.

Nachträge und Berichtigungen

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Band S I (1903) S. 272
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90) (Zu S. 1389, 18): Die Flugschrift Pisos gegen Cicero wollte Ed. Schwartz Herm. XXXIII 101—108 in der unter Sallusts Namen überlieferten sog. Invectiva in Ciceronem wiederfinden, nachdem Reitzenstein ebd. 87—101 (gleichzeitig mit Wirz Festgaben zu Ehren Büdingers [Innsbruck 1898) 102ff.) diese als ein echtes Pamphlet aus dem J. 700 = 54 nachzuweisen versucht hatte. Die Ansicht hat schon bei Schanz Gesch. der röm. Litt. I² 281 und entschiedener bei F. Schöll Rh. Mus. LVII 159–163 Widerspruch gefunden und wird sich schwerlich halten lassen.

(Zu S. 1389, 61) Auf tendenziöse Fälschung geht die Angabe des Lactant. inst. div. I 15, 30 zurück, dass Piso vielmehr gegen die ehrenvolle Bestattung Caesars gestimmt habe. In einem Senatsconsult vom 11. April steht er unter den Urkundszeugen an erster Stelle (Joseph. ant. Iud. XIV 220).

(Zu S. 1390, 21) Er hatte ein Haus auf dem Caelius, das noch später seinen Nachkommen gehörte (Cic. Pis. 61, vgl. CIL XV 7513 mit Anm.).

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Band S III (1918) S. 230
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90) Eine Inschrift aus dem Consulat des Piso ist in Pola gefunden und ermöglicht die Zuweisung einer anderen desselben Fundorts (Österr. Jahresh. Beibl. 1910, 196f.); nach seinem Proconsulat wird eine bilingue Weihinschrift auf Delos datiert (Bull. hell. XXXIII 504. 522–525, vgl. Bull. com. XXXVIII 271). Für die Geschichte seines Consulats vgl. noch Cic. ad Att. VII 13, 1. 17, 1; fam. XIV 1, 3. 3, 3. Wahrscheinlich ist er der Piso, dem Philodemos seine Schrift περὶ τοῦ καθ’ Ὅμηρον ἀγαθοῦ βασιλέως widmete (angeredet Πείσων am Schluß col. XXV 16 p. 66 Olivieri). Vgl. noch Suppl.-Heft I S. 272.

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Band R (1980) S. 74
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90) L. C. Piso Caesoninus, Konsul im J. 58 v. Chr., Schwiegervater Caesars, Gegner Ciceros. S I. S III.