BLKÖ:Mácha, Karl Hynek

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 16 (1867), ab Seite: 193. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Karel Hynek Mácha in der Wikipedia
Karel Hynek Mácha in Wikidata
GND-Eintrag: 118575783, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Mácha, Karl Hynek|16|193|}}

Mácha, Karl Hynek (čechischer Poet, geb. zu Prag 10. November 1810, gest. zu Leitmeritz 5. November 1836). Sohn unbemittelter Eltern, verlebte M. die Kinderjahre in jener traurigen Drangperiode, in welcher Krieg, Theuerung, Hungersnoth durch die Länder der Monarchie zogen, und in den Verhältnissen von Einzelnen wie ganzer Familien traurige Spuren zurückließen. Unter solchen Umständen konnte der unbemittelte Vater, Müllergeselle seines Zeichens, nichts für die Erziehung seines Sohnes thun, und nur den inständigen Bitten des Knaben gelang es, den Vater von dem Vorhaben, ihn ein Handwerk erlernen zu lassen, abzubringen. So betrat denn M. die wissenschaftliche [194] Laufbahn. Ziemlich spät, im Alter von bereits 20 Jahren, hatte M. im Jahre 1830 den Besuch des Altstädter Gymnasiums in Prag beendet. An demselben hielt zu jener Zeit der berühmte Lexikograph Joseph Jungmann [Bd. X, S. 319] Vorträge über die böhmische Sprache. Zu seinen eifrigsten Schülern zählte Mácha, dessen Begeisterung für die Muttersprache mit jedem Tage zunahm. Um jene Zeit schon versuchte sich M. in poetischen Arbeiten, theilte sich aber – eine verschlossene Natur – bezüglich dieser Bestrebungen Niemand mit. Mit dem Eintritte in die philosophischen Studien wuchs sein Drang, die großen Poeten anderer Völker kennen zu lernen, und so las er denn die Classiker verschiedener Völker und Zeiten. Von den Deutschen zog ihn vor allen Göthe an; aber Zacharias Werner und Novalis traten ihm auch sehr nahe, und man will von diesen beiden Dichtern zunächst den Hang zum Mysticismus und die tiefe Schwermuth ableiten, die aus seinen Poesien spricht. Ueberdieß versenkte sich M. in philosophische Studien, und die Werke Ossian’s und Scott’s wirkten mächtig auf seine lebhafte Fantasie. Nachdem er die philosophischen Studien beendet, begann er jenes der Rechte, und um diese Zeit wurde er mit Byron’s Werken bekannt. Im August 1834 unternahm M. mit seinem Freunde Anton Strobach eine Fußreise nach Oberitalien. Fünf Wochen waren beide Wanderer auf dem Wege und Mácha brachte eine Fülle tiefer und nachhaltiger Seeleneindrücke von dieser Reise in die Heimat zurück. Der Anblick der Lagunenstadt Venedig und jener des gewaltigen Meeres hatten seine für alles Große und Gewaltige so empfängliche Seele mächtig ergriffen. Nach seiner Rückkehr blieb M. bis zum 27. September 1836 in Prag, dann nach beendeten Rechtsstudien begab er sich nach Leitmeritz, um bei einem dortigen Rechtsanwalt in die juridische Praxis einzutreten. Von Leitmeritz aus unterhielt er mit seinen Sangsgenossen in Prag und mit dem Mädchen seines Herzens, mit dem er am 8. November 1836 seine Vermälung in Prag feiern wollte, einen fleißigen brieflichen Verkehr. An einem Sonntagsnachmittage des Monats October befand sich M. auf dem etwa eine Stunde von Leitmeritz gelegenen Berge Radobyl. von dessen Höhen das Auge des Beschauers einen wunderlieblichen Fernblick genießt. Da gewahrte er in der Richtung gegen Leitmeritz plötzlich eine helle Feuersäule. Augenblicklich war sein Entschluß gefaßt. Nach einem halbstündigen hastigen Laufe hatte er Leitmeritz erreicht und war einer der Ersten auf der Brandstätte. Eilf getreidevolle Scheuern standen in vollen Flammen, die überdieß ein heftiger Wind nährte. Nun