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ADB:Mikowec, Ferdinand

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Artikel „Mikowec, Ferdinand B.“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 722–726, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mikowec,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 09:03 Uhr UTC)
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Mikowec: Ferdinand B. M., Schriftsteller und Archäolog, geb. am 23. Decbr. 1826 zu Bürgstein in Böhmen, wo sein Vater herrschaftlicher Amtsdirector war, absolvirte das Gymnasium in Böhmisch-Leipa, und ergänzte von 1842 an seine Studien an der Prager philosophischen Hochschule. Während dem schon schriftstellerisch thätig für die von Rud. Glaser redigirte schöngeistige [723] Zeitschrift „Ost und West“, bald auch für die damals noch als Unterhaltungsblatt erscheinende „Bohemia“, doch ohne dadurch sonderlich bemerkbar zu werden gegenüber gleichzeitig aufstrebenden Belletristen, wie: Uffo Horn, Victor Hansgirg, Alfred Meißner etc., mochte M. wohl vom Temperamente fortgerissen, in eine Strömung gerathen sein, die ihn vom Deutschthum abzog und dem Werbeplatze der Tschechen zuführte. Bald darauf hochgehaltener Mitarbeiter des tschechischen Blattes „Kwety“ – Blüthen – und eifriger Vorkämpfer für die Absichten seiner jetzigen Freunde, suchten ihn diese auch möglichst rasch zu Namen zu bringen. Zunächst – 1847 – durch Herausgabe seiner biographischen Skizze „Tycho de Brahe“ – in tschechischer Sprache – obschon es kein Geheimniß war, daß er die deutsch geschriebene Skizze der Uebersetzung anheimgeben mußte. Unter gleicher Gunst kam sein Drama „Das Ende der Premysliden“ – 1848 – auf der tschechischen Bühne zur beifälligsten Aufnahme. – Dennoch außer Stande sich und die Quelle seines Lebens und Wissens vollständig verleugnen zu können, finden wir M. nebenbei als eifriges Mitglied der von Egon Ebert, Clemens Ritt. v. Weyhrother, Grafen Franz Thun, Akademiedirector Ruben etc. ins Leben gerufenen Künstler- und Literaten-Gesellschaft „Concordia“: einer entschieden deutschen Gesellschaft, die unwillkürlich durch die Ereignisse des Jahres 1848 geschichtliche Bedeutung gewann. Veranlassung dazu gab der von ihr selben Jahres am 29. Februar mit Aufwand aller Kunstmittel im Prager ständischen Theater inscenirte Maskenzug, in welchem die Kunst- und Litteraturkoryphäen vom 15. bis ins 18. Jahrh., fast durchaus porträtähnlich einhergingen, um schließlich dem Vergnügen einer Redoute sich zu überlassen. In dieses kostümprächtige Gewühl, aus welchem die frappanten Gestalten von Raphael, Michelangelo, Dante, Petrarca, Albrecht Dürer, Rubens, Murillo, Donatello, Peter Vischer, Voltaire, Rousseau, Mozart, Beethoven, Schiller, Goethe etc. sich besonders abhoben und M. als wolfbehäuteter altslavischer Sänger „Lumjr“ Aufsehen erregte – mischte sich kurz nach Mitternacht, nach Ankunft der jüngsten Post, ein höchst unheimliches Etws, von welchem vorerst die Logenbesitzer, von diesem aus weiter und weiter die erste Gallerie, endlich der die Tanzenden umschließende Ring sich ergriffen zeigten, bis daß es kund und laut wurde: „Louis Philipp ist entthront, Paris beherrschen die Republikaner!