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Schlaf und Traum

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Textdaten
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Autor: M. J. Schleiden
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Titel: Schlaf und Traum
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24–25, S. 375–378; 391–393
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[375]

Schlaf und Traum.

Von Dr. M. J. Schleiden.
Nr. 1.


               In den Räumen
Dieser Wunderwelt ist eben
Nur ein Traum das ganze Leben,
Und der Mensch, das seh’ ich nun,

5
Träumt sein ganzes Sein und Thun,

Bis zuletzt die Träum’ entschweben.
Was ist Leben? Hohler Schaum,
Ein Gedicht, ein Schatten kaum.
Wenig kann das Glück nur geben,

10
Denn ein Traum ist alles Leben,

Und die Träume selbst ein Traum.

Die Sonne sinkt, und Dämmerung bedeckt die Lande. Der Mensch hat nach gesunder Tagesarbeit im lebhaft bewegten Gespräche mit dem Freunde Erholung gesucht und gefunden. Er verließ ihn und wandelt noch, die letzten Reden in Gedanken erwägend, am Ufer des Baches hinab. Im dämmernden Schatten der Erlen winkt ein trauliches Plätzchen zur Ruhe, er setzt sich. Allmählich werden seine Gedanken unklarer, verworrener; fremde Bilder steigen auf, flattern vorüber oder mischen sich in den Gedankengang, den er vergebens festzuhalten sucht. Das Augenlid senkt sich, wird noch einige Male krampfhaft aufgerissen, um sich endlich auf längere Zeit zu schließen. Ferner tönt das Abendlied der Vögel, leiser und leiser rauscht der Bach – endlich tiefe Stille. Das Haupt sinkt auf die Brust, ein Muskel nach dem andern erschlafft, und alle Glieder strecken sich bewegungslos auf den weichen Rasen hin.

Ruhiger schlägt das Herz, langsame tiefe Athemzüge heben in regelmäßigem Schwellen die Brust. Er schläft. – Er schläft? – Wer schlaft denn? – Seltsam, daß diese Frage, die doch so natürlich nahe liegt, noch von Niemand scharf und bestimmt aufgeworfen und also auch nie beantwortet ist. Wer schläft, wer ruht denn? Der Mensch? Etwa sein Körper? Das ganze, verwickelte Muskelspiel des Athmungsprocesses, der rastlose Schlag des Herzens, alle die unzähligen Bewegungen, in denen sich Stoffwechsel und Ernährung vollzieht, sie ruhen nicht. – Oder schläft die Seele? – So seht nur: der Arm, dann der ganze Körper des Schläfers zuckt eben in einigen unvollkommenen Bewegungen, und mit leisem, gepreßtem, aber deutlich vernehmbarem Tone entwinden sich die Worte: „Theurer Freund!“ den träge widerstrebenden Lippen. Wir sehen, daß Bilder, Gefühle, Vorstellungsspiele des wachen Lebens den Schläfer fortwährend beschäftigen. – Wer, was schläft denn eigentlich am Menschen?

Fragen wir unsere Weisen, so finden wir uns rathlos.

Empedokles nennt die wache lebendige Kraft im Menschen ein Feuer, welches sich im Schlafe nur zum Theil, im Tode ganz vom Körper trennt. Purkinje meint, Schlafen und Wachen können nur dem psychischen Leben eigenthümlich sein. Richtiger sagt schon Anaxagoras: „Der Schlaf ist eine rein körperliche Erscheinung.“ Johannes Müller sagt: „Der Schlaf ist eine Erscheinung, welche blos das animalische Leben betrifft. Man kann auch sagen, Schlaf und Wachen beruhen auf einer Art Antagonismus zwischen dem organischen und animalischen Leben.“ Ich glaube kaum, daß hierdurch Einer aufgeklärt wird. Auch wenn Valentin erzählt: „Die gewissen (wenn er nur sagte, welchen?) Nervengebilden nothwendige Erholung führt zu den Erscheinungen der periodischen Ruhe, die wir unter dem Namen des regelrechten Schlafes zusammenfassen,“ so scheinen mir das Worte zu sein, aus denen wir eben nichts lernen, und wohl klarer sagt er an einem anderen Orte: „von der materiellen Ursache des Schlafes wissen wir nichts.“

Und so hat Niemand die Frage bestimmt gestellt und beantwortet, und wenn ich es jetzt wage, eine Antwort zu versuchen, so bedarf ich der Nachsicht für einen ersten Versuch. Was schläft? Besteht doch das Leben nur in Bewegungserscheinungen der kleinsten materiellen Theile, und warum sollten diese Bewegungen überhaupt jemals zur Ruhe kommen müssen? Sehen wir nicht die großartigsten aller Bewegungen, die der Planeten und Sonnensysteme, seit Millionen von Jahren rastlos in gleicher Weise fort und fort von Statten gehen, ohne daß sich, soweit unsere Wissenschaft bis jetzt reicht, jemals die Forderung des Ausruhens geltend machte? Warum ist das bei den Bewegungen, die wir in ihrer Gesammterscheinung Leben nennen, nicht auch so? weshalb kann es nicht so sein?

Zunächst können wir die bewegenden Kräfte in’s Auge fassen. Die Bewegungen im Sonnensystem und noch weiter in allen Himmelsräumen hängen unmittelbar von einer und derselben Grundkraft, der Gravitation, ab, für welche die Verschiedenheiten der Materie keine Bedeutung haben. Ob ein Planet aus diesen oder jenen Stoffen zusammengesetzt ist, gilt für die Schwerkraft ganz gleich; für sie ist nur das absolute Gewicht des Körpers und sein Umfang (das Product aus beiden nennen wir seine Masse) von Bedeutung. Ist die Masse zweier Körper gleich, so stehen beide in dem gleichen Verhältniß zur Schwerkraft, mag der eine aus Eisen, der andere aus Gold bestehen, der eine die rothen, der andere die blauen Strahlen des Sonnenlichts zurückwerfen, der eine heiß, der andere kalt sein. So ist es aber keineswegs bei den organischen Körpern an unserer Erde. Außer der Masse der wirkenden Theile hängen diese noch von einer großen Anzahl anderer Eigenschaften und Verhältnisse ab. – Wenn ein organischer Körper durch Ausdünstung eine gewisse Menge Stoff verliert, so kommt es nicht allein darauf an, daß dieselbe Masse wieder ersetzt werde, es muß vielmehr die Ersatzmaterie auch ganz bestimmte chemische und physikalische Eigenschaften, bestimmte Temperatur und so weiter haben, wenn sie geeignet sein soll, in die Lebensbewegungen als ein die Bewegung unterhaltender Theil wieder einzutreten. – Die Ursache ist die, daß die letzten Gründe der Bewegung hier in Kräften liegen, für welche die Masse nicht das allein Bestimmende ist. – So werden wir denn weiter auf diejenigen Verschiedenheiten der Stoffe geführt, welche geeignet sind, die auf den zuletzt erwähnten Kräften beruhenden Bewegungen in’s Spiel zu setzen. Auch hier können wir vorläufig die unorganische Welt in’s Auge fassen.

