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ADB:Pfuel, Ernst von

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Artikel „Pfuel, Ernst Heinrich Adolf von“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 705–712, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfuel,_Ernst_von&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 07:34 Uhr UTC)
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Pfuel: Ernst Heinrich Adolf v. P., preußischer General der Infanterie, Ministerpräsident und Kriegsminister, geb. am 3. November 1779 zu Jahnsfelde bei Müncheberg im Kreise Lebus des preußischen Regierungsbezirks Frankfurt a. d. O., stammte aus einer uralten Familie der Mark Brandenburg, welche im Lande Lebus und Barnim angesessen ist. Der Vater Ernst Ludwig v. P. (geb. am 1. Mai 1718), Erbherr auf Jahnsfelde, hatte in den schlesischen Kriegen mit Auszeichnung gefochten und 1779 als Oberstlieutenant im preußischen Kürassierregiment Nr. 6 wegen Versagung des Heirathsconsenses den Abschied genommen. Er lebte seitdem auf dem Gute, ward aber 1784 von Friedrich dem Großen zum Hofmarschall des damaligen Prinzen von Preußen und später von diesem (als König Friedrich Wilhelm II.) zum Generalmajor der Cavallerie und Chef der 2. Abtheilung des Oberkriegscollegs ernannt. Er starb am 22. Juli 1789. Die Mutter Johanna Sophie, geb. Krantz, war die Tochter eines Regimentschirurgs und starb schon 1783. P. genoß den ersten Unterricht im elterlichen Hause; da aber der Vater dienstlich vielfach in Potsdam anwesend sein mußte, wurde er nebst dem jüngeren Bruder Friedrich zum Hofrath Beuchel in Berlin in Pension gegeben, von wo er die Realschule besuchte. Nach des Vaters Tode übernahm Criminalrath Scheede, dann Justizrath Grattenauer, später auf Bitten der Knaben Herr v. Briest auf Nennhausen die Vormundschaft. Als P. in der Realschule die Reife für Secunda erhalten hatte, wurde er 1792 in das Cadettencorps in Berlin aufgenommen. Hier gehörte er bald zu den Befähigteren, welche 1793 in die Ecole militaire übergehen durften. Nach der Entlassung aus dieser Anstalt wurde er am 12. März 1797 als Fähnrich in [706] das Infanterieregiment Nr. 18 nach Potsdam versetzt, dessen Chef der König war. Hier war er, neben den Dienstobliegenheiten, eifrig bestrebt, den Uebungen im Fechten, Schwimmen und Klettern bei Officieren und Mannschaften Eingang zu verschaffen. Nachdem er aber sich lebhaft für philosophische und mathematische Studien zu interessiren begonnen, gewährte ihm das mechanische Getreibe des praktischen Dienstes keine Befriedigung mehr, so daß er im Frühjahr 1803 um Abschied bat. Nachdem dieser mehrmals abgelehnt war, begab er sich in Urlaub nach Dresden zu dem ihm seit 1801 befreundeten Heinrich v. Kleist. Hier erhielt er durch einflußreiche Verwendung hoher Gönner am 18. Juni 1803 den Abschied als Secondelieutenant. Bald darauf unternahm er mit Kleist eine Reise, meist zu Fuß, nach der Schweiz. Sie weilten längere Zeit in Bern und am Thuner See, besuchten Mailand und Venedig, Genf und Lyon und mietheten dann eine gemeinsame Wohnung in Paris, wo sie Vorlesungen bei Cuvier u. A. hörten. Auch nachdem Kleist’s beginnende Geistesstörung zu einer Trennung der Freunde geführt hatte, setzte P. die Studien in Paris fort. Die Erhebung einer kleinen Erbschaft machte seine Anwesenheit in der Heimat nöthig und hier bestimmten ihn die Angehörigen zum Wiedereintritt in den Militärdienst. Seine deshalbige Bitte