Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl II/Achtzehntes Capitel

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Siebenzehntes Capitel Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band (1875)
von Charles Darwin
Neunzehntes Capitel


[255]
Achtzehntes Capitel.
Secundäre Sexualcharactere der Säugethiere (Fortsetzung).
Stimme. — Merkwürdige geschlechtliche Eigenthümlichkeiten bei Robben. — Geruch. — Entwickelung des Haars. — Farbe des Haars und der Haut. — Anomaler Fall, wo das Weibchen mehr geschmückt ist als das Männchen. — Farbe und Schmuck Folgen geschlechtlicher Zuchtwahl. — Farbe zum Zwecke des Schutzes erlangt. — Farbe, wenn schon beiden Geschlechtern gemeinsam, doch häufig Folge geschlechtlicher Zuchtwahl. — Ueber das Verschwinden von Flecken und Streifen bei erwachsenen Säugethieren. — Ueber die Farben und Zierathen der Quadrumanen. — Zusammenfassung.

Säugethiere brauchen ihre Stimmen zu verschiedenen Zwecken, zu Warnungsrufen, oder ein Glied einer Truppe ruft ein anderes an, oder eine Mutter ruft die von ihr verlorenen Jungen, oder die letzteren rufen nach ihrer Mutter um Schutz; aber derartige Benutzungen brauchen hier nicht betrachtet zu werden. Wir haben es hier nur mit der Verschiedenheit zwischen den Stimmen der beiden Geschlechter zu thun, z. B. zwischen der des Löwen und der Löwin oder des Bullen und der Kuh. Beinahe alle männlichen Säugethiere brauchen ihre Stimmen viel mehr während der Brunstzeit als zu irgend einer anderen Zeit, und einige, wie die Giraffe und das Stachelschwein,[1] sollen, wie man sagt, mit Ausnahme dieser Zeit vollständig stumm sein. Da die Kehlen (d. h. der Kehlkopf und die Schilddrüsen[2]) der Hirsche im Anfange der Paarungszeit periodisch vergrössert werden, so könnte man meinen, dass ihre mächtigen Stimmen dann in irgendwelcher Weise für sie von grosser Bedeutung sein müssten; doch ist dies sehr zweifelhaft. Nach Mittheilungen, welche mir zwei erfahrene Beobachter, Mr. M'Neill und Sir Ph. Egerton, gegeben haben, scheint es, als wenn junge Hirsche unter dem Alter von drei Jahren nicht brüllten [256] oder schrien und als ob die älteren mit dem Beginne der Paarungszeit anfangs nur gelegentlich und mässig zu schreien anfiengen, während sie beim Suchen der Weibchen ruhelos umherwandern. Ihre Kämpfe werden durch lautes und anhaltendes Geschrei eingeleitet; aber während des eigentlichen Conflicts selbst verhalten sie sich schweigend. Thiere aller Art, welche gewöhnlich ihre Stimmen gebrauchen, bringen unter jeder starken Gemüthserregung, so wenn sie wüthend werden oder sich zum Kampfe vorbereiten, verschiedene Laute hervor; doch kann dies einfach nur das Resultat ihrer nervösen Aufregung sein, welches zu der krampfhaften Zusammenziehung beinahe aller Muskeln des Körpers führt, ebenso wie ein Mensch seine Zähne zusammenbeisst und seine Hände ringt, wenn er in Wuth oder Angst ist. Ohne Zweifel fordern die Hirsche einander zum tödtlichen Kampfe durch Geschrei heraus; aber wenn die Hirsche mit der kraftvolleren Stimme nicht zu derselben Zeit auch die stärkeren, besserbewaffneten und muthvolleren sind, werden sie über ihre Nebenbuhler keinen Vortheil erlangen.

