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ADB:Schmidt, Clamor Eberhard Karl

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Artikel „Schmidt, Clamor Eberhard Karl“ von Heinrich Pröhle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 716–719, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt,_Clamor_Eberhard_Karl&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 14:10 Uhr UTC)
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Band 31 (1890), S. 716–719 (Quelle).
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Schmidt: Clamor Eberhard Karl S., Dichter und Domcommissarius in Halberstadt. Er wurde am 29. December 1746 in Halberstadt geboren. Sein Vater, über dessen subalterne Wirksamkeit er weder durch sein Talent noch durch das in Halberstadt bestandene juristische Examen sehr weit hinauskam, war Schreiber. Als solcher wußte er die Localverhältnisse so gut auszubeuten, daß er auf allen Gängen seinen Hasen schießen durfte und der Sohn, wenn er im Winter auf den vom Wege abgehenden Vater wartete, bald das horazische Wort von dem venator sub Jove frigido immemor pueri auf ihn anwandte. Gleichwohl übte der Vater mehr Einfluß auf die Wahl seines Berufes als die [717] Mutter und als der Rector des Domgymnasiums. Dieser Struensee (Bruder des bekannten St.?), war ein namhafter Pädagog und wollte unsern Clamor oder Klamer zum Theologen machen, wie derselbe denn auch wirklich 1773 „Gesänge für Christen“ nach kirchlichen Melodien herausgegeben hat. Von Michaelis 1764 bis Michaelis 1767 studirte Klamer in Halle die Rechte. Es war die Zeit, als Klotz und J. G. Jacobi zu den Universitätslehrern zählten. Doch lernte er nur Bürger kennen, der sich zwar in ganz anderen studentischen Kreisen umhertrieb, als der wohl stets streng sittliche S., aber doch einstmals in einer Punschgesellschaft mit ihm zusammentraf. Bald nach der Universitätszeit wurde S. von Bürger als erotischer Dichter sehr geschätzt, wie er denn auch mit Gleim einer der fleißigsten Mitarbeiter am Bürger’schen und den andern Musenalmanachen wurde. Sein Gedicht „Ich bin ein deutscher Barde“, sein Lied auf das Fliegenschnepperchen, die Hendekasyllaben überraschten das Publicum, als sie zuerst gedruckt wurden. Sein Lied „Hier sitz’ ich auf Rasen mit Veilchen bekränzt“ ist noch heute bekannt. Man glaubte in S. bald nach einander einen Petrarka, einen Catull und zuletzt noch einen Horaz zu erhalten. Im ganzen aber entsprachen die späteren Leistungen nicht den anfänglich erregten Erwartungen. Sein Verbleiben in Halberstadt trug vielleicht dazu bei. Seine Verwandten sprechen ihm in der von ihnen seinen Werken beigegebenen Biographie eine bedeutende Willenskraft ab und geben als Grund hierfür seine poetischen Anlagen an. Allein diese Schlaffheit ist es eben, die ihn kaum auf einen Platz unter den Dichtern zweiten Ranges gelangen ließ. Wenn aber Klamer S. selbst sich darüber beklagt, daß Gleim ihm ein zu