RE:Imperium

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Amtsgewalt d. Magistrats, Befehlsgewalt d. röm. Volkes
Band IX,2 (1916) S. 12011211
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Imperium (die ältere Orthographie ist inperium – entsprechend dem inperator. So schreibt z. B. die Lex repetundarnm CIL I 198, 8. 9. 72. 79; ferner die Lex agraria aus der Gracchenzeit CIL I 200, 87, sowie die Lex aus Bantia CIL I 197, 17. 19. Auf der anderen Seite bietet bereits die Mummius-Inschrift aus der Mitte des 2. Jhdts., CIL I 541, imperium. – Die Griechen geben den Begriff i. durch Umschreibungen mit ἀρχή bezw. ἐξουσία wieder, z. B. ἡ τῶν ὑπάτων ἐξουσία = imperium consulare. Belege bei Magie De Romanorum vocabul. sollemn. 76. 78. 121).

I. Imperium als die Amtsgewalt des regierenden Magistrats. Für die Amtsgewalt des Magistrats gab es im römischen Staat zwei Ausdrücke, i. und potestas. Von diesen beiden Begriffen ist potestas der weitere und kommt jedem einzelnen vom Volke gewählten Beamten zu; man sagt ebensogut consularis potestas wie quaestoria potestas (Mommsen St-R. I³ 28). Dagegen bezieht sich der Ausdruck i. auf einen ganz bestimmten, viel engeren Kreis von Oberbeamten. Der römische Sprachgebrauch kennt ein i. dictatoris, consulare, praetorium, aber niemals ein i. eines Censors, Aedils usw. Die Bezeichnung der Amtsgewalt als i. findet sich bei allen denjenigen Magistraten, die Erben des alten Gemeinderegenten sind, also zunächst bei den Consuln und den Praetoren – die Praetur ist ja dadurch entstanden, daß man den beiden ursprünglichen Stadtregenten einen dritten zur Seite stellte. In diesem Sinne spricht Varro (bei Gell. XIII 12, 6) von den consules et ceteri, qui habent imperium. Sodann gehört hierher der Präsident der außerordentlichen Notverfassung, der Dictator. In der älteren Entwicklung des römischen Staates haben natürlich die Consulartribunen das i. besessen, die ja auch die Gemeinderegenten gewesen sind. Die spätere Theorie hat dies einmütig anerkannt (Kaiser Claudius in seiner Lyoner Rede, CIL XIII 1668: in[pl]uris distributum consulare imperium tribunosque mil[itu]m consulari imperio appellatos, vgl. Mommsen St.-R. II³ 189). Daß man den Königen das i. beilegte, ist ebenso selbstverständlich, da man sie als die Vorläufer der Consuln empfunden hat (Sallust. Cat 6: imperium legitimum, nomen imperii regium habebant). Aus dem i. der Consuln und Praetoren folgt natürlich sofort das i. der entsprechenden Promagistrate. Die schwierige Frage nach dem etwaigen i. des Oberpontifex, sowie die nach dem i. des magister equitum und des interrex wollen wir zunächst zurückstellen; ebenso alle außerordentlichen Magistraturen. Kein i. haben alle diejenigen Beamten, denen Spezialkompetenzen zugewiesen sind – während dem i.-Träger, wenigstens ursprünglich und in der Theorie, die Regierung [1202] des gesamten Staates zukommt – also die Censoren, Aedilen, Quaestoren, die vom Volk gewählten Militärtribune, die Flottenherrn, die Mitglieder des Vigintisexvirats. Ein i. besitzen innerhalb des römischen Staates nur Beamte des Staates selbst, also weder die Vertrauensmänner der Plebs, noch etwa die Vorsteher von pagi, vici u. dgl.

Mit diesen Grundregeln scheint Liv. IX 30,3 nicht übereinzustimmen, wo den magistratischen Offizieren ein i. beigelegt wird: duo imperia eo anno dari coepta per populum, utraque pertinentia ad rem militarem, unum ut tribuni militum – crearentur –; alterum ut duumviros navales – populus iuberet. Diese Angabe ist falsch, wenn hier das politische i. gemeint sein sollte. Aber offenbar versteht der Autor hier i. als militärisches Kommando (s. Mommsen St.-R. I³ 118). Eine ähnliche Schwierigkeit bereitet Liv. XXXIV 53, wo erzählt wird, es seien für eine Koloniegründung triumviri gewählt worden, quibus in triennium imperium esset. Die Kompetenz dieser Beamtengattung entspricht im wesentlichen der censorischen potestas (Mommsen St.-R. II³ 631), es liegt also ein Irrtum des Livius bezw. seiner Quelle vor.