Es ist möglich, dass das Brüllen des Löwen für ihn von irgend welchem factischen Nutzen ist, und zwar dadurch, dass er seinen Gegner mit Schrecken erfüllt; denn wenn er in Wuth geräth, so richtet er gleichfalls seine Mähne empor und versucht instinctiv, sich damit so schrecklich als möglich aussehend zu machen. Es kann aber kaum angenommen werden, dass das Geschrei des Hirsches, selbst wenn es ihm in dieser Weise irgendwie von Nutzen wäre, von hinreichender Bedeutung gewesen sei, um zur periodischen Vergrösserung der Kehle zu führen. Einige Schriftsteller vermuthen, dass das Geschrei als ein Ruf für das Weibchen diene; aber die oben citirten erfahrenen Beobachter theilen mir mit, dass der weibliche Hirsch nicht das Männchen sucht, dass vielmehr die Männchen gierig die Weibchen aufsuchen, wie sich in der That nach dem, was wir von den Gewohnheiten anderer männlichen Säugethiere wissen, erwarten liess. Auf der anderen Seite ruft die Stimme des Weibchens schnell einen oder mehrere Hirsche zu ihm,[3] wie den Jägern wohl bekannt ist, welche in wilden Gegenden ihren Ruf nachahmen. Wenn wir glauben könnten, dass das Männchen das Vermögen hätte, das Weibchen durch seine Stimme zu reizen oder zu locken, so würde die periodische Vergrösserung [257] seiner Stimmorgane nach dem Gesetze geschlechtlicher Zuchtwahl, in Verbindung mit einer auf ein und dasselbe Geschlecht und auf dieselbe Jahreszeit beschränkten Vererbung, verständlich sein; wir haben aber keine diese Ansicht begünstigenden Belege. Wie der Fall liegt, so scheint die laute Stimme des Hirsches während der Paarungszeit für ihn von keinem speciellen Nutzen zu sein, weder während seiner Bewerbung noch während seiner Kämpfe, noch in irgend einer anderen Weise. Dürfen wir aber nicht annehmen, dass der häufige Gebrauch der Stimme unter der starken Erregung von Liebe, Eifersucht und Wuth während vieler Generationen fortgesetzt, zuletzt doch eine vererbte Wirkung auf die Stimmorgane des Hirsches ebenso gut ausgeübt haben kann, wie bei irgend welchen anderen männlichen Thieren? Nach dem gegenwärtigen Zustande unserer Kenntniss scheint mir dies die wahrscheinlichste Ansicht zu sein.

Der männliche Gorilla hat eine furchtbare Stimme und ist, wenn er erwachsen ist, mit einem Kehlsacke versehen, wie auch der männliche Orang einen solchen besitzt.[4] Die Gibbons zählen zu den lautesten unter allen Affen und die Sumatraner Species (Hylobates syndactylus) ist gleichfalls mit einem Kehlsacke versehen. Aber Mr. Blyth, welcher Gelegenheit zur Beobachtung gehabt hat, glaubt nicht, dass das Männchen geräuschvoller ist als das Weibchen. Es brauchen daher wahrscheinlich diese letzteren Affen ihre Stimmen zu gegenseitigem Rufen und dies ist sicher bei einigen Säugethieren, z. B. beim Biber,[5] der Fall. Ein anderer Gibbon, der H. agilis, ist dadurch merkwürdig, dass er das Vermögen besitzt, eine vollständige und correcte Octave musikalischer Noten hervorzubringen,[6] welche, wie wir wohl mit Grund vermuthen können, als geschlechtliches Reizmittel dienen. Ich werde aber auf diesen Gegenstand im nächsten Capitel zurückzukommen haben. Die Stimmorgane des africanischen Mycetes caraya sind beim Männchen um ein Drittel grösser als beim Weibchen und sind wunderbar kräftig. Wenn das Wetter warm ist, lassen diese Affen die Wälder während der Morgen und Abende von ihrem überwältigenden Geschreie erklingen. Die Männchen fangen das fürchterliche [258] Concert an, in welches die Weibchen mit ihren weniger kraftvollen Stimmen zuweilen einstimmen und welches häufig mehrere Stunden lang fortgesetzt wird. Ein ausgezeichneter Beobachter, Rengger,[7] konnte nicht wahrnehmen, dass sie durch irgend eine specielle Ursache angeregt wurden, ihr Concert zu beginnen; er glaubt, dass sie wie viele Vögel an ihrer eigenen Musik Ergötzen finden und einander zu übertreffen suchen. Ob die meisten der vorstehend angeführten Affen ihre kräftigen Stimmen erlangt haben, um ihre Nebenbuhler zu besiegen und die Weibchen zu bezaubern, – oder ob die Stimmorgane durch die vererbten Wirkungen lange fortgesetzten Gebrauches gekräftigt und vergrössert worden sind, ohne dass irgend ein besonderer Vortheil dadurch erreicht wurde, – das will ich nicht zu entscheiden wagen. Doch scheint mindestens in Bezug auf den Fall von Hylobates agilis die erste Ansicht die wahrscheinlichste zu sein.

