Zum Inhalt springen

ADB:Schaller, Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schaller, Ludwig“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 563–565, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schaller,_Ludwig&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 20:10 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schaller, Julius
Band 30 (1890), S. 563–565 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig Schaller (Bildhauer) in der Wikipedia
Ludwig Schaller in Wikidata
GND-Nummer 117102687
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|30|563|565|Schaller, Ludwig|Hyacinth Holland|ADB:Schaller, Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117102687}}    

Schaller: Ludwig S., Bildhauer, geb. zu Wien am 13. October 1804 (Sohn des erstgenannten Malers Anton S. und jüngerer Bruder des Historienmalers Eduard S.), wurde trotz seiner frühzeitigen Begeisterung für die Kunst, zur Wissenschaft und zum geistlichen Stand bestimmt und trat deshalb, 18 Jahre alt, in das Piaristenkloster, welches er aber auf den Rath von einigen einsichtigen Geistlichen bald mit der k. k. Akademie vertauschte und seinem Genius folgend, daselbst zu zeichnen und zu modelliren begann. Nachdem S. bei Professor Kähßmann auch in der Holzsculptur sich geübt hatte, nahm ihn sein Oheim Johann Nepomuk S. in sein Atelier. Bei einer akademischen Concurrenz mit einer Perseus-Statue erhielt der junge S. den Preis. Da in Wien wenig Aussicht auf größere Beschäftigung war, begab sich S. fast gleichzeitig mit seinem treuen Freunde Moritz v. Schwind im J. 1828 nach München und versuchte sein Glück erst bei Johannes Leeb, dann bei Joh. Ernst Mayer und schließlich bei Ludwig Schwanthaler. Mit den beiden Letztgenannten nahm S. Theil an der ebenso sinnigen wie reich ornamentirten Ausschmückung (mit Basreliefs) der Plafonds in den beiden ersten Sälen der alten Pinakothek. Von besonderer Schönheit waren vier, je ein Sternbild darstellende Rund-Reliefs (die Jungfrau mit dem Sirius, der Hesperus, der Morgenstern und die Locken der Berenike), welche auf der Kunstausstellung 1832 erschienen und später in das neue Akademiegebäude zu Karlsruhe gelangten. In ähnlicher Weise schmückte S. im Neuen Königsbau in München mehrere Gemächer, darunter auch das Bibliothekzimmer der Königin Therese (eine vorzügliche Büste derselben hatte S. schon früher gefertigt) mit vier, die Baukunst, Malerei, Plastik und Naturwissenschaft vorstellenden Basreliefs. Auch entstanden einige Statuen in Gyps, z. B. eine Psyche (1832), Hebe, Euridice und Hygiea (deren Rechte die Schlange, die auf einen Baumstamm [564] gelehnte Linke aber eine Schale hält), ein sitzender Christus (1835) und die geistreiche Statuette Shakespeare’s (1836), welche in ihrer nonchalant–vornehmen Haltung ein glänzendes Zeugniß für die Auffassungsweise und weitere Bildung des Künstlers gab. Aufgemuntert durch den wohlverdienten Beifall begann S. einen ganzen Cyclus von solchen (meist 50–55 Centimeter hohen) Statuetten: Calderon, Tasso, Ariosto, Petrarca, Dante, Hans Sachs, Jean Paul, Lessing, Wieland, Herder, Schiller, Goethe u. s. w., unter welchen insbesondere der schusternde Meistersänger durch heitere Charakteristik hervorragt. Auch gelangen ihm viele Porträtbüsten, von Eduard Duller (1830), Karl Spindler, Frau v. Olivier, Julius Schnorr und vielen Anderen. Für die neue Akademie zu Karlsruhe componirte S. einen langen, die olympischen Spiele (nach Pindar) vorstellenden Fries. Seinen Genius bewährte S. in glücklichster Weise an dem neuen Museumsgebäude zu Pesth: In der Mitte des Giebelfeldes thront die Lorbeer austheilende Pannonia, zu ihrer Rechten steht im Geleite des Friedens die Kunst, während die Donau als Eckbild diesen Flügel abschließt; ihr gegenüber nimmt die Theiß die gleiche Stelle ein, während das Alterthum mit der Fama der Mittelfigur sich nähern. In den Nischen repräsentiren sechs Kolossal-Figuren die Architektur, Malerei, Sculptur, Natur- und Bibliothek-Wissenschaft und Numismatik. Ein dreifach abgetheilter Fries mit sieben Fuß hohen Figuren schildert die Kunstepochen Ungarns: Da ist der heilige Stephan dargestellt, welcher von byzantinischen Baumeistern die Kathedrale von Stuhlweißenburg erbauen läßt. Die mittlere Abtheilung schildert das Zeitalter des Königs Corvinus; vor dem Könige erscheinen die Baumeister mit den Modellen der Riesentreppe zu Wisehrad und des silbernen Daches, während die Bildhauer mit der Ausführung einer kolossalen Madonna und eines Capitäls beschäftigt sind; vor der Königin Beatrice steht der weise Aeneas Sylvius, der einen jungen Italiener vorstellt, welcher einen Baum im Topfe