Während rechtlich das Verhältnis zwischen i. und potestas durchaus eindeutig ist, lassen sich im praktischen Sprachgebrauch manche Schwankungen verfolgen. So bezeichnet man bisweilen die Gewalt des Oberbeamten pleonastisch als i. et potestas; vgl. Cic. Verr. act. prim. 37: consul Hortensius cum summo imperio et potestate; ad Q. f. I 1, 31: cum summo imperio et potestate. Auf der anderen Seite lag es nah, den allgemeinen Begriff der potestas auf diejenigen Beamten zu beschränken, die nur potestas besaßen; in diesem Sinne werden i. und potestas Gegensätze, die den Unterschied zwischen der höheren und der niederen Magistratur ausdrücken (Fest. p. 50: ,cum imperio est‘ dicebatur apud antiquos, cui nominatim a populo dabatur imperium. ,Cum potestate est‘ dicebatur de eo, qui a populo alicui negotio praeficiebatur). Ulpian charakterisiert die Magistratur mit den Worten Dig. IV 6, 26, 2: consulem praetorem ceterosque, qui imperium potestatemve quam habent (die Formel i. potestasve wird auch für die Magistrate der Munizipien und Kolonien gebraucht, s. Lex col. Genetivae = CIL II 5439 c 94. 125). Im folgenden seien nun die wichtigsten Rechte hervorgehoben, die in dem Begriff i. enthalten sind.

1. Der Oberbefehl über das Bürgeraufgebot ist stets als die wesentlichste Kompetenz des Magistrats empfunden worden; es war für den täglichen Sprachgebrauch die ,Befehlsgewalt‘, das i. schlechtweg (Mommsen St-R. I³ 116ff. Cic. Phil. V 45: demus igitur imperium [1203] Caesari, sine quo res militaris administrari, teneri exercitus, bellum geri non potest). Jeder Dictator, Consul, Praetor war berechtigt, das Heer zu befehligen, aber niemals irgend ein Magistrat, der außerhalb dieses Kreises steht; daß in der Praxis z. B. der städtische Praetor nicht dazu kam, seine Befehlsgewalt auszuüben, ändert an dem Prinzip nichts. Untrennbar verbunden mit dem Kommando ist das Recht, die Disziplin im Heere durch Strafen aufrecht zu erhalten, sowie überhaupt über Vergehen der Soldaten zu richten (vgl. über die castrensische Jurisdiktion Liebenam o. Bd. VI S. 1651). Ebenso hatte der Feldherr die für die Kriegführung nötigen Gelder zu verwalten, bei welcher Tätigkeit ihm freilich sein Quaestor zur Seite stand (vgl. den Art. Quaestor). Um stets das nötige Bargeld zur Verfügung zu haben, darf der Feldherr Münzen prägen; ein Recht, das er gleichfalls durch seinen Quaestor ausüben läßt (z. B. über die Münzen Sullas, die in seinem Auftrag der Quaestor L. Lucullus schlagen ließ, s. Plut. Lucull. 2. Babelon Monnaies de la Rép. Rom. I 405. Im allgemeinen vgl. Babelon I p. XLff.). Diese Münzen tragen in der späteren Republik den Namen des Feldherrn. Das Recht der Heeresbildung an sich steht zwar in der Theorie dem Magistrat zu, in der Praxis brauchte er aber für diesen Akt die Zustimmung des Senats, vgl. den Art. Dilectus o. Bd. V S. 592. Das Recht der Offiziersernennung, das ursprünglich gleichfalls dem Feldherrn zustand, ist ihm in historischer Zeit ebenfalls in wesentlichen Teilen verloren gegangen. Die Tribunen der vier regelmäßigen Jahreslegionen wählte das Volk, die Centurionen und Decurionen wurden tatsächlich von den Tribunen bestellt (Polyb. VI 24, 2. 25, 1; dazu o. Bd. VI S. 1636). Endlich kann der Oberbefehlshaber nach einem Siege von seinen Truppen zum Imperator ausgerufen werden und den Feldzug durch einen Triumph abschließen; beides ausschließliche Rechte desjenigen Magistrats, der das i. besitzt (vgl. den Art. Imperator und Triumph).