Welche lebhafte, aufrührerische Bewegung entsteht nicht, wenn wir die beiden Brausepülverchen, die so lange friedlich neben einander lagen, in einem Glase mit Wasser zusammenschütten! Alles wirbelt in eigenthümlichem Aufruhr durch einander, aber nach und nach wird die Bewegung langsamer, und endlich ruht die ganze Flüssigkeit, wie in Todtenstarre. Die Kohlensäure entwich; es sind keine Stoffe mehr vorhanden, die unter gegebenen Verhältnissen sich trennen müßten, keine Stoffe, die das Streben hätten, sich einander zu nähern und zu verbinden, keine Stoffe, die Bewegung, das heißt chemisches Leben, unterhalten könnten.

Solche Erscheinungen treten nun im Organismus in noch ungleich verwickelterer Weise auf. Jeder Theil, der sich hier bewegt, thut dies nur, weil und in so weit er seine bestimmte Zusammensetzung aus gar mannigfachen ganz bestimmten Elementarstoffen besitzt und mit anderen ebenso bestimmt zusammengesetzten Theilen in Berührung steht. Ist seine Zusammensetzung oder die seiner Umgebung eine andere geworden, so hört seine Bewegung auf oder nimmt vielleicht eine für den ganzen Organismus störende, ja zerstörende Form an. – Jede Bewegung in den einzelnen Theilen hat nun aber durch die bei der Bewegung frei werdende Wärme, durch die dabei erregte Elektricität und ähnliche Vorgänge den unvermeidlichen Erfolg, daß sich die Zusammensetzung der in Bewegung begriffenen Theile ändert, daß dieselben also zu der gesetzmäßig ihnen zukommenden Bewegung untauglich werden. Dadurch kommen sie nothwendig in Ruhe, in der sie so lange verharren, bis durch Zufuhr neuen Stoffes ihre ursprüngliche, normale Zusammensetzung wieder hergestellt ist. Kurz, jede Bewegung irgend eines Organs oder Organtheils nutzt denselben ab, und derselbe geht zu Grunde, wenn er nicht durch einen Ausbesserungsproceß, den wir Ernährung nennen, wieder hergestellt wird. – Abnutzung und Ausbesserung, Thätigkeit und Ruhe sind also für alle Theile eines Organismus gerade so nothwendig, als für irgend eine Maschine, nur mit dem großen Unterschiede, daß wir eine sehr complicirte Maschine gewöhnlich ganz stille stehen lassen müssen, wenn wir irgend einen kleinen Theil ausbessern wollen, während beim Organismus der einzelne Theil ohne Störung der andern eine längere oder kürzere Zeit zum Behufe der Ausbesserung für sich allem stillstehen kann. –

Fragen wir aber nun bei den einzelnen Körpertheilen: „wann und wie lange sind sie thätig, wann bedürfen sie daher nothwendig der Ruhe, um sich zu restauriren?“ so fällt die Antwort sehr gegen die Erwartung aus.

[376] Das thätigste Organ in unserm ganzen Körper scheint das Herz zu sein, es schlägt Nacht und Tag gleichmäßig fort, bis der Tod ihm Stillstand gebietet. Bedarf es keiner Ruhe? Ja! aber es lebt in der pedantischsten Regelmäßigkeit. Etwa 70 Mal in der Minute zieht es sich zusammen, und genau ebenso oft ruht es aus. Nach jeder Anstrengung hat es seinen Schlaf, der, wenn auch noch so kurz (etwa 3/4 Secunde), doch vollkommen genügt, um den erlittenen Verlust zu ersetzen. Das Herz braucht und erhält keinen anderen Schlaf. Der ganze den Körper durchziehende Speisecanal ist ebenfalls während des ganzen Lebens in Thätigkeit, aber keineswegs in seiner ganzen Länge gleichzeitig und ununterbrochen, vielmehr wechselt fortwährend in den einzelnen Theilen Thätigkeit und Ruhe mit einander ab. Aehnliches zeigt sich bei dem so verwickelten Mechanismus des Athmens, der auch während des ganzen Lebens in ununterbrochenem Spiel des Wechsels der Thätigkeit in seinen einzelnen Theilen fortdauert. – Gehen wir zu dem System unserer Muskeln, unserer willkürlich bewegten Glieder über, so finden wir auch hier keinen Theil, der ununterbrochen in Thätigkeit wäre, dem nicht auch im wachen Leben Pausen der Ruhe, der Erholung gegönnt wären. Und dasselbe gilt für unsere Sinnesorgane, dasselbe für unser Nervensystem; kurz alle Theile erhalten schon im Zustande des Wachens durch die immer wechselnden, immer sich an andere und wieder andere Organe vertheilenden Thätigkeiten auch Pausen für die nöthige Ruhe zur Wiederherstellung.

So zeigt sich denn scheinbar für den ganzen Körper, der keine ungewöhnliche und übermäßige Anstrengung macht, durchaus kein Grund für eine noch besonders in größeren Perioden eintretende Ruhe, und wir könnten daraus den Schluß ziehen, daß das gewöhnliche Schlafen überhaupt keine Nothwendigkeit, sondern nur ein Luxus sei, den wir unserer Trägheit zu Gefallen treiben. Aber hat sich doch ein Mann mit dem eisernen Willen, wie Friedrich der Große, den Schlaf nicht abgewöhnen, ja nicht einmal für längere Zeit über ein gewisses Maß hinaus abkürzen können. Es muß doch wohl ein Unvermeidliches sein, und wir stehen wieder an der Frage: „was schläft denn eigentlich?“ Wenn der Schlaf wirklich eine Nothwendigkeit ist, so müssen wir einen Theil unseres Körpers auffinden können, der während des wachen Zustandes ununterbrochen in Thätigkeit ist und daher nach längerer Zeit auch gebieterisch seinen Antheil an der nöthigen Ruhe fordert, und es wird eine Probe auf die Richtigkeit unserer Untersuchung sein, wenn wir aus dem alleinigen Schlafen dieses Theiles alle Erscheinungen des Schlafes vollständig erklären können.

Es ist nun nicht schwer, beim Menschen eine solche Thätigkeit, die ununterbrochen und ausschließlich das wache Leben begleitet, aufzufinden. Wie auch das Spiel unserer Vorstellungen, unserer Erkenntnisse, Gefühle und Bestrebungen wechseln möge, so giebt’s doch ein Etwas, welches im wachen Zustande mit allem sich verknüpft und niemals ganz ausfällt, nämlich das Bewußtsein, das wir im einfachsten Falle Selbstbewußtsein nennen. – Hier hätten wir nun ein lange Zeit ununterbrochen Thätiges, das daher auch eine längere Zeit ununterbrochener Ruhe gebieterisch fordern wird. Von einem Schlaf des geistigen Lebens an sich können wir uns durchaus keine Vorstellung machen, sondern nur von dem Schlaf, dem Ausruhen eines organischen Gebildes, wir können also hier die Untersuchung gar nicht abweisen, welches das Organ des Bewußtseins sei. Die Nervenphysiologie hat uns darüber belehrt, daß jede einzelne Nervenfaser, jede einzelne Gruppe von Nervenfasern auch ganz bestimmten Thätigkeiten dient, und daß diese letzteren so wenig von einer andern Nervenfaser übernommen werden können, als die erstere Thätigkeiten dienen kann, für die sie nicht gemacht ist. Wir müssen also, wie für alle einzelnen Erscheinungen des Geistesleben, so auch für das Bewußtsein nach einem organischen, einem materiellen Träger fragen, dessen Thätigkeit die Erscheinung, die wir Bewußtsein nennen, begleitet. – Aber welcher Theil ist das, und wie verhält sich die Sache bei den Thieren, bei denen wir von Bewußtsein nicht sprechen können, da wir nichts davon wissen?

