Zum Inhalt springen

BLKÖ:Vrtatko, Anton Jaroslav

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Vucetich, Stane
Band: 52 (1885), ab Seite: 8. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Antonín Jaroslav Vrťátko in Wikidata
GND-Eintrag: 1208668609, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Vrtatko, Anton Jaroslav|52|8|}}

Vrtatko, Anton Jaroslav (čechischer Schriftsteller, geb. 29. Mai 1815 in [9] Neu-Benatek an der Isar). Der Sohn eines Bürgers zu Neu-Benatek, besuchte er daselbst die Ortsschulen, in denen er auch die deutsche Sprache erlernte. 1827 bezog er zu Jungbunzlau das Gymnasium, welches er 1833 beendete. Im vorletzten Jahre seines Aufenthaltes auf demselben wurde er mit Johann Vlček [Bd. LI, S. 111], dem Uebersetzer der „Ilias“, bekannt, und auf dessen Anregung betrieb er nun mit großem Eifer das Studium seiner Muttersprache, in welcher er sich später zu Prag vervollkommnete. Georg Fürst Lubomirský, [BLKÖ:Swoboda, Wenzel Alois|Wenzel Svoboda]], Šohaj, Štulč, Tomek, Trojan waren in den philosophischen Studien, welche er 1835 beendete, seine Schulcollegen, und in diesem kleinen Häuflein stand die Pflege der Muttersprache und nationaler Gefühle auf der Tagesordnung. In den Ferien 1837 unternahm er mit Ladislaus Rieger eine größere Reise, auf welcher er Mähren, die beiden Erzherzogthümer, Ungarn, Galizien, Krakau und Schlesien besuchte. In Preßburg lernte er Palkovic [Bd. XXI, S. 226] und Dankovszky [Bd. III, S. 158], in Pesth Kollar [Bd. XII, S. 325], in der Slovakei[WS 1] Kuzmány [Bd. XIII, Seite 437], Štúr [Bd. XL, S. 218] und das ganze Häuflein begeisterter Slovaken kennen, welche schon damals den Kampf gegen das Magyarenthum, vorderhand nur in Wort und Schrift, begonnen hatten. 1839 beendete er die Rechtsstudien und nahm im folgenden Jahre eine Erzieherstelle an im Hause des Barons Hildprant in Blatno. Mit der freiherrlichen Familie verlebte er die Winter 1842, 1843 und 1844 in Italien und benützte diese Gelegenheit zu eingehenden Kunststudien, vornehmlich während eines längeren Aufenthaltes in Venedig und Florenz. In ersterer Stadt unterrichtete er auch in dieser Zeit fünf Sohne des Erzherzogs Rainer, damaligen Generalgouverneurs von Lombardei-Venedig, in der čechischen Sprache und in der Geschichte der slavischen Völker. Nachdem er sich noch den Rigorosen zur Erlangung der philosophischen Doctorwürde unterzogen hatte, trat er 1847 aus dem Hause des Barons Hildprant als Erzieher in die Familie des Grafen Harrach ein und blieb in derselben bis 1851. Hierauf begab er sich nach Prag, in der Absicht, sich um eine Professur an der dortigen Universität zu bewerben. Aber die damaligen Verhältnisse zeigten sich seinem Vorhaben wenig günstig, und so verlegte er sich vorläufig besonders auf das Studium der griechischen Philosophie, namentlich des Aristoteles, studirte aber auch dessen übrige Werke, so daß er zu jener Zeit unter den Slaven als der gründlichste Kenner dieses Klassikers galt. Als bald darauf eine Commission zur Berathung und Abfassung eines wissenschaftlichen Wörterbuches der čechischen Sprache für Gymnasien und Realschulen unter dem Vorsitze Šafařik’s zusammentrat, arbeitete er, zum Mitgliede berufen, die Terminologie für die mathematischen und philosophischen Disciplinen. 