2. Die Auslegung des Landrechts. Ebenso wie die Tätigkeit des Magistrats als oberster Kriegsherr wird seine Kompetenz auf dem Gebiet der Ziviljurisdiktion direkt mit dem Worte i. bezeichnet. So sagt Paulus (Dig. L 1, 26): ea, quae magis imperii sunt quam iurisdictionis, magistratus municipalis facere non potest. Magistratibus municipalibus non permittitur in integrum restituere aut bona rei servandae causa iubere possideri. Ähnlich sagt Gaius IV 103: omnia – iudicia aut legitimo iure consistunt aut imperio continentur. Aus diesen und ähnlichen Stellen geht hervor, daß der praktische Sprachgebrauch nicht die gesamte Ziviljurisdiktion des Magistrats auf das i. zurückführte, sondern zunächst nur einen Teil derselben (Mommsen St.-R. I³ 186ff.). Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen den einzelnen Bürgern fällte ja nach römischer Sitte der Magistrat selbst nicht das Urteil, sondern er überwies den Fall an einen Geschworenen, der ihn durch Schiedsspruch erledigte. Aber nach dem alten strengen Landrecht ist ein solcher Schiedsspruch nur in der Stadt Rom selbst möglich, und beide Parteien müssen Bürger sein. Ferner muß stets ein Geschworener [1204] den Spruch fällen. Alle Streitfälle dagegen, bei denen ein Nichtbürger beteiligt war, oder die außerhalb des Bereichs domi vor den Magistrat gebracht wurden, konnten nicht durch den regulären Schiedsspruch, das iudicium legitimum erledigt werden. Aber bei dieser Schwierigkeit greift das i. des Magistrats ein; seine Befehlsgewalt durchbricht die engen Schranken des alten Rechts, und er veranlaßt gültige Schiedssprüche auch zwischen Bürger und Nichtbürger, sowie außerhalb der Stadt Rom. Ferner kann der Magistrat Streitfälle vor mehrere Geschworene (recuperatores) verweisen, sowie solche Ansprüche der Parteien erfüllen, die zwar formell unberechtigt sind, die aber im Laufe der Entwicklung Berücksichtigung erwirkt hatten. Dieses ganze weite Gebiet bezeichnen die Juristen als iudicium quod imperio continetur. Gaius IV 105: imperio – continentur recuperatoria et quae sub uno iudice accipiuntur interveniente peregrini persona iudicis aut litigatoris. in eadem causa sunt, quaecumque extra primum urbis Romae miliarium – accipiuntur (vgl. auch III 181). Nach der eben charakterisierten Ausdrucksweise hätte der reguläre, auf dem alten Landrecht beruhende Zivilprozeß, die eigentliche iuris dictio mit dem i. nichts zu tun. Aber wir dürfen uns hier durch den Sprachgebrauch der Juristen nicht irre führen lassen. - Es ist kein Zufall, daß der gleiche Kreis von Magistraten, der zur Führung des militärischen Kommandos befugt ist, zugleich auch die Ziviljurisdiktion ausübt. Es sind die Consuln, die Praetoren und die entsprechenden Promagistrate. Beide Rechte beruhen eben auf derselben Grundlage, der obersten Befehlsgewalt, dem i. Der regierende Magistrat richtet, wie gesagt, im Zivilprozeß selbst nicht. Aber er hat eine noch höhere Befugnis, er legt das Landrecht aus und entscheidet, wie es im Einzelfall anzuwenden ist; teils durch spezielle Instruktion an den Geschworenen (formula), teils durch allgemeine Bekanntmachung (edictum); s. Mommsen St.-R. I³ 188 und für das Nähere den Art. Praetor.

Die minderen Magistrate hatten mit der Ziviljurisdiktion ebensowenig zu schaffen wie mit dem Kommando; aber es liegt eine wichtige Ausnahme vor. Die curulischen Aedilen, denen die polizeiliche Aufsicht über den Marktverkehr zustand, hatten zugleich auch die Prozesse zu regulieren, die sich aus Marktgeschäften ergaben (Mommsen St.-R. II³ 501; vgl. o. Bd. I S. 454). Sie besaßen also iuris dictio. Wenn aber z. B. ein Bürger einen Nichtbürger auf Bezahlung eines Ochsen vor dem Aedil verklagte, dann mußte dieser ein iudicium, quod imperio continetur, einsetzen (Mommsen St.-R. I³ 189, 3). Es ist demnach sicher, daß die curulischen Aedilen einen gewissen Anteil am i. besessen haben. Ohne Zweifel haben rein praktische Erwägungen dazu geführt, daß man das Prinzip durchbrach, nach dem nur der Gemeinderegent das Landrecht auslegen kann. Man wollte eben den Praetor von den unzähligen Bagatellprozessen des Marktverkehrs entlasten. Auch hier zeigt es sich, daß die traditionellen Formen der Beamtengewalt gegenüber den Forderungen des realen Staatslebens nicht immer aufrecht zu erhalten waren.

