BLKÖ:Zwonař, Joseph Leopold
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 60 (1891), ab Seite: 346. (Quelle) | |||
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Bach, Händel, Beethoven, Mozart u. A. beschäftigte, erhielt sein ganzes Wirken und Schaffen eine tief ernste und classische Richtung. Er schrieb viel und gut (eine Uebersicht seiner theoretischen Werke, seiner vorzüglicheren Compositionen, seiner beliebteren Gesangswerke und Sammlungen älterer Musikwerke folgt S. 348), doch wenig, was seinen Namen in weiteren Kreisen hätte bekannt machen können. Glücklicher Weise, schreibt sein Biograph, hatten zwei Musen Raum in seinem Herzen; neben der Musik war es die Poesie, für die er sich begeisterte, und so wenig er es wagte, sich in der Dichtkunst selbst zu versuchen, so lebhaft ergriff er jede Gelegenheit, die beiden Künste einander zu vermälen. In der That auch blieb kaum einer der čechischen Poeten von ihm unberücksichtigt, in jedem entdeckte er irgend ein gangbares Lied, wenngleich ihm zwei derselben, J. Marek und Picek, insbesondere Letzterer, von dem er nahezu ein halbes Hundert Lieder componirte, vorzugsweise das Material lieferten. Unter seinen Compositionen finden wir sie alle, welche die Neuzeit in den čechischen Parnaß aufgenommen: Burgerstein, Chmela, Chmelensky, Čelakovsky, Erben, Hanka, Herlos, Heyduk, Hruby, Jalonsky, Kamenicky, Kellner, Kolař, Kulda, Lhotka, Marek, Pichl, Rubes, Sabina, Skroup, Smilovsky, Snaydr, Soukup, Stulc, Sušil, Tomicek, Vilimek, [347] Vinařicky, und auch ein deutscher Poet fand – aber nur einer – Gnade vor seinen Ohren, der sangbare Dichter Eichendorf. So setzte denn Zwonař eine lange Reihe von Gedichten, wohl an die hundert, in Musik, einstimmige, Duette, Terzette, Quartette und Chöre. Letztere namentlich für Männer- und gemischten Chor zeichnen sich durchwegs durch edle Reinheit des Styles und der Empfindung mehr als durch Schwung aus und sind dann am wirksamsten, wenn sie sich dem Volksleben anschmiegen, wie er denn besonders Volkslieder und Gesänge aus älterer Zeit mit besonderer Vorliebe studirte. Daß aber seine Compositionen sich nicht den Weg in die musicalische Welt gebahnt, daran ist der Compositeur selbst schuld, der, anfänglich nur Musiker, sich nach und nach zum specifisch čechischen Musiker umwandelnd, sich vorweg selbst eine enge Grenze gezogen, indem er fast ausschließlich čechische Texte, wie wir oben dies ausführlich betonten, ausgewählt, die dadurch eben nur einem kleinen Kreise zugänglich bleiben. Nicht minder groß möchte die Zahl der von ihm componirten – aber nur zum kleinsten Theile gedruckten – Orgelpräludien und Fugen sein, die in der Form vollendet, reich an schönen Gedanken sind. Ueberhaupt war dies das Feld, auf dem er sich vorzugsweise bewegte, wie dies schon seine Stellung mit sich brachte. Als Assistent des berühmten Directors der Prager Orgelschule Karl Pitsch [B. XXII, S. 370] schloß er sich begreiflicher Weise bald enge an den gediegenen Meister an, und wie ein Musikfreund, der beide kannte, berichtet, muß man beide Männer in ihrem Nebeneinanderwirken beobachtet haben, um das Sonderbare und doch wieder Rührende ihres Verhältnisses zu erfassen. Pitsch, der erfahrene gewiegte Meister, dessen Urtheile sich selbst Felix Mendelssohn willig unterzog, der sein von langen weißen Haaren umwalltes Haupt energisch schüttelte, wenn er irgendwo einer Neuerung begegnete, dabei aber jeder musicalischen Schönheit, selbst bei Meyerbeer und Wagner, redlich Anerkennung zollte, der Sanguiniker, der angesichts einer „verbotenen Fortschreitung“ wüthend um sich schlug, im nächsten Augenblicke aber sich über seine