Zum Inhalt springen

ADB:Fernkorn, Anton Dominik Ritter von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Fernkorn, Dominik Anton Ritter von“ von Eduard Leisching in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 788–796, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fernkorn,_Anton_Dominik_Ritter_von&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 15:06 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 48 (1904), S. 788–796 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Anton Dominik von Fernkorn in der Wikipedia
Anton Dominik von Fernkorn in Wikidata
GND-Nummer 118686844
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|788|796|Fernkorn, Dominik Anton Ritter von|Eduard Leisching|ADB:Fernkorn, Anton Dominik Ritter von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118686844}}    

Fernkorn *): Dominik Anton Ritter von F., Erzgießer und Bildhauer, geboren am 17. März 1813 zu Erfurt als Sohn des Directors des dortigen Hospitals Heinrich F. und der Frau Martha, geb. Kudelbach, erlernte das Gürtler- und Bronzegießergewerbe und erwarb frühzeitig auch mancherlei mechanisch-technische Kenntnisse, die er zunächst in militärischen Diensten, bei der Artillerie zu verwerthen suchte, wo er es in der Erfurter königlich preußischen 3. Artilleriebrigade bis zum Bombardier brachte. Hier litt es ihn nicht lange, nach dreieinhalbjähriger Dienstzeit (1832–1835) wandte er sich nach München und trat in die königliche Erzgießerei ein, die seit den zwanziger Jahren unter des berühmten Inspectors Baptist Stiglmayer’s Leitung stehend sich zur ersten Gießerei Deutschlands erhoben hatte. Bald schwang sich F. zu einem der besten Mitarbeiter des Meisters auf. Im Vereine mit Ferdinand v. Miller bethätigte er sich am Gusse der von Schwanthaler entworfenen zwölf Colossalfiguren bairischer Herrscher für den Thronsaal des Münchener Königsbaues, deren Feuervergoldung durch Miller eine allgemein bewunderte, epochemachende Leistung war, und an Thorwaldsen’s Stuttgarter Schillerstatue; selbständig goß er eine Copie dieser Statue für den Kaiser Nicolaus. Schon früher zeichnerisch und als Modelleur thätig, hat F. hierin doch nie strenge akademische Schulung genossen, auch in Schwanthaler’s Atelier, in das er kurz nach seiner Ankunft in München aufgenommen ward, verblieb er nur kurze Zeit. Was F. als Praktiker geworden, verdankte er nur der eigenen Kraft, seinem unermüdlichen, von Schulzwang und Tradition unberührten Arbeiten, seinen unablässigen Versuchen, copirend und frei schöpferisch Gewalt über Form und Material zu gewinnen, alle Arten plastischer Techniken beherrschen zu lernen. Daher seine eigenthümliche Stellung unter den Bildhauern der Zeit, die frische originelle Art seiner Compositionen, das Lebendige, Moderne in ihnen. Gleichwol erinnert nichts an den Autodidakten, er studirte ohne Unterlaß Natur und Leben, nicht andere Künstler. Den geistigen [789] Strömungen der Zeit konnte und mochte er sich freilich nicht entziehen, auch er war Romantiker und blieb es sein ganzes Leben, aber er war keine von den krankhaften, problematischen Naturen, sondern von gesunder tüchtiger Art, mit reicher Phantasie begabt, weder phantastisch noch manierirt, und vor allem ein Künstler, der, was vielen Zeitgenossen gebrach, aus der souveränen Beherrschung alles Handwerklichen seiner Kunst die besten Kräfte zog.