legte Mácha Hand an’s Rettungswerk. Er schien sich zu vervielfachen, auf den Mauern der Brandstätte war er, wo es am gefährlichsten war, bald mit dem Wasserbüttel löschend, bald mit der Hacke einreißend, um dem Feuer Einhalt zu thun. Um den Flammen mit dem Körper besser Trotz bieten zu können, ließ er sich zu wiederholten Malen mit Wasser überschütten. Erst spät in der Nacht kam er ermattet heim und legte sich zur Ruhe. Von der Zeit befand er sich unwohl, wollte aber darauf nicht achten, bis sich sein Zustand in wenigen Tagen schon so sichtlich verschlimmerte, daß er selbst nach einem Arzte verlangte. Als der Arzt kam, fand dieser, daß hier jede Hilfe vergebens und der Tod so rasch eintreten könne, daß er rieth, den Priester holen zu lassen. Dieser erschien, trat zu dem kranken Dichter, [195] erhielt aber auf die Frage, ob er mit den Sterbesacramenten versehen zu werden wünsche, von M. keine Antwort und entfernte sich. Als Mácha’s Schwäche gegen den Abend mächtig zunahm, erschien der Priester auf Wunsch der Hausleute nochmals, ging aber schon nach wenigen Minuten wieder unverrichteter Dinge weg. Als später die Hauswirthin bei dem Kranken eintrat, gab ihr dieser noch Grüße an seine Eltern und Freunde auf, dann schwieg er. Nach einer Stunde wurde die neben seinem Bette sitzende und betende Frau auf ihn aufmerksam, da er die Hand leise über die Bettdecke bewegt hatte. Als sie sich nun zu ihm mit der Frage neigte, ob er etwas wünsche, und keine Antwort erhielt, sah sie ihn genauer an und fand, daß er todt war. Am 5. November – erst 26 Jahre alt – war er gestorben, am 8., an dem Tage, an welchem er sein Mädchen zum Altare führen wollte, wurde er begraben. Mit seiner Leiche, schreibt sein Biograph, wurde eine Fülle der schönsten Hoffnungen eingesargt und begraben. Bei einer hervorragenden Sympathie für menschliche Leiden, die sein weiches Dichtergemüth erfüllte, besaß er eine innige Vorliebe für die Natur, deren Schönheiten er in seinen Geist aufzunehmen und in seinen Dichtungen in reizender Form wiederzugeben verstand. M. besaß dabei eine große Vorliebe für die zeichnenden Künste und ein nicht gewöhnliches Talent im Zeichnen. Schöne Gegenden, wenn ihn ihr Anblick besonders fesselte, pflegte er fein und sauber in seine Bildermappe zu zeichnen und aus derselben in seine Dichtungen in Worten zu übertragen. Besonders Burgruinen besaßen für ihn eine große Anziehungskraft, und mit großem Geschick verstand er den Standpunct zu wählen, der am meisten malerisch sich darstellte. Nach seinem Tode fand sich eine Mappe von nahezu siebenzig Abbildungen solcher Burgruinen vor, die er alle fein säuberlich aufgenommen und ausgeführt hatte. Was seine poetischen Arbeiten betrifft, so war bei seinen Lebzeiten nur das Gedicht „Máj“, d. i. Der Mai, erschienen, das ihn, und mit Recht, berühmt gemacht und zu den Zierden der neučechischen Poesie immerdar zählen wird. Außerdem waren mehrere Gedichte und Novellen in čechischen Blättern, als in der „Večerní vyražení“, d. i. Abendliche Unterhaltungen, in „Jindy a nyní“, d. i. Einst und Jetzt, im „Čechoslovan“, d. i. der Čechoslave, und in den „Květy“, d. i. die Blüthen, erschienen. Zahlreiche lyrische Dichtungen, ein Roman: „Die Zigeuner“ und verschiedene Dramenfragmente haben sich in seinem Nachlasse vorgefunden. Eine Gesammtausgabe seiner Arbeiten, so sehnlich sie von den zahlreichen Freunden des Dichters seit Jahren gewünscht worden, war erst etwa drei Decennien nach seinem Tode erschienen. Indessen stieg der Preis der ersten und bis vor wenig Jahren sehr gesuchten Dichtung „Máj“ zu bedeutender Höhe, und als sie im Buchhandel gar nicht mehr aufzutreiben war, wurde sie durch zahlreiche Abschriften vervielfältigt. Die Schriften Mácha’s, theils einzeln, theils gesammelt, sind bisher in nachstehender Folge erschienen: „Máj, bášen romantická“, d. i. Der Mai, ein romantisches Gedicht (Prag 1836, Johann Spurný, 16°., 72 S.); diese erste Ausgabe erschien als erstes Heft der „Spisy K. H. Máchy, d. i. Der Schriften K. H. Mácha’s, als Selbstverlag; die Fortsetzung wurde durch seinen plötzlichen Tod vereitelt. Etwa zehn Jahre nach seinem Tode erschien die erste deutsche Uebersetzung dieses Gedichtes von Siegfried Kapper [s. d. Bd. X, S. 451] [196] mit einer kurzen, zum Theile biographischen Einleitung von Theodor von Grünwald, abgedruckt im Jahrgange 1844 des von Klar herausgegebenen Taschenbuches „Libussa“ (S. 97–124). Ohne die Vorzüge dieser Uebersetzung zu bestreiten, so war doch der Gedanke einer neuen Uebersetzung ebenso glücklich und mit Geschick von Alfred Waldau, der jedoch derselben Kapper’s Arbeit zu Grunde legte, ausgeführt worden. So erschienen nebst der Dichtung „Mai“ noch 50 vermischte Gedichte Mácha’s, zum Theil in ganz vortrefflicher Uebertragung. unter dem Titel: „Karl Hynek Mácha’s ausgewählte Gedichte. Aus dem Böhmischen übertragen von Alfred Waldau“ (Prag 1862, H. Dominicus, Taschenformat). Diesen Uebersetzungen geht S. 1– 41 eine biographisch-literarhistorische Einleitung voraus. Im Jahre 1845 wurde eine Gesammtausgabe der Schriften Mácha’s begonnen, unter dem einfachen Titel: „Spisy“ (Prag 1845, 12°.). Diese Ausgabe eröffnete K. Sabina mit einer ausführlichen Lebensbeschreibung des Dichters (CVIII S.), aber mißliche Verhältnisse haben eine Fortsetzung des Unternehmens verhindert. Nun erschien der Zeitfolge nach als viertes Heft des dritten Jahrganges des bei Katharina Jeřabek in Prag von 1855–1860 herausgegebenen Sammelwerkes „Bibliothéka českých původních románů historických i novovékých“, d. i. Bibliothek čechischer historischer und moderner Original-Romane, sein Roman „Cikáni“, d. i. die Zigeuner. Endlich hat der jüngst verstorbene Buchhändler I. L. Kober eine Gesammtausgabe von Macha’s Schriften veranstaltet und glücklich zu Ende geführt. Sie bilden in den Sammelwerken „Spisy výtecných českých básníků novověkých“, d. i. Schriften der auserlesenen modernen čechischen Poeten, die dritte Abtheilung dieser Sammlung (oder Heft 26–34), unter dem Titel „Spisy Karla Hynka Máchy“, 2 Theile (Prag, 1862, I. L. Kober, 16°.), unter welchem sie auch in einer Separatausgabe erschienen sind. Der erste Theil enthält die Dichtung „Máj“; dann „Básně druhů rozmanitého“, d. i. Gedichte vermischten Inhalts, und „Dramaticke zlomky“, d. i. Dramatische Fragmente, u. z. Die Brüder, König Friedrich, Boleslaw und der Förster; der zweite Theil: Die größere Erzählung „Cikáni“, d. i. Die Zigeuner; „Obrazy ze života mého“, d. i. Bilder aus meinem Leben (4 Skizzen); „Zlomky z románu „Kat“, d. i. Bruchstücke aus dem Romane „der Henker“; „Zlomky z rozličných povídek“, d. i. Bruchstücke aus verschiedenen Erzählungen. Den Schluß bildet eine ausführlichere Lebensskizze des frühverblichenen Poeten. Was das erste Auftreten M.’s betrifft, so erzählt uns sein Biograph, daß auch ihm das wenig beneidenswerthe Loos so vieler Dichter geworden, und daß er bei Lebzeiten nicht auf Rosen und Lorbeern gebettet gewesen. Von der höchst mittelmäßigen böhmischen Kritik, so schreibt treffend Waldau, die so viel albernen Lobes und wieder so viel ungerechten Tadels der Oeffentlichkeit zu übergeben pflegte, wurde er vielfach