wurde am 11. April 1805 durch Versetzung in das zu Johannisburg in Ostpreußen liegende Füsilierbatallon Nr. 23 erfüllt. Als die ostpreußischen Truppen im Herbst 1806 an der Weichsel zusammengezogen wurden, wurde P. als Adjutant dem General und Divisionscommandeur Grafen v. Schmettau zugetheilt. An dessen Seite befand er sich in der Schlacht von Auerstädt. Von hier mit den Trümmern des Heeres zurückziehend, wurde er nach Stettin vorausgesandt, von wo er für den Plan einer Einschiffung des Blücher’schen Corps in Rostock thätig war. Es kam jedoch nicht hierzu und so gerieth er durch die Capitulation von Ratkau bei Lübeck mit in Gefangenschaft, aus der er jedoch gegen Ehrenwort, in diesem Kriege nicht wieder gegen Frankreich zu kämpfen, entlassen wurde. In der Hoffnung, durch Auswechselung seinem Berufe bald wiedergegeben zu werden, schiffte er sich im Sommer 1806 in Lübeck nach Ostpreußen ein, konnte dort aber den Wunsch nicht geltend machen. In der Hoffnung, dieses Ziel vielleicht durch die in der Mark und Schlesien aufgetauchten Freicorps zu erreichen, begab er sich von Königsberg mit H. v. Kleist zu Fuß über Stettin zunächst nach Berlin. Während hier Kleist als verdächtig verhaftet und nach Frankreich geschickt wurde, entging P. gleichem Schicksal durch einen Besuch in Nennhausen. Die Verhältnisse in der Heimat erwiesen sich ungünstig und so begab er sich wieder von Lübeck zu Schiff nach Königsberg und schloß sich der von Memel und Pillau nach Vorpommern und Rügen bestimmten Expedition an. Diese landete hier, aber da der Friede von Tilsit jede Aussicht auf kriegerische Thätigkeit abschnitt, so bat er wieder um Entlassung, die ihm am 8. October 1807 zu Theil wurde. Durch Vermittlung des ihm von der Garnison in Potsdam her befreundeten weimarschen Majors Rühle von Lilienstern erhielt P. in Dresden Anstellung als Lehrer in den Kriegswissenschaften für den Prinzen Bernhard von Weimar. In Dresden stand er in Verkehr mit bedeutenden Männern, welche von dem Wunsche nach Befreiung nach Vaterlandes vereinigt wurden. Auch fand sich der aus der Gefangenschaft entlassene H. v. Kleist hier ein. Mit ihm und Adam Müller plante er die Gründung einer Verlagsbuchhandlung und die Herausgabe eines Kunstjournals „Phöbus“. Auch gewann er hier großen Einfluß auf den achtzehnjährigen Theodor Körner. Im Frühjahr 1808 verheilathete sich P. mit einer Tochter des Generals v. Byern. Auf Anerbieten des ihm in Dresden befreundet gewordenen kurhessischen Majors Grafen Karl v. Nostiz trat er den 13. Mai 1809 als Führer einer Compagnie in die von jenem im Fürstenthum Baireuth für den österreichischen [707] Dienst gebildete sog. fränkische Legion unter General Radojoritsch, mit welcher er an unbedeutenden Gefechten bei Eger und in Sachsen Theil nahm. In Auftrag begab er sich nach Wien, um über den dortigen Stand der Dinge zu berichten, entging hier aber nur durch glückliche Zufälligkeiten der Gefangennahme seitens der bald darauf eingerückten französischen Truppen und gelangte nur auf großem Umwege nach Böhmen zurück. Nach dem Wiener Frieden vom October 1809 kam P. als Hauptmann in Brix bei Teplitz in Garnison und brachte in Urlaub an letzterm Orte längere Zeit zu, wo er mit dem Herzog von Weimar und Goethe verkehrte. Nach Auflösung der Legion wurde P. im September 1810 in das österreichische Infanterieregiment Erzherzog Rainer nach Prag versetzt. Hier suchte er das Einförmige des Dienstes dadurch zu beleben, daß er bei Officieren