Dies führt uns nun zunächst in ein scheinbar sehr fern liegendes Gebiet, in die Untersuchung des Individualitätsbegriffes in der Natur. Bei Pflanzen und Thieren haben wir als Grundlage der ganzen Bildung eine scheinbar sehr einfache organische Gestalt, die Zelle, die auf den untersten Stufen der Entwicklung als ganze selbstständige Pflanze, als ganzes Thier auftritt. Hier haben wir den Begriff des Individuums, der organischen Unteilbarkeit rein ausgesprochen, die zerschnittene Zelle ist nicht mehr Zelle; die Pflanze, das Thier, als welche sie existirte, ist zerstört, vernichtet. Auch bei den höheren Wirbelthieren und beim Menschen finden wir eine solche fest ausgesprochene Individualisirung. Wir können diese Körper nicht theilen, so daß beide Theile als lebendige fortexistirten; wir können Manches vom Thiere abschneiden, aber das Abgeschnittene ist todt, wenn auch das Uebrige lebendig bleibt, und eine größere Theilung, die bestimmte Organe, Gehirn und Rückenmark, trifft, vernichtet das ganze Leben. Zwischen diesen beiden Endpunkten liegen aber eine ganze Reihe von Mittelstufen, bei denen der Individualitätsbegriff, theoretisch und praktisch, sehr schwer festzuhalten ist. – Zunächst die Pflanze betreffend, so sind alle nicht aus einer Zelle bestehenden Pflanzen aus mehreren völlig individualisirten Zellen aufgebaut, und die meisten Zellen, vielleicht alle zu einer gewissen Zeit, behalten die Fähigkeit, aus dem Verbande mit der ganzen Pflanze unter günstigen Bedingungen herausgelöst, ein selbstständiges Leben fortzuführen. Die meisten Pflanzen kann man in zwei oder mehrere Stücke zerschneiden, ohne daß dadurch allein das lebendige Fortexistiren der einzelnen Stücke gefährdet wäre. So haben wir in gewissem Sinne bei den Pflanzen überall kein anderes eigentliches Individuum als die einzelne Zelle; die ganzen Pflanzen sind gewissermaßen nur ein Volk von Einzelwesen, die zwar unter einer bestimmten äußern Gesammtform sich für eine Zeitlang vereinigt haben, aber ohne wesentlich von einander abhängig geworden zu sein – das Ideal einer Demokratie.

Ganz anders verhält sich die Sache bei den Thieren. Auch diese bauen sich aus einzelnen Zellen oder Zellenäquivalenten auf, aber die einzelne Zelle verliert, indem sie als Formbestandtheil in einen Thierkörper eingeht, ihre Selbstständigkeit, bis auf einige Spuren bei den allerniedrigsten Thieren, ganz und gar. Sie ist nur lebendig, insoweit sie dem lebendigen Körper als Theil angehört; sie entsteht, entwickelt sich und wirkt nur in Verbindung mit, in Abhängigkeit von anderen Zellen und Zellengruppen. Diese Verbindung der Zellen unter einander wird im Thierkörper durch ein besonderes, dem Thiere ausschließlich eigenes System von Elementartheilen, den Nervenröhren und ihren Zellen, vermittelt. Aus dieser Verknüpfung entwickelt sich ein Einfluß einer Zelle auf die andere, und schließlich geht die ganze demokratische Unabhängigkeit und Nebenordnung der selbstständigen Zellen, wie wir sie in der Pflanze sahen, in die Abhängigkeit größerer oder kleinerer Zellenmassen von einem Mittelpunkt, einem Nervenknoten, über, der ein bestimmtes Gebiet des Zellenbaues beherrscht und in seinem lebendigen Sein von sich abhängig macht. So erst treten aus dem Aggregat selbstständiger Zellen wieder bestimmt individualisirte Zellengruppen hervor, bei denen die Zerstörung des Centraltheiles, des diese Zellen beherrschenden Nervenknotens, auch das Leben der zugehörigen und abhängigen Theile aufhebt. Bei den niedern Thieren finden wir nun noch eine größere Anzahl gleich großer Nervenknoten und daher gleichwertiger Mittelpunkte; deshalb gelingt es auch häufig, diese Thiere in einzelne Stücke zu zerlegen, deren jedes für sich lebendig bleibt, ja sich zum vollen Thiere wieder ergänzt, sobald nur der zu diesem Theil gehörige Nervenknoten unverletzt blieb. Wir haben hier nicht mehr eine demokratische, sondern eine aristokratische Verfassung, in der eine größere Anzahl Patricier mit den von ihnen abhängigen Clienten zusammengenommen das Ganze ausmachen, aber so, daß sie unter einander nur in sehr lockerem Verbände stehen und leicht jeder einzelne mit seinem Anhang aus dem ganzen Staat austreten kann. Aber darüber hinaus kommen wir noch zu einer weiteren und höheren Gestaltung. Allmählich treten die einzelnen Nervenknoten näher und näher zusammen. Ein einziger überwiegt mehr und mehr an Einfluß, und so ordnet sich endlich im Wirbelthier, auf der höchsten Entwickelungsstufe, das ganze Aggregat einzelner wirksamer und thätiger Theile in der vollendetsten Einheitsform, der Monarchie, einem einzigen Mittelpunkt des ganzen Nervensystems unter, von dem Alles abhängt, mit dem und durch den das Ganze erst sein Leben und seine strenge Individualisirung, seine Einheit hat.

Wir dürfen nicht verschweigen, daß das anatomische Messer diesen wichtigsten Theil des ganzen thierischen Nervensystems noch nicht bloßgelegt und isolirt hat, aber daß es einen solchen Herrschersitz in dem Ganzen giebt und geben muß, beweist uns die obige Betrachtung unwiderleglich.

[377] Sehen wir nun auf das Leben des Thieres, so dürfen wir zwar nicht leugnen, daß mannigfache Processe vor sich gehen können, ohne daß sie dem individuellen Leben des Thieres unmittelbar dienen oder unmittelbar von demselben abhängig sind, zum Beispiel die in irgend einem Theile vor sich gehenden chemischen Processe, die wir Ernährung nennen, aber das ist gewiß, daß, so weit diese Processe für das Ganze, für das Einzelwesen als solches, von Bedeutung sein sollen, sofern die Wirkung dieser Processe sich weiter erstrecken soll, als auf den kleinen Theil, in welchem sie gerade vor sich gehen, – sie dies nur dann können, wenn mit ihrer Thätigkeit sich die Thätigkeit jenes eben nachgewiesenen Einheitsorgans verknüpft, und da während des wachen Lebens des Thieres dieses überhaupt immer als Ganzes, als Einzelwesen auftritt und sich der Außenwelt gegenüberstellt, so muß auch dieses Einheitsorgan während des wachen Lebens ununterbrochen thätig sein und folglich nach längerer oder kürzerer Zeit auch unvermeidlich der Ruhe bedürfen.