verkannt und verketzert. Leute, die in dem traurigen Wahne lebten“ große Dichter zu sein, die aber in Wahrheit nur eine pure „Biedermeyerpoesie im Style der „fliegenden Blätter“ cultivirten, setzten sich diesem wirklichen Dichter gegenüber, auf’s hohe Paraderoß, und kanzelten ihn in den hausbackensten kritischen Phrasen herunter. Diese literarischen Spießbürger aber und ihre „Geistesproducte“ liegen schon lange im Staube der Vergessenheit, kein Hahn [197] kräht mehr nach ihnen, während Mácha’s Name und Geist noch immer in böhmischen Herzen leuchtet und blüht. Mácha ist besonders ein Liebling der Jugend. Wer kann der Liebe Vorschriften machen oder nach ihren geheimnißvollen Zügen und Quellen fragen? Sie ist kein Preis, den man erwerben kann, sie ist ein freies Geschenk, und glücklich, dreimal glücklich der Dichter, dem die jungen Herzen ein solches Geschenk darbringen! Er kann mit freudigem Stolze auf die unverschämten kritischen Wanzen herabsehen, die sich erdreisten, sein schönes Werk: „rýmowané škváry (gereimten Schmarrn) zu schimpfen, wie es unserem Mácha wirklich passirte! Das ist das Loos des Schönen auf Erden! Literarische Dunkelmännlein liebten es von jeher, das Strahlende zu schwärzen. Allein was thut die graue wasserschwangere Wolke dem holden Abendstern??..“ (Herausgeber glaubte diese Stelle – obgleich ihr Ton nicht jedem zusagen dürfte, unverkümmert hersetzen zu müssen, weil sie so recht den Jammer von „Dichters Erdenwallen“ kennzeichnet.) Was Mácha den Menschen betrifft, so war er, wie ihn seine Biographen schildern, eine der originellsten Persönlichkeiten, welche die neuböhmische Literatur aufzuweisen vermag. Er besaß einen festen, entschiedenen, aber verschlossenen Charakter. Neben starker Ausdauer und großem Selbstvertrauen erfüllte ihn ein hoher Grad von Ehrgeiz, der zuweilen in eine gewisse Sucht nach Originalität ausartete, die sich namentlich in seiner äußeren Erscheinung offenbarte. Daher kam es, daß Mácha von Vielen für einen bizarren Sonderling gehalten wurde. Dabei aber blühte in seinem weichen Dichterherzen die edelste Sympathie für menschliche Leiden und die innigste Vorliebe für die Natur. Sein Geist lebte rastlos in ihren Schönheiten, sie gab er in einer reichen Gallerie von Dichtungen wieder. Seine Freude war es, an besonders interessanten Puncten den Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang zu betrachten, ja es geschah häufig genug, daß er eine Nacht unter Gottes freiem Sternenhimmel zubrachte, um einen Sonnenaufgang nicht zu versäumen. Die Ursache jener düsteren Stimmung, die aus seinen Gesängen spricht, ist bei ihm theils ursprüngliche Anlage, theils war auch bei ihm, wie bei vielen Poeten, der Schmerz des Dichters Antheil, und in der That war er daheim nicht auf Rosen gebettet und die böhmischen Parnaßzustände waren zu seiner Zeit durchaus nicht darnach angethan, um eben heitere Lieder anzustimmen. Ueber seine Denkmäler, Gedächtnißtafel vor dem Fenster seines Sterbezimmers, in Leitmeritz, über seine literarische Charakteristik als Dichter, vergleiche die Quellen. Ein sinniges Mittel, sein Gedächtniß zu erhalten, war aber die von der neučechischen Dichterschule ausgeführte Begründung eines poetischen Jahrbuchs, das nach Mácha’s Hauptdichtung „Máj“ den Namen führt, und dessen erster Jahrgang im Jahre 1858 erschienen ist. Auf dem Friedhofe in Leitmeritz, wo er begraben, haben ihm seine Landsleute ein Denkmal errichtet, was Veranlassung wurde, daß die Deutschen ihrem in Leitmeritz geborenen Landsmanne Emanuel Hilscher [Bd. IX, S. 29] gleichfalls eines aufstellten.