“ – M. zerriß darüberhin zwar nicht die Saiten seiner bislang hochgetragenen, wunderlich gebauten Harfe, verschwand aber sofort aus dem Maskensaale. – Wenige Tage darauf trafen nicht minder aufregende Nachrichten aus der österreichischen Residenz ein, durch welche Prag vollends außer Rand und Band kam. Bis dahin unbekannte Elemente, alle Schranken der Ordnung durchbrechend, hoben sich an die Oberfläche, um eine Schreckensherrschaft vorzubereiten, der entgegenzuwirken sich dann eben so rasch eine Art von Ordnungsbund, durch Bewaffnung der „Concordia“, organisirte. Durch Freiwillige aus den besten Ständen bedeutend erweitert, stand die Gesellschaft binnen wenigen Tagen als stattliches Corps „zum Schutze der Culturstätten und Kunstdenkmale“ unter Waffen. Das Gesellschaftslocal wurde Caserne, der Hofraum Exercirplatz. Auf diesem ereignete sich nun auch während einer allgemeinen Uebung das Unerwartetste: es forderte nämlich eine Kleinzahl der Mitglieder zweisprachiges – deutsch und tschechisches – Commando, und zog nach entschiedener Verneinung dieses Begehrens mit M. an der Spitze, von dannen, um sich als Cadre verwenden zu lassen für das berüchtigte Corps „Swornost“, gleichbedeutend mit „Concordia“. Diese war der sich gestellten Aufgabe vor, während, wie nach den Juniereignissen treu, während jenes thätigsten Antheil an dem von polnischen und französischen Sendlingen geleiteten Putsche nahm: mit dessen Unterdrückung erlosch allerdings seine Existenz; seine Vordermänner entflohen entweder, oder verfielen dem Kriegsgerichte. [724] M. entkam nach Serbien, leistete der Sage nach, dem Haupte des dortigen Aufstandes – Knicanin – Heeresfolge, suchte indeß bald nach dem kraftvollen Vorgehen der kaiserlichen Südarmee, letzte Zuflucht in – Leipzig. Hier im Schatten von Gust. Freytag und Julian Schmidt sich bergend, aber auch auf die schmale Kost eines für Deutschland noch unbekannten Schriftstellers gesetzt, griff er klugerweise wohl ein zur Zeit populär gewordenes Thema zu einem selbständigen, 1850 durch T. O. Weigel herausgegebenen Werke auf: „Briefe des Johann Hus, geschrieben zu Konstanz im Jahre 1414 und 1415, mit Anmerkungen versehen“, ohne aber sonderlichen Erfolg erzielen zu können. Des Weiteren durchstöberte er die Leipziger Archive und Bibliotheken nach Beweisquellen für „Wallensteins Unschuld“, doch nicht mehr zur eigenen Benutzung, sondern wie bald bekannt wurde, im Lohndienste eines Anderen. Im Uebrigen deutete Alles an, daß er bis dahin weniger von den Früchten dieser litterarischen Thätigkeit, wie vielmehr von jenen der Mutterliebe zehrte, und als diese ausblieben, sich auch gezwungen sah, Leipzig zu verlassen. Begünstigt durch die inzwischen erfolgte kaiserliche Amnestie, kehrte M. 1851 nach Prag zurück, wo er freilich deutscherseits mit unverhohlenem Mißtrauen empfangen, wohl deshalb auch wieder Parteigänger wurde und solches durch Gründung eines in tschechischer Sprache erscheinenden archäologisch-belletristischen Wochenblatttes Namens „Lumjr“ documentirte. – Diese gegen seine Stammesgenossen abermals errichtete Scheidewand, war indeß eine ebenso durchsichtige wie bewegliche für den wissenschaftlichen Fortverkehr mit ihnen, insbesondere auf dem Gebiete der Archäologie, auf welcher M. jetzt mit anerkennenswerthestem Fleiße arbeitete und zu Funden gelangte, für die ihm allseitiger Dank zu zollen blieb. – Eine wahre Riesenarbeit leistete er allein schon durch das Aufsuchen und Copiren von über sechstausend Inschriften – alten Denkmälern, Grabsteinen, Glockenmänteln etc. entnommen – zu Gunsten der Culturgeschichte des Landes. Zwar erreichte er nicht mehr die Absicht, sie zu einem „Codex epigraphicus regni Bohemiae“ – wie die Ueberschrift lauten