Kehren wir nach diesem Ergebniß wieder zu unsern früheren Resultaten zurück, zu der Frage nach dem Organ des Bewußtseins, so kann es uns wohl kaum noch zweifelhaft erscheinen, daß das rein körperliche Organ der individuellen Einheit auch zugleich der Träger derjenigen Erscheinung im Seelenleben sein müsse, die wir Selbstbewußtsein nennen, denn nicht Arm und Bein, nicht Nase und Ohr sind sich ihrer bewußt, sondern das Ganze, als Ganzes und als Einheit. – Somit dürften wir uns diese so oft gestellte Frage so beantworten: „Schlaf ist die Unthätigkeit desjenigen Theils des Centralnervensystems, von welchem die sämmtlichen Organe des Körpers als von dem sie alle beherrschenden und unter einander zur Einheit verknüpfenden Mittelpunkte abhängen und an dessen Bewegungen die Seelenthätigkeit, die wir Bewußtsein nennen, als an ihr körperliches Organ gebunden ist, die daher durch Unthätigkeit ihres Organs ebenfalls zur Ruhe gezwungen wird.“

Mit dem Bewußtsein hört der bewußte Wille auf, daher kommen die dem Willen unterworfenen Muskeln in Unthätigkeit, insbesondere erschlaffen auch die Muskeln, welche die Augenlider nach oben und unten ziehen, die zusammenziehenden Muskeln bekommen die Oberhand und das Auge schließt sich, dadurch wird der Augennerv von dem größten Theil des Lichtreizes, namentlich dem geordneten, abgetrennt. – Mit dem Bewußtsein hört auch die vom bewußten Willen bedingte Aufmerksamkeit auf. Schon aus dem wachen Leben wissen wir, daß, wenn einem Körpertheile die Aufmerksamkeit dadurch entzogen wird, daß dieselbe sich mit ganzer Kraft einer andern Region zuwendet, jener Theil dadurch verhältnißmäßig unempfindlich gegen äußere Eindrücke wird, oder richtiger gesagt, daß die Eindrücke zwar vom Sinnesorgan aufgenommen, aber nicht zum Bewußtsein gebracht werden; namentlich gilt das für alle schwächeren Reize. Wir werden es daher natürlich finden, wenn Auge und Ohr, wie die übrigen Sinne und überhaupt alle Empfindungsnerven, im Schlaf zwar eben so gut wie im Wachen von den äußeren Reizen angeregt werden, aber doch nicht stark genug, um das schlafende Bewußtsein zu wecken. Nur durch die im Körper etwa unbewußt und unwillkürlich hervorgebrachten Gegenwirkungen erhalten wir Kunde davon, daß die betreffenden Nerven auf ihrem Posten nicht schliefen, zum Beispiel die Lagenveränderungen oder abwehrenden Bewegungen des schlafenden Körpers, wenn ein stechender Gegenstand die Hautnerven reizt. – Ist aber der Reiz stark genug, oder erregt er Vorstellungsspiele, die zu dem Bewußtsein in sehr naher Beziehung stehen, so wacht der Schlafende auf. So die Mutter, vielleicht nicht bei einem Kanonenschuß, aber beim leisen Wimmern ihres Kindes; so der Müller, nicht vom lauten Geklapper der Mühle, aber von dem leisen Glöckchen, welches anzeigt, daß die Mühle leer geht; so jeder Mensch, vielleicht nicht von starkem Geräusch, aber von dem leise in’s Ohr geflüsterten Namen.

Was soll ich Sie noch viel vom Schlafe unterhalten, wenn ich nicht fürchten will, ihn selbst herbeizuführen? Etwa von der Zeit des Schlafes, den ein alter Aberglaube an den Wechsel von Tag und Nacht knüpft? Wir schlafen zu jeder Zeit gut, wenn wir uns innere Ruhe und äußere, das heißt Abgeschlossenheit von Reizen, verschaffen können. Aber arbeiten können wir nicht so gut im Dunkeln als bei Tage, und deshalb schlafen wir lieber bei Nacht. Sollen wir nach Tische schlafen? Wie es der kluge Arzt anräth. Gefordert scheint es in heißeren Ländern, und der Orientale legt großen Werth auf den Mittagsschlaf. Die erste Seligkeit, die der Gerechten nach dem jüngsten Gerichte harrt, ist die Mittagsruhe, sagt der Koran. Einige Gottlose rechnen den Kirchenschlaf mit zu den süßesten Genüssen, dagegen gebietet die Fürstlich Gothaische Landesordnung, daß Männer mit Stäben anzustellen seien, die in den Kirchen während der Predigt umhergehen und die Schläfer wecken und, wenn nöthig, strafen. – Wie lange sollen wir schlafen? Der unverdorbene, natürlich lebende Mensch, so lange er kann, das heißt, bis er von selbst erwacht. Länger schläft der intensiv geistig Thätige, als der nur mit seinen Muskeln Arbeitende. Kranke schlafen oft übermäßig lange, so der Mathematiker le Moivre 20 Stunden jeden Tag; ein Kranker bei Haller schlief 70 Tage, und Fichet erwähnt eines Menschen, der mit geringen Unterbrechungen vier Jahre verschlief. – Dagegen wacht das Weib am Bette des kranken Mannes, die Mutter an der Wiege des leidenden Kindes oft wochenlang, weil ihr Bewußtsein und dessen Organ im höchsten Grade erregt ist.

Gehen wir zu andern und interessanteren Erscheinungen über. Wo das Bewußtsein, der Wille und die Aufmerksamkeit zurücktreten, da folgt das Vorstellungsspiel des Menschen nicht mehr der Richtung auf willkürlich gesetzte Zwecke, sondern sinkt auf die niedere Stufe der unwillkürlichen Associationen herab. Stille stehen kann es nun einmal nicht, da sein Organ nicht schläft. Es würde mich viel zu weit führen, wollte ich hier die ganze Lehre von der Verbindung des Körpers und Geistes in allen ihren Einzelheiten entwickeln. Es ist ganz gleichgültig, ob man materialistisch oder anders denkt; nur ein Unwissender wird es leugnen, daß das geistige Leben nur dadurch und nur so weit zur Erscheinung kommen kann, als es in einem körperlichen Organ und in dessen Thätigkeit seinen Ausdruck findet. Nur ein Unwissender kann von einer im Erdenleben bestehenden Unabhängigkeit des Geistes von seinem körperlichen Organe, dem Gehirne, träumen. Der Thätigkeit des Geistes entspricht eine Thätigkeit des Gehirns, und umgekehrt. Nun ist aber gewiß, daß jede einzelne Nervenfaser, von der andern isolirt, ihr eignes Thätigkeitsgebiet hat, und so auch natürlich die Millionen Fasern, aus denen das Gehirn besteht. Hier kann nicht die kleinste Faser zucken, ohne daß sich eine Vorstellung damit verknüpft; nicht der leiseste Schatten eines Gedankens kann durch unsere Seele fliegen, ohne daß eine gewisse Anzahl Nervenfasern in Thätigkeit gerathen. – Diese Thätigkeit der Nervenfasern wird aber noch durch viele andere Potenzen in’s Spiel gesetzt, als nur durch unsere Vorstellungen und Gedanken. – Jede Blutwelle, die an sie anklopft, jede veränderte Beschaffenheit des Blutes, jede Verminderung seiner normalen Menge, jede Temperaturveränderung, jede Erschütterung kann sie erregen, und so bleibt, auch ohne daß der Geist willkürlich auf sie einwirkt, im Schlafe ein ununterbrochener Wechsel von Erregungs- und Ruhezuständen, die sich in mannigfacher Weise combiniren, im Gehirne zurück, und allen diesen muß auch ein ununterbrochener Wechsel von kommenden und gehenden und sich mannigfach verbindenden Vorstellungen entsprechen. Dieses Spiel, welches uns immer nur dann zum Bewußtsein kommt, wenn es ganz nahe an unser waches Leben herangerückt ist, nennen wir nun Traum.

