BLKÖ:Tupy, Karl Eugen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 48 (1883), ab Seite: 131. (Quelle) | |||
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J. J. Jungmann’s [Bd. X, S. 319] čechischer Chrestomathie „Slověsnost“ einzelne Stücke vorlas und ihnen čechische Bücher zum Lesen auslieh. Aus eigener Wahl las Tupy dann Chateaubriand’s „Atala“ in Jungmann’s und die „Idyllen“ Gesner’s in Hanka’s Uebersetzung und bildete daran sein eigenes ästhetisches Gefühl. Nachdem einmal die Liebe zur Muttersprache und vaterländischen Literatur in ihm geweckt war, befreundete er sich auch mit seinem Mitschüler Wenzel Filipek [Bd. IV, S. 228], der sich in der Folge gleichfalls als schöngeistiger čechischer Schriftsteller einen Namen erwarb. In den Humanitätsclassen wurde der strebsame Jüngling durch Professor Dubsky in das Verständniß höherer Dichtungsarten, so unter Anderem der Sonette Kollár’s [Bd. XII, S. 325] eingeführt, [132] nebenbei bildete er seinen Geist an der Lectüre deutscher Bücher, welche in der Gymnasialbibliothek reichlich vorhanden waren, und Schiller und Mathisson vor Allen sagten seiner jugendlichen Phantasie zumeist zu. Nach beendeten Gymnasialstudien ging er im Jahre 1832 mit seinem Freunde Filipek nach Prag. In dieser Metropole, als dem Zusammenflusse alles geistigen Lebens und vornehmlich dem Centralpunkte der eben sich regenden und dehnenden nationalen Gefühle, erschlossen sich ihm neue Ziele, denen er auch mit dem ganzen Feuereifer der Jugend zustrebte. Dort wurde er mit dem schon damals als Dichter geschätzten Cajetan Tyl bekannt und veröffentlichte in dessen schöngeistiger Zeitschrift „Jindy a Nyní“, d. i. Einst und Jetzt, seine[WS 1] ersten poetischen Versuche, für welche sich ihm dann noch die Spalten der Zeitschrift „Květy“, d. i. Blüten, öffneten. Dabei hörte er fleißig die Vorlesungen über čechische Sprache und Literatur, welche Johann Nejedly [Bd. XX, S. 165] hielt, und las mit allem Eifer čechische Bücher, die er in der Universitätsbibliothek in reichster Auswahl vorfand. Von den Vorlesungen an der Universität zogen ihn vor allen jene über Philosophie und ihre Geschichte, sowie über Aesthetik an. Seine Studiengenossen waren Strobach [Bd. XL, S. 55], der nachmalige Reichstagspräsident, und Franz Trojan [Bd. XLVII, S. 236], aber auch mit den meisten damals in Prag lebenden Schriftstellern und Dichtern wurde er theils bekannt, theils befreundete er sich mit ihnen. Dem Willen seiner Eltern entsprechend, welche ihn für den geistlichen Stand bestimmt hatten, trat er dann nach beendeten philosophischen Studien 1834 in das Prämonstratenserstift auf dem Strahow in Prag. Daselbst bekam er einen Klosterbruder zum Zellengenossen, der, in der Musik tüchtig bewandert, mit den lebendigen Liedern, welche er vortrug, nicht ohne Einfluß blieb auf die weitere Entwickelung des Dichters und mit seinem tiefen ergreifenden Spiele neue Gefühle im Herzen des jungen Mannes weckte. Aber noch hatte Tupy das Noviziat nicht beendet, als er, des Klosterlebens überdrüssig, zur nicht geringen Enttäuschung seines Novizenmeisters, eines sonst vorurtheilsfreien und in seiner Stellung von Allen geliebten Priesters, das Stift verließ. Um diese Zeit schrieb er auf Grund einer Volkssage sein Gedicht: „Tři zlaté vlasy“, d. i. Drei goldene Haare, welches, in der Zeitschrift „Květy“ abgedruckt, zuerst die gesteigerte Aufmerksamkeit auf den jungen Poeten lenkte, Mit zwei Collegen Schohaj [Bd. XXXI, S. 200] und Vrtatko begann er nun das Studium der Rechte, trat aber nebenbei unter Cajetan Tyl’s Leitung im Cajetaner Hause und dann unter jener Stepanek’s [Bd. XXXVIII, S. 205] im ständischen Theater in den čechischen Vorstellungen als Dilettant auf; auch wurde er ein fleißiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Květy“, welche er nach