sollte – zusammenzufassen: das Material war aber da, und fand Verwerthung in verschiedenartigster Form. Einen großen Theil der auf diesem Studienwege gemachten Ausbeute verarbeitete M. in fachliche, meist deutsch geschriebene Artikel oder Monographien. So für das in Gemeinschaft mit den Malern J. Hellich und Wilh. Kandler (durch I. L. Kober in Prag) herausgegebene Bildwerk: „Alterthümer und Denkwürdigkeiten Böhmens“; wie für die Texte zu den in Wien und Olmütz bei E. Hölzel erschienenen „Malerisch-historischen Skizzen aus Böhmen“, aus welchen besonders die Beschreibungen: „Das Stift Hohenfurth“, „Die königl. Burg Karlstein“ und „Die Ruine Trosky“ als gründliche Studien hervorzuheben sind. – Fleißiger Mitarbeiter der amtlichen „Wiener Zeitung“, verwendete er auch für diese einzelne Partien des zu einem Bilde der Zeit Kaiser Rudolph II. zusammengetragenen Details, wie z. B. im Fragmente „Die Alchymisten Böhmens“; andere übergingen in den „Lumjr“, so 1861 die Monographie „Hermann Christoph Graf Rueßwurm“, die zugleich als Separatabdruck ins Publicum kam. – Weitere zwei Einzelbeschreibungen: „Mathias Hutsky, Maler des Erzherzogs Ferdinand von Tirol“ und „Nikolaus von Dacictzky von Heslo und Gbel“ fanden Aufnahme in der Zeitschrift des Prager Museums und erschienen ebenfalls im Separatabdrucke. – Nebenbei, ja seit der Rückkehr aus Leipzig fast ununterbrochen, Theaterberichterstatter für die „Bohemia“, später ausschließlich für den „Lumjr“, hinterlegte M. als solcher da wie dort eine Fülle gediegener Urtheile von nicht zu unterschätzendem Einflusse auf das Publicum wie auf die Schauspieler. Diesem Interesse für die Bühne entwuchs natürlicherweise auch der andauernde Hinzug zur Schauspieldichtung. Seinem „Ende der Premysliden“ folgte daher [725] 1855, abermals für die tschechische Bühne bestimmt, das auf Schiller’s „Demetrius“ basirte Drama „Demeter Iwanowitsch“. Spätere Dramen: „Die Schlacht am weißen Berge“ und „Conrad Wallenrod“, nach dem epischen Gedichte von Mickiewicz, blieben unvollendet. – In Uebereinstimmung mit der reckenhaften Gestalt, voll geistiger Kraft, trieb M. denn auch von Plan zu Plan, und von einem Unternehmen zum andern – allerdings um vielfältig auf halbem Wege der Unausführbarkeit begegnen zu müssen. Trotzdem hatte er solchen Falles Vorarbeit geleistet für späteres, zeitentsprechenderes Wiederaufgreifen des angesponnenen Unternehmens durch andere Hand. Letzteres bewährte sich namentlich bei seinen Spurfindungen im Gebiete der bildenden Künste. Mit trefflicher Kritik auf die inneren Widersprüche zwischen hergebrachter Meinung und Ursprung strittig gewordener Werke, wie z. B. jener von Mutina (vgl. d. Art.) hinweisend, blieb die eigentliche Sicherstellung in allen Fällen wohl dem Künstlerauge vorbehalten: zugestanden aber, auf Grund der von ihm ausgegangenen Anregung. Sein letzter Plan, mit welchem er gewissermaßen rückläufig wurde vom 1847 betretenen nationalen Irrwege, war die 1860 unternommene Gründung seiner, der „Concordia“ gleichartigen Gesellschaft, Namens „Arkadia“, durch die M. fortsetzen und vollbringen wollte, was jener von den Ereignissen des Jahres 1848 unmöglich gemacht wurde. Seiner weitgreifenden Absicht, durch sie eine Centrale für internationale Strebungen in Wissenschaft und Kunst zu stiften, ihre geistigen Kräfte zu vereinen in der Mitarbeit für einen „culturhistorischen Almanach“, stellte sich nur zu bald die eigene körperliche Hinfälligkeit entgegen. Erreicht durch das gesellschaftliche Zusammenwirken wurde 1861 blos noch eine nach Umfang und Werth der Objecte allgemein überraschende „archäologische Ausstellung“. Bei schon gestörter Gesundheit, übereifrig im Dienste für diese Ausstellung, siechte er von da ab dauernd bis zu seinem den 22. Septbr. 