Aber so faßt nicht Jeder den Traum auf, diesen phantastischen Affen des wachen Lebens, dieses bunte Kaleidoskop der entfesselten Einbildungskraft, diesen Fluch des redlichsten Hypochonders, dieses Paradies des schlechtesten Sanguinikers. Das ist er, und traurig ist die Verirrung eines Monboddo, wenn er sagt, daß angenehme Träume Folgen der Tugend, unangenehme und schreckhafte die natürlichen Folgen des Lasters wären. Auch Plato dürfen wir nicht Recht geben, wenn er behauptet, daß, wenn der Mensch mäßig und frei von unordentlichen Leidenschaften lebte, er philosophische Träume haben und darin große Entdeckungen machen würde. Besser schon empfiehlt Schaaffhausen dem Menschen, sich seine Träume selbst als Spiegel vorzuhalten, um daraus seine geheimsten Neigungen und Gefühle kennen zu lernen, und Dichtern dürfen wir es nachsehen, wenn zum Beispiel Collin im Regulus der Attilia die Worte in den Mund legt:

Die That war Traum,
Nicht seine Liebe, die den Traum gebar.

Wie toll und sinnlos sich die Vorstellungen im Traume durch einander wirren, zeigt sich am auffallendsten darin, daß der Mensch, so oft er im Traume sich selbst entfremdet, seine eigenen Gedanken fremden Persönlichkeiten unterlegt. Johnson träumte häufig, daß [378] er sich mit einem Andern in einen Witzkampf eingelassen, und ärgerte sich schwer darüber, daß sein erträumter Gegner ihn immer im Witz überbot; – van Goens träumte sich in die Schule, in der die Antwort auf eine schwere Frage der Grammatik die Versetzung in eine höhere Classe bedingen sollte, er fand die Antwort nicht, wohl aber gab sein Nebenmann im Traume sie ganz richtig.

[391]
Nr. 2.

Es scheint, daß gerade die Unabhängigkeit des Traumes von Ordnung und Inhalt der Wirklichkeit schon früh in den Menschen den Aberglauben erweckte, es sei im Traume selbst eine höhere Weisheit zu suchen und Götter könnten dem Menschen im Traume die Zukunft enthüllen. Es könnte das, wie bei allen Mitteln die Zukunft zu erfahren, nur der boshafteste Teufel und kein guter Geist sein. Denn kann man die drohende Zukunft durch Wissen abwenden, so war ja die Verkündigung eine Lüge; kann man es nicht, so ist man in der Höllenpein, mit sehenden Augen dem Unglück entgegengehen zu müssen. – Aber die Erfahrung wird hier wie überall als gültige Zeugin aufgerufen, und Niemand läßt sich einfallen, daß sie, falsch gefragt, die größte Lügnerin sein kann. – Man führt einige Fälle an, in denen prophetische Träume eingetroffen, aber hat man je versucht, die anderen Fälle daneben zu stellen; in denen der scheinbar prophetische Traum täuschte und die sich wenigstens wie 1000 zu 1 verhalten und so zeigen möchten, daß das Eintreffen des einen ein blinder Zufall war, der sehr natürlich stattfinden kann, da sich die Träume doch immer im Gebiete des Möglichen bewegen müssen? Ich träume von dem Tode eines fernen, kranken Verwandten, und auch ohne Traum steht die Wette auf sein Leben wie 1 zu 1, der Traum kann also ebenso gut eintreffen als nicht eintreffen.

Indessen der Aberglaube hat sich einmal in den ältesten Zeiten gebildet und ist heute noch nicht überwunden. Die Griechen schliefen in den Tempeln des Amphiaraos oder Trophonios, um prophetischer Träume theilhaftig zu werden, die alten Skandinavier nach der norwegischen Chronik weniger poetisch in den Schweineställen. Wo der Traum von den Gesetzen der Wirklichkeit abwich oder ein an sich gleichgültiges und nichtssagendes Bilderspiel brachte, fanden sich bald die Priester und später kluge Leute, um von der Leichtgläubigkeit der Menschen, ihren Hoffnungen oder ihrer Furcht Vortheil zu ziehen. Traumbücher gab es von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Das älteste uns erhaltene, das des Griechen Artemidoros, hatte nach seinen eigenen und anderen Zeugnissen schon einige zwanzig Vorgänger, und er schöpfte, wie er sagt, aus ägyptischer und morgenländischer Weisheit. – Pappus von Alexandrien, der Grieche Astrampsychos, Nicephorus, der Patriarch von Constantinopel, so wie die Araber Achmet und Ebn Roscho und viele Andere waren seine Nachfolger. Am berühmtesten aber wurde im 15. Jahrhundert Junianus Magus in Neapel und endlich im 16. Jahrhundert das Traumbuch des Cardanus, das mannigfach nachgeahmt und abgeschrieben die Grundlage für alle späteren Traumbücher bis auf unsere Zeit geworden ist. Wenn Artemidoros seine Deutungen fast allein der religiösen und künstlerischen Symbolik, so wie den Sitten und Gebräuchen seiner Zeit entlehnte und dadurch, wenn auch in ganz anderem Sinne, noch jetzt von Bedeutung ist, so mischten sich doch bald rein willkürliche Einfälle hinein, und es verlor sich endlich in den Traumbüchern jeder wenn auch der Sache fremde Gehalt, und sie wurden zu vollkommenen Albernheiten. Als in neuerer Zeit Schelling die Phantasien der Neuplatoniker wieder in anachronistischem Abklatsch aufwärmte, fanden seine Schüler in diesem Gebiete auch treffliche Gelegenheit, die Thorheiten ihrer überspannten Phantasie für tiefere Weisheit zu verkaufen, und Schubert schrieb alles Ernstes eine Symbolik des Traumes. Das Buch ist selbstverständlich wissenschaftlich werthlos, und wenn man sieht, daß es die Bedeutsamkeit der Träume aus der (nicht einmal wahren) Uebereinstimmung der Volkstraumbücher, gedruckt in diesem Jahre mit Lottonummern, als den Schatz tausendjähriger Erfahrung, beweist, daß seine Hauptautorität, die er fast auf jeder Seite anführt, der verdorbene Komödiant, weiland Ritter-und Räuberromanschreiber Spieß ist: so gehört ein großer Fond von christlicher Liebe dazu, den Mann nicht für unredlich, sondern nur für einfältig zu halten.