eigene Leidenschaftlichkeit ärgerte, dabei voll Mißtrauen gegen Jedermann, aber voll Achtung und Opferwilligkeit gegen jedes Talent – ein Sonderling von der edelsten Sorte. Und neben ihm der um die Hälfte jüngere Zwonař, eine untersetzte, fast knorrige Gestalt, jedes äußeren Anzeichens bar, durch das sich sonst Genialität gern bemerkbar macht, von einer Ruhe, wie sie nur Denker haben, zugeknöpft „bis ans Herz hinan“, selten von etwas Anderem, nie von sich selbst redend, unscheinbar und jede Gelegenheit sorgfältig vermeidend, wo er auffallen konnte, wozu nach seinen Begriffen nicht viel gehörte. So standen sich diese beiden Männer zur Seite, und wer sie nur flüchtig beobachtete, wähnte sie einander fremd; es galt als Wunder, wenn sie einige Worte wechselten, und doch hing der alte Pitsch mit Achtung und Liebe an seinem Jünger, wie dieser mit Verehrung und Pietät an seinem Meister. Als Pitsch im Juni 1858 starb, ward Zwonař, den dieser Todesfall tief ergriff, Nachfolger im Amte, jedoch schon nach zwei Jahren Director der Sophienakademie und 1863 Regenschori in der Kirche zur h. Dreifaltigkeit. Trotzdem er von einer äußersten Zurückgezogenheit und Verschlossenheit war, [348] seinen Lebenspfad stets einsam wandelte, Niemanden zum Vertrauten machte, sich aber auch gegen Niemanden unterwürfig zeigte, erkannten Alle, die mit ihm je in nähere Berührung kamen, die wahrlich antike Ehrenhaftigkeit seines Charakters, seine maßlose Bescheidenheit, hinter der sich Gediegenheit und Tüchtigkeit barg. Er war unbedingt einer der hervorragendsten Musiker, welche die tonreiche Moldaustadt ihr eigen nennen konnte. Nicht kraft seines Reproductionstalentes hatte er Anspruch auf diese Bezeichnung, sondern als schaffender Geist, als wissenschaftlicher Tonkünstler: denn so, wie er die Compositionslehre auffaßte, war sie ihm nicht bloß eine Kunst, sondern eine ernste heilige Wissenschaft, würdig des eingehendsten Studiums, der tiefen Speculation. Auf diesem Wege, durch selbsteigene Forschung, der es lange an der leitenden Hand gebrach, ein Autodidakt in des Wortes bestem Sinne, hat er sich zu einer Höhenstufe musicalischer Bildung aufgeschwungen, in die sich mit ihm zu theilen, wenige Zeitgenossen berufen sein dürften, und doch war sein Name nicht „berühmt“, sein Ruf nicht verbreitet, und manche Kenner der musicalischen Literatur dürften von dem Manne und dessen Bedeutung erst aus diesem Lexikon das Nähere erfahren. Eine Reise, die der Tonkünstler Zwonař im Jahre 1858 über Bayern, Salzburg, Tirol nach Oberitalien, dann von Venedig über Triest, Gratz, Wien zurück machte und in den „Pražske noviny“ beschrieben hat, blieb künstlerischerseits auf ihn ohne Einfluß. Nur Mendel bringt in seinem Lexikon eine kurze Notiz über ihn. Andere, wie Bernsdorf-Schladebach, Hugo Rieman, Reißmann, Bremer, kennen seinen Namen nicht. Eine Uebersicht der ihn in seinen verschiedenen Richtungen charakterisirenden Arbeiten in einer entsprechenden Auswahl folgt unten. In seinem Nachlasse befanden sich mehrere Messen, ein Claviertrio (in „D-dur“) und auch zwei kleine Opern, deren eine den čechischen Titel „Zaboj“ hat. Außerdem war Zwonař ein fleißiger Forscher auf dem Gebiete der altböhmischen Kirchenmusik, und verdankt man ihm neben Veröffentlichung einer Reihe von liturgischen Gesängen viele interessante und werthvolle Aufsätze, wie denn auch die trefflichen Musikkritiken in der čechischen Prager Zeitung (Pražski noviny) aus seiner Feder stammten. Er starb im besten Alter von erst 41 Jahren, ledigen Standes, eine Mutter und zwei Schwestern zurücklassend. Die Opuszahl seiner Compositionen erreichte schon im Jahre 1861 deren 122.