I. Zur Biographie. a) Čechische Quellen. Lumír, belletristický tydenník, d. i. Lumir, belletristisches Wochenblatt (Prag, gr. 8°.) 1853, Nr. 45 u. 46. [Hier und in anderen Quellen ist der 15. November als Mácha’s Geburtstag angegeben; dem Taufscheine zufolge ist aber Mácha am 10. November 1810 geboren. Was endlich den uns Deutschen unverständlichen Namen Hynek betrifft, so bedeutet Hynek altčechisch: Heinrich, neučechisch: [198] Ignaz. Da sich nun nicht entscheiden läßt, welcher von diesen beiden deutschen Namen bei Mácha gemeint ist, so wird die čechische Bezeichnung unverändert gelassen. Rodinná kronika[WS 1], d. i. Vaterländische Chronik (Prager illustrirtes Blatt, 4°.) 1862, Nr. 5; 1863, Nr. 81 [Nr. 5 theilt den wörtlichen Abdruck von Mácha’s Taufschein mit, welchem zufolge sich das Geburtsdatum des Dichters statt auf den 15. auf den 10. November 1810 feststellt]. – Obrazy života, d. i. Bilder des Lebens. Redigirt von Jilji V. Jahn (Prag), 1861, Nr. 5, S. 184: První máj 1861 na hřbitově Litoměřickém, d. i. Der erste Mai auf dem Leitmeritzer Friedhofe [mit den Abbildungen zweier zu Ehren Mácha’s errichteten Denkmäler]. – Čas, d. i. die Zeit (Prager polit. Journal. Fol.) 1860, Nr. 39, im Feuilleton; 1861, Nr. 106: „Odhalení pomníku Karla Hynka Máchy v Litoměřicích dne 1. května 1861“, d. i. Enthüllung des Denkmals für K. H. Mácha zu Leitmeritz am 1. Mai 1861. Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, I. L. Kober, Lex. 8°.) Bd. V, S. 38. – Boleslavan, Jahrg. 1860, Nr. 5. – Zu Ende des zweiten Bandes der im Verlage bei Kober in Prag im Jahre 1862 erschienenen „Spisy Karla Hynka Máchy“ befindet sich (S. 421–497) eine ausführliche Lebensskizze Mácha’s. – b) Deutsche Quellen. Deutsches Museum, herausg. von Rob. Prutz (Leipzig, gr. 8°.) Jahrg. 1862, Nr. 27 u. 28. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1840, Beilage S. 963: „Die czechoslavischen Dichter“. (Daselbst heißt es von ihm: Mit Mácha erlosch die bedeutendste dichterische Persönlichkeit Böhmens; man hat von ihm nur ein kleines Gedicht „Der Mai“ (Prag 1836), nach dessen Erscheinen der junge Mann starb; aber man erkennt darin eine ungewöhnliche Originalität, jene Act poetischer Kraft, welche aus tiefer moderner Weltanschauung fließt und Byron und Puschkin groß gemacht hat. Wenn bis jetzt der Dichter durch seinen patriotischen Enthusiasmus auf die Zustände der czechischen Gesellschaft eingewirkt hat, mit Mácha wäre die Dichtkunst selbst, das Genie in die Schranken getreten.] – Den von Alfred Waldau übertragenen „Gedichten Karl Hynek Mácha’s“ (Prag 1862, H. Dominikus, Taschenformat) geht S. 1–41 eine Einleitung voraus, in welcher S. 20–41 Mácha’s Leben erzählt ist. Waldau gibt abweichend von dem übrigens auch unrichtigen Geburtsdatum (15. November) den 16. November als Mácha’s Geburtsdatum an. – Frankl (L. A.