Aus dem, was oben über den Schlaf mitgetheilt ist, folgt schon von selbst, daß unsere ganze Seelenthätigkeit, soweit dieselbe ohne das Bewußtsein bestehen kann, im Schlafe ununterbrochen fortdauern wird, daß wir also immer und ununterbrochen träumen. Dies ist oft bezweifelt worden; einige haben den Traum als eine seltene Erscheinung auf die Fälle beschränkt, wo man sich des Traumes erinnert, andere haben wenigstens den tiefsten, eigentlich gesundesten und normalsten Schlaf für traumfrei ausgegeben. – Aber dieselben, die diese Behauptungen aufgestellt haben, sagen mit löblicher Inconsequenz und besserer Beobachtung, daß jeder Schlafende durch die unwillkürlichen Bewegungen die Fortdauer seines inneren Lebens dem Beschauer verräth und daß er, zu jeder Zeit geweckt, immer die Erinnerung hat, daß er aus einem Traume erwache. Man hat sich hier dadurch täuschen lassen, daß wir uns so weniger Träume erinnern, was aber ganz natürlich ist. Eine Vorstellung, die nicht vom Bewußtsein begleitet wird, fällt außerordentlich schnell aus dem Gedächtniß heraus; das lehrt uns schon das wache Leben, und es bedarf gar keiner Erklärung, weshalb wir so weniger Träume uns erinnern, als vielmehr umgekehrt eines Nachweises der Ursachen, die es möglich machen, einen Traum in der Erinnerung festzuhalten.

Auch dafür giebt uns das wache Leben die erläuternden Thatsachen an die Hand. Wenn wir irgend einen Gegenstand mit angestrengtem Nachdenken in uns verfolgen, wenn wir, wie man sagt, ganz in Gedanken versunken sind, so treffen zwar die Anregungen von dem um uns her Vorgehenden unsere Sinne, aber ohne unsere Aufmerksamkeit in’s Spiel setzen zu können, weil dieselbe augenblicklich vollständig einem anderen Gegenstände zugewendet ist. Werden wir aber durch irgend etwas aus diesem Zustande plötzlich zum Bewußtsein unserer Umgebung zurückgerufen, so treten nicht nur die augenblicklichen Verhältnisse, sondern auch sogleich wegen der unmittelbaren Verbindung die Vorstellungen des nächst Vorhergegangenen in unsere Erinnerung, so daß wir von der Gegenwart keineswegs als von etwas Unbegreiflichem überrascht werden, sondern in derselben durch die Erinnerung an das Vorhergehende vollkommen orientirt sind. Je weniger tief und intensiv unser Nachdenken war, je weniger vollständig unsere Aufmerksamkeit also von unserer Umgebung abgezogen war, desto deutlicher und treuer tritt nun auch die Erinnerung an die vorher nicht beachteten Vorstellungen in uns auf, und umgekehrt. Dauert der Zustand des Versunkenseins aber so lange, daß, wenn wir von selbst wieder zu uns kommen, dasjenige, was in unserer Gegenwart vorging, schon lange vorüber ist, so haben wir oft nur das Gefühl, es sei etwas geschehen, aber ohne uns an das Was erinnern zu können, wenn nicht äußere Einwirkungen, die im Stande sind, jenes unbewußt vorübergegangene Vorstellungsspiel wieder zu beleben, uns dabei zu Hülfe kommen.

Ganz dasselbe findet nun aus denselben Ursachen im Traume statt. Wir werden plötzlich geweckt und erinnern uns des eben gehabten Traumes um so leichter, je weniger tief der Schlaf war, also am leichtesten beim Einschlafen und kurz vor dem natürlichen Erwachen. Wir wachen von selbst auf und haben das Gefühl, wir hätten geträumt, aber wir wissen nicht mehr, was. Wir glauben gar nicht geträumt zu haben, aber mitten im wachen Leben regt irgend ein zufälliger Umstand das Gedankenspiel des Traumes wieder an, und nun tritt der Traum sogleich lebhaft wieder vor unsere Seele. Oft findet auch dieses nicht statt, wie denn Lessing [392] sagte, er habe nie geträumt, und Gleiches von Aristoteles, Plutarch und Locke erzählt wird.

Es ist hier aber noch darauf aufmerksam zu machen, daß die Erinnerung an das, was unbewußt in uns vorging, selten eine ganz vollständige und treue ist. Hängt doch überhaupt unser Gedächtniß vorzugsweise von der Lebendigkeit und Spannung der Aufmerksamkeit ab, mit der wir irgend etwas auffassen, und ich gestehe offen, daß ich, durch eigene und fremde Erfahrung belehrt, gegen die ausführliche Mittheilung langer und zusammenhängender Träume immer sehr mißtrauisch bin und mich überzeugt halte, daß dabei die Phantasie unwillkürlich viele Lücken ausfüllt, welche die Erinnerung gelassen oder die vielleicht schon in Folge des ungeregelten, von zufälligen Anregungen abhängigen Vorstellungsspieles im Traume selbst stattgefunden hatten. – Wie oft glaubt man sich zu erinnern, daß man im Traume etwas sehr Geistreiches gesagt, oder eine Sprache, die man wachend nur radebrecht, ganz geläufig gesprochen habe! Aber jeder treu und vorurtheilsfrei sich selbst Beobachtende weiß auch, daß er, aus solchen Träumen plötzlich erweckt, sich recht deutlich erinnern konnte, daß das angeblich Geistreiche, die vermeintlich fließende Rede baarer Unsinn war. Ich erwähne hier nur des gleichen Geständnisses von einem Manne wie Johannes Müller.

Nichts ist leichter zu verstehen, als die Entstehung einer großen, vielleicht der größten Zahl der Träume aus den körperlichen Zuständen des Schlafenden und seinem Verhältnisse zur Umgebung. Hier kann Jeder, der es der Mühe werth hält, diese Dinge sorgfältig zu beobachten, viele seiner Träume auf solche Thatsachen, wodurch dieselben körperlich veranlaßt wurden, zurückführen. Jedes Geräusch, das unser Ohr, jeder Lichtschein, der unser Auge trifft, regt damit zusammenhängende Vorstellungsspiele an. Das Stechen einer Feder, eines Strohhalms wird zu Kampf und Verwundung. Der tiefe bequeme Schlaf, in dem kein Druck auf der Oberfläche empfunden wird, erscheint als Fliegen, das wieder Deutlicherwerden der Unterlage als Herabfallen aus der Höhe. Eine Störung im Blutumlauf und im Athmungsproceß durch überfüllten Magen oder durch unbequeme Lage nimmt die tausendfach verschiedenen, oft wunderlich phantastischen Formen des Alpdrucks an. Das in Folge des Druckes durch den darauf liegenden Körper oder durch zufällige Entblößung im Winter erstarrte Glied kann schreckhafte Bilder hervorrufen. So träumte Casanova in den venetianischen Bleidächern, man öffne die Thüre seines Gefängnisses, trage die Leichen Hingerichteter herein und werfe sie neben ihm auf sein Lager; abwehrend griff er hin und erfaßte die eiskalte Leichenhand. Das Entsetzen weckte ihn, aber es war kein Traum, noch immer hielt er die feuchtkalte Hand in seiner Rechten. Lange wagte er keine Bewegung, die ihn mit den Leichen in nähere Berührung bringen konnte; endlich entschloß er sich hinzublicken und sah, daß er seine eigene, vom Drucke des eigenen Körpers erstarrte Hand erfaßt hatte.