Zwonař (sprich Zwonarz), Joseph Leopold (Tonkünstler, geb. zu Kublow bei Žebrák am 22. Jänner 1824, gest. in Prag 25. November 1865). Ein Dorfkind, wuchs er unter den drückendsten und armseligsten Verhältnissen auf, die aber das ihm angeborene musicalische Talent nicht zu ersticken vermochten. Was der Dorfschulmeister von Musik verstand, war bald von dem eifrigen Zögling begriffen worden, der als kleiner Junge bereits im Chore seinen „Diskant“ geltend machte und im Orchester, so gut es ging, an der Flöte, der Clarinette und dem Waldhorn beschäftigt werden konnte. Doch diese Herrlichkeit sollte bald ein Ende nehmen, seine Eltern bestimmten ihn für eine minder edle Kunst – das Schneiderhandwerk, dem er sich nur mit Widerwillen widmete. Doch sollte es nicht lange dauern. Der Ortsseelsorger, der das schöne Talent des Knaben mit richtigem Blicke sofort erkannte, übernahm denselben unentgeltlich zur Ausbildung. So brachte es Zwonař zum Lehramtscandidaten, in welcher Eigenschaft er nach Prag kam, wo ihn das musicalische Leben begreiflicherweise außerordentlich fesselte, zumal als es ihm 1842 gelang, in die dortige Orgelschule – ein Lehrerbildungsinstitut, in welchem in zwei Jahrgängen die Harmonielehre und der Generalbaß Hand in Hand mit dem Orgelspiel gelehrt wird – aufgenommen zu werden. Hier brachte er es vom Schüler bald zum Lehrassistenten, in welcher Eigenschaft er einige Jahre verbrachte. In diesen Zeitraum fällt der größte Abschnitt seiner Thätigkeit, wie seines Lebens. Da er sich fortwährend mit Studien der Werke der Altmeister- Compositionen des J. L. Zwonař. 1. Kirchliche. „Adventní piseň... s předehrou a dohrou a Tři vánočni skladby pro varhany“, d. i. Adventlied mit Vor- und Nachspiel und drei Weihnachtscompositionen für die Orgel (Prag, Veit). – „Blažené Památce sv. Cyrilla a Methoda blahověstů slovanských. Zpěvy ku veškerým častem mše svaté“, d. i. Dem seligen Andenken der slavischen Apostel HH. Cyrill und Method. Gesänge für sämmtliche Theile der h. Messe (Prag, Hofmann). – „Gesänge religiösen Inhalts für Männerchor. 1. Abtheilung: Bitt- und Danksagungsgesänge“ (Prag, Veit). – „Musica sacra. Nr. 1. Graduale (Salvum fac) pro abor a smyčcowé nástroje“, Op. 33 für 4 Singstimmen, 2 Violinen, Viola, Baß und Orgel (Prag, Christoph und Kuhé). – „Musica sacra. Nr. II. Missa pro defunctis“, wie oben (Prag, Veit). – „Pět zpěvů k slavnosti Božeho Těla“, d. i. Fünf Gesänge zur Frohnleichnamsprocession. Vier Lieder aus dem čechischen Cancional und Pange lingua-Hymne des h. Thomas von Aquino. Für Männerchor (Prag, Hofmann). – „Šestero předher pro varhany pro sv. vánočni čas“, d. i. Sechs Pastoralpräludien (Prag, Veit). – „Písně pro spolek katolických [349] tovaryšů v Praze“, d. i. Gesänge für katholische Gesellenvereine in Prag (Prag 1862). –„Slavnostní předehra pro Boži hod velikanoční na motiv „Alleluja““,“, d. i. Prächtiges Vorspiel für den h. Tag auf Weihnacht auf das Motiv „Alleluja“ (Prag. Veit). – „Legenda o sv. Ludmile kněžně“, d. i. Legende von der h. Ludmilla, Königin, im 10. Hefte des von Karl Bendel in Prag bei Vitek herausgegebenen musicalischen Sammelwerkes „Hlahol“. – „Pastorale. Böhmisches Weihnachtslied mit Vor- und Nachspiel. Pastoralpräludien und ein böhmisches Adventlied“ (Prag, Veit). – 2. Theoretische Werke. „Navedeni k snadnému potřebnych kadencí skladani“, d. i. Anleitung zum geläufigen Vortrag der nöthigen Cadenzen. Für minder geübte Orgelspieler (Prag, Rohliček). – „Základy harmonie a zpěvu s příslušným navedením pro učitele hudby...