Im J. 1840 wandte sich F. nach Wien, ausgestattet mit guten Empfehlungen. Eines dieser Zeugnisse lautete : „Anton F. aus Erfurt wurde seit einigen Jahren in der königlichen Erzgießerei dahier beschäftigt. Seine glücklichen Anlagen zu der Kunst machten es dem Unterzeichneten möglich in allen Fächern, welche bei dieser Anstalt vorkommen, ihn sehr vortheilhaft zu verwenden. F. ließ diese sich ihm darbietende Gelegenheit nicht unbenutzt, indem er nicht nur in den technischen Arbeiten, nämlich im Formen, Gießen, Ciseliren, dann im Graviren und im Feuervergolden colossaler Statuen eine große Uebung erlangte, sondern er erlangte im Modelliren eine solche Geschicklichkeit, daß er in der Bronzesculptur als tüchtiger Meister allenthalben empfohlen werden kann. Was seine Eigenschaften noch erhöht, ist sein äußerst liebenswürdiger sittlicher Charakter, wodurch er sich die vollkommenste Zufriedenheit des Unterzeichneten und die Achtung aller seiner Mitarbeiter in einem hohen Grade erworben hat – dies bezeugt, München den 10. März 1840, Joh. Bapt. Stiglmaier, königl. Erzgießereiinspector“. Ein anderes Zeugniß besagte: „Ich Endesgefertigter bezeuge hiemit, daß Anton Fernkorn aus Erfurt während seines Aufenthaltes in München im J. 1837 die Akademie der bildenden Künste dahier beinahe ein Jahr lang besucht, sowol nach der Antike als nach dem Naturmodelle studirt, nebenbei in meinem Atelier gearbeitet und sich durch Fleiß, Fortschritte und Wohlverhalten ausgezeichnet habe. München 19. März 1840, L. Schwanthaler, Professor“. Nochmals, im J. 1851, als F. längst in Wien thätig war, ließ er, wol um sich hier einflußreichen Kreisen neuerlich zu empfehlen, von der Inspektion der Münchener Erzgießerei, nun von Stiglmayer’s Nachfolger und Neffen Ferdinand v. Miller, bestätigen, daß er sich dort in allen Zweigen der Gießkunst ausgebildet habe und „daß ihn seine Erfahrungen, Kenntnisse und Geschicklichkeit befähigen, ein größeres Werk in Erz auszuführen“. Damals also trug er sich schon mit dem Plane seiner künftigen Monumentalwerke und wol auch mit der Absicht der Errichtung einer eigenen Gießerei. Hierzu kam er jedoch erst mehrere Jahre später.

Welche besondere Umstände F. im J. 1840 zu seiner Uebersiedlung nach Wien veranlaßten, läßt sich nicht feststellen, nur so viel wissen wir, daß sein Bruder, ebenfalls ein geschickter Bronzearbeiter und in der Feuervergoldung besonders tüchtig, sich in Wien bereits ansässig gemacht und wol Aussicht auf lohnende Beschäftigung eröffnet hatte. Daß die Monumentalplastik mit Ausnahme der Grabmalsculptur damals in Wien ganz darniederlag, konnte F. jedoch nicht unbekannt sein. Die Tradition der Mattielli, Mader, Paul Strudel, Raffael Donner, Hagenauer, der Beyer, Joh. Martin Fischer, Zauner war längst verkümmert. Schon der Wiener Classicismus war weitaus weniger plastikfreundlich als die Barocke, unter deren Einfluß die Architektur einen so gewaltigen Aufschwung in Wien und Oesterreich genommen und auch die Sculptur so reichlich in Nahrung gesetzt hatte; aber der Classicismus brachte doch noch eine Reihe bedeutender Werke hervor, wie Zauner’s Kaiser-Josef-Denkmal, das schon als monumentaler Erzguß, der durch die Barocke ganz vernachlässigt worden war, eine besondere Stelle in der österreichischen und deutschen Kunst einnahm. Auch Zauner’s Karyatiden am Palais Frieß (Pallavicini) gegenüber dem Kaiser-Iosef-Denkmal sind eine für die Zeit [790] hervorragende Leistung. Dann aber verfiel das Kunstleben Wiens auf diesem Gebiete ersichtlich; Zauner’s Nachfolger Kiesling, Klieber, Schaller waren wol tüchtige Modelleure und Techniker, aber keine schöpferischen Kräfte, ganz der pedantischen, dem Leben abgewandten, antikisirenden Richtung der Zeit ergeben vermochten sie nicht Schule zu bilden. Immerhin wäre ihnen, hätten sie mehr Unterstützung durch größere Aufträge empfangen als es der Fall war, vielleicht eine reichere Entwicklung beschieden gewesen; so aber wurden damals aus politischen Gründen nur italienische Künstler geringerer Art, wie Marchesi und Manfredoni, die Schöpfer des Kaiser-Franz-Denkmals im inneren Burghofe, mit Staatsaufträgen versehen und auch diese flossen nur spärlich. Durch die Napoleonischen Kriege furchtbar erschöpft, besaßen Wien und Oesterreich, Hof, Staat und Gesellschaft keine Mittel für die monumentale Plastik, auch die