und Mannschaften das Interesse für gymnastische Uebungen, namentlich für das Schwimmen, zu erwecken wußte. Wie er selbst im December 1811 bei seiner Versetzung nach Wien schrieb, nahm die von ihm in Prag gegründete Schwimmanstalt den glänzendsten Aufschwung. Er gab wöchentlich zwei große Productionen, wobei er 150 Schwimmer manövriren ließ. Dem Hofkriegsrath sandte er ein Project ein, wonach er im folgenden Sommer 30 000 Schwimmer abrichten wolle. In Prag war P. in intime Beziehungen zu dem im Juni 1810 dorthin übergesiedelten Freiherrn v. Stein gekommen. Im November 1811 wurde er beim Kriegsarchiv in Wien unter Leitung Radetzky’s angestellt. Er schrieb hier mehrere Aufsätze in Hormayrs historisches Taschenbuch und verkehrte mit Theodor Körner, der hier seine litterarischen Arbeiten veröffentlichen wollte. Von Wien aus blieb P. in Beziehungen zum Freiherrn v. Stein und ließ sich im Mai 1812 mit einer Bestimmung für die Schwimmanstalt nach Prag zurückversetzen, um mit Stein nähere Verabredungen inbetreff der Vorbereitungen zur Erhebung gegen die Fremdherrschaft zu treffen. P. wünschte, um bald gegen diese kämpfen zu können, dem Beispiel vieler preußischer Officiere zu folgen, welche infolge des preußisch-französischen Vertrags vom 24. Februar 1812 zu diesem Zweck Dienste in Rußland nahmen. Nachdem er am 28. Juli 1812 den österreichischen Dienst verlassen, gelang es ihm, nach mancherlei Abenteuern über Altona, Kopenhagen und Carlsham in Schweden, von hier auf einem Bombenschiff der englischen Flotte nach Riga zu kommen. In Petersburg überreichte er dem Freiherrn v. Stein einen ausführlichen Bericht über die politischen Verhältnisse in vielen Theilen Deutschlands. Am 9. September trat er in das russische Heer und zwar unter dem Namen v. Giehlsdorf, um nicht mit dem in Ungnade gefallenen General v. Phull verwechselt zu werden. Schon am 9. October als Capitän in der deutschen Legion im Auftrag des Kaisers an Feldmarschall Kutusow gesandt, erreichte er dessen Armee bei Kaluga und blieb während des ganzen Feldzugs von 1812 im großen Hauptquartier. Er theilte die großen Beschwerden des russischen Heeres, entging in der Schlacht von Malo-Jaroslawecz am 24. October mit Noth der französischen Gefangenschaft, marschirte mit der Armee über Kremenskoie und Jelnia, wohnte am 16. und 17. November den Gefechten von Krasnoi bei und gelangte über Romanowo und Kopys am Dnjepr an der Spitze der Truppen am 10. December nach Wilna. Eine von ihm sogleich hier verfaßte Denkschrift über die Kriegsereignisse war die erste glaubhafte Mittheilung von russischer Seite und verfolgte zugleich den Zweck, die Vernichtung der französischen Armee bei Fortsetzung des Kriegs für Kaiser Alexander so zur vollen Gewißheit zu machen, daß die Erhebung des deutschen Volks immer wahrscheinlicher würde. Er überreichte die Denkschrift dem in Wilna eingetroffenen Freiherrn v. Stein, durch welchen sie der Czar erhielt. [708] Dieser ließ ihm am 28. December, unter Beförderung zum Major im Generalstabe v. Bennigsen’s, als Zeichen seiner Huld einen Brillantring übersenden. In Wilna schrieb er auch „Beiträge zur Geschichte des letzten russisch-französischen Kriegs“, wovon jedoch nur Heft 1, enthaltend den Rückzug der Franzosen bis zum Niemen, erschien (Berlin 1814). Sodann dem Streifcorps seines Freundes Tettenborn als Chef des Generalstabs zugetheilt, durcheilte er an der Spitze eines Kosakencorps die östlichen Provinzen Preußens, war am 