BLKÖ:Thun-Hohenstein, Franz Anton II. Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 45 (1882), ab Seite: 43. (Quelle) | |||
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Franz Anton I. [s. d. S. 40] aus dessen Ehe mit Theresia geb. Gräfin Brühl. Gemeinschaftlich mit seinen Brüdern Friedrich und Leopold Leo im Hause erzogen, legte er auch mit ihnen zugleich die Schlußprüfung über das ganze Gymnasialstudium ab. Nachdem er beide Jahrgänge der Philosophie privat gehört hatte, bezog er 1827 die Prager Hochschule, wo er bis 1831 den juridischen Studien oblag. Während derselben betrieb er mit Vorliebe das Zeichnen, componirte als Autodidakt Scenen zu Christoph Schmid’s „Heinrich von Eichenfels“ und anderen Kinderbüchern, genoß aber dann regelrechten Unterricht von dem Landschaftszeichner und Kupferstecher [44] Grünfeld aus Dresden, der mehrere Jahre als Zeichenlehrer im Thun’schen Schlosse zu Tetschen wirkte. In der Folge wurde er von dem Landschaftsmaler Anton Manes [Bd. XVI, S. 369 im Texte] in seiner Lieblingskunst unterwiesen, dann bildete er sich selbst weiter und machte Studien nach Gyps im Atelier der Prager Akademie-Directoren Joseph Bergler und Waldherr. Während eines Sommeraufenthaltes der ganzen Familie in Dresden, 1833, befreundete er sich mit dem Kunstkenner Rumohr, der nicht ohne Einfluß auf die Kunstanschauungen des Grafen geblieben, und besuchte auch öfter die bekannten Abendgesellschaften des berühmten Romantikers Ludwig Tieck; für seine Neigung zur Kunst bot ihm die herrliche Gemäldegalerie der sächsischen Hauptstadt reiche Nahrung, und unter Anleitung des Landschaftsmalers Sparman (geb. 1805, gest. 1865) machte er seinen ersten Versuch im Oelmalen. Nach einer Zeichnung von ihm erschien in der Prager illustrirten Zeitung „Květy“ 1872, S. 34, ein Holzschnitt: „Die Gräber der Familie Kustos“, von Friedrich Havranek copirt. Im Februar 1834 brach er mit seinen Brüdern nach England auf, begab sich von da nach Frankreich und besuchte auch Italien, wo er seine Wanderung bis nach Neapel ausdehnte. Auf dieser Reise widmete der Graf, den die Kunst seit früher Jugend besonders anzog, seine Aufmerksamkeit den Kunstschätzen aller Art, wozu Italien reiche Gelegenheit darbot, während er in London sein Hauptaugenmerk auf die dort bestehenden humanitären Anstalten und Vereine richtete. Im Juni 1835 in das Schloß seiner Eltern zurückgekehrt, lebte er theils auf dem Lande, theils in Prag den Verwaltungsgeschäften der ausgedehnten Besitzungen seines Vaters und gemeinnützigen Bestrebungen auf den Gebieten der Kunst und Armenpflege. Mit dem im Jahre 1839 neuerwachten Kunstleben in der Hauptstadt, welches bis dahin tief im Argen lag, steht der Name des Grafen Franz Anton in inniger Verbindung. Maler aus München und Düsseldorf, wo das Kunstleben einen ungeahnten Aufschwung nahm, beschickten Ausstellungen in Prag, wohin Christian Ruben als Kadlik’s Nachfolger kam, wohin Haushofer die Traditionen der Münchener Landschafter verpflanzte. Und Graf Franz Anton war es, der alle diese neugeweckten Kräfte vereinigte und in seinem Hause an den Samstagen die Künstler und Kunstfreunde Prags um sich versammelte, wo im ungezwungenen Verkehre berathen und in unmerkbarer Weise das Kunstleben mächtig gefördert wurde. Um diese Zeit ging von dem Grafen die Anregung aus zu einem Proteste gegen die Ausführung eines Planes für das Prager Rathhaus, der in Wien von dem damaligen Hofbaurathe völlig verfehlt entworfen war. Doch beachtete Karl Graf Chotek den Protest nicht weiter, da der Auftrag von Wien gekommen war, und der Bau wurde in angetragener Weise in Angriff genommen. Aber mitten in der Arbeit zeigte sich der Mißgriff des Hofbauamtes in greller Weise, und nun wurde der Bau sistirt, die Umstaltung der Façade in mittelalterlichem Style ausgeführt, somit aber auch die alte Rathhauscapelle, die wahrscheinlich sonst verschwunden wäre, gerettet. Als die böhmischen Stände den Beschluß gefaßt, dem Kaiser Franz in Prag ein Denkmal zu errichten, zog sich die Ausführung desselben so lange hinaus, daß man endlich den Gedanken ganz aufgab und schon allerlei Vorschläge [45] machte, in welcher zweckdienlichen Weise die für das Monument vorhandenen Mittel zu verwenden wären. Da