[1205] 3. Die Bestrafung des verbrecherischen oder ungehorsamen Bürgers an Leib und Leben. Alle Magistrate, die das i. besitzen, haben zugleich das Recht, sich von Lictoren begleiten zu lassen (Mommsen St.-R. I³ 23, 2. 382ff.). Dieses Symbol des Henkersknechts mit Beil und Rute ist völlig eindeutig; es lehrt uns, daß der regierende Präsident von Rom ursprünglich berechtigt war, jeden Ungehorsamen prügeln oder köpfen zu lassen. Die polizeiliche Kompetenz, den Willen des Widerspenstigen zu brechen, die sog. Coercition; die richterliche Gewalt, den Criminalverbrecher zu verurteilen, und endlich das Recht des obersten Kriegsherrn, die Disziplin im Heere aufrecht zu erhalten – alle diese Befugnisse flossen ursprünglich im i. des Regenten zusammen. Aber in historischer Zeit übt der i.-Träger dieses unbeschränkte Recht nicht mehr. Innerhalb der Stadt Rom hindert ihn die Provokation daran, Leib und Leben des Bürgers anzutasten; die alte Kompetenz bleibt nur im militärischen Amtsbereich bestehen. Praktisch tritt sie nur noch im Verhältnis des Feldherrn zum Soldaten, aber nicht mehr in dem des Beamten zum Bürger, auf. Fasces und Lictoren waren in der Stadt Rom zu einem Symbol ohne Inhalt geworden (für die Details vgl. den Art. Provocatio).

Die Reihe der Magistrate, die den militärischen Oberbefehl und die Ziviljurisdiktion besitzen, deckt sich vollkommen mit der Reihe derer, denen Lictoren zukommen. Als Ausnahme wäre höchstens der iudex quaestionis inter sicarios zu nennen, soweit er nicht zugleich Praetor ist. Diese Präsidenten des Mordgerichtshofes in der späteren Republik besitzen Lictoren (Cic. pro Cluent. 147. Mommsen St.-R. II³ 589). Man wird diese Stellung am besten als eine Art von Promagistratur auffassen. Der iudex quaestionis ist ein gewesener Aedil, der einen Praetor vertritt; so übt er praetorische Gewalt aus und führt die Insignien dieser Magistratur. – Von dem caesarischen Stadtpraefecten und den neuen Magistraturen der Kaiserzeit kann in diesem Zusammenhang abgesehen werden.

4. Die zwangsweise Vorladung und Verhaftung eines jeden Bürgers ist auch in historischer Zeit unbeschränktes Recht des i.-Trägers geblieben, s. Ulp. Dig. II 4, 2: neque consulem – neque ceteros magistratus, qui imperium habent, qui et coercere aliquem possunt et iubere in carcerem duci. Gerade auf diesem Gebiet definiert Varro den Unterschied zwischen den drei Kategorien römischer Magistrate, erstens den Obermagistraten mit i., zweitens den niederen Magistraten, drittens den Magistraten der Plebs (bei Gell. XIII 12). Die i.-Inhaber können jedermann durch ihre Amtsdiener vorladen und verhaften lassen, sie besitzen also vocatio und prensio. Die niederen Magistrate dürfen beides nicht. Der Volkstribun endlich kann zwar eine Verhaftung vornehmen; muß aber bei dem Akt persönlich zugegen sein. Einen Bürger durch seinen Diener abholen zu lassen, ist er nach strengem Recht nicht befugt. Er hat also prensio, aber keine vocatio (Mommsen St-R. I³ 144f. 153). – Die niedere Coercition, das Recht Geldstrafen zu verhängen und Pfändungen vorzunehmen, [1206] hängt nicht mit dem i. zusammen, sondern ist vielmehr eine allgemein magistratische Prärogative, die von Aedilen und Censoren ebenso ausgeübt wird wie von Consuln und Praetoren.

5. Die Berufung der Bürgerschaft und des Rats. Das ius agendi cum populo besitzt jeder Träger des i., mit der selbstverständlichen Ausnahme, daß die Promagistrate, die für den Amtskreis militiae zuständig sind, praktisch dieses Recht nicht ausüben können (Mommsen St.-R. I³ 193). Der gleiche Kreis von Magistraten hatte auch die Befugnis, mit dem Senat zu verhandeln, das sog. ius referendi (Mommsen a. a. O. 209). Aber hier liegt die überaus wichtige Ausnahme vor, daß die Volkstribune in historisch greifbarer Zeit – ebensogut wie die Inhaber des i. – den Senat berufen dürfen (Mommsen St.-R. II³ 314, 1). Keine Ausnahme der Regel stellen die sog. Provokationscomitien dar (St.-R. I³ 195f.). Wenn Magistrate ohne i., also z. B. Aedilen, Strafen verhängt hatten, deren Bestätigung sich die Bürgerschaft vorbehalten hatte, dann mußten sie natürlich Gelegenheit haben, ihren Spruch vor dem Volk zu vertreten.