20. Februar 1813 bei dem Angriff auf Berlin thätig, wo er mit den Kosaken durch das Schönhauser Thor eindrang, und besetzte dann mit dem Tettenborn’schen Corps Hamburg (Pertz, Leben Stein’s, II, S. 659), wo er, am 24. April zum Oberstlieutenant befördert, einen Auftrag bezüglich der Befestigung Hamburgs und der Bildung einer hanseatischen Legion erhielt; jedoch Hamburg wurde bald aufgegeben. In einer Conferenz mit Wallmoden und Clausewitz vor dem Gefecht an der Göhrde wurden die Vorzüge von Pfuel’s Dispositionen anerkannt und in diesem Gefecht vom 16. September führte er die russisch-deutsche Legion. Am 15. October war er beim Angriff auf Bremen. Nachdem er mit Tettenborn’s Corps bis Jütland vorgedrungen war, machte er auch dessen raschen Zug von da nach Frankreich mit, und zwar als Oberst und zum ersten Male wieder unter seinem eigenen Namen. Im Winterfeldzuge von 1814 wurde ein französisches Corps bei Chateau-Thierry und Dormans unter Pfuel’s Führung geworfen und am 21. März schlug er, Epernai besetzend, den General Vincent. Nach dem Kriege traf er in Paris wieder mit Stein zusammen, der sich in vielen wichtigen Fragen seines Raths bediente. Das Anerbieten zum Eintritt in die russische Armee ablehnend, trat er als Befehlshaber eines Regiments in die russisch-deutsche Legion zurück, erhielt den russischen Annenorden 2. Classe in Brillanten und vom König von Preußen am 28. December 1814 den Orden pour le mérite. Hierauf im preußischen Heere wieder angestellt, wurde er in den Generalstab Blücher’s nach Lüttich versetzt, wo er am 2. Mai 1815 den Aufstand des sächsischen Corps unterdrückte. Als das französische Heer zum Entscheidungskampf heranrückte, wurde er mit der Meldung hiervon an Wellington nach Brüssel gesandt und am 18. Juni wurde er nach Frischemont vorausgeschickt, um genaue Kundschaft über das französische Heer einzuziehen. Die Entschlossenheit und Umsicht, welche er in der Schlacht von Waterloo und bei der Verfolgung des Feindes gezeigt, fand Blücher’s und Gneisenau’s höchste Anerkennung; der König verlieh ihm das eiserne Kreuz 2. Classe. Die von Blücher am 19. Juni aus Genappes erlassene Proclamation an das Heer der Niederrheins ist von P. verfaßt. Als Blücher und Wellington den General v. Müffling zum Gouverneur von Paris ernannt hatten, wurde die Stadt in zwei durch die Seine getrennte Bezirke getheilt, in deren einem der englische Oberst Barnard, im andern P. Commandant wurde. Seine Wohnung im Hotel Lafitte wurde der Sammelplatz der bedeutendsten Personen dieser Zeit. Er benutzte diese Stellung u. a. zur Ausräumung des Artilleriemuseums und zur Zurücknahme der entführten Kunstgegenstände aus den Museen. Mit großer Entschiedenheit trat er in Paris gegen die durch Angriffe auf preußische Patrouillen veranlaßten Straßenaufläufe auf. Nach dem Frieden erhielt er als Lehrer bei der Kriegsschule in Berlin eine ihm sehr zusagende Beschäftigung. Er veröffentlichte eine übersichtliche Darstellung der Feldzüge der Verbündeten von 1813–1815 im „Berliner histor.-genealog. Kalender für 1817“, hielt vor größeren Officierkreisen Berlins Vorträge, welche später vom General Decker unter dem Titel „Ansichten der Kriegführung im Geiste der Zeit“ herausgegeben wurden. Im übrigen ließ er sich wieder die Verbreitung gymnastischer Uebungen, besonders den Unterricht im Schwimmen angelegen sein, wobei ihm die Stadt Berlin durch Ueberweisung [709] eines passenden Platzes in der oberen Spree zu Hilfe kam. Infolge dessen wurden auch in Magdeburg, Köln und vielen anderen größeren Städten solche Anstalten mit Erfolg angelegt. 