Architektur lag seit den Tagen Peter v. Nobile’s, des Erbauers des Burgthores und Theseustempels, und Schemerl v. Leytenbach’s, welcher das Gebäude der von Kaiser Franz 1815 begründeten technischen Hochschule geschaffen hatte, gänzlich darnieder. Es kam für Wien die bureaukratische Bauthätigkeit Sprenger’s, welcher nichts vom Künstler hatte, nur Beamter war und sein wollte und einen Alles beherrschenden Einfluß ausübte. Nur die gewöhnlichsten Nutzbauten wurden errichtet, ein nüchterner spießbürgerlicher Geist zeigte sich allerorten, auch an der Akademie. Schon in den Tagen Füger’s, der aber immerhin ein bedeutender Künstler war, ward das Kunststudium pedantisch geregelt, allmählich ganz in bureaukratische Fesseln geschlagen. Specialateliers und Meisterschulen für Bildhauer gab es hier nicht, nur eine allgemeine Bildhauerclasse, welche ihre Schüler gerade so weit brachte, daß sie schlecht und recht vorgebildet im Auslande, zunächst in Rom, später in Dresden, ihre weitere Entwicklung suchen konnten. So blieben die Verhältnisse bis in die vierziger Jahre. Erst unmittelbar vor dem Sturmjahre wurden von zwei Wiener Bildhauern von solidem aber bescheidenem Können plastische Arbeiten geschaffen, die für jene Zeit Aufsehen erregend waren, weil sie aus der üblichen Schablone heraustraten: die Statuen der heil. Anna und des heil. Rudolf von Bauer und das Tympanonrelief von Dietrich an der von Rösner in der Praterstraße erbauten Johanneskirche, die in gewisser Hinsicht die moderne Monumentalarchitektur Wiens eingeleitet hat. Es fehlte aber zunächst an Nachfolge und fördernder Stimmung der Gesellschaft, auch an allem Anderen, dessen die große Plastik zu ihrem Gedeihen bedarf: die von Zauner in den Werkstätten der k. k. Artillerie für den Guß seines Kaiser-Josef-Denkmals von 1800–1803 geschaffenen Einrichtungen waren verkümmert, seine Gießer schon von Canova nach Rom entführt worden, die Eisengießereien mit Ausnahme der fürstlich Salm’schen in Blansko in Mähren waren nur für die Erzeugung unkünstlerischer Marktwaare mit dem Nothwendigsten versehen, die reichen Marmorbrüche des Staates fast außer Betrieb. Nur in Prag herrschte von 1840–1850 ein regeres, auch der Plastik günstigeres Kunstleben, mehrere Mitglieder des damals noch durchweg deutschen Adels in Böhmen, wie die Rohan, Thun, Schönborn, Nostitz-Rieneck, Aehrenthal wirkten in der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde und in offener Opposition gegen Wien für die Uebung künstlerischer Thätigkeit, die Prager Akademie wurde reorganisirt, Monumente wie das des Kaisers Franz I. (1845) von Kranner und Josef Max legen Zeugniß für dieses Streben ab. Gießen konnte man freilich auch in Prag nicht, das Franz-Denkmal mußte bei Burgschmiedt in Nürnberg, das 1848 von Hähnel errichtete Denkmal Karls IV. in Lauchhammer in Sachsen ausgeführt werden. Diese Prager Bestrebungen übten aber keinen Einfluß auf Wien, hier wurde nur die Kleinplastik gepflegt, nicht ohne Verdienst, aber in bescheidenem Maaße. Die guten Traditionen [791] der kaiserlichen Porzellanmanufactur, an welcher um 1800 ein Meister wie Anton Grassi treffliche figurale Arbeiten hervorbrachte, waren freilich nicht mehr lebendig, aber man begann doch wenigstens der industriellen Bronzeplastik neue Aufmerksamkeit zuzuwenden; der aus Bayreuth eingewanderte Hollenbach unternahm mit Erfolg den Versuch, dies in den Tagen des Wiener Congresses unter Führung des Joh. Georg Danninger hoch entwickelt gewesene, in den dreißiger Jahren aber wieder zur Gürtlerei herabgesunkene Kunstbronze in Wien neu zu begründen. Mehrere Bildhauer, wie Rammelmayr und Preleuthner stellten sich der Industrie zur Verfügung; auch der Ungar Alexi modellirte kleine Plastik zum Zwecke der Vervielfältigung in Bronze, Karl Schuh und Petrowitsch wandten sich, wie später der ausgezeichnete Karl Haas, der Galvanoplastik zu und Petrowitsch goß auch Medaillen und war einer der Ersten, die in Wien die Bildgießerei künstlerisch entwickelten. Hof, Staatsregierung und Adel nahmen auch hieran zunächst kein Interesse; war die Prager Kunstpflege eine aristokratische, so die Wiener jener Tage eine rein bürgerliche, das Bürgerthum aber hatte wenig Geld, Alles mußte billig sein. So gehörte viel Entsagung und Geduld dazu, um überhaupt fortzuarbeiten und einer besseren Zukunft den Boden zu ebnen.