Eine weitere Berücksichtigung verdienen die Träume noch hinsichtlich ihres Zusammenhanges mit dem wachen Leben. Oft bewegen sich dieselben in dem Gedankenkreise, der unmittelbar dem Einschlafen vorherging, fort, oft überspringen sie dagegen lange Zeiträume und beleben nur die fernsten Erinnerungen, so wie bald die übermäßig aufgeregten Nervenfasern noch längere Zeit fortzittern, ehe sie zur Ruhe kommen, bald gerade die eben thätig gewesenen ruhen und die durch lange Ruhe gekräftigten leichter erregt werden. Blinde träumen meist nur kurze Zeit nach ihrer Erblindung noch von Gesichtseindrücken, aber der im 18. Jahre erblindete Huber sah in seinen Träumen noch im 66. Jahre.

In eine andere Seite des ganzen Traumlebens führt uns abermals eine Betrachtung des wachen Menschen ein. Wer nur irgendwie aufmerksam beobachtete, dem kann es nicht entgangen sein, wie unendlich verschieden bei den verschiedenen Individualitäten die Gewalt des Selbstbewußtseins und der sich daran knüpfenden Selbstbeherrschung ist. – Wenig Menschen giebt es, die sich, um mich so auszudrücken, selbst vollständig in Besitz genommen haben, wie etwa ein Kant , die ihr ganzes Leben bewußt und gewollt selbst führen, bei denen daher alle einzelnen Theile im innigsten Zusammenhange stehen und von jedem Punkte aus in jedem Augenblicke klar überblickt werden können, bei denen keine Handlung, kein Vorstellungsspiel von zufälligen äußeren Anregungen hervorgerufen oder verändert wird. Die meisten Menschen thun gar Vieles instinctmäßig nach zufälligen Anregungen des Nervensystems, handeln zu Zeiten abgerissen, ohne inneren Zusammenhang mit ihrem ganzen geistigen Leben, und können sich deshalb nach einiger Zeit ihres eigenen Thuns oder ihrer Gedanken nicht mehr erinnern. – Daß dergleichen Erscheinungen noch häufiger, ausgeprägter und in auffallenderen Formen im Schlafenden auftreten werden, wo das Bewußtsein ganz ruht, ist sehr natürlich.

Hierher gehört sicher ein großer Theil der Erzählungen über Menschen, die schlafend Gedichte gemacht, wie Professor Wähnert und Graf von Seckendorf, oder mathematische Aufgaben gelöst, wie Krüger, oder gar die Deduction der kantischen Kategorieen fanden, wie Reinhold, und deutlich werden diese Vorgänge als vergessene wache Handlungen gezeichnet durch die Erfahrung Osann’s, der, nach anstrengender mehrtägiger Praxis aus tiefem Schlafe geweckt, den Bericht über eine Krankheit las, eine Antwort und ein Recept schrieb, dem Diener auftrug, für den andern Morgen einen Wagen bereit zu halten, und von alledem am andern Morgen nicht das Geringste mehr wußte und sich selbst dann auf sein Thun nicht besinnen konnte, als man es ihm erzählte und er seinen Brief in die Hand nahm. – Während Einige aus dem Schlaf gleich zu voller Klarheit des Bewußtseins erwachen, ist bei Anderen insbesondere der Uebergangszustand zwischen Schlaf und Wachen, den man als Schlaftrunkenheit bezeichnet, von längerer Dauer und von mannigfachen theilweisen Störungen des Bewußtseins begleitet. Spielen gar noch nicht ganz verschwundene Traumbilder in diesen Zustand hinein, so erhalten wir Erscheinungen, die augenblicklichem Wahnsinne nicht ferne zu stehen scheinen. Die Annalen der Criminaljustiz bewahren uns gar viele traurige Beispiele von Menschen, die in diesen Augenblicken der gestörten Selbstbeherrschung, Ort und Persönlichkeit verkennend, Menschen, die ihnen unvorsichtig nahten, also gewöhnlich solche, die sie besonders lieb hatten, wie Vater, Frau oder Freund, erschlugen.

Aber auch der wirkliche Traum im wirklichen Schlaf zeigt uns sehr eigenthümliche Erscheinungen, die von Phantasten gar häufig zum Ausspinnen mystischer Theorieen benutzt worden sind. Um dieselben richtig beurtheilen zu können, müssen wir einige andere Verhältnisse zunächst in’s Auge fassen. Wenn man einen rasch enthaupteten Frosch am Halse kitzelt, so macht er mit einem Hinterbeine eine Bewegung, um den kitzelnden Gegenstand wegzukratzen; kneipt man ihn an einem Hinterbeine, so macht der Körper, um zu entfliehen, einen Sprung; führt ihn dieser Sprung in ein Wasserbecken, so macht er die Bewegung des Schwimmens. Daraus ergiebt sich, daß im thierischen Körper die Nerven in der Weise zweckmäßig zusammengeordnet sind, daß auf einen äußeren Reiz, auch ohne Einfluß des Willens, ganz automatisch die dem bestimmten Reize entsprechende zweckmäßige Bewegung erfolgen kann, daß also aus der Zweckmäßigkeit selbst einer sehr complicirten Bewegung gar nichts für einen stattgehabten Einfluß des Willens, also der Seelenthätigkett gefolgert werden darf. Im Gegentheil wird eine Bewegung dieser Art oft gerade um so sicherer und zweckmäßiger auftreten, je weniger der Wille eingreifen, also auch störend eingreifen kann.