1818 wurde P. zum Chef des Generalstabs des 8. Armeecorps in Koblenz ernannt und 1825 zum Generalmajor befördert. 1826 folgte seine Ernennung zum Commandeur der 7. Landwehrbrigade in Magdeburg und am 1. December 1828 die zum Mitgliede der Commission für die Prüfung militärisch wissenschaftlicher und technischer Gegenstände unter dem Vorsitz des Prinzen August von Preußen. 1830 erhielt er das Commando der 15. Division und die Stellung eines Commandanten von Köln. Bald hiernach ward ihm ein besonderer Auftrag bezüglich des Fürstenthums Neuenburg zu Theil. Den Bestrebungen auf Losreißung von Preußen, welche, seit 1830 fast in der ganzen Schweiz der Kampf gegen den Bundeszustand von 1815 begonnen hatte, seit 1830 hier offen hervorgetreten waren, glaubte man in Berlin kräftiger entgegen treten zu müssen, zumal die königlich Gesinnten dort der Regierung den Vorwurf der Schwäche gemacht hatten. Die Ansprache, in welcher der König von Preußen am 20. April 1831 den von der neuenburger Bevölkerung am 1. März ausgesprochenen Wunsch nach einer volksthümlichen Vertretungsart genehmigte, kündigte auch die Sendung Pfuel’s als Commissarius mit weitgehenden Vollmachten an. Dieser kam am 13. Mai in Neuenburg an, bereiste das Land, um Beschwerden über herrschende Mißstände entgegen zu nehmen, nahm der nach der neuen Wahlordnung gewählten Volksvertretung am 11. Juli den Eid der Treue ab und begab sich nach Schluß des Landtags sowie im Glauben, die Gemüther beruhigt zu haben, nach Preußen zurück. Die Ruhe war aber nur scheinbar hergestellt. Nachdem ein Corps bewaffneter Landleute am 13. September sich der Stadt Neuenburg bemächtigt, eine Volksversammiung hier die Trennung von Preußen ausgesprochen und die schweizerische Tagsatzung zur Vermeidung fernerer Feindseligkeiten das Land vorläufig hatte militärisch besetzen lassen, traf P. wieder ein und kündigte mittelst Ansprache vom 25. October an, er sei vom König geschickt, um die Rebellion in ihrer Quelle zu ersticken. Zugleich hob er die von den schweizerischen Bevollmächtigten zugesicherte Amnestie wieder auf, worauf alle Gemeinden und die Führer des Aufstandes ihm die verlangte Unterwerfung anzeigten. Er entließ sodann den Staatsrath, berief einen neuen aus Königlichgesinnten, ließ zahlreiche Untersuchungen und Verhaftungen vornehmen, befestigte nach Abzug der schweizerischen Truppen die Stadt Neuenburg und organisirte die Monarchisten zu einer Bürgerwehr. Als hierauf die erbitterten Republikaner einen Aufstand erhoben, erklärte P. das Land in Kriegszustand und zersprengte am 18. December 1831 die Aufständischen im Val de Travers, worauf er am 24. December seinen Einzug in Neufchatel hielt. König Friedrich Wilhelm III. sagte ihm unterm 31. December großen Dank für seine geschickte Leitung. Auch erhielt er das Eichenlaub zum Orden pour le mérite und ward zum Gouverneur von Neufchatel ernannt, welche Stelle er bis 1849 bekleidete. Er hielt sich daher fast jährlich eine Zeit lang dort auf und war hier sehr beliebt. Dem Könige sprach er sich übrigens schon 1832 über das Bedenkliche der Doppelstellung des Fürstenthums aus. In demselben Jahre zum Generallieutenant ernannt nahm er seinen Wohnsitz in Köln. Daß ihm als dortigem Commandanten die Festnahme und Wegführung des Erzbischofs im November 1837 ohne weitere Aufregung der Stadt rasch gelang, wurde ihm von den Ministern ausdrücklich gedankt. Anfangs 1838 wurde P. zum commandirenden General des 7. Armeecorps in Münster ernannt. 