Daran hat nun F. den größten persönlichen Antheil, ein halbes Menschenalter hat er kleinlichen drückenden Verhältnissen Stand gehalten, den Muth nicht verloren, sich und Andere in tüchtiger Arbeit weiter entwickelt, um dann, als große Aufgaben gestellt wurden, wie mit einem Schlage zur freudigsten Ueberraschung Aller als fertiger großer Meister sich zu erweisen. Als er nach Wien kam, schloß er sich an Preleuthner an, der aus der Schule Schaller’s hervorgegangen, um die Mitte der dreißiger Jahre in den Jahresausstellungen der Akademie bei St. Anna durch ein Basrelief „Perseus die Andromeda befreiend“ und „Der Fischer“ nach Goethe’s Gedicht, sowie durch Statuetten des Meisters Pilgram, Beethoven’s und Mozart’s die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde auf sich gelenkt hatte. In diesem Rahmen arbeitete er durch Decennien fort, später auch für einige Monumentalaufgaben herangezogen, auch im Großen immer peinlich genau und correct und auf sorgsame Behandlung des Detailis bedacht, kein Meister, ohne den die Dinge nicht auch den Lauf genommen hätten, wie sie ihn nahmen, aber auch keiner, der ihn störte oder hemmte. Obwol F. schon in den ersten Jahren seines Wiener Aufenthaltes zweifelsohne selbständig modellirte, worüber wir allerdings nichts Näheres wissen, so wird er doch zunächst hauptsächlich als Gießer thätig gewesen sein. Er theilte längere Zeit mit Preleuthner ein kleines Atelier in der Canalgasse in der Mariahilfer Vorstadt, mit Preleuthner führte er zunächst auch gemeinschaftlich einige Arbeiten aus. In diesem Atelier entstand auch das im Galoppsprung ausgeführte Pferd, eine Studie, die F. dann beim Entwurfe des Erzherzog Karl-Monumentes verwerthete. Die Statuetten der vier Componisten Gluck, Beethoven, Mozart und Haydn, welche Preleuthner 1843 ausstellte, waren von F. gegossen und ciselirt. F. trat rasch in freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern wie Carl Geiger und Straßgandtner und zu Industriellen wie Glanz, der im Eisenfeinguß damals für Wien Ueberraschendes leistete. Man wird nicht fehl gehen mit der Annahme, daß F. sich mit der Erzeugung gangbarer industrieller Bronzen seinen Lebensunterhalt sicherte. Aber er modellirte auch, und zwar auch für andere Techniken, auch als Holzschnitzer war er thätig, so an einem kostbaren figurenreichen Schrank, den der Kaiser der Königin von England zum Geschenke machte. Die Wiener Revolution 1848 vertrieb F. aus der Stadt, wir finden ihn von Juli bis December in der freiherrlich Doblhoff’schen Thonwaarenfabrik zu Wagram bei Leobersdorf in Niederösterreich [792] mit verschiedenen Modellirarbeiten beschäftigt. Es geschah wol aus Gründen persönlicher Sicherheit und um in diesen kritischen Zeiten für alle Fälle einen Alibibeweis in Händen zu haben, daß er sich in einem noch vorhandenen Zeugnisse ausdrücklich bestätigen ließ, sich während der ganzen angegebenen Zeit in Wagram aufgehalten zu haben. Im Spätherbst 1850 ist er dann, wie aus seinem Reisepasse zu ersehen ist, vorübergehend in Blansko, wo er in die Salm’schen Gießerei studirte und daselbst eine Serie Kreuzwegstationen gießen ließ. Am 9. November 1853, im Alter von vierzig Jahren, verheirathete er sich in der Pfarre St. Karl auf der Wieden, in der herrlichen Kirche Fischer’s von Erlach, mit Elisabeth Franziska Warmuth v. Schlachtfeld, der Tochter des k. k. Oberlieutenants Sebastian Warmuth v. Schlachtfeld, welcher unter Erzherzog Karl die Schlacht von Aspern mitgemacht und sich bei diesem Anlasse besonders ausgezeichnet hatte.

