ADB:Sommer, Emil Friedrich Julius

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Artikel „Sommer, Emil Friedrich Julius“ von Heinrich Pröhle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 599–601, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sommer,_Emil_Friedrich_Julius&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 11:37 Uhr UTC)
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Sommer, Friedrich
Band 34 (1892), S. 599–601 (Quelle).
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Sommer: Emil Friedrich Julius S., der erste Privatdocent im germanistischen Fache an der Universität Halle. Er war geboren am 5. Mai 1819 in Oppeln und wurde am 18. Juli 1842 auf Grund seiner Dissertation „De carmine Germaniae saeculi XIII diu guote frouwe inscriptio“ in Halle Doctor der Philosophie. Dann ging er nach Berlin, wo er durch beide Brüder Grimm noch weiter ausgebildet und besonders durch Wilhelm zum Sagensammeln angeregt wurde. Unter dem 9. August 1844 richtete Emil S. vorschriftsmäßig an den damaligen Curator der Universität Halle, Geh. Rath Pernice, das Gesuch, ihm die Beantragung seiner Habilitation bei der philosophischen Facultät zu gestatten. Am 12. September 1844 zeigte dann der Decan Meier dem Curator an, daß „Aemil S.“ durch mehrere sehr tüchtige Druckschriften und besonders am 11. durch gelungene und geschickte Vertheidigung seiner Habilitationsschrift „De Theophili cum diabolo foedere“ seine entschiedene Qualification zum akademischen Lehramte für das Fach der deutschen Sprache und Litteratur documentirt habe. Er sei einstimmig als Privatdocent zugelassen worden. Man ergiebt sich der Hoffnung, daß durch S. manche in Halle noch gar nicht oder unvollständig besetzte Lehrgegenstände allmählich eine würdige Vertretung finden werden. Im nächsten Semester wolle S. über deutsche Mythologie und über die Nibelungen Vorlesungen halten. Trotz des unverkennbaren Wohlwollens, mit welchem ihm auch Meier als Decan entgegenkommen war, glaubte sich S. in Halle nur an den Curator, sowie an Leo und Bernhardy, welche alle der äußersten Rechten angehörten und denen besonders Karl Schwartz schroff gegenüberstand, anschließen zu müssen. Dies verdarb leider auch seine Stellung den Studenten gegenüber und konnte ihm doch bei der Unzulänglichkeit der damaligen Mittel der preußischen Universitäten nicht unbedingt nützen. Während der sonst so feine und liebenswürdige Licentiat Schwartz ihn im vertrauten Kreise „ein gelehrtes Grimm’sches Vieh“ nannte, suchten seine Freunde in Halle selbst ihm nur von einem Parteistandpunkte aus zu helfen, der vielleicht nicht einmal ganz der seinige war. Indessen wagte er es schon nach einem Jahre unter dem 16. November 1845 das hier zum größten Theile folgende Schreiben an den Curator zu richten, welches uns das beste Bild von seinen treuen Bestrebungen und seinen bitteren Leiden gibt: „Das Wohlwollen, dessen ich mich von Ew. Hochwohlgeboren wiederholt zu erfreuen gehabt habe, läßt mich Entschuldigung hoffen, wenn ich mit einer neuen Bitte mich an Sie zu wenden wage. Leider ist es mir dauernd unmöglich, durch litterarische Arbeiten so viel zu erwerben, als mir zur Befriedigung meiner dringendsten Bedürfnisse unentbehrlich ist; das Honorar aber, welches ich für meine Privatvorlesungen erhalte, steht zu der vielen Mühe [600] und Zeit, die ich auf Ausarbeitung der Hefte verwende, in keinem Verhältniß, weil es in der Natur meiner Privatvorlesungen liegt, daß sie nicht sehr zahlreich besucht sein können und ein großer Theil der Zuhörer noch das Honorar gestundet erhält. Da ich jedoch außer dem Ertrage meiner litterarischen Arbeiten und den akademischen Honoraren keine Hilfsquelle besitze, so wage ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst zu bitten, mir bei Sr. Excellenz dem Herrn Minister eine Unterstützung zu erwirken und erlaube mir ergebenst hinzuzufügen, daß ich gegenwärtig eine kritische Ausgabe des mittelhochdeutschen Gedichts von Flore und Blancheflur mit Anmerkungen und ausführlicher Einleitung drucken lasse, von der bereits acht Bogen fertig sind. Auch gestatten Sie mir, ergebenst zu bemerken, daß ich bis jetzt nichts vergeblich an der Universität angekündigt habe, obwohl von den sechs Vorlesungen, die ich theils gehalten habe, theils in diesem Semester halte, nur eine, die über Geschichte der älteren deutschen Litteratur, schon früher an der hiesigen Universität gehalten worden ist. In diesem Semester besuchen meine Vorlesung über deutsche Grammatik zwölf Zuhörer, und für die unentgeltliche, in der ich die Gedichte Walther’s v. d. Vogelweide erkläre, habe ich bis jetzt 17 Meldungen empfangen. doch fand ich im Auditorium stets gegen 40 Zuhörer, so daß ich hoffe, daß sich mehr als 17 Zuhörer auf der Quästur gemeldet haben. Die zweite unentgeltliche Vorlesung, die ich für das laufende Semester angekündigt hatte, über Geschichte der deutschen Litteratur seit Lessing bis auf die Gegenwart, war ich leider durch meine Verhältnisse genöthigt, zunächst bis Weihnachten auszusetzen, und ich weiß noch nicht, ob ich in der zweiten Hälfte des Semesters sie mit Verdoppelung der Stunden noch zu halten im Stande sein werde, da die schriftstellerischen Arbeiten, zu denen meine Lage mich zwingt, sich noch dauernd mehren und meine bereits angegriffene Gesundheit durch dieselben immer mehr bedroht wird.