1840 wurde er nach Paris gesandt, um dem König Ludwig Philipp den Regierungswechsel in Preußen anzuzeigen. 1841 hatte er die Bundescontingente von Kurhessen, Nassau und Luxemburg zu besichtigen und [710] 1842 geleitete er das Königspaar nach Neufchatel. 1844 hatte er dem König Oskar I. von Schweden ein Beileidsschreiben des Königs wegen Ablebens Karl Johanns XIV. zu überreichen und erhielt er den schwarzen Adlerorden. Im März 1848 wurde er an v. Müffling’s Stelle zum Gouverneur von Berlin und zum General der Infanterie sowie zum Chef des 13. Infanterieregiments ernannt. Ueber die kurze Zeit, in welcher P. Gouverneur von Berlin war (11.–24. März 1848), sind handschriftliche Aufzeichnungen nach seinen Erzählungen vorhanden, in welchen die Vorgänge im königlichen Schloß sehr genau, und unter Mittheilung einiger neuen Punkte dargestellt sind. Dieselben erscheinen jedoch gegenwärtig (1887) noch nicht zur Veröffentlichung geeignet. Er wurde dieser Stellung auf seinen Wunsch enthoben, nachdem ihm der Oberbefehl über die Truppen wahrscheinlich durch den Einfluß von Kreisen entzogen war, die mit seiner Haltung am 15. März sich sehr unzufrieden gezeigt hatten. Er wurde zum Commandeur der 3. Armeeabtheilung ernannt und im April in das Großherzogthum Posen gesandt, wo infolge einer am 24. März ertheilten königlichen Zusage wegen einer nationalen Reorganisation dieses Landestheils revolutionäre Zustände entstanden waren, gegen welche P. entschieden auftrat. Hierauf wurde er nach Petersburg geschickt, um dem Kaiser Nicolaus über den Verlauf der Ereignisse in Preußen genaue Auskunft zu geben und mit Nesselrode inbetreff der schleswigschen Frage vertrauliche Besprechungen zu führen. Nachdem er dann den August 1848 in Frankfurt a. M. zugebracht, um sich ein Bild von der deutschen Nationalversammlung zu machen, begab er sich zur Erholung auf sein Gut Randau bei Magdeburg. Aber schon am 12. September wurde er vom König nach Potsdam berufen zu einem neuen wichtigen Auftrag, mit welchem seine Laufbahn endet. Auch über diese Zeit bis Ende November 1848 liegen handschriftliche Notizen nach Pfuel’s Erzählungen, welche für die Geschichte dieser Zeit von Werth sind, vor; doch kann auch aus diesen gegenwärtig (1887) vieles noch nicht veröffentlicht werden. Nachdem der Plan der Bildung eines Ministeriums Beckerath gescheitert, übernahm P. die Bildung eines neuen Ministeriums aus Vaterlandsliebe und um dem König seinen guten Willen zu zeigen, namentlich aber auch in dem bei ihm fest begründeten Glauben, daß der König der liberalen und constitutionellen Richtung huldige, zu welcher er selbst sich bekannte. Es stellte sich aber schon bald heraus, daß er nicht der für die Lage der Dinge geeignete Mann war. Am 21. September 1848 zum Ministerpräsidenten und Kriegsminister ernannt, wurde das Ministerium ihm mehr gebildet als daß er es bildete. Es erscheint tadelnswerth, daß er nicht sogleich auf volle Klarheit über die Zwecke des Königs drang; was er aber selbst für entschuldigend hielt, wird später ohne Zweifel anerkannt werden. Von demokratischer Seite ward er als „Mann des alten Regime“ begrüßt, aber sein erstes Auftreten wirkte versöhnend. Nach dem Programm, welches er am 22. September in der preußischen Nationalversammlung vortrug, wollte er zwar die Rechte und Würde der Krone