wirkte der Graf auf das nachdrücklichste für die Aufrechthaltung des ursprünglichen Gedankens, und Architekt Kranner wurde mit der Ausführung des Denkmals, das sich auf dem Prager Altstädter Quai befindet, betraut. Um der monumentalen Kunst in Prag eine bleibende Stätte zu sichern, regte Franz Anton 1839 im Ausschusse der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde die Gründung eines Kunstvereins für Böhmen an, der noch in demselben Jahre auch ins Leben trat. Dabei nahm er an der Feststellung der Statuten den thätigsten Antheil, bewirkte die engste Verbindung des Vereins mit der Gesellschaft der patriotischen Kunstfreunde und setzte den wichtigen Punkt durch, daß mindestens ein Fünftel der jährlichen Einnahmen gesammelt und nach den Beschlüssen der Gesellschaft zur Ausführung monumentaler Kunstwerke verwendet werden solle. Dieser trefflichen Bestimmung verdankt Prag das Denkmal Karls IV. nächst dem Altstädter Brückenkopfe, den Cyclus von Fresken aus der böhmischen Geschichte im Rudolphinischen Belvedere, das Radetzky-Monument auf dem Kleinseitener Ringe und die Ausschmückung der Cyrill- und Methodiuskirche im Karolinenthale mit Fresken. Ein Kunstausstellungsgebäude und Künstlerhaus sind in Aussicht genommen. Bereits seit 1839 Geschäftsleiter des „Kunstvereins für Böhmen“, wurde er als solcher im Februar 1847 auch von der „Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde“ erwählt und wirkte überdies mehrere Jahre als Directionsmitglied der Gesellschaft des vaterländischen Museums, des Vereins zur Beförderung der Tonkunst und des Gewerbevereins. Nun aber kam eine trübe Zeit, in welcher alle Angelegenheiten der Kunst in den Hintergrund traten, da die politische Bewegung 1848 jede Thätigkeit absorbirte. Schon vor diesem Jahre war der Graf in den böhmischen Landtag eingeführt worden, in welchem er die Landesverfassung und die Rechte der Stände wieder zur vollen Geltung und praktischen Anerkennung zu bringen suchte. Die Bewegung, die im März ihren Anfang nahm, konnte ihn nicht theilnahmslos lassen, wenn sie ihn auch nicht in jenen Strudel hineinriß, der bald so viel Verderben über Volk und Land brachte. Die Versammlung, welche im März 1848 im Wenzelsbade tagte, wählte ihn, den Nichtanwesenden, wohl in das Comité, das mit dem Entwurfe für das Majestätsgesuch betraut war, er aber, der die ganze Versammlung gar nicht als eine berechtigte anerkannte, lehnte die Wahl ab. Als jedoch eine große Anzahl der Landstände ein Gesuch um Einberufung des Landtages behufs verfassungsmäßiger Regelung der Verhältnisse und Aufrechthaltung der historischen Rechtscontinuität an den Statthalter zu richten beschloß, unterschrieb auch er dasselbe, Bei der Errichtung der Nationalgarde wurde er zum Major des vierten Bataillons (obere Neustadt) ernannt und bei Constituirung des ersten gewählten Stadtverordneten-Collegiums befand auch er sich unter dessen Mitgliedern. Als Nationalgardeofficier verhinderte er die von dem St. Wenzel-Ausschusse zur Bewaffnung der Massen beschlossene Stürmung des Zeughauses, erwirkte aber bei Erzherzog Karl Ferdinand die freiwillige Betheilung der Nationalgarde mit Gewehren. Als das oberwähnte Ersuchen um Einberufung des Landtages erfolglos geblieben, wurde er vom Statthalter [46] in die Commission berufen, welche die nöthigen Verfassungsänderungen berathen sollte. Kaum wurde es ruchbar, das deutsche Casino habe den Beschluß gefaßt, daß innerhalb der Frist von acht bis vierzehn Tagen in den deutschen Theilen Böhmens die deutsche Tricolore aufzupflanzen und überall zu tragen sei“, so eilte der Graf auch schon an den Ort, wo das Casino tagte, und gelang es ihm nach lebendiger Schilderung der Gefahr, welche bei der auf das Höchste gereizten Stimmung der Čechen dem Landfrieden durch jenen Beschluß erwachsen würde, die Zurücknahme desselben zu erwirken. Als dann die blutigen Pfingsten herankamen, trat er dem Aufstande entgegen, schloß sich mit seinem Bataillon Nationalgarden zur Aufrechthaltung der Ruhe und Beseitigung der Barricaden dem k. k. Militär an und wurde, als der Kampf ausgebrochen, zur Uebernahme und Pflege der Verwundeten verwendet. Die Partei der Aufständischen schlug dafür seinen Namen mit jenen der Officiere seines Bataillons