6. Die Ernennung des Nachfolgers. Daß der Regent von Rom ursprünglich ein Recht dieser Art besessen hat, läßt sich aus mancherlei Indizien erschließen. Da ist vor allem die Form hervorzuheben, in der sich die Ernennung des Dictators durch den Consul vollzieht; daneben die wichtige Rolle, die der wahlleitende Consul bei den Magistratswahlen spielt. Die Wahl eines neuen Oberbeamten ist nach strengem Recht mindestens ebensosehr ein Akt des präsidierenden Consuls wie der Bürgerschaft. Diese Empfindung prägt sich recht deutlich in dem Satz aus, daß nur der wirkliche Gemeinderegent die Wahl eines i.-Trägers veranlassen kann. Nur der Consul selbst übt dieses Recht; nicht einmal der Praetor. Sogar die praetorischen Comitien mußte ein Consul leiten (vgl. Mommsen St.-R. II³ 80. 125. Cic. ad Att. IX 9, 3. Gell. XIII 15, 4). Dem Praetor hat also die Kompetenz der Nachfolgerernennung gefehlt.

In der bisherigen Betrachtung haben wir nur solche Rechte und Pflichten hervorgehoben, die den i.-Träger von den übrigen Magistraten unterscheiden. Sämtlichen Magistraten eigentümlich ist dagegen die Kompetenz, im Namen der Gemeinde die Götter um Rat zu fragen, d. h. das Recht der Auspicien. Freilich unterschied man zwischen den auspicia maxima, die den Inhabern des i. zukamen, und den auspicia minora der übrigen Magistrate (vgl. o. Bd. II S. 2583). Ferner konnte kein römischer Magistrat sein Amt ausüben, ehe er nicht vorher eine Art von Huldigung seitens der Bürgerschaft empfangen hatte. Für diesen Akt war bei den Censoren die Centurienversammlung, bei den übrigen Beamten dagegen die Curienversammlung zuständig. Die betreffende Handlung allgemein als lex de imperio zu bezeichnen, ist daher unzulässig (s. Mommsen St.-R. I³ 613). Der Ausdruck ist nur dann korrekt, wenn der betreffende Magistrat wirklich das i. besitzt (Cic. de r. p. II 25: [Numa] de suo imperio curiatam legem tulit. Liv. IX 38, 15 von einem Dictator: ei legem curiatam de imperio ferenti)* Aber die lex curiata über die [1207] Quaestoren ist natürlich keine lex de imperio gewesen.

Das i. des interrex und des magister equitum. Der ‚Zwischenkönig‘ war dazu bestimmt, den fehlenden Stadtregenten zu ersetzen. So ist es selbstverständlich, daß er das volle i. besessen hat (vgl. z. B. die Rede des Philippus in Sallusts Historien § 21: censeo – uti Ap. Claudius interrex cum Q. Catulo pro consule et ceteris, quibus imperium est, urbi praesidio sint. Mommsen St.-R. I³ 660, sowie den Art. Interrex). Ebenso scheint mir kein Zweifel, über das i. des magister equitum zulässig. Dieser Mann besaß das militärische Oberkommando, ferner die Lictoren, das Symbol der Blutgerichtsbarkeit (Mommsen St.-R. II³ 173ff.). Er war Magistrat, da sein Amt in der formellen Reihenfolge der Magistraturen den Platz zwischen Praetur und Censur einnimmt (MommsenI³ 561, 2). Daß er die zivilen Seiten des i. praktisch nicht aasnutzen konnte, liegt darin begründet, daß er eben für die Tätigkeit im Amtsbereich militiae bestimmt war. Der Dictator hatte ihm gegenüber die höhere Amtsgewalt, aber in der selben Art, wie der Consul dem Praetor übergeordnet war. Im Geiste der späteren Republik könnte man etwa sagen, daß der magister equitum eine Gewalt von der Art des propraetorischen i. besessen hat.