1862 erfolgten Ableben. – Die Persönlichkeit Mikowec’s beschreibt auf das Treffendste Alfred Meißner in seinem Buche „Die Geschichte meines Lebens“ mit den Worten: „Ferdinand Mikowetz war ein weit über sechs Fuß hoher jugendlicher Recke von einer Schulterbreite, die gewöhnliche Mannesarme kaum umspannen konnten. Dem starken wuchtigen Körperbau entsprach die blühende Gesichtsfarbe, das rothblonde Haar, das blaue Augenpaar. So sah er aus wie aus der Germania des Tacitus herausgetreten. Auch eine gewisse Schwerfälligkeit stimmte zu diesem Bilde, denn nachlässig in Gang und Tracht kam er daher“ … Nicht gleich genau ist Meißner’s Auffassung vom geistigen Wesen Mikowec’s, das er nicht auseinander zu halten weiß nach der Dualität, in welcher sich unter den ganz absonderlichen Prager Verhältnissen vom dritten bis zum vierten Jahrzehnt, die meisten auf geistigem Gebiete thätigen Deutschen bewegten: darum auch thätigsten Antheil nahmen am culturellen Aufstreben der Tschechen. Vor allem waren es die besten deutschen Dichter Böhmens jener Periode, die weckend und stimmend wirkten durch ihre der tschechischen Geschichte oder Sage entnommenen Stoffe: so Egon Ebert durch seine „Wlasta“, „Bretislaw und Jutta“, „Czestmir“; Moritz Hartmann mit seinem „Kelch und Schwert“; Alfred Meißner mittels seines „Ziska“ (Schischka) –. Es war das auch die Zeit, in welcher der durch und durch tschechisch gesinnte Dr. Frz. Palacky die ersten Theile seiner „Geschichte von Böhmen“, desgleichen Prof. Wladiwoj Tomek den ersten Band seiner „Geschichte der Stadt Prag“ deutsch schrieben. – Compromißmenschen, wie unter solchen Umständen M. einer wurde, gab es also hüben wie drüben. Nur Wenige aber leisteten als solche dem Deutschthum, beziehungsweise den Deutschen Böhmens, gleich vortreffliche Dienste wie eben M., weil seine Hauptarbeit, die archäologischen Forschungen, doch fast ausschließlich Nachweise zu Tage förderten, für die von den Deutschen in Böhmen von jeher [726] geleistete Culturarbeit. – Dieser Anerkennung verschlossen sich denn auch die wenigsten seiner zeitweiligen Gegner; sie bewiesen es durch ihre Theilnahme bei der Leichenbestattung, insbesondere noch durch die mit ihrer Zustimmung vom kundigen Aesthetiker Prof. Jos. Bayer, gesprochene Ehrenrede am Grabe. Einen weiteren Ehrentribut brachte ihm die „Arkadia“ dar durch Errichtung eines mit seinem Reliefbildnisse geschmückten Grabdenkmals (am Prager Koschirscher Friedhofe), auf welchem die Inschrift zu lesen ist: „F. B. Mikowec, antiquitatum et historiae patriae suae cultor eximius, natus in oppido Bürgstein die XIII. Decembris anni MDCCCXXVI, defunctus Pragae die XXII. Septembris anni MDCCCLXII. Societas Arcadia in piam sui praesidis memoriam hoc monumentum posuit“.

Bohemia, 1862, Nr. 225. 226, 227; 1864, Nr. 260. Grueber, Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. Schlesinger, Geschichte Böhmens. Westermann, Unsere Tage. Magazin f. Lit. d. Auslands, von F. Lehmann. Unsere Zeit, Leipzig, Brockhaus. Alf. Meißner, Geschichte meines Lebens, Teschen, bei Prohaska, 1884. Rodina Kronika, Prager illustrirtes Blatt, 1864. Zlata Praha – desgl. Biogr. Lex. von Wurzbach. Eigene Notizen.