an den Galgen, und als die k. k. Truppen abzogen, fand es auch der Graf gerathen, sein Bataillon zu entlassen und der Wuth der Rebellen durch die Flucht aus dem Wege zu gehen. Er begab sich nun über Tetschen nach Dresden und von da nach Schirgiswalde in Sachsen, wo er vom Bischof Dittrich [Band III, S. 320][WS 1] dessen Schlößchen überlassen erhielt, um daselbst die Niederkunft seiner Frau abzuwarten. Erst nachdem die Bewegung niedergeworfen und die Ruhe wiedergekehrt, im October, kam auch der Graf in sein Vaterland zurück, sich seinen früheren Mühewaltungen für Kunst und Humanität zu widmen. In Bezug auf erstere ist nun vornehmlich des Antheils zu gedenken, den er an der Realisirung des Prager Dombauvereins und an dessen Thätigkeit hatte. Schon 1842 war er auf Ansuchen einer Deputation von Prager Bürgern an die Spitze des Unternehmens getreten. Nun aber nahm er die Angelegenheit energisch in die Hand, betrieb die Constituirung des Vereins, die Sammlungen zur Herbeischaffung der erforderlichen. Geldmittel, Beginn und Fortführung der baulichen, wie der Restaurationsarbeiten, von denen erstere im Jahre 1859, letztere 1861 ihren Anfang nahmen, so daß bei des Grafen Tode die äußere Restaurirung des Domes vollständig fertig war und die stylgerechte innere Ausschmückung in Angriff genommen werden konnte. Mit allerhöchster Entschließung vom 8. October 1850 kam Graf Thun als Ministerialrath in das Ministerium für Cultus und Unterricht, in welchem er als Kunstreferent wirkte. Als dann im Jahre 1853 die k. k. Centralcommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale des Kaiserstaates ins Leben trat, wurde er als Vertreter des genannten Ministeriums zum Mitgliede derselben ernannt, und in dieser Stellung blieb er bis zum Jahre 1861 thätig, in welchem er seines Postens im Ministerium mit Belassung des Titels und Ranges enthoben ward. In die Zeit seiner ministeriellen Amtsthätigkeit fällt seine Schrift: „Vorschläge zur Reorganisirung des öffentlichen Baudienstes in Oesterreich“ (Prag 1861, André, 8°.). Nun wendete der Graf seine ganze Thätigkeit ausschließlich seiner engeren Heimath Böhmen zu, wirkte als Landtagsabgeordneter und Landesausschußbeisitzer, als Präses des Prager Dombauvereins und seit October 1862 als Conservator für Böhmen, welchen Posten er auf Ansuchen der Centralcommission übernommen [47] hatte. Dem Conservator Thun verdankt sein Vaterland die Erhaltung und Wiederherstellung eines prächtigen Baudenkmals, nämlich der altberühmten Königsburg Karlstein, welche nach den Plänen des Wiener Dombaumeisters Friedrich Schmidt ausgeführt wurde. Mit den Bestrebungen des Grafen für künstlerische Zwecke ging sein humanitäres Wirken Hand in Hand. So war er Directionsmitglied des von seinem Bruder Leopold Leo gegründeten „Vereins zum Wohle entlassener Züchtlinge“ und des von dem Prager Bürgermeister Müller ins Leben gerufenen Vereins für hilfsbedürftige Kinder; war ferner Bezirksdirector des Armeninstitutsbezirkes der Pfarre St. Thomas auf der Kleinseite; im Jahre 1839 bereits wurde er zum Oberdirector des gesammten neuorganisirten Prager Armeninstitutes und gleichzeitig zum Vorstand des „Privatvereins zur Unterstützung von Hausarmen“ gewählt. An den Reformen in der Organisation der letzten zwei Vereine war er vorzugsweise betheiligt, und den Privatverein zur Unterstützung für Hausarme erweiterte er überdies durch Verbesserung der Vereinsküche, Gründung einer Naturaliensparanstalt und eines Arbeitvermittelungsinstitutes. In Würdigung seiner Verdienste um das Armenwesen Prags verlieh ihm diese Stadt im Jahre 1842 das Ehrenbürgerrecht. Anläßlich des fünfzigsten Geburtstages, der mit dem zwanzigsten Jahrestage des von ihm ins Leben gerufenen böhmischen Kunstvereins zusammenfiel, überreichte ihm letzterer als Ehrengeschenk einen Silberpocal (siehe die Quellen). Der plötzliche Tod des Grafen riß eine empfindliche Lücke in das Prager Kunstleben und Wirken für humanitäre Zwecke. Die Theilnahme des Publicums an der Leichenfeier des zu früh Dahingeschiedenen war eine großartige und verdiente, nichtsdestoweniger sind die Schlußworte seines Biographen: „Der Graf war ein wahrer Engel in Menschengestalt und verdient gewiß einen Tag im Kalender“, lächerlich.