Das angebliche i. des pontifex maximus. Mommsen hatte angenommen, daß auch der Oberpontifex Träger des i. gewesen ist (St.-R. II³ 20). Er stützt sich dabei auf die Erzählung des Livus XXXVII 51, wo ein Konflikt zwischen dem pontifex maximus und einem Praetor, der zugleich flamm Quirinalis war, geschildert wird. Es heißt da: imperia inhibita ultro citroque et pignera capta et multae dictae et tribuni appellati et provocatum ad populum est. Es handelt sich hier für uns um die Prinzipienfrage, ob das i. der Römer ein Phantom oder ein realer Begriff gewesen ist. Das i. war, wie wir bisher gesehen haben, eine bestimmte Form der römischen Amtsgewalt, die vor allem das Kommando über die Bürgerwehr und die Auslegung des Landrechts umfaßt. Nun hat der Oberpontifex nach unserem Wissen niemals ein römisches Heer befehligt, niemals einen Zivilprozeß eingeleitet, niemals einen Ungehorsamen vorgeladen und verhaftet, niemals den Senat berufen. Nur ein gewisses Surrogat des ius agendi cum populo ist ihm eigen gewesen, indem er zu einzelnen sakralen Funktionen die Curien berufen konnte. Wer bei dieser Sachlage dennoch an dem i. des Oberpontifex festhält, für den ist i. ein leerer Begriff ohne Inhalt. Mommsen selbst hat glücklicherweise in seiner allgemeinen Konstruktion des römischen i. das angebliche i. des Oberpontifex selbst ignoriert. Freilich ist dieser Priester Magistrat gewesen; denn er besaß drei Grundrechte der Magistratur: a) Geschäfte der Gemeinde zu erledigen, b) in Gemeindeangelegenheiten den Rat der Götter einzuholen, c) gegen ungehorsame Bürger Pfändungen und Geldstrafen auszusprechen. In Ausübung dieses letzten Rechts finden wir den Oberpontifex an der zitierten Liviusstelle. Wir haben schon oben gesehen, daß Livius öfter den Begriff i. unkorrekt – im Sinne [1208] von potestas – anwendet. Mit dieser Annahme läßt sich auch die Schwierigkeit von XXXVII 51 am leichtesten lösen. Übrigens bleibt der Ausdruck imperia inhibita ultro citroque zur Hälfte richtig: auf Seiten des Praetors war ja tatsächlich ein i. vorhanden.

Promagistratischcs und außerordentliches i. Während die Römer in der Stadt im wesentlichen mit den ordentlichen Oberbeamten ausgekommen sind, mußten sie im Amtsbereich militiae schon früh zu einer Ausgestaltung der Magistratur schreiten. Indem die i.-Träger über ihre Amtszeit hinaus mit unveränderter Kompetenz in ihrem Sprengel blieben, wurden sie zu Promagistraten. Seit Sulla ist die Provinzialstatthalterschaft überhaupt den ordentlichen Magistraten entzogen und den Promagistraten überlassen worden. Praktisch wurde freilich damit die Amtszeit der ordentlichen i.-Träger auf zwei Jahre erhöht: das erste Jahr brachten die Consuln und Praetoren im Bereich domi zu; im zweiten Jahr erhielten sie als Proconsuln und Propraetoren eine Provinz. Das i. des Promagistrats entspricht natürlich durchaus dem i. des entsprechenden Magistrats: der Proconsul hat das consularische, der Propraetor das praetorische i. Aber auch die Promagistratur hat nicht alle Aufgaben lösen können, die der späteren römischen Republik erwachsen sind; so hat sich die Bürgerschaft bisweilen dazu entschließen müssen, Unterbeamten oder gar Privaten außerordentlicherweise ein i. zu verleihen.

Diese ganze Gruppe von i.-Trägern wird im Sprachgebrauch der späteren Republik in einer seltsamen Bezeichnung zusammengefaßt, man charakterisiert die betreffenden Männer als solche, qui cum imperio sunt (Mommsen St.R. I³ 117, 1). Dieser Ausdruck ist unlogisch, da natürlich die ordentlichen städtischen Oberbeamten ebenfalls das i. besitzen. Aber das Kommando über die Heere hatten seit Sulla die Consuln und Praetoren im wesentlichen an die Promagistrate und an die außerordentlichen Träger des i. abgegeben. Daher konnte man die letzteren Würdenträger als cum imperio im eminenten Sinne des Wortes bezeichnen. So heißt es in dem Senatsbeschluß bei Cic. ad fam. VIII 8, 8 von den Provinzialstatthaltern: qui praetores fuerunt neque in provinciam cum imperio fuerunt, quos eorum ex s. c. cum imperio in provincias pro praetore mitti oporteret usw. Vgl. auch Cic. ad fam. III 2, 1: ut mihi cum imperio in provinciam proficisci necesse esset; ferner ad fam. I 9, 13; ad Att. VII 3, 3. 7, 4. 15, 2. Auch der Stellvertreter, den der Statthalter bei Abwesenheit aus seinem Sprengel verfassungsmäßig zu bestimmen hat, heißt cum imperio; Cic. ad Att. VI 4, 1: rectissimum videbatur fratrem cum imperio relinquere. Eine ähnliche engere Bedeutung von i. liegt auch in der Formel vor, mit der die Gesetze der späteren Republik die gesamte Magistratur charakterisieren wollen. So heißt es in der Lex Rubria CIL I 205 I 51: neive quis mag(istratus) prove mag(istratu) neive quis pro quo imperio potestateve (ähnlich CIL I 200, 87). Hier werden von der ordentlichen Magistratur und der Promagistratur noch ausdrücklich die Inhaber eines außerordentlichen i. [1209] unter der Formel pro imperio geschieden. Auch die Formel magistratus imperiumve (CIL I 197, 17. 19; vgl. 198, 8) bezeichnet vielleicht diesen Gegensatz, wenn sie nicht einfach – in der Art von potestas imperiumve – den Unterschied zwischen der niederen Magistratur und den i.-Trägern ausdrücken will. – Es ist überaus bemerkenswert, daß auch der Titel imperator sich in der späteren Republik auf denselben Kreis von Männern beschränkt hat, der das Attribut cum imperio führt (vgl. den Art. Imperator).