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) I. Jahrgang (1842), S. 313: „Karl Hynek Mácha und die neuböhmische Literatur“. Von Siegfried Kapper; – dieselben, IV. Jahrg. (1845), S. 454, in der Rubrik „Literarische Streiflichter“; – dieselben, V. Jahrg. (1846), S. 1086: „Aufzeichnungen zur Geschichte der neuczechischen Poesie“, von Siegfried Kapper. – Oesterreich im Jahre 1840. Staat und Staatsverwaltung, Verfassung und Cultur. Von einem österreichischen Staatsmanne (Leipzig 1840, Otto Wigand, gr. 8°.) Bd. II, S. 329 [daselbst heißt es über Mácha: M. war unstreitig eine der hervorragendsten poetischen Individualitäten, dafür spricht seine eigenthümliche Weltanschauung und Dichtungsweise, die wegen ihrer Neuheit (in Böhmen), ihrer Verwandtschaft mit Auswärtigem und vielleicht auch wegen ihrer allzuinnigen Beziehung auf die Person des Dichters, bei einem großen Theile des slavischen Publicums als affectirter Byronismus verdächtigt wurde. Alle, die M. genauer kannten und nicht unfähig sind, Charaktere aufzufassen, welche eine oft falsche, aber doch eigenthümliche Bahn verfolgen, stimmen darin überein, daß in diesem Geiste erstaunliche Kräfte lagen, die aber mitten in der Krisis einer fruchtbaren Entwickelung großentheils sich selbst aufgerieben hatten]. – Magazin für die Literatur des Auslandes. Von Lehmann (Leipzig, 4°.) Jahrg. 1864, S. 310, in den „Čechischen Briefen“. – Bemerkenswerth ist, daß Herr Wenzig in seiner Schrift: „Blicke über das böhmische Volk, seine Geschichte und Literatur“ (Leipzig 1855, Friedrich Brandstetter, 8°.), auch nicht mit einer Sylbe Mácha’s gedenkt, nachdem er so manche Mittelmäßigkeit in sein „Belvedere“, wie er die jüngste Periode der čechischen Poesie zu nennen beliebt, verzeichnet hat. Und doch übertrifft Mácha weit alle in Wenzig’s Buche Genannten.
II. Mácha’s Denkmäler. Die illustrirte čechische Zeitschrift Obrazy života 1861, Nr. 5, bringt die Abbildungen des auf dem Leitmeritzer Friedhofe dem Dichter errichteten und eines zweiten, gleichfalls ihm zu Ehren aufgestellten Denkmals. Auf dem Friedhofe besteht das Denkmal aus zwei, durch einen ornamentisch verzierten Mittelstein verbundenen Quadersteinen. [199] Auf dem Mittelsteine ist der trauernde Genius der Dichtung, hinter welchem die aufgehende Sonne sichtbar ist. in Basrelief zu sehen. Der obere Stein trägt die Inschrift: Karel Hynek | Mácha | narozen 15. listopadu 1810 | umřel 5. listopadu 1836. [Wie aus den Mittheilungen der schon erwähnten Rodinná kronika ersichtlich, wäre also auch auf dem Grabsteine ein falsches Geburtsdatum eingemeißelt.] Der untere Quaderstein zeigt in Inschrift Mácha’s Devise, einen Vers aus seiner Dichtung „Maj“, welcher lautet: Dalekáť cesta má! | marně volání, d. i. Weit ist mein Weg noch. Fruchtloses Rufen!! – Das zweite Denkmal besteht aus einem sich zuspitzenden verzierten, oben mit einem Kreuze versehenen Obelisk mit zwei Tafeln. Die obere Tafel zeigt die Inschrift: Karel Hynek | Mácha | nar. r. 1810 | zemřel r. 1836. Die untere Tafel zeigt die nämliche, oben bei seinem Grabsteine angegebene Devise. – Ueber dein Fenster des Zimmers im Hause zu Leitmeritz, wo Mácha erkrankte und starb, befindet sich eine schwarze Marmortafel mit folgender Aufschrift: „Zde žil a umřel K. H. Mácha r. 1836“ (d. i. Hier lebte und starb K. H. Mácha im Jahre 1836). – Der jüngst (zu Werschetz im Banate am 5. September 1865) verstorbene Arzt und Dichter der „Sensitiven“, Friedrich Bach, hat an Mácha ein elegisches Gedicht gerichtet: „Am Grabe Karl Mácha’s“, welches in „Ost und West“ 1841, Nr. 95, abgedruckt steht.