Thun-Hohenstein, Franz Anton II. Graf (Kunstmäcen, geb. zu Prag am 13. Juni 1809, gest. ebenda am 22. Nov. 1870). Der älteste Sohn des Grafen- Burgerstein (Joseph). Franz Anton Graf von Thun-Hohenstein. Biographische Skizze (Wien 1871, Karl Czermak, gr. 8°., 23 S.). – Bohemia (Prager politisches und belletristisches Blatt, 4°.) 1861, Nr. 127, S. 1201 und Beilage Nr. 129, in der Rubrik: „Mosaik“. – Frankl (Ludwig August). Sonntagsblätter (Wien, 8° ) III. Jahrg. (1844), S. 1067: „Kunstakademisches aus Prag“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1861, Nr. 147, in der Rubrik „Theater und Kunst“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1861, Nr. 272, im Feuilleton: „Oeffentliche Bauten“ [mit der geradezu aus der Luft gegriffenen und völlig ungerechtfertigten Stelle: „Den Namen des Grafen Franz Thun wird die Wiener Kunstgeschichte auf ihr dunkelstes Blatt verzeichnen]. – Květy, d. i. Blüten (Prager illustr. Zeitschrift) 1870, Nr. 48, S. 383. – Světozor (Prager illustr. Zeitschrift, Fol.) Bd. I, S. 125, und Bd. II, S. 355.
- Porträte. 1) Unterschrift: „Hrabě František Thun. Kreslil Fr. Krišpin“. Holzschnitt im „Světozor“, 1867, Nr. 13, S. 123. – 2) Facsimile des Namenszuges „F. Thun“. Ohne Angabe des Zeichners in Holz geschnitten von F. W. Bader in Wien (auch bei Burgerstein’s Monographie).
- Ehrenpocal für den Grafen Franz Anton Thun. Wie oben bemerkt, wurde derselbe dem Grafen anläßlich dessen 50. Geburtstages und des 20. Jahrestages des böhmischen Kunstvereins von letzterem überreicht. Von Silber, 93/4 Wiener Mark schwer, zwei Fuß hoch und im Durchmesser von fünf Zoll Wiener Maß. ist er in Kelchform und im Renaissancestyl ausgeführt. Den Deckelkopf bildet eine Statuette der Minerva in sinnbildlicher Anspielung auf die Bestrebungen des Grafen für Schutz und Pflege der Kunst. Den Körper des Kelches umgeben im Ringe die Gestalten der Plastik, Architectur und Malerei, unten bilden drei geflügelte, mit Blumenfestons behangene Sphinxe die Schlußwölbung. Griff und Fuß des Pocals sind auch sinnig ornamentirt. und [48] am Fuße befinden sich drei Plaquen mit charakteristischen Eingrabungen, die verschiedenen Zweige der Malerei, Geschichte, Genrelandschaft darstellend. An der unteren Schlußwölbung des Kelches sieht man auf einem Schilde die Widmungsinschrift: „Die Agenten des Kunstvereins in Böhmen. Dem Geschäftsleiter Grafen Franz von Thun-Hohenstein. Im zwanzigsten Jahre seiner erfolgreichen Wirksamkeit“. Zwei kleinere Medaillons tragen die Jahreszahlen 1839 und 1859. Eine treffliche Abbildung des von dem Ciseleur Andreas Fortner [Bd. IV, S. 298] erfundenen und ausgeführten Pocals im Holzschnitt nebst ausführlicher Beschreibung brachte die Leipziger „Illustrirte Zeitung“ (J. J. Weber, 1860, Nr. 872.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: [Band III, S. 330].