gelinder Richter sei, so muß gesagt werden, daß Gleim ihm wenigstens rieth, nicht durch eine Uebersetzung des Horaz mit Voß zu concurriren. Es war dies um so achtungswerther, als Gleim selbst mit der Schwerfälligkeit der Vossischen Uebersetzungen nicht einverstanden war. Trotz allem, was jetzt die Germanistik gegen die Vossischen Hexameter einwendet, hatte Gleim Recht. Es muß ferner darauf hingewiesen werden, daß Klamer S. auf die patriotische Seite von Gleim’s Thätigkeit, die immer mehr eine politische wurde, nicht einmal in dem Grade einging, wie der Rector Nathanael Fischer, geschweige denn wie der nachmalige General v. Knesebeck. Als Dichter stand freilich Gleim zu dieser Zeit keinswegs über S. Letzterer kehrte um die Zeit in seine Vaterstadt zurück, als dort Gleim’s Bestrebungen Männer wie Heinse und J. G. Jacobi auf die Dauer in seine Nähe zu ziehen, scheiterten. Unmöglich hätten diese ihn, wie S. es that, zur Gelegenheitsreimerei noch mehr ermuntern können. Ohne Zuthun Gleim’s faßte S. als Secretär bei der Kriegs- und Domänenkammer festen Fuß. Diese Stellung vertauschte er mit einer ähnlichen am Dom. Durch Lorenz Benzler, welcher Bibliothekar in Wernigerode war, wurde er Hofpoet des Grafen zu Stolberg-Wernigerode. Er bezog dessen Curie in Halberstadt. Als indessen der Graf selbst mit der „heiligen Familie“, wie es in Klamer Schmidt’s Briefen heißt, als Domdechant nach Halberstadt zog, erhielt S. von Gleim (testamentarisch bis zu Schmidt’s Tode) freie Wohnung in Klamers-Ruh, einem überaus schmalen Häuschen hinter dem Dom. Graf Stolberg kaufte ihm zwei Vicariate und Herr von Spiegel-Pickelsheim, mit welchem er die Gelegenheitsdichterei gemeinschaftlich betrieb, machte ihn zu seinem Procurator. Wie zu Bürger, Tiedge, Göckingk, Heinse, Jacobi, so trat S. zu allen bedeutenden Dichtern, welche bei Gleim verweilten (Herder, Voß, Jean Paul) in ein intimes Verhältniß. Nur Wieland fand ihn zu unbedeutend. Doch konnte S. sich später rühmen, er sei in Wieland’s Merkur „der Erste gewesen, der 1776 das Sonett wieder in den Lauf gebracht“, wie in Eichhorn’s Geschichte der Litteratur stehe. Seine Minna, die ihn zum von Bürger bewunderten erotischen Dichter machte [718] und schnell verstarb, war nur eine Lauchstedter Badebekanntschaft. Durch seine Wiesa heirathete er dann in eine Gelehrtenfamilie hinein, welche von dem alten Historiker Abel und dem Rechenmeister Adam Riese zugleich abstammte. Klamer’s Vater lebte noch lange im Halberstädter Kreise. Er konnte den Sohn kaum mehr bewundern als Gleim, welchem Wilhelm Körte in den Festgedichten zu Klamer’s Beamten- und Dichterjubiläum 1819 die Worte in den Mund legte:

Gevatter Schmidt, ich werde alt,
Hätt’ Eure poetischen Werke (gern) bald!
Ich kann nicht mehr umhervagiren
Und alle Beete durchlucubriren,
Um Eure Blumen herauszufinden;
Sollt Alles in Einen Kranz mir binden.
Ihr junges Volk bedenkt es nicht,
Daß sich schon senkt mein Lebens-Licht.