Von den Unterbeamten haben die im Bereich militiae amtierenden Quaestoren häufig ein außerordentliches i. erhalten, woraus sich dann die Institution des quaestor pro praetore entwickelt hat (Mommsen St.-R. II³ 651). Staatsrechtlich ist eine solche Verleihung nicht anders aufzufassen, als wenn etwa ein Privatmann das i. erhalten hätte. Von Privatleuten ist vor allem Pompeius zu nennen, der im J. 67 proconsularisches i. zur Bekämpfung der Seeräuber erhielt. Damals hat die Bürgerschaft gleichzeitig bestimmt, daß die von Pompeius zu ernennenden 25 senatorischen Gehilfen propraetorisches i. besitzen sollten (Mommsen 656, 2). Diese Beschlüsse des J. 67 sind von größter Bedeutung für die Folgezeit geworden: von dem proconsularischen, das ganze Reich umspannenden i. des Pompeius führt die gerade Linie zu dem proconsularischen i. des Augustus, und die 25 Legaten des Pompeius sind die Ahnen der legati pro praetore der Kaiserzeit geworden.

i. maius und infinitum. Es verstand sich von selbst, daß der Consul gegenüber dem Praetor die höhere Amtsgewalt besaß, also ein i. maius; in derselben Art, wie etwa der Praetor gegenüber dem Quaestor die potestas maior hatte. Aber seit der Einrichtung der Provinzialstatthalterschaften hatte sich diese Rangordnung wesentlich verschoben. In seinem Sprengel war der Provinzialpraetor, später der Promagistrat, oberster Träger des i., und die regierenden Consuln hatten sich in seine Amtsführung nicht einzumischen. Aber im J. 74 v. Chr. erhielt der Praetor M. Antonius ein i. infinitum zur Bekämpfung der Seeräuber, d. h. er durfte an sämtlichen Küsten des Reiches konkurrierend mit den Statthaltern operieren (Cic. Verr. II 8. Vellei. II 31. Mommsen St.-R. II³ 654). Freilich war sein i. dem der Statthalter nicht übergeordnet, sondern es war ihm gleichgestellt; Antonius besaß also ein i. infinitum aequum. Die gleiche Kompetenz hat im J. 67 Pompeius erhalten (Vell. II 31: essetque ei imperium aequum in omnibus provinciis cum proconsulibus usque ad quinquagesimum miliarium a mari). Dagegen hat im J. 43 die republikanische Partei an Brutus und Cassius ein i. verleihen lassen, das dem aller Statthalter übergeordnet war, also ein i. infinitum maius (Appian. bell. civ. IV 58. Vell. II 62; t vgl. auch den Antrag Ciceros Phil. XI 30). Die monarchistische Partei wiederum hat damals ihren Führern das außerordentliche i. als IIIviri rei publicae constituendae verschafft and auf diese, die Verfassung durchbrechenden Formen des Oberamts ist dann das dauernde proconsularische i. infinitum des Principats gefolgt. Über dieses s. den Art. Princeps

[1210] i. merum und mixtum in der Kaiserzeit. Vielleicht der tiefste Unterschied zwischen dem i. der Republik und dem der Kaiserzeit liegt darin, daß seit Augustus das Provokationsrecht seine Bedeutung verliert. Es gibt jetzt wieder in der Stadt fungierende Obermagistrate, die befugt sind, im Kapitalprozeß zu richten und den Bürger zum Tode zu verurteilen, ohne durch das Provokationsrecht gebunden zu sein. Es sind dies einerseits die Consuln, denen dabei der Senat als Consilium zur Seite steht (Mommsen St.-R. II³ 118ff.), andererseits der Princeps (a. a. O. 960ff.).