Im selben Jahre, noch vor seiner Eheschließung, hatten sich zwei Ereignisse vollzogen, die für Fernkorn’s ganze weitere, leider nur mehr kurze Künstlerlaufbahn von ausschlaggebender Bedeutung wurden. Dank der Vermittlung hochmögender Gönner, welche F. sich in den Kreisen des Adels und Militärs erworben hatte, waren ihm, nachdem er einige Zeit in der Mariahilferstraße, Ecke der Andreasgasse, ein Atelier unterhalten hatte, in welchem die besten Kreise der Gesellschaft verkehrten, im alten Artilleriegußhause einige leerstehende Atelierräume zugewiesen worden, in denen F. allerdings erst zwei Jahre später seine Gießerei einrichtete. In jener Werkstatt in der Mariahilferstraße vollendete er noch die ihm auf Veranlassung des Architekten Winder übertragene Statue des heiligen Georg im Kampfe mit dem Drachen für den Hof des Palais Montenuovo auf dem Heidenschuß in Wien, welche in Blansko in Zinkguß ausgeführt wurde. Mit diesem Werke trat F. in die erste Reihe der zeitgenössischen Bildhauer und hat damit, wie einsichtige Kritiker sofort erkannten, der modernen Plastik in Oesterreich die Wege gebahnt. Die Verwandtschaft mit dem heil. Martin R. Donner’s in der Preßburger Krönungskirche, die gleich beim Erscheinen des Werkes hervorgehoben wurde, ist doch äußerlich und liegt mehr im Sujet als in Auffassung und Mache; aber selbst wenn sie näheren Grades wäre, so würde sie den Werth der Leistung Fernkorn’s nicht herabdrücken. Für die österreichische Plastik bedeutete die großzügige und dabei durchaus malerische und graziöse Durchbildung des Motivs eine schöpferische That, den Sieg der geläuterten, realistisch gewordenen, aus dem Herzen quellenden Romantik über den äußerlichen, akademisch-pedantischen Classicismus. Der heil. Georg ist der unmittelbare Vorläufer des Erzherzog Karl-Standbildes, mit welchem die monumentale Plastik Oesterreichs aus ihrem langen Schlafe erweckt, ihren historisch-nationalen Aufgaben wiedergegeben wurde.

So eindrucksvoll erwies sich, was F. bisher erreicht hatte, daß der Einrichtung der von ihm sehnlichst erstrebten großen Erzgießerei, deren er zur Ausführung monumentaler Arbeiten dringend bedurfte, nun nichts mehr im Wege stand. Die leitenden Kreise, voran der Kaiser selbst, der allzeit und schon in jungen Jahren ein begeisterter Freund und stets munificenter Förderer der bildenden Kunst war, unterstützten diese Schöpfung. Schon 1855 trat, nach Uebersiedlung der Kanonengießerei in das Arsenal, die Erzgießerei in der Gußhausstraße, an derselben Stelle, an welcher Zauner seinen Josef geschaffen hatte, mit dem Namen einer Kaiserlichen Anstalt, jedoch als Fernkorn’s Privatunternehmen, in Thätigkeit, im Wege der Cabinetskanzlei floß ihr materielle Unterstützung des Kaisers zu. Schon früher hatten sich mehrere tüchtige Mitarbeiter um ihn geschaart: der Modelleur Schmidt aus Meiningen, [793] der Techniker Weißmann, die Bildhauer Pönninger, Schitzinger, Zengler, dann Friedl, Josef Bayer, Rudolf Winder, Niklas Vay.