“ Die Unterstützung wurde ohne Zweifel gewährt. Am 24. Februar 1846 war das erste Wilhelm Grimm zum Geburtstage gewidmete Heft der „Sagen, Märchen und Gebräuche aus Thüringen und Sachsen“ fertig. Am 30. April sandte S. es mit Flore und Blancheflur an den Minister Eichhorn. Er bemerkt, daß er auch mehrere Aufsätze in Haupt’s Zeitschrift für deutsches Alterthum, den Artikel „Faust“ bei Ersch u. Gruber und viele größere und kleinere Recensionen besonders in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik geschrieben habe. Alles Honorar, welches er von Studirenden in drei Semestern empfangen, habe nur 36 Thaler betragen. Für seine Vorlesung über deutsche Grammatik hatten sich 11, über Geschichte der Faustfage 50 Zuhörer gemeldet. Er beruft sich „nochmals auf die Herren Professoren Grimm und Lachmann“ und wagt es nun, um eine außerordentliche Professur in Halle mit einem, wenn auch nur geringen Gehalte zu bitten. Der Curator befürwortete das Gesuch. Voller Hoffnungen, wenn auch vielleicht erst für das Wintersemester, begab sich S. gegen Ende der Osterferien an den Kyffhäuser, um die Kyffhäusersagen, die Bechstein nur nach Chroniken hatte abdrucken lassen, für das zweite Heft seiner Sagen nach dem Volksmunde zu sammeln. Aber schon unter dem 12. Juni 1846 schrieb ihm der Curator nach Kelbra, dem Hauptorte am Kyffhäuser: „Mit lebhaftestem Bedauern habe ich erfahren, daß Ew. Wohlgeboren auf Ihrer Fußreise plötzlich erkrankt sind. Ich eile Ihnen meine innigste Theilnahme an diesem Unfalle auszudrücken und benachrichtige Sie zugleich, daß Sie über eine Summe von hundert Thalern, welche ich Ihnen bei des Ministers Excellenz ausgewirkt, ganz nach Ihrem Willen disponiren können“ u. s. w. Einen Monat später erhielt er abermals hundert Thaler, wie aus folgendem Schreiben des Ministers Eichhorn an den Curator vom 11. Juli 1846 zu schließen ist: „Nach einer Mittheilung des Professors Dr. Jacob Grimm ist der Privatdocent Dr. Sommer bedeutend erkrankt und [601] in Folge dessen zu außergewöhnlichen, seine Mittel übersteigenden Ausgaben veranlaßt worden. Mit Rücksicht hierauf habe ich demselben eine Unterstützung von einhundert Thalern bewilligt, welche Ew. Hochwohlgeboren auf den Titel „„Insgemein““ des Etats der dortigen Universität anweisen wollen.“ S. starb ein bis zwei Wochen darauf in Halle am Abende des 22. Juli 1846 im Alter von 27 Jahren. Der Curator zeigte dies dem Minister am 23. Juli 1846 folgendermaßen an: „Es liegt mir die traurige Pflicht ob, Ew. Excellenz das gestern Abend erfolgte Ableben des Privatdocenten in der philosophischen Facultät Dr. Sommer ehrerbietigst anzuzeigen. Der Tod des jungen Gelehrten ist für die Wissenschaft, der er mit wahrem Feuereifer sich widmete, sowie insonderheit für die hiesige Universität, auf welcher er für sein Studium in so glücklicher Weise Terrain gewonnen, sehr zu beklagen. Er ist wie ich weiß hinüber geschieden mit innigem Dankgefühl für die Wohlthaten, mit welchen Ew. Excellenz Gnade ihm seinen Lebensweg bis zu seinem Ende erleichtert haben.“ Aus diesem und dem vorigen Briefe geht hervor, daß der Minister Eichhorn, dessen Wohlwollen für die Dramaturgie aus seinen Beziehungen zu Rötscher und Spiker (s. d. Art.) erhellt, ganz besonders für die germanistischen Studien ein warmes Interesse hegte. Er folgte darin ganz Jacob Grimm, dessen Forderungen für seine Wissenschaft selbst noch sehr gering waren. Im ganzen scheint S. nicht über 300 Thaler als Unterstützung erhalten zu haben. Hoffmann v. Fallersleben nahm an den Studien von S. über Theophilus und Faust, womit wohl von S. die beabsichtigte, auch auf Lessing bezügliche Vorlesung zusammengehangen hatte, ein warmes Interesse. Wegen des frühen Todes von S. blühten die germanistischen Studien in Halle erst ein Jahrzehnt später durch Zacher und dessen Schüler Höpfner auf, welche dann lange gemeinsam die bekannte noch fortbestehende Zeitschrift herausgaben.

Die Abschriften der im Archive des Curators der Universität Halle befindlichen, auf S. bezüglichen Actenstücke, sind der Güte des Regierungsbevollmächtigten in Halle, Herrn Geh. Oberreg.-Rath Schrader zu danken. – Da Sommer’s Kyffhäusersagen nicht erschienen, so hat sie der Unterzeichnete nochmals gesammelt und in seinen „Deutschen Sagen“ veröffentlicht. Ob indessen S. überhaupt schon Kyffhäusersagen aufgezeichnet hatte, als er in Kelbra vom Blutsturze befallen wurde, und wo sich sein Nachlaß befindet, war nicht in Erfahrung zu bringen. – Vgl. auch H. Pröhle, Märchenstrauß, Vorwort S. IV. – Veckenstedt’s Zeitschrift 1892.