vertheidigen, erklärte sich aber auch „fest entschlossen, auf dem betretenen constitutionellen Wege zu verharren, die erworbenen Freiheiten zu bewahren, alle reactionären Bestrebungen zurückzuweisen, in allen Zweigen des öffentlichen Dienstes für Befolgung der constitutionellen Grundsätze Sorge zu tragen, die Rechte und Freiheiten des Volks heilig zu halten“. Wie Reumont berichtet, wurde der König hierüber in eine halb gereizte, halb niedergeschlagene Stimmung versetzt. Das Mißtrauen der Demokraten wich vollends, als P. in der Nationalversammlung am 25. September auf Anfrage beruhigende Erklärungen abgab über Wrangel’s schon am 15. September erfolgte Ernennung zum Befehlshaber in den Marken sowie dessen und General Graf Brandenburg’s aufregende Armeebefehle. Daraufhin zerstreuten sich die Volksmassen, [711] welche in Erwartung einer ungünstigen Antwort den Straßenkampf vorbereitet hatten. Weiter gewann er bei jener Versammlung durch die Zusage, die preußische Militärmacht am Rhein der deutschen Centralgewalt für den Fall von Unruhen zur Verfügung zu stellen und den Belagerungszustand über Posen aufheben zu wollen. Großes Verdienst aber erwarb er sich in den Augen der Volksvertretung durch seine einer Deputation gegebenen Erklärung, sein Amt sofort niederlegen zu wollen, falls man ihm zumuthe, den constitutionellen Weg zu verlassen, sowie dadurch, daß er dem Beschlusse der Versammlung vom 7. September durch einen von v. Unruh entworfenen, die Ehre des Heeres möglichst wahrenden Erlaß an die Corpscommandanten nachkam, in welchem alle anticonstitutionellen Bestrebungen für unverträglich mit der Stellung eines preußischen Officiers bezeichnet wurden. Infolge dieser Haltung wurde P. bei der Menge vorübergehend populär, während die Hofpartei sich in den auf ihn gesetzten Erwartungen sehr getäuscht sah. Da er aber der Zusammenziehung von Truppen um Berlin kein Hinderniß entgegengesetzt hatte, so gerieth er in eine unhaltbare Lage. Volkshaufen in Berlin suchten ihn durch Umhertragen einer ihn darstellenden Puppe in den Straßen zu verhöhnen und radicale Berliner Blätter drangen auf Entfernung eines „so unbehilflichen alten Mannes“. Andererseits wurde er auch bei Hofe immer mißliebiger, zumal nachdem er die schroffe Antwort, welche der König am 15. October auf die Geburtstags-Gratulationsansprachen des Präsidenten der Nationalversammlung und des Befehlshabers der Bürgerwehr ertheilt, getadelt hatte. Auch verübelte ihm der König, daß er am 16. October gegen den die Vereinbarung der Verfassung verwerfenden Beschluß der Nationalversammlung nur schwachen Widerspruch erhoben und die Streichung der Bezeichnung „von Gottes Gnaden“ im Titel des Königs einfach hingenommen, auch der Aufforderung des Königs, den Zusammenstoß der Berliner Bürgerwehr mit Canalarbeitern zur Verhängung des Belagerungszustands über Berlin zu benutzen, nicht nachgekommen war. In welch hohem Grade ihn die schiefe Stellung, in welche er gerathen, unschlüssig gemacht habe, ist vom General v. Brandt lebhaft geschildert. Am 16. October bat das Ministerium um Entlassung. Da sich die Antwort verzögerte, wurde das Gesuch am 21. October von P. wiederholt. Der König genehmigte es, auf seinen Wunsch führte aber P. die Geschäfte noch bis zum 1. November weiter. Am 31. October stimmte er in der Nationalversammlung, welcher er seit dem 24. October als Abgeordneter des Kreises Birnbaum angehörte, für den Beschluß zu Gunsten von Schritten der deutschen Centralgewalt zum Schutz der Nationalitäten in Oesterreich. Da ihm auf sein Gesuch um Urlaub auf 6 Wochen ein solcher auf 6 Monate zu Theil ward, so erblickte er hierin ein Zeichen von Ungnade des Königs, nahm den Abschied und zog sich auf sein Gut Randau zurück, verlegte aber Ende October 1854, nach dem Tode seiner zweiten Frau, einer geborenen v. Alvensleben, seinen Wohnsitz nach Berlin, wo er mit Vorliebe wissenschaftliche Vorlesungen besuchte und Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften wurde. 