Bald beschäftigte man sich in Wien mit den ersten Plänen. zur Stadterweiterung, der künftigen Niederlegung der die innere Stadt umgürtenden Basteien, auf deren Gründen sich die mit Monumentalwerken aller Art geschmückte Ringstraße erheben sollte. Der historische Sinn, die Erinnerung an die große nationale Vergangenheit erwachte in Oesterreich, man ward sich bewußt, daß man durch Errichtung öffentlicher Monumente Dankesschuld abzutragen hatte an jene Männer, welche sich in schweren Zeiten um das Vaterland hervorragend verdient gemacht hatten. Unter ihnen stand obenan in der jüngsten Geschichte Oesterreichs der Erzherzog Karl, der Kämpfer und Sieger für Deutschlands Ehre auf den Schlachtfeldern von Aspern und Eßlingen. Ihm galt das große Monument, mit dem F. sich nunmehr beschäftigte. Schon 1847, nach dem eben erfolgten Hinscheiden des Erzherzogs hatte F. auf Anregung des Bronzegießers Hollenbach eine kleine 80 cm hohe, 50 cm breite Statuette des Helden modellirt und gegossen und arbeitete seitdem unablässig an der Ausgestaltung seines gewaltigsten künstlerischen Werkes. Nebenher führte F. in diesen Jahren eine ganze Reihe anderer Arbeiten aus; Romantiker der er war, schon in München mit Gestalten aus der deutschen Vorzeit und Sage beschäftigt und in diesen Neigungen in Wien von Preleuthner und seinem Kreise bestärkt, schuf er für den Grafen von Reichenbach sechs Statuetten aus dem Nibelungenliede und später, unmittelbar vor seiner Erkrankung, entwarf er die Skizze zu einer dann von seinem Schüler und hervorragendsten Mitarbeiter Pönninger ausgeführten Kleinplastik in Silber: „Hagen versenkt den Nibelungenschatz in den Rhein“, welche heute noch den Schauladen des Juweliers Rothe auf dem Kohlmarkte ziert, für den sie hergestellt wurde. Auf des Grafen Károlyi Veranlassung modellirte F. eine 3 m hohe Madonna für die Kirche in Fóth in Ungarn, für das Palais des Fürsten Auersperg in der Josefstadt führte er zwei Kolossalfiguren, „Musik“ und „Tanz“, in Sandstein aus, daneben modellirte er für die Ausstellungen des österreichischen Kunstvereins diese beiden Allegorien im kleinen Maßstabe und dazu noch „Idylle“, „Volksgesang“, „Poesie“ und „Tragödie“, schuf die Victoria zu Sprenger’s Kopaldenkmal, welches, in Blansko gegossen, auf dem Glacis in Znaim zur Aufstellung gelangte. Im J. 1857, da F. schon vollauf mit seinem Erzherzog Karl beschäftigt schien, entwarf er eine Reihe großer Plastiken, die in Sandstein ausgeführt wurden: den kolossalen Löwen, welchen Erzherzog Albrecht, der Sohn des Siegers von Aspern, zur Erinnerung an die in dieser Schlacht Gefallenen auf dem Friedhofe daselbst errichten ließ, und im kaiserlichen Auftrage sechs Standbilder der deutschen Kaiser: Heinrich IV., Heinrich V., Philipp von Schwaben, Adolf von Nassau, Rudolf von Habsburg und Albrecht I. für die Vorhalle des Doms in Speier, welche 1858 daselbst zur Aufstellung gelangten. In diese Zeit fallen auch die Darstellungen der 12 Monate für den alten Rathssaal in der Wipplingerstraße und der reizende mit Hülfe Pönninger’s geschaffene Bronze-Brunnen in der Passage des von Ferstel 1860 vollendeten Bank- und Börsengebäudes in der Herrengasse. Auch mehrere Porträtbüsten und Statuen, so für Baron Sina, und eine Radetzkybüste für die Stadt Laibach hatte F. in jener Zeit zu arbeiten; nicht zum Vorteile seiner schon erschütterten Gesundheit häuften sich die an ihn gelangenden Aufträge. Auch auf dem Gebiete der Grabdenkmalsculptur bethätigte er sich, u. a. durch Schaffung eines reizenden Denkmals auf dem Petersfriedhofe in Salzburg für die im Alter von 6 Jahren verstorbene Tochter des Wiener Astronomen v. Littrow, Eugenie, welche er mit porträtistisch-individuellen Zügen, das kinderfrische, volle Gesicht von dichten [794] Haaren umwallt, als dem Grabe entsteigenden Genius darstellte, eines der lieblichsten, freiesten Monumente dieser Art.