“, d. i. Grundzüge des Gesanges und der Harmonie. Mit einer Anleitung für Musiklehrer... (Prag 1861, Řiwnáč, gr. 8°., 206 S.). – „Zpěvníček pro dívčí školy“, d. i. Gesangbüchlein für Mädchenschulen. – „Příručni knižka při vyučováni zpěvu pro I. i II. třídu vyšších dívčich škol“, d. i. Handbüchlein beim Unterricht im Gesange für die 1. und 2. Classe höherer Mädchenschulen; dieses und das vorige bilden das 11., 12., 13. Heft des pädagogischen Sammelwerkes „Dívči škola“, d. i. Mädchenschule, Sammlung der nöthigsten Kenntnisse für böhmische Mädchen (Prag 1870, Kober). – „Theoretická-practická škola piana s národnímí pisňemi pro cvičební látkou pro utlou mladež“, d. i. Theoretisch-praktische Pianoschule auf Grund von Volksliedern zur leichteren Uebung für die Jugend. 2 Hefte (Prag, Schalek und Wehler). – 3. Ausgaben älterer Tonwerke. „Hudební památky české. Výbor krásných spěvů českých cirkevných, i světských“, d. i. Čechische Gesangdenkmäler, eine Sammlung čechischer kirchlicher und weltlicher Gesänge. 2 Hefte (Prag 1863, Kober). – „Tři staročeské choraly z roku 1602“, d. i. Drei altčechische Choräle aus dem Jahre 1602 im 8. Hefte des von Karl Bendel herausgegebenen musicalischen Sammelwerkes „Hlahol“. – 4. Verschiedene Compositionen für Gesang, Piano, Orgel. „Der Ritt zum Elfenstein. Ballade nach einer schwedischen Sage von Anton Oswald für Soli, Chor und Orchester“ (Winterthur, Rieter-Biedermann). – „Veneček rosmarinový z ohlasn národních písní od Jos. Koláře“, d. i. Rosmarinkränzchen nach Volksliedern von Jos. Kolář für eine Singstimme (Prag 1863, Veit). – „Charakteristisches Tonstück für Pianoforte“ Op. 40 (Prag, Schalek). – „Impromptu (bei Sonnenuntergang) für Pianoforte“ Op. 2 (Prag, Hofmann). – „Morgenandacht des Brahminen“, für Chor und Orchester“. – „Loreley. Phantasiestück für Pianoforte“, Op. 3 (Prag, Hofmann). – „Prèlude et fugue pour le Pianoforte“, Oeuv. 1 (ebd.). – „Primula veris. Composition für Pianoforte“, Op. 27 (ebd.). –„Quodlibet aus čechischen Volksliedern für Männerchor“ (Wien). – „Vier Sonaten für die Orgel“. – „Sonate F-moll für Pianoforte“, Op. 10“ (Prag, Hofmann). – „Sonate F-dur für Pianoforte“ (ebd.). – „Große Suite. Auf vier Hände: 1. Marsch, 2, Scherzo, 3. Adagio, 4. čechisches Volkslied mit Variationen, 5. Intermezzo, 6. Finale“ (Prag 1862, Hofmann). – Mit Dr. J. B. Pichl gab er ein Gesellschafts-Liederbuch und mit Kellner ein Gesellen-Liederbuch heraus.
- Quellen. Bohemia (Prager politisches und belletristisches Blatt, 4°.) 1862, Nr. 266; 1865, Nr. 280, S. 1371. – Oesterreichischer Volks- und Wirthschaftskalender (Wien, Prandl, gr. 8°.) Jahrg. 1867 [Nach diesem gest. am 25. November 1865). – Wiener Zeitung, 1865, Nr. 271, S. 593: „Jos. Leop. Zwonař“. – Průvodce v oboru českých tištěných písní pro jeden neb více hlasů (od r. 1800–1862), d. i. Führer auf dem Felde gedruckter böhmischer Lieder für eine oder mehrere Stimmen. (Vom Jahre 1800–1862). Zusammengestellt von Em. Meliš und Jos. Bergmann (Prag 1863, 12°.) S. 223 [mit bis zum Jahre 1863 reichendem vollständigen Verzeichniß seiner Liedercompositionen]. – Dalibor. Hudebni časopis....., d. i. Dalibor, Musikzeitung. Redigirt von Emanuel Meliš (Prag, 4°.) IV. Jahrg. 1. Jänner 1861, Nr. 1–13 [die ausführlichste Biographie über diesen gediegenen und wenig gekannten Tonkünstler]. – Lumir (Prager čechisches Unterhaltungsblatt, Lex. 8°.) 1856, Nr. 52. – Květy, d. i. Blüten (Prager illustr. Blatt) 1871, Nr. 7. – Šembera, (Alois Vojtěch). Dějiny řeči a literatury [350] česko-slovenské. Věk novější., d. i. Geschichte der čechoslavischen Sprache und Literatur. Neuere Zeit (Wien 1868, gr. 8°.) S. 310 [nach diesem gest. am 23. November 1865]. – Světozor (Prager illust. Blatt) 1874., Nr. 25.
- Porträts. 1) Lithographie in der Prager Steindruckerei von Pražák (1865, Fol.). – 2) Unterschrift: „Joseph Leopold Zwonař“. Holzschnitt nach einer von Mukarowsky nach einem Lichtbild ausgeführten Zeichnung im „Světozor“ 1874, Nr. 25. – 3) Holzschnitt von Stolař, nach einer Zeichnung von K. Maixner in „Květy“ 1871, Nr. 7.