1856 besuchte er Paris und London, 1859 bereiste er Südfrankreich und Oberitalien, 1860 weilte er als begeisterter Anhänger des erstehenden italienischen Staats längere Zeit in Neapel. Der 1866 erfolgende Tod seines älteren Sohns und ein anderes Ereigniß in seiner Familie wirkten so erschütternd auf ihn ein, daß er am 3. Dezember 1866 in Berlin starb. Er ist in der Familiengruft zu Jahnsfelde beigesetzt. – In den „Grenzboten“ wurde P. 1848 geschildert als ein wissenschaftlich in so hohem Grade gebildeter Militär, wie selten einer in der alten Schule; daneben wird ihm dort Anlage zum Sonderling nachgesagt; sein geistvoller, unbeugsamer Kopf [712] habe den Alltagszuständen widerstrebt und so habe er sich von jeher zur oppositionellen Aufklärung geneigt. Stockmar bezeichnet ihn als zerstreut und meint, sein Armeeerlaß vom September 1848 sei eine halbe Maßregel gewesen, „hervorgegangen aus der Furcht vor einer ganzen“. Reumont bezeichnet ihn mit Bezug auf 1848 als einen Mann, der sich überlebt habe; ein Militär aber, welcher ihm nahe stand, nennt ihn geistig hochbegabt, von scharfem Verstande, umfassenden Kenntnissen, hoher Energie, von stolzem Sinne für Freiheit und einem unerschütterlichen Charakter. P. schrieb Aufsätze „über Schwimmen und Schwimmschulen“ (1810), „über eine Manöverschule“ (1834), „über Aenderung der Friedensorganisation des Generalstabs“ und ein „Memoire über die Schweiz“ (1847). Sein „Rückzug der Franzosen aus Rußland“ ist in zwei Auflagen mit „Gedenknissen“ aus Pfuel’s Leben herausgegeben von Fr. Förster (Berlin 1867). Diesem Werke ist auch ein Capitel „Zur Charakterschilderung des Gen. E. v. P.“ beigefügt. Eine Büste Pfuel’s ist am 2. August 1867 in der v. Pfuel’schen Schwimmanstalt zu Berlin aufgestellt. (Vossische Zeitung Nr. 181 von 1867.) – Vorstehendes ist zum Theil bearbeitet auf Grund zahlreicher handschriftlicher Urkunden und Familiennachrichten.

Im übrigen vergl: Zeitgenossen Bd. 2 (Lpz. u. Alt. 1818) S. 175. – Denkwürd. Varnhagen’s Bd. 3, S. 169, 234; Bd. 7, S. 145. – Zander, Gesch. d. Kriegs a. d. Niederelbe im J. 1813 (Lüneb. 1839). – Parthey, Jugenderinner. - E. M. Arndt, Erinn. a. d. äuß. Leben (Lpz. 1843), S. 172. – Martens, Denkwürd. a. d. krieg. u. pol. Leben eines alten Offic. (Lpz. 1848). – Grenzboten, 1848, 2. Sem., Bd. 4, S. 167 („Zur Charakt. d. Gen. P.“). – v. Unruh, Skizzen a. Preuß. neust. Gesch. (Magd. 1849), S. 69–105. – Pertz, Leben d. Min. v. Stein, Bd. 3, S. 126. – Stahr, Gesch. d. preuß. Revol. (Old. 1850), S. 512. – Memoiren d. Hauptm. v. Reiche (Lpz. 1857). – H. v. Kleist’s Briefe an s. Schwester Ulr., her. v. A. Koberstein (Berl. 1860). – Gartenl. 1865, S. 762 („Ein verfassungstreuer Kriegsmin.“ v. Schmidt-Weißenfels). – Deutsche Rundschau. Bd. II, Heft v. Sept. 1877 („Berl. vor, unter u. nach d. Min. Pfuel, Juli–Oct. 1848“ aus d. Denkw. d. Gen. d. Inf. Dr. H. v. Brandt). – Reumont, Aus Kön. Fr. Wilh. IV. ges. u. krank. Tagen (Lpz. 1884).