Das Erzherzog Karl-Denkmal auf dem Heldenplatze vor der Hofburg, 1860 „dem siegreichen Führer der Heere Oesterreichs errichtet von Franz Josef I.,“ stellt sich ebenbürtig neben die Werke Rauch’s, des größten deutschen Plastikers im 19. Jahrhundert. Wie dieser in seinem Friedrich dem Großen, hat auch F. im Erzherzog Karl-Monument, die übliche Schablone überwindend, einen völlig neuen Typus des historischen Denkmals geschaffen, mit frischem Lebensgefühl, aus persönlicher Empfindung und doch aus der Zeiterscheinung heraus, den dargestellten Helden geschichtlich und menschlich erfassend. Auf Generationen hinaus wird dieses Werk immer in lebendiger Weise wirken und große Empfindungen wecken. Der Erzherzog ist dargestellt auf vorspringendem Pferde; die Fahne des Regiments Zach hoch schwingend, die er im entscheidenden Momente der Schlacht von Aspern ergriff und damit die Oesterreicher zum Sturm und Siege führte; im Entwurfe von 1847, von welchem sich das Original-Metall-Modell noch bei der Firma Hollenbach’s Neffen E. und F. Richter befindet und Erzherzog Albrecht Abgüsse für die Erzherzoge Karl Ludwig, Ludwig Victor, Wilhelm, Rainer und sich herstellen ließ, sprengte der Feldherr über die am Boden liegende französische Fahne und weist mit der Rechten in die Ferne. Das Fahnenmotiv ist höchst originell und von hinreißender Wirkung. Als plastisch-technische Arbeit, das Pferd mit der ganzen Last des Denkmals auf den Hinterbeinen stehend, ist das Monument ein unerreichtes virtuoses Meisterstück, auch der Guß von höchster Vollendung, die Auffassung von einer starken schöpferischen, künstlerischen Phantasie Zeugniß gebend, das Bewegungsmotiv von hinreißender Kraft, die Linienführung unübertrefflich. Die Studien zum Pferde beschäftigten den Künstler durch Jahre; es wurden ihm Pferde aus den Hofstallungen ins Atelier gebracht und auch Renz schickte ihm, so oft er während dieser Jahre in Wien war, wiederholt Pferde aus seinem Circus ins Atelier, wo sie in allen Gangarten vorgeführt und studirt wurden. Man hat gerade die starke Bewegung, das Temperamentvolle in dieser Plastik getadelt und finden wollen, daß ein Motiv, das nur im Kleinen darstellungsfähig sei, hier ins Monumentale übertragen sei, das eine ruhige stille Größe erheische. Das ist der Standpunkt akademischer Pedanterie, der heute von keiner Seite mehr getheilt wird; daß das Denkmal eine unerhörte Neuerung bot und die classicistische Lehre vollkommen über den Haufen warf, ist sicher, darin liegt aber sein bleibendes Verdienst und die Stellung, welche es einnimmt, als das erste wahrhaft moderne Monument der Zeit. Seiner mächtigen Wirkung konnte sich Niemand entziehen, allgemein war die Begeisterung für den Künstler und sein Werk, die auch in vielen litterarischen Festgaben zum Ausdrucke kam: Otto Prechtler, Schindler (Julius v. d. Traun), Kompert, Friedrich Kaiser sangen das Lob des Meisters unter allgemeiner Zustimmung des geistigen Wien.

Auch das dem Erzherzog Karl-Denkmal gegenüber 1865 errichtete Denkmal des Prinzen Eugen von Savoyen, des großen österreichischen Heerführers dreier Kaiser (Leopold’s, Josef’s und Karl’s VI.), ist eine Schöpfung Fernkorn’s, von impetuoser Kraft und Größe, der Feldmarschall auf einem schweren Pferde in die Schlacht sprengend dargestellt, auch dieses Werk streng historisch aufgefaßt, ebenfalls voll lebendiger Züge, die Modellirung vor allem des Pferdes glänzend, der Guß vorzüglich gelungen. Ueber das Maß von Fernkorn’s Antheil an diesem Monumente ist viel gesprochen worden, es steht fest, daß der Grundgedanke des Werkes und das kleine Modell desselben von dem Meister selbst herrühren. Hervorragender Kenner und Darsteller des [795] Pferdes der F. war und worin ihm Niemand gleich kam, hat er auch persönlich in der spanischen Reitschule die Studien zu dem Pferde Eugen’s gemacht, die Uebersetzung des kleinen Modells in das große mag immerhin von Pönninger erfolgt sein, dem vertrauten Arbeitsgenossen des Meisters, die Ausführung im Guß hat Herold überwacht. Ein Zweifel an dem geistigen Eigenthume Fernkorn’s an allem Wesentlichen des ersten Entwurfes ist nicht berechtigt und durch nichts zu beweisen, obwol der Künstler all die Jahre hindurch leidend war und der Enthüllung des Denkmals nicht mehr beiwohnen konnte. Wie es indessen mit seiner persönlichen Arbeit am Ressel-Monument, das 1863 vor der technischen Hochschule in Wien errichtet wurde, und am Jellacic-Monument wie an anderen Werken, welche in der ersten Hälfte der Sechzigerjahre aus seinem Atelier hervorgingen, bestellt ist, muß unentschieden bleiben; am Ersteren hat F. wol keinen Antheil; die Ausführung des Letzteren hat Friedel mit Pönninger besorgt. Bereits im J. 1859 hatte F. einen leichten Schlaganfall erlitten, von dem er sich aber wieder erholte, 1862, also zu einer Zeit, da das Modell des Eugen-Denkmals in der Hauptsache fertig gestellt war, wiederholte sich der Anfall in verstärktem Maße und es begannen, der Außenwelt unbekannt, von Gattin und nächsten Freunden aber mit steigender Angst beobachtet, die Zustände intermittirender Dispositionsunfähigkeit, die wenige Jahre später zu völliger geistiger Umnachtung des Meisters führten. F. wurde im Sommer 1864 nach der Kaltwasserheilanstalt Radegund in Steiermark gebracht, als sich dann sein Leiden unheilbar zeigte, in die Privatirrenanstalt des Professor Leidesdorf in Döbling bei Wien, später in die Landesirrenanstalt, wo er erst am 16. November 1878 starb. Schon 1865 war die künstlerische Leitung der Erzgießerei von Amtswegen an Fernkorn’s getreuesten Mitarbeiter Pönninger, die geschäftliche an Röhlich übertragen worden.