Tyl’s Abgange, im Verein mit Jaroslav Pospišil [Bd. XXIII, S. 138] einige Zeit redigirte. Im Jahre 1837 erschien auch auf seine Veranlassung und unter seiner Redaction der belletristische Almanach „Vesna“, d. i. Der Frühling. Die nächste Absicht Tupy’s ging nun dahin, sich ausschließlich der Schriftstellerei zu widmen, aber die Aussichten für diesen Beruf standen nichts weniger als günstig; dazu gesellte sich die nicht zu beschwichtigende Betrübniß seiner Eltern, daß er den geistlichen Stand verlassen, und endlich das Zureden seiner Freunde im Stifte Strahow, [133] und alles dies zusammengenommen führte ihn zur Freude seiner Eltern, wie seiner Stiftsbrüder, ins Kloster zurück. Am 16. April 1838 legte er das Gelübde ab, und nachdem er die theologischen Studien beendet hatte, empfing er am 1. August 1841 die Priesterweihe. In der Einsamkeit des Klosters rief die Erinnerung an die weltliche Freiheit seine „Pisní milosti“, d. i. Liebeslieder, ins Leben. Von dieser Zeit an schrieb er nicht mehr unter seinem wahren Namen, sondern unter dem Pseudonym Boleslaw Jablońsky, den er auch ferner beibehielt. Schon während seiner theologischen Studien begann er seine Dichtung, „Moudrost otcovská“, d. i. Väterliche Weisheit, zu schreiben. Diese Arbeit, vornehmlich aber seine nächtlichen Studien meist philosophischer Werke hatten ihn endlich so angegriffen, daß seine Gesundheit schwer litt und er lange noch in den Nerven die Nachwehen seines Leidens empfand. Im vierten Jahre seiner theologischen Studien, 1841, veranstaltete er eine Sammlung seiner Dichtungen. [Die bibliographischen Titel seiner Werke folgen auf S. 134] Im Sommer 1843 trat er in die Seelsorge, und zwar zunächst als Caplan in Radonic, wo die schöne Gegend, der Verkehr mit gleichgesinnten Landsleuten, namentlich mit dem dortigen Pfarrer, ihm den Aufenthalt sehr angenehm machten. Aus besonderem Eifer unterrichtete er die Jugend in drei Classen in der Christenlehre und anderen Lehrgegenständen und legte für dieselbe und für das Volk überhaupt eine ziemlich reiche Büchersammlung an. Dabei war er als guter Prediger in der ganzen Umgegend bekannt. In Radonic schrieb er auch das Andachtsbuch „Die Rose von Sion“, welches sich bald mehrerer Auflagen erfreute. Auch bereitete er dort die zweite stark vermehrte Auflage seiner Gedichte, welche 1845 erschien, zum Druck vor. Da trat mit dem Jahre 1847 im Leben Tupy’s ein Umschwung ein, welcher für dessen ganze Zukunft entscheiden sollte. Die Aebtissin des Prämonstratenserklosters auf dem Zwierzyniec in Krakau verlangte nämlich von dem Prälaten des Strahower Stiftes einen Geistlichen seines Ordens, damit sie nach dem Tode des letzten Norbertiners, einem alten Privilegium ihres Klosters gemäß, für ihre Abtei und die damit verbundene Pfarre einen geeigneten Candidaten präsentiren könne. Abt Zeidler stellte sofort Tupy als Candidaten auf, von der Ueberzeugung geleitet, daß derselbe bei der gründlichen Kenntniß der čechischen Sprache sich jene der polnischen leicht und bald aneignen werde. Mit schwerem Herzen verließ nun Tupy seine ihm lieb gewordene Stelle und betrat am 26. Juni 1847 den Boden Krakaus, das kurz vorher noch Freistadt gewesen. Das Krakauer Consistorium, welches mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln dahin arbeitete, daß ein Weltgeistlicher, und dazu ein Pole, das in Rede stehende Beneficium erlange, stellte dem neu angekommenen Fremdlinge alle nur denkbaren Hindernisse entgegen. Aber mit Hilfe des Grafen Moriz Deym, welcher im Gebiete von Krakau als k. k. Hofcommissär fungirte, blieb Tupy der Sieger und erhielt am 21. October 1847 die Jurisdiction zur Ausübung, der geistlichen Obliegenheiten und Verrichtungen auf dem Zwierzyniec. Sofort wurden ihm auch noch zwei Capläne zur Aushilfe beigegeben, aber erst 1854, nachdem alle seine