trägt, wodurch die neu florirende Gartenkunst angedeutet wird; den Abschluß bildet der Maler mit seinen das Bildniß des Königs tragenden Schülern. Die dritte und sinnigste Abtheilung ist der Neuzeit gewidmet: Kaiser Ferdinand und der Palatin von Ungarn mit einem Gefolge der Großen des Reiches empfangen die Huldigung der modernen Kunst: Es erscheint der Architekt Pollak mit dem Modell des Museums, hinter ihm der Erbauer der Pesther Kettenbrücke, dann der Architekt Hild mit dem Modell des Domes in Erlau, der Bildhauer Ferenczy mit einer Christusstatue und der Graf Majlath mit seiner Geschichte von Ungarn, in welche der Bildhauer S. verständnißinnig blickt. Der Giebel wurde durch den Bildhauer Rafaele Monti modellirt und bei Förster in Wien in Zink gegossen. Als dann 1839 das Preisprogramm für das Kaiser-Franz-Denkmal ausgeschrieben wurde, bewarb sich auch S.: Er stellte den Kaiser dar in römischer Toga sitzend und sein Volk segnend. Am Piedestal sollen die vier Tugenden Fides, Pax, Lex und Justitia als fundamentum regnorum den Wahlspruch des Kaisers versinnlichen, welcher hier vom Wehr-, Nähr- und Lehrstand umgeben abermals angebracht ist. S. erhielt den Preis und die Ausführung, welche jedoch später wieder zurückgenommen wurde, worauf das wenig gelungene Project Marchesi’s zur Geltung gelangte. S. erhielt auch Bestellungen zu Grabdenkmälern z. B. für den Grafen Leopold v. Stolberg (Kreishauptmann in Salzburg) und die Gattin des Kaufmanns Müller zu Stuttgart. Für König Ludwig’s Ruhmeshalle zu München lieferte S. die Kolossal-Büsten von Veit Stoß, Hans Burckmair, Peter Canisius, Franz Freiherr v. Mercy, Joachim Sandrart, Hans Karl Graf v. Thüngen, Balthasar Neumann, Christoph Johann Gatterer und Lorenz v. Westenrieder und für die Nischen der Glyptothek die Standbilder des Prometheus und Phidias. Auch die Figur [565] des Toreusten im Giebelfelde desselben Baues war Schaller’s Werk. Viele andere Reliefporträts für Baron Cotta, Freiherr v. Reischach u. s. w. kommen hier nicht in Betracht. Sein Hauptwerk bleibt außer der Statue des Großherzogs Ludwig in Darmstadt, das Herder-Standbild für Weimar. Der Dichter erscheint hier in der Tracht seiner Zeit, welche durch einen idealen Mantelwurf freilich etwas malerisch gehoben wird, doch fehlt nicht der für Herder so charakteristische Busenstreif und der freilich nicht gerade zur Schau getragene, doch auch nicht verleugnete Zopf. Milder Ernst überdeckt das Antlitz, dessen Züge nach Jagemann’s trefflicher Zeichnung und einer Büste Friedrich Tieck’s modellirt wurden. „In der Linken eine Schriftrolle haltend, legt er die Rechte wie zur Betheuerung auf’s Herz, als derjenigen Quelle, aus welcher das Beste geflossen ist, was er gedacht, geschrieben und gethan. In der ganzen Stellung und Haltung ist Würde und Freiheit, Sicherheit und Bescheidenheit und viele natürliche Anmuth. S. gibt den Priester, Dichter, Denker, Forscher, Geschäftsmann und Familienvater“ (vgl. Nr. 49 Kunstblatt vom 5. October 1848 S. 196, wo auch der, die Enthüllung und die damit verbundenen Feste schildernde Abbildung dieser Statue beigegeben ist). Der Künstler erhielt durch den Großherzog den Hausorden vom Falken erster Classe und von der Stadt Weimar das Ehrenbürgerrecht. Das war für lange Zeit der letzte Sonnenblick. Denn trotz aller bisherigen Leistungen gelangte an ihn kein weiterer, sein ganzes, echt künstlerisches Können und Schaffen in Anspruch nehmender Auftrag. Außer den mit Trophäen in den Dreieckfeldern des Siegesthores schwebenden Victorien ist keine weitere erhebliche Bestellung aus seiner späteren Lebenszeit kundbar geworden. Eine köstliche, theilweise in den Bereich des Kunsthandwerks überführende Schöpfung war sein als Kamin-Verzierung gedachtes Relief auf Shakespeare: Um den Hexenkessel aus Macbeth, der wohl dem im Kamin brennenden Feuer zu Liebe in die Mitte gesetzt ist, sammeln sich die Repräsentanten der historischen, tragischen, komischen und phantastischen Muse des nordischen Zauberers, lauter Kindergestalten, die eine als Falstaff, die andere mit dem Eselskopf von Zettel dem Weber, die dritte mit König Heinrich’s Waffen und die vierte mit dem Dolche der Lady Macbeth (Kunstblatt 1849 S. 46). Sein Lebensabend verlief ziemlich vereinsamt. S. war erst in späteren Jahren zur Ehe geschritten und hatte das Unglück, seiner Gattin in’s Grab zu schauen. Krankheiten und körperliche Gebrechen stellten sich ein. Der Tod schloß am 29. April 1865 sein müdes Leben. Sein Nachlaß wurde nach der häufig üblichen Unsitte möglichst schnell vertrödelt und zerstreut.

Vgl. Nagler 1845. XV, 139. – Kunstvereinsbericht s. 1865 S. 53. – Wurzbach 1875. XXIX, 102 ff.