Ganz natürlich ist es daher, daß sich zu den verschiedenen Traumvorstellungen gar häufig die entsprechenden Bewegungsversuche oder, wenn die Vorstellungen sehr lebhaft werden und der ganze Körper sehr nervös empfindlich ist, die wirklichen, vollständigen, den Vorstellungen entsprechenden Bewegungen gesellen, und daß diese Bewegungen nach automatischer Anordnung, nach früherer Gewohnheit und so weiter ganz zweckmäßig sich gestalten. Wir bezeichnen diese Erscheinungen, die von dem einfachsten unruhigen Liegen und Herumwälzen im Bette bis zu den verwickeltsten Handlungen des wachen Lebens gehen können, mit dem Worte des Schlafwandelnd oder des Somnambulismus. Daß diese Vorgänge vom Lichte, wie von allen die Nervenreizbarkeit erhöhenden Einflüssen befördert werden, ist natürlich, daß sie vom Einflüsse des Mondes für sich abhängen, eine alte Fabel. – Man hat hier insbesondere darin etwas Wunderbares finden wollen, daß die Nachtwandler mit völliger Sicherheit Bewegungen ausführen, gefährliche Pfade beschreiten, wozu sich der Wachende niemals verstehen würde. Hat man sich dabei wohl Rechenschaft davon gegeben, weshalb derselbe Mensch ohne besondere Aufmerksamkeit in der Stube auf einem Brete hin und her geht, über das er, wenn es 25 Fuß vom Boden erhoben wäre, niemals gehen, von dem er bei gemachtem Versuche vielleicht herabstürzen würde? – Das Bewußtsein der Gefahr läßt ihn eingreifen in das Muskelspiel, wodurch der Schwerpunkt des Körpers in der richtigen Lage erhalten wird, und [393] da er mit seiner Kenntniß des Schwerpunktes und der zur Erhaltung desselben nöthigen Bewegungen lange nicht so weit reicht, als die automatischen Gegenwirkungen ohne Eingreifen des Willens, so stört er leicht das Gleichgewicht und stürzt. Die mesmeristischen Thoren müssen von ihrer eignen geistigen Befähigung sehr gering denken, wenn sie das Gebahren des Nachtwandlers für einen erhöhten Seelenzustand ansehen, denn sie stellen sich damit noch unter die geistige Stufe einer Katze, die ja auch mit aller Sicherheit, und zwar aus denselben Gründen wie der Nachtwandler, auf der Dachfirste dahinschreitet. –

Und noch eine andere Erscheinung hängt hiermit zusammen, die den meisten Menschen noch viel wunderbarer vorkommt. Es sind in der That einige Beispiele constatirt, daß ein Mensch einen Gegenstand, ein wichtiges Document oder dergleichen viele Tage vergebens suchte, bis ihm im Traume der Ort sich darstellte, wo es lag. – Wer den Mechanismus des Erinnerungsvermögens kennt, wird sich nicht darüber wundern. Wir erinnern uns einer Sache, weil eine Vorstellung, die wir haben, direct oder durch viele Zwischenvorstellungen eine frühere Vorstellung wieder belebt. Es ist die durch Gleichzeitigkeit, Reihefolge und dergleichen gebildete Association der Vorstellungen, die hier eintritt. Sobald diese Reihe der Wiederbelebungen ungestört abklingt, führt sie nothwendig, ich möchte sagen mechanisch, zu der gesuchten Vorstellung; greift aber der Wille nach bestimmten Ansichten über vermeintliche Verbindungen in dieses Spiel ein, so führt er leicht diese Associationen immer wieder auf falsche Reihen; sowie aber der Wille aufhört einzuwirken, so stellt sich die richtige Verknüpfung von selbst her. Ist es doch ein bekanntes Mittel, wenn man sich mit aller Mühe auf etwas nicht besinnen kann, eine Zeitlang nicht an die Sache zu denken. – Wie eigensinnig in dieser Beziehung die Associationen sind, zeigt das Beispiel, welches Richerz von sich erzählt: Der Name einer Person, für den er noch dazu ein lebhaftes, wenn auch unangenehmes Interesse hatte, fiel ihm immer nur dann ein, wenn er in dem Zimmer war, wo er den Namen zuerst hatte nennen hören, und das auch nur dann, wenn er nicht an die Sache dachte; sowie er das Zimmer verließ, war der Name seinem Gedächtniß wieder entfallen.

Mit Anwendung dieser ganz feststehenden und ziemlich allbekannten Erfahrungen und Gesetze in der Lehre vom Gedächtniß auf die zuletzt erwähnten Traumerscheinungen hört aber jeder Schein des Wunderbaren sogleich auf; man wundert sich höchstens noch darüber, daß die Erscheinung leichter und sicherer Erinnerung im Traum nicht noch weit öfter vorkommt, und sieht, daß diese Thatsachen, weit entfernt ein höheres Geistesleben zu bekunden, vielmehr ein Zurückgehen auf den rein materiellen Mechanismus darstellen.

Auf diese Weise erklären sich uns leicht alle scheinbar rätselhaften Vorgänge auf diesem Gebiete als ganz natürliche, ja nothwendige Folgen psychologischer und physiologischer Verhältnisse, wenn wir nämlich kritisch zu Werke gehend unzählige Ammenmärchen, die erzählt, geglaubt und weitergetragen werden, aus der Sammlung wirklicher Thatsachen ausscheiden. Hier wie auf allen anderen ähnlichen Gebieten hat sich noch nie eine der viel verbreiteten Wundergeschichten einem zugleich welterfahrenen und kenntnißreichen Naturforscher zur Prüfung gestellt oder, wenn sie es that, die Prüfung bestanden. – Hat doch vergebens die Pariser Akademie jahrelang einen Preis von 3000 Franken der Somnambule geboten, die mit wirklich verbundenen Augen aus einem wirklich geschlossenen Briefe auch nur ein einziges Wort lesen könnte. Ohne Ausnahme sind alle, die sich meldeten, als entlarvte Betrügerinnen fortgejagt worden.

So hätten wir denn das ganze Gebiet, wegen der Fülle des Stoffes mehr andeutend als ausführend, durchschritten und können als Resultat hinstellen: Traum ist das zufällige Spiel der Vorstellungen bei im Schlafe aufgehobenem Bewußtsein. – Hat der Traum darin eine Aehnlichkeit mit dem wachen Leben? Gewiß! Denn, wenn auch nicht aufgehoben, ist unser Bewußtsein doch auch im wachsten Zustande in mannigfacher Weise beschränkt. Um nur Eins zu erwähnen: wie unendlich wenig von dem ganzen Besitzthum unserer Seele können wir in jedem Augenblicke übersehen! Wie Vieles liegt im dunklen Hintergrunde verborgen, wie vieler Mühe, welch’ künstlicher Veranstaltungen bedarf es oft, um Einzelnes davon wieder in unser Bewußtsein zurückzurufen! Wohl können wir uns einen Zustand in einem Jenseits denken, in dem unser Bewußtsein, von allen Beschränkungen befreit, jeden Augenblick unser ganzes geistiges Eigenthum als gegenwärtig beherrscht. Ein solcher Zustand würde sich dann zu unserm wachen Leben, wie dieses zum Traum verhalten. – Aber ein wesentlicher Unterschied bleibt doch bestehen zwischen Traum und Wachen, auf den wir oben schon hingedeutet. Der Traum hat nichts Festes. Aber durch die schwankenden Nebelbilder des Erdenlebenstraumes zieht sich ein unerschütterlicher Gedanke, der dem Ganzen Halt verleiht, die Idee der Sittlichkeit, und so dürfen wir unsere ganze Betrachtung wieder mit den Worten des Prinzen Sigismund schließen:

Doch sei’s Traum, sei’s Wahrheit eben:
Recht thun muß ich; wär’ es Wahrheit,
Deshalb, weil sie ’s ist; und wär’ es
Traum, um Freude zu gewinnen,
Wenn die Zeit uns wird erwecken.