Bitten, von dem Abte in das Strahower Stift zurückberufen zu werden, unerhört geblieben waren, fand seine Einkleidung als Propst von Zwierzyniec [134] statt. Indessen hatten ihn auch die Krakauer genauer kennen zu lernen Gelegenheit gehabt und ihn bald ganz als den ihrigen erkannt und anerkannt, so daß man im Laufe der Jahre ihm eine Würde um die andere verlieh. So wurde er 1855 zum bischöflichen Commissär des Klosters von Zwierzyniec, 1856 zum geistlichen Rathe des Ehegerichtes, 1857 zum Aufseher und Visitator der katholischen Schulen, 1860 auch zu jenem der protestantischen und israelitischen, 1863 zum Examinator, Prosynodalrichter und Vicedechanten der Stadt Krakau, 1866 zum Ehren- und 1867 zum wirklichen Mitglied und Referenten des Consistoriums ernannt. Ueberdies ist er Mitglied der Krakauer gelehrten Gesellschaft und mehrerer anderer Vereine in Krakau und Böhmen. Wir werfen nun noch einen Blick auf Tupy’s literarische Thätigkeit und zählen seine Schriften auf. Die Titel derselben sind: „Vesna. Almanach pro květoucí svět“, d. i. Der Frühling. Almanach für die blühende Welt. Drei Jahrgänge mit zwei Zeichnungen (Prag 1837 u. f., J. H. Pospischil); – „Básně“, d. i. Gedichte (Prag 1841, J. Spurný, gr. 16°., 190 S.); – „Druhé vydání rozmnožené“, d. i. Zweite vermehrte Auflage (Prag 1846, 16°., 353 S.); – „Třetí rozmnožené vydání“, d. i. Dritte vermehrte Auflage in drei Bändchen: 1. Salomon; 2. Epische Dichtungen; 3. Lyrische Gedichte (ebd. 1856, Spurný, 16°., 342 S.); – „Čtvrté značně rozmnožené vydání“, d. i. Vierte beträchtlich vermehrte Auflage (ebd. 1864, Pospischil, 16°., 418 S.); – „Staročeské i novější písně vyňaté z Růže siónské, modlitební knihy“, d. i. Alt- und neučechische Lieder, genommen aus dem Andachtsbuche „Die Rose von Sion“ (Prag 1844, V. Štastný, 12°.); – „Růže sionská. Katolická modlitební kniha pro vzdělané paní a panny, z části dle Kersecka, z časti původně“,d. i. Die Rose von Sion. Katholisches Gebetbuch für erwachsene Jungfrauen und Frauen... (ebd. 1846, 8°., zweite Auflage 1852, dritte Auflage 1867); – ferner übersetzte er E. A. Förster’s Anleitung zum Generalbaß ins Čechische unter dem Titel: „Navedení k generálnímu bassu“ (Prag 1835, Marco Berra); Sassenreuter’s „Triumph des Kreuzes“. Sechs geistliche Reden unter dem Titel: „Vítězství kříže. Šestero duchovních řečí...“ (Prag 1844) und gab heraus: „Slova vděčnosti a lásky od rozličných spisovatelů“, d. i. Worte des Dankes und der Liebe von verschiedenen Schriftstellern (Prag 1836, Jeřabek, 12°.). Einiges hat Tupy auch in schöngeistigen Blättern seines engeren Vaterlandes Böhmen, in den „Květy“, d. i. Blüten im „Wlastimil“, im „Časopis pro kat. duchowenstwo“, d. i. Zeitschrift für die katholische Geistlichkeit, und im „Časopis českého muzeum“, d. i. Zeitschrift des böhmischen Museums, veröffentlicht. Tupy ist Vollblutčeche, was ihn jedoch nicht hindert, mit den Polen, deren Sprache er sich so zu eigen gemacht hat, daß er sie ebenso wie das Deutsche zu schreiben vermag, zu sympathisiren. Als Dichter zählt ihn Wenzig zu den vorzüglichsten čechischen Poeten, besonders im lyrischen und didaktischen Fache. Wessen Geisteskind er sonst ist, bewies sein Verhalten, als das Fest in Königinhof im Jahre 1867 statthatte. Von Krakau aus übersendete er nachstehendes Telegramm nach Königinhof: „Für ein Lied der Königinhofer Handschrift[WS 2] alle meine Lieder; ich knie vor dem Staube, in welchem sie gefunden wurde“. [135] So ein katholischer Priester, der doch nur vor Gott knien soll. Zum Schlusse sei noch bemerkt, daß eine stattliche Anzahl von Tupy’s Liedern von den verschiedenen čechischen Compositeuren, wie J. A. Bergmann, Chmeliček, L. v. Dietrich, Gerner, Havlasa, Lirs, Kaván, Nápravník, Pivoda, Preißler, Procházka, Zvonař, Martinovský, Štastný, Hnilička in Musik gesetzt ist.