III. Zur literarischen Charakteristik Mácha’s des Dichters. Macha’s Hauptwerk ist und bleibt seine Dichtung Máj, sie ist reich an lyrischen Glanzpuncten wie an epischen Situationen. Ein eigenthümliches Werk! Zur Zeit des herrlichen wonneathmenden Maimondes führt uns M. in den düsteren Kerker eines zum Tode verurtheilten Räubers und Vatermörders; wir hören am Abende die hohlen Philosopheme dieses kaltblütigen Verbrechers und um Mitternacht eine phantastische Serenade, aufgeführt von gefühllosen Naturwesen der Schädelstätte. Am folgenden Tage erfahren wir die Hinrichtung des Räubers und den erfolgten Selbstmord seiner Geliebten[WS 2], eines gefallenen Engels. Dieß sind Bilder aus Byron’s Schule. Und an dieses Sujet hat der Dichter die kostbarste Bilderpracht, die üppigste Diction verschwendet. Mag der kritische Geist von dieser Art Poesie wie immer denken und urtheilen – auf das Gemüth macht das Gedicht einen tiefen schmerzlichen Eindruck. Es ist nicht wie die weiße Taube, die den grünen Oelzweig bringt und eine goldene Zukunft verkündet: es ist wie die Nachtigall, die in der Mondscheinnacht auf cypressenumrauschten Grabhügeln klagt und aus der melancholischen Nachtruhe das Evangelium der Vergänglichkeit herausliest. Ein ähnlicher Trauergeist weht aus den kleineren Gedichten Mácha’s. Nur selten glänzen sie in krystallklarer Spiegelung und hauchen das süße Aroma harmonischer Gefühle, nur selten beschäftigen sie sich mit anmuthig subtilen Fragen der Naturscholastik, nur selten lächeln niedliche Amoretten und neckisch graziöse Elfen aus den musikalischen Strophen hervor. In düsteren Bildern fühlt sich die Phantasie des Dichters am liebsten zu Hause; hier die Lieblingsstätte ihrer Gedanken und Träume. Als Mácha starb, beklagten vier böhmische Sänger seinen Tod und charakterisirten in ihren poetischen Nekrologen sehr glücklich seinen schaffenden Genius. Kužmany sang von ihm: „Schön wie von Marmor war dein Lied, ein marmorkaltes Feuer brannte in deiner Brust“. – Wlcek sagte: „Herzbrechend klangen seine Saiten und sein Geist war schmerzlich zerrissen vor Gram“. Rieger meinte von ihm: „Er suchte den Tod in jeder Schönheit, in jeder Blüthe“. Sabina bezeichnete ihn als „glänzendes Meteor in dunkler Nacht über einer öden Landschaft, als einen Stern, der, kaum wahrgenommen, in den Abgrund fällt“. Alle diese Aussprüche lassen sich auf Mácha’s lyrische Ergüsse anwenden. Seine Gedichte scheinen ebensoviele Leichensteine auf den Gräbern der zerstörten Lebensfreuden, der gebrochenen Hoffnungen, der verwehten Liebesträume. Und diese Leichensteine sind gemeißelt aus einem Felsen, aus einem Marmor, der weißglänzende hohe Säulen zu einem Riesenbau, Altäre zu einem Dichtertempel hätte geben können – und doch sind es nur trauernde Leichensteine, auf denen mit großen schwarzen Lettern geschrieben sieht: Das dumpfe Sein hat ihn erstickt, die Liebe hat ihn vergiftet, die Einsamkeit hat ihn verzehrt, Täuschungen haben ihn rücklings erdolcht. So litt er vielfachen Tod! Der Stern ist knisternd zerstoben. Man glaube ja nicht, daß Mácha nur eine bloße Koketterie mit dem Malcontentismus eines Byron getrieben habe oder einer von den zehntausend affectirten Nachbetern des Weltschmerzes eines Heine