Einen gewissen Ersatz für die verlorene Volksgerichtsbarkeit bot unter dem Principat die Vorschrift, daß ein in der Provinz auf Leib und Leben angeklagter römischer Bürger verlangen konnte, zur Aburteilung nach Rom geschickt zu werden (Mommsen St.-R. II³ 269). Aber im Laufe der Entwicklung hat der Kaiser in immer steigendem Maße seine eigene Kompetenz, über Leben und Tod des Bürgers zu entscheiden, an die Statthalter delegiert (a. a. O. 270. 967ff.). Diese übertragene Gewalt der Statthalter, sowie anderer Offiziere und Beamter, das sog. ius gladii (s. d.) bezeichnet Ulpian als i. merum; Dig. II 1, 3: imperium aut merum aut mixtum est. merum est imperium habere gladii potestatem – mixtum est imperium, cui etiam iurisdictio inest. Die Terminologie des Juristen ist hier wenig glücklich; denn es ist ja ein und dasselbe i., das auf der einen Seite im Oberkommando und Kriminalprozeß, auf der anderen Seite im Zivilprozeß zutage tritt. Aber man hatte sich im Laufe der Zeit immer mehr daran gewöhnt, das eigentliche i. in der militärischen Gewalt (von der das ius gladii ausgegangen ist) zu sehen; daneben hatte sich aber bei den Juristen der Terminus i. für gewisse Akte der Zivilgerichtsbarkeit erhalten (vgl. o.). Aus diesem Dilemma half man sich in der Weise, daß man das ,reine‘ i. von dem ,gemischten‘ schied, das rein militärische von dem weiteren, das auch die Jurisdiktion umfaßte.

II. Imperium als Befehlsgewalt und Befehlsbereich des römischen Volkes. In der untechnischen Sprache konnte jede beliebige Befehlsgewalt als i. bezeichnet werden, also z. B. auch die Macht, die der Herr über den Knecht oder der Vater über den Sohn ausübt (Ulp. Dig. L 17, 4: velle non creditur, qui obsequitur imperio patris vel domini). Die Gewalt, die der populus Romanus im Rahmen der römischen Verfassung – gegenüber Magistratur, Senat und dem einzelnen Bürger – ausübte, als i. zu charakterisieren, war indessen nicht üblich. Freilich haben staatsrechtliche Theoretiker, als Grundlage für das i. der Magistrate, ein i. des römischen Volkes konstruiert, das dieses an die Oberbeamten übertrage. So bemerkt Ulpian (Dig. I 4, 1), daß das Volk an den princeps durch die lex, quae de imperio eius lata est, auch zugleich omne suum imperium et potestatem übertrage.

Dagegen ist es durchaus korrekt und üblich, die Herrschaftsgewalt, die der populus Romanus über die anderen Völker besitzt, i. zu nennen (Paul. Dig. XXXVI 1, 27: omnibus civitatibus, quae sub imperio populi Romani sunt. Gai. I [1211] 53: neque civibus Romanis nec ullis aliis hominibus, qui sub imperio populi Romani sunt. Tac. ann. II 56 über Kappadokien: quaedam ex regiis tributis deminuta, quo mitius Romanum imperium speraretur). Man sprach davon, daß ein Volk oder Land dem i. des populus Romanus unterworfen wurde (Augustus im Mon. Ancyr. V 24: Aegyptum imperio populi R. adieci. Horat. carm. III 5: adiectis Britannis imperio). Und leicht wurde nun aus dem abstrakten Sinn der konkrete, aus der Herrschaftsgewalt der Herrschaftsbereich. Ausdrücke wie fines imperii nostri bezeichnen den Übergang von der einen zur anderen Sphäre. So wird i. zu einem Ding (Tac. hist. 116: inmensum imperii corpus) und das i. Romanum zu einem Raumbegriff, dem ,Römischen Reich‘ (z. B. Tac. ann. II 61: Elephantinen ac Syenen, claustra olim Romani imperii); vgl. Mommsen St.-R. III 826.

Die Griechen sprechen im gleichen Sinne von der Ῥωμαίων ἀρχή bezw. ἡγεμονία (s. Magie a. a. O. 58).

An allgemeiner Literatur vgl. noch: Lange Röm. Altertum. I³ 302. 684. de Sanctis Storia dei Romani I 350. Toutain bei Daremberg-Saglio Dict. des Ant. III 418ff., sowie den Art. Magistratus.