F. war von nicht übermittelgroßer, gedrungener Statur, in der sich eine ungewöhnliche Thatkraft und Selbständigkeit des Geistes ausprägte. In seinen tiefblickenden, schönen braunen Augen lebte eine Welt von edlen Gedanken und Phantasieen, sie sahen den Dingen auf den Grund und hatten etwas hingebungsvolles an alles was ihn künstlerisch und menschlich interessirte. Wenn er porträtistische Aufgaben zu lösen hatte, begnügte er sich nicht mit Aeußerlichem, er suchte die psychischen Grundlagen aufzuspüren und aus ihrem Wesen die äußere Hülle des Geistes aufzubauen. In seinen guten Tagen war er von unermüdlich thätiger Schaffensfreudigkeit. Sein Lebensgang, der ihn vom Handwerk zur Kunst geführt hatte, lehrte ihn, ganz im Gegensatze zu so vielen Romantikern, Form und Technik nicht gering achten, sich in der Sprache seiner Kunst und all ihren Ausdrucksmitteln immer mehr und mehr zu vervollkommnen, er besaß eine große Andacht auch für das scheinbar Unbedeutende und blieb doch immer Herr des Ganzen, der Idee, die ihm vorschwebte und die er künstlerisch ausdrücken wollte. Seine Skizzen entwarf er immer gleich plastisch, er sah nur in vollen Formen. Er war im Grunde seines Wesens eine weiche Natur, voll Güte und Liebenswürdigkeit, an seiner Familie und seinen Freunden, fast ausschließlich Künstlern, hing er mit großer Zärtlichkeit, seinen Mitarbeitern und Untergebenen war er ein wohlmeinender Berather und Führer, förderte sie selbstlos und freute sich ihrer Erfolge. Daß seine unheilvolle und unheilbare Krankheit die Folge von Ueberarbeitung gewesen, ist nicht nachzuweisen und nicht anzunehmen, obwol die 10 Jahre unerhört angestrengter Thätigkeit von 1848–1858 den Ausbruch des Leidens immerhin beschleunigt und dieses vertieft haben mögen; es wird eine ererbte Anlage gewesen sein, denn auch eine Schwester von ihm war von ähnlicher Krankheit befallen.

[796] Seiner glücklichen Ehe mit Elise v. Warmuth entsproß eine Tochter, die an den österreichischen Obersten, gegenwärtig Commandanten des 73. Infanterieregiments Victor Friedrich verheirathet ist. Fernkorn’s Gattin, welche sich nach seinem Tode mit dem Arzte Dr. Nový vermählt hat, lebt in Radegund in Steiermark und hütet pietätvoll die Erinnerungen an den großen Künstler, dessen Leben nach langer unermüdlicher begeisterter Arbeit eben anfing in weiten Kreisen hohen Ruhm und reiche Ehren zu tragen, als ihn das Schicksal niederwarf und viel Weh, Sorge und Kummer auf ihn und die Seinen häufte. Doch hat er erreicht was nur Wenigen beschieden ist: sein Name wird fortleben in der Geschichte der modernen Kunst als eines ihrer Großen.


[788] *) Zu S. 521 oben.

WS: Die Seiten 797 bis 798 enthalten ein „Verzeichniß der im 48. Bande der Allgem. Deutschen Biographie enthaltenen Artikel“, das hier jedoch nicht transkribiert wird.