1853 zum Mitgliede des Ausschusses des böhmischen Museums, in der Abtheilung für wissenschaftliche Entwickelung der čechischen Sprache und Literatur, gewählt, wurde er im folgenden Jahre außerordentliches Mitglied der königlich böhmischen Akademie der Wissenschaften und erhielt, anläßlich des ersten Besuches, mit welchem das jugendliche Herrscherpaar Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth die Stadt Prag beglückte, den Auftrag zur Herausgabe eines schöngeistigen [10] Denkbuches, das denn auch – ein Seitenstück zu Heliodor Truska’s [Bd. XLVII, S. 263] „Oesterreichischem Frühlingsalbum“ – unter dem Titel „Perly české“, d. i. Čechische Perlen, 1855 in Prachtausstattung erschien. 1860 fungirte er auch als einer der Preisrichter für die Dramen, welche sich um den Fingerhut-Preis bewarben. Als er dann nach Wenzeslaus Hanka’s Tode die Stelle des ersten Bibliothekars am böhmischen Museum antrat, wurde ihm auch die Redaction der „Museal-Zeitschrift“ übertragen. Was nun die schriftstellerische Thätigkeit Vrtatko’s anbelangt, so trat er zuerst 1835 mit einer Abwehr der strengen Kritik auf, welcher Čelakovski die čechische durch Vlček besorgte Uebersetzung der Hesiod’schen Dichtung „Werke und Tage“ in der Zeitschrift „Květy“ unterzogen hatte; überhaupt schickte er in dieses Blatt öfter Gedichte und historisch-literarische Artikel, vornehmlich von 1835 bis 1837. Im Jahre 1844 veröffentlichte er in derselben die Beschreibung einer Winterreise im Venetianischen. 1836 veranstaltete er der Erste, gemeinschaftlich mit K. E. Tupý (Jablonský) [Bd. XLVIII, S. 131], die Herausgabe des Almanachs „Vesna“, d. i. Der Frühling, in dessen drei Jahrgängen mehrere schöngeistige Arbeiten aus seiner Feder enthalten sind. Der für den Jahrgang 1838 bestimmte Roman „Kletba“, d. i. Der Fluch, wurde von der Censur unterdrückt. Um nun die dadurch entstandene Lücke auszufüllen, übersetzte er für den dritten Jahrgang (1839) aus dem Deutschen die Erzählung „Zweite Liebe“ (Druhá láska). Vrtatko’s Originalerzählungen erfreuten sich seinerzeit solcher Beliebtheit, daß z. B. eine derselben, „Snoubenci Dražičtí“, in deutscher Bearbeitung (zu Hamburg als Originalwerk) erschien und dann, da man den čechischen Ursprung nicht kannte, als čechisches Theaterstück umgearbeitet auf einer čechischen Privatbühne zur Aufführung gelangte. Ebenso ward die Erzählung „Kouzelnice Černoborka“, d. i. Die Hexe von Černobor, nicht eben zum Vortheile des Originals, von Šantl in ein Trauerspiel umgedichtet. Im obgenannten Almanach „Vesna“ erschienen ausschließlich zu Vrtatko’s Erzählungen Zeichnungen von Kandler|Kandler]] [Bd. X, S. 429], welche von Rybička in Stahl gestochen wurden. Kaum dürfte irgend ein Werk in der čechischen Literatur solches Aufsehen erregt haben, als eine Arbeit Vrtatko’s aus dessen jüngeren Jahren, betitelt: „Jan Štastný. Upomínky na věk patnáctý“, d. i. Johann Štastný. Erinnerungen an das fünfzehnte Jahrhundert. Dieses Artikels bemächtigte sich, wie auf ein gemeinsames Schlagwort, sofort die ganze slavische Presse und leitete daraus das abgeschmackte Märchen ab, Johann Gutenberg, dieser urdeutsche Erfinder der Buchdruckerkunst, sei ein Čeche gewesen und somit die Buchdruckerkunst eine čechische Erfindung. Dieses Märchen wurde nun von Europa nach Amerika colportirt und beschäftigte die verschiedenartigsten Geister, welche daran ihre Combinationen und Hallucinationen entwickelten. Auch schrieb Vrtatko zahlreiche pädagogische und didaktische Abhandlungen, vornehmlich für die Zeitschriften „Der Sammler für die Lehrer“ (Sborník učitelský) und „Schule und Leben“ (Škola a život). Später, nachdem