gewesen sei. Seine Zerrissenheit voll Wehmuth und Rührung bricht aus den klagenden Tiefen [200] eines Geistes hervor, welcher sich stets auf den Bahnen zu seinen strahlenden Idealen verirrt. Alle, die M. kannten, stimmen darin überein, daß in diesem Geiste erstaunliche Kräfte lagen, welche aber mitten in der Krisis einer segensreichen Entwickelung, die jeder größere Geist erlebt, von der Macht des Schicksals vernichtet wurden. Mit dem Gewinn einer richtigeren und besseren Weltanschauung wäre er für die čechische Literatur das geworden, was ein Puschkin und Miczkiewicz, diese beiden dem großen Briten ebenbürtigen Geister, der russischen und polnischen Dichtung sind. Aber der Gedanke eines frühzeitigen Todes stand schon vor der Seele des Jünglings und warf düstere Schatten über sie. Dazu gesellte sich die Elegie der ewig resultatlosen Skepsis, die einen so schmerzvollen Seelenkampf hervorrief. Mácha konnte in der Glaubenssatzung keine Beruhigung finden, finstere Zweifel erfüllten sein Gemüth. Scharf und kühn blickte er den letzten Folgen der Negation in’s Antlitz. Allein vor dem urschwarzen Abgrunde des „Nichts“ schauderte seine Seele zurück. Da ertönte die milde Stimme des Herzens, sie klang wie eine melancholische Sehnsucht, wie die Ahnung einer anderen Welt und wie leiser Glockenton mahnte sie zur Umkehr ... allein der plötzliche Tod vereitelte sie. Die angstvolle Heftigkeit eines schutzsuchenden Geistes, die tiefe Zerknirschung eines sich selbst mißtrauenden Herzens ging mit dem tiefsinnigen Dichter zu Grabe. Der Genius wagte sich weit vor im skeptischen Dämmerungsfluge, aber die helle heitere Magie der Geistersonne erreichte er nicht mehr. Der Dichter trachtete nicht nach der Beantwortung der kühnsten Frage und der darauf folgenden Versöhnung und Befriedigung durch Verstandesformeln; er sehnte sich vielmehr nach dem Gefühle der Unlösbarkeit, weil dieses seinem Schmerze die Beruhigung verlieh. Und daher lenkte seinen dichtenden Genius stets eine Art Gravitation nach schauerlichen Nachtstücken, die in der Natur ein Bild seines eigenen Geistes abmalen; immer mußte sich eine düstere Atmosphäre über die buntangelegten Landschaftsgemälde ausbreiten und fast stereotyp ist bei ihm geworden das Hereinschauen des Todes und des Gespenstes der Vergänglichkeit in das sonst so warm und innig mitgefühlte Naturleben. Ich denke, daß man die Motive dieser düsteren Romantik nicht besser charakterisiren könne, als mit den Worten Julian Schmidt’s, womit er den Ursprung der Weltschmerzdichtung erklärt. „Die Poesie des Weltschmerzes ging nicht aus dem Behagen am Gemeinen und Häßlichen hervor, sondern aus einem hochfliegenden Idealismus, der in seinem vergeblichen Ringen nach Gestaltung sich endlich mit Trauer und zwar darauf resignirte, eine unermeßliche Wüste zu beleuchten, in der nur das vorhanden ist. was nicht sein soll.“ Das ist auch bei Mácha der richtige Grund, warum einem großen Theile seiner Dichtungen das besänftigende, tröstende und erhebende Element, das den Hauptreiz der echten Poesie bildet, mangelt und daß alle anderen noch so großen Vorzüge doch nur ungern vermissen lassen.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Rodinns kronika.
  2. Vorlage: Gelieben.