1803 starb Gleim. Als 1806 Napoleon’s Löffelgarde kam und einer der Freunde Klamer’s dem vor ihr her fliehenden Könige Friedrich Wilhelm III. kaum die nöthigen Postpferde gab, nicht minder als das Domstift aufgehoben wurde, entbehrte Klamer längst der patriotischen Leitung des Verfassers der Grenadierlieder. Arndt’s „Geist der Zeit“ mißfiel ihm. Daß manche seiner Freunde, wie Johannes v. Müller, in Cassel Einfluß hatten, war ihm natürlich weit erfreulicher, als daß der Herzog von Braunschweig-Oels Halberstadt 1809 einmal eroberte. Doch verbesserte sich seine nicht unglückliche Lage noch etwas, als sein Freund Lucanus, der während der Fremdherrschaft auf ein Gut nach Schlesien gegangen war, zurückkehrte. Der Lieutenant Knesebeck besuchte ihn nun als General. Theodor Körner hatte er 1813 bei der Durchreise durch Halberstadt wohl nicht beachtet, aber Stägemann erklärte er nachträglich für einen der größten Dichter und daß sich Fouqué ihm näherte, war ihm höchst erfreulich. 1815 beobachtete er die Freiwilligen, die auf dem Domplatze für den Marsch nach Paris einexercirt wurden. Als er Raßmann’s schlimme Lage erfuhr (s. A. D. B. XXVII, 335), tröstete er ihn damit, daß er bloß hätte mit diesen Jünglingen in den Krieg zu ziehen brauchen, um später eine gute Carriere zu machen. Klamer S. war nur Gelehrter und Dichter. Mehr als der charaktervolle Gleim war er daher schuld an jener bloß auf das Litterarische hinzielenden Richtung unter den fast mehr als von Gleim von ihm repräsentirten Halberstädtern, die in der That zur Freundschaftständelei wurde. Während der Jugendperiode Klopstock’s und Gleim’s hatte noch die edelste Freundschaft, wie sie sich in Klopstock’s Oden ausspricht, an ihrer Stelle gestanden. Wenn dagegen die Freundschaftständelei sich auch in der Form des Briefwechsels zwischen Knesebeck und Gleim zeigt, so[WS 1] ist doch eben der Inhalt hier nur Krieg und Politik. Es war daher ein Mißgeschick für die deutsche Litteraturgeschichte, daß Klamer S. 1810 das unter dem Titel „Klopstock und seine Freunde“ bekannte Werk nach Gleim’s Nachlasse herausgab, in welchem er durch Weglassung alles Bedeutenden und durch eine ungeschickte, bloß von seichten ästhetischen Gesichtspunkten ausgehende Redaction die Freundschaftständelei unwillkürlich noch viel schlimmer darstellte, als sie wenigstens bei Klopstock selbst gewesen war. Besser als Klamer S. in diesem Buche mit Klopstock und Gleim verfuhr, verfuhren sein Sohn Wilhelm Werner Johann S. († als Superintendent in Quedlinburg) und sein Schwiegersohn Friedrich Lautsch († als Prediger in Aschersleben) mit ihm selbst, da sie 1826 höchst tactvoll aus seinen eigenen Briefen an seinen Schwager Abel in Düsseldorf, einen Freund der Jacobi’s und Heinse’s, eine für die Zeit- und Litteraturgeschichte nicht ganz werthlose Ergänzung seiner nur bis 1774 reichenden Selbstbiographie herstellten. Doch dürften die Antworten aus Düsseldorf vielleicht [719] ebenso interessante Stellen enthalten haben. Ueber Heinse’s Briefe an Klamer S., auf welche dieser Werth legte, ist mir nichts bekannt. Vielleicht befinden sie sich im Nachlasse des bekannten Naturarztes Arthur Lutze zu Köthen, der mit Auguste Lautsch, einer Enkelin Klamer Schmidt’s, verheirathet war. Klamer S. starb am 12. November 1824.

Ungedruckte Briefe von Klamer S. an Benzler in Pröhle’s Händen. – Klamer Schmidt’s Leben und auserlesene Werke. 3 Bde. 1826–1828. – Ueber Knesebeck’s Stellung zu Gleim und Klamer S. vergl. Knesebeck’s Briefe an Gleim als Seitenstück zu Goethe’s Campagne in Frankreich im Anhange zu H. Pröhle Goethe, Schiller, Bürger und einige ihrer Freunde (1889). – Ueber Klamer S. und Heinse vgl. H. Pröhle Lessing, Wieland, Heinse. – Für den Briefwechsel zwischen Klopstock und Gleim wurde noch nicht von Lappenberg, aber von Pröhle und zuletzt von Muncker auf die Halberstädter Handschriften zurückgegangen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. in der Vorlage: so so