er seine griechischen, namentlich Aristotelischen Studien gemacht und die Redaction der čechischen Museal-Zeitschrift (Časopis českého museum) [11] übernommen hatte, erschienen nun in derselben zahlreiche Aufsätze seiner Feder archäologischen, philosophischen und geschichtlichen Inhalts, wie z. B. „Ueber die Bedeutung des Namens Zeus“, „Von der Schule und den Schülern des Pythagoras“, „Von der Organisation des spartanischen Gemeinwesens“, „Von der Einrichtung des athenischen Staatswesens“, welche in den Jahrgängen 1859–1861 erschienen sind. Von 1862 bis 1864 veröffentlichte er in der genannten Zeitschrift die kritisch durchgesehenen Texte zweier biblischer Romane: „Leben des Joseph“ und „Aseneth“, welchen er eine Einleitung vorangeschickt hatte; diesen Arbeiten ließ er den antiken Roman „Apollon, König von Tyrus“, des Ludwig von Pernstein „Belehrungen für Eltern“ und eine Uebersicht seiner sorgfältig erforschten und gesammelten Quellen zu einer Biographie des Wenzel Hajek von Libočan folgen. Auch trug er, sobald er sein Amt am Museum angetreten hatte, dafür Sorge, daß von der Königinhofer Handschrift[WS 2] und anderen handschriftlichen Resten der čechischen Literatur Lichtbilder aufgenommen wurden, und als Einleitung der 1862 bewerkstelligten Herausgabe dieser Photographien fügte er eine Textverbesserung bei, in welcher er nicht weniger denn 100 von früheren Forschern übersehene irrthümliche Stellen auf ihre richtige Lesart brachte. Noch gab er dann 1870 den Briefwechsel W. Hanka’s und J. Dobrovský’s heraus. Wie es aus vorstehender Uebersicht hervorgeht, concentrirt sich Vrtatko’s schriftstellerische Thätigkeit meist in zeitschriftlichen Abhandlungen. Die Zahl der selbständig im Druck erschienenen Arbeiten seiner Feder ist sehr gering, und sind folgende zu verzeichnen: „Belův útěk ve dvou jednáních“, d. i. Belas Flucht. Schauspiel in zwei Aufzügen (Königgrätz 1837, 16°.), eine Uebersetzung des bekannten Stückes von Kotzebue „Belas Flucht“; – „Aristotela kategorie. Z řeckého převedl a vyložil“, d. i. Die Kategorien des Aristoteles. Aus dem Griechischen übertragen und erläutert (Prag 1860, mit Unterstützung der Matice česká); – „Vodopis králoství Českého ku prospěchu mlctdeže česko-slovanské“, d. i. Die Gewässerbeschreibung des Königreichs Böhmen, für die čechoslavische Jugend (Prag 1861, zweite Ausgabe 1864), eine Art geographisches Gedächtnißbüchlein in Reimen, in zwei Ausgaben, eine für Lehrer mit einer Einleitung, die andere für Schüler ohne eine solche; – „Sedmikrásky. Ve prospěch mládeže ěesko-slovanské“, d. i. Maßliebchen. Für die čecho-slavische Jugend (Prag 1864). Selbstverständlich ist es, daß Vrtatko seit Jahren für die Weckung des Nationalgefühls nach besten Kräften wirkte, bald dadurch, daß er in Adelsfamilien die Anlegung von Bibliotheken und in Dilettantenkreisen die Aufführung čechischer Theaterstücke befürwortet, oder sonst in anderer Weise, wie sich zu dergleichen immer sattsam Gelegenheit darbietet.

Jungmann (Joseph). Historie literatury české, d. i. Geschichte der böhmischen Literatur (Prag 1849. F. Řiwnáč, schm. 4°.). Zweite von W. W. Tomek besorgte Ausgabe, S. 653. – Šembera (Alois Vojtěch). Dějiny řeči a literatury česko-slovenské. Vek novější, d. i. Geschichte der čechoslavischen Sprache und Literatur. Neuere Zeit (Wien 1869, gr. 8°.) S. 307.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Slovakai.
  2. Vergleiche dazu Königinhofer Handschrift (Wikipedia).