Tupy, Karl Eugen (čechisch. Schriftsteller, geb. zu Kardašow Řečić in Böhmen am 14. Jänner 1813, gest. zu Zwierzyniec bei Krakau im März 1881). In der čechischen Literatur bekannt unter dem Pseudonym Boleslaw Jablońsky. Ein Müllerssohn, besuchte er, von sechs Kindern das älteste, in zartem Alter die Pfarrschule seines Geburtsortes und that sich bald unter seinen Mitschülern hervor, besonders durch den Eifer, mit welchem er Bücher las. Als der Ortscaplan und Katechet P. Paták Karls geistige Anlagen und Talente erkannte, unterwies er denselben aus freien Stücken in der deutschen Sprache, und selbst als er kurz danach auf eine andere Pfarre versetzt wurde, behielt er den Unterricht des lernbegierigen Knaben im Auge. Nachdem dieser die Hauptschule in Pisek beendet hatte, brachte er ihm die Anfangsgründe der lateinischen Sprache bei und begab sich dann im Jahre 1826 mit dem 13jährigen Jungen nach Neuhaus, einem im Budweiser Kreise gelegenen Städtchen, wo er ihn in das Gymnasium einschreiben ließ. Schon in der vierten Gymnasialclasse begann Karl Verse zu schreiben, und zwar zunächst in deutscher Sprache. Der Supplent K. Hruby, der später nach Amerika auswanderte, war der Erste, welcher dem jungen Scholaren und dessen Mitschülern in nationaler Richtung die Augen öffnete, ihnen aus- Wenzig (Joseph). Blicke über das böhmische Volk, seine Geschichte und Literatur (Leipzig 1855, Brandstetter, 8°.) S. 137. – Jungmann (Joseph). Historie literatury české, d. i. Geschichte der čechischen Literatur (Prag 1849, F. Říwnáč, schm. 4°). Zweite von W. W. Tomek besorgte Aufl., S. 644 u. f. – Šembera (Alois Vojtech). Dějiny řeči a literatury československé. Vek novější, d. i. Geschichte der čechoslavischen Sprache und Literatur. Neuere Zeit (Wien 1868, gr. 8°.) S. 300. – Světozor (Prager illustrirte Zeitung) 1868, Nr. 32, S. 312: „Karel E. Tupy (Boleslav Jablońský)“. – Květy, d. i. Blüten (Prager illustrirtes Blatt) 1870, Nr. 18, S. 137. – Uhlíř (Jos.). Kriticky rozbor epickych basní Bol. Jablonského“, in einem Schulprogramm.
- Porträte. l) Unterschrift: „Boleslav Jablońský“. Kreslil V. Maixner. Auch in den oben angeführten „Květy“ . – 2) Unterschrift: „Boleslav Jablońský (K. Eug. Tupy)“. Kreslil Kriehuber. Auch im oben angeführten „Světozor“.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: eine.
- ↑ Vergleiche dazu Königinhofer Handschrift (Wikipedia).