Ich will hier zwei sehr merkwürdige Eigenthümlichkeiten bei Robben erwähnen, weil mehrere Schriftsteller vermuthet haben, dass sie die Stimme afficiren. Die Nase des männlichen See-Elephanten (Macrorhinus proboscideus) ist, wenn das Thier ungefähr drei Jahre alt ist, während der Paarungszeit bedeutend verlängert und kann dann aufgerichtet werden. In diesem Zustande ist sie zuweilen einen Fuss lang. Das Weibchen ist auf keiner Periode des Lebens mit einem solchen Gebilde versehen. Das Männchen bringt ein wildes rauhes gurgelndes Geräusch hervor, welches in grosser Entfernung hörbar ist und von dem man glaubt, dass es durch den Rüssel verstärkt wird; die Stimme des Weibchens ist hiervon verschieden. Lesson vergleicht das Aufrichten des Rüssels mit dem Anschwellen der Fleischlappen männlicher hühnerartiger Vögel, während sie die Weibchen umwerben. Bei einer anderen verwandten Art von Robben, nämlich der Klappmütze (Cystophora cristata) ist der Kopf von einer grossen Haube oder Blase bedeckt. Diese wird innen durch die Nasenscheidewand gestützt, welche sehr weit nach rückwärts verlängert ist und sich in eine sieben Zoll hohe Leiste erhebt. Die Klappe ist mit kurzen Haaren bedeckt, und ist muskulös; sie kann aufgeblasen werden, bis sie an Grösse mehr als der ganze Kopf beträgt! In der Brunstzeit kämpfen die Männchen auf dem Eise wüthend mit einander und ihr Brüllen „soll dann zuweilen so laut sein, dass man es vier Meilen [259] (miles) weit hört“. Werden sie angegriffen, so brüllen und schreien sie gleichfalls, und so oft sie überhaupt erregt werden, wird die Haube aufgeblasen und zittert. Einige Naturforscher glauben, dass die Stimme hierdurch verstärkt wird, aber andere haben dieser ausserordentlichen Bildung verschiedene andere Functionen zugeschrieben. Mr. R. Brown glaubt, dass sie als Schutz gegen Zufälle aller Arten diene; dies ist indessen nicht wahrscheinlich; denn Mr. Lamont, welcher sechshundert dieser Thiere erlegt hat, versichert mir, dass die Klappe bei den Weibchen rudimentär und bei den Männchen während der Jugend nicht entwickelt ist.[8]

Geruch. – Bei einigen Thieren, so bei den bekannten Skunks von America, scheint der überwältigende Geruch, den sie von sich geben, ausschliesslich als Vertheidigungsmittel zu dienen. Bei Spitzmäusen (Sorex) besitzen beide Geschlechter abdominale Geruchdrüsen, und es lässt sich wegen der Art und Weise, in welcher ihre Körper von Vögeln und Raubthieren verschmäht werden, nur wenig zweifeln, dass dieser Geruch für die Thiere protectiv ist; nichtsdestoweniger werden die Drüsen bei den Männchen während der Paarungszeit vergrössert. Bei vielen andern vierfüssigen Thieren sind die Drüsen in beiden Geschlechtern von der nämlichen Grösse;[9] aber ihr Gebrauch ist unbekannt. Bei anderen Species sind die Drüsen auf die Männchen beschränkt oder sind bei diesen mehr entwickelt als bei den Weibchen und sie werden beinahe immer während der Brunstzeit thätiger. In dieser Periode vergrössern sich die Drüsen an den Seiten des Gesichtes des männlichen Elephanten und sondern eine Secretion ab, die einen starken Moschusgeruch hat. Die Männchen, selbst auch die Weibchen, vieler Arten von Fledermäusen haben an verschiedenen [260] Theilen ihres Körpers gelegene Drüsen und ausstülpbare Taschen; man glaubt, dass sie einen Geruch von sich geben.

Die scharfe Aussonderung des Ziegenbocks ist wohlbekannt und die gewisser männlicher Hirsche ist wunderbar stark und persistent. An den Ufern des La Plata habe ich die ganze Luft mit dem Geruche des männlichen Cervus campestris bis in eine Entfernung von einer halben Meile windabwärts von einer Heerde durchzogen gefunden, und ein seidenes Taschentuch, in welchem ich eine Haut nach Hause trug, behielt, trotzdem es wiederholt benutzt und gewaschen worden war, wenn es zuerst entfaltet wurde, Spuren des Geruches noch ein Jahr und sieben Monate lang. Dieses Thier gibt den starken Geruch nicht eher von sich, als bis es über ein Jahr alt ist, und wenn es jung castrirt wird, sondert es denselben niemals ab.[10] Ausser dem allgemeinen Geruche, mit welchem der ganze Körper gewisser Wiederkäuer während der Paarungszeit durchdrungen zu sein scheint (so z. B. Bos moschatus), besitzen viele Hirsche, Antilopen, Schafe und Ziegen riechbare Stoffe absondernde Drüsen an verschiedenen Stellen, besonders an dem Gesichte. Die sogenannten Thränensäcke oder Suborbitalgruben fallen unter diese Kategorie. Diese Drüsen sondern eine halbflüssige stinkende Substanz ab, welche zuweilen so reichlich ist, dass sie das ganze Gesicht tränkt, wie ich es bei einer Antilope gesehen habe. Sie sind „gewöhnlich beim Männchen grösser als beim Weibchen und ihre Entwickelung wird durch die Castration gehemmt“.[11] Desmarest zufolge fehlen sie beim Weibchen von Antilope subgutturosa vollständig. Es kann daher kein Zweifel sein, dass sie in irgend einer Beziehung zu den reproductiven Functionen stehen. Sie sind auch bei nahe verwandten Formen zuweilen vorhanden und zuweilen fehlen sie. Bei dem erwachsenen männlichen Moschusthiere (Moschus moschiferus) ist ein nackter Raum rund um den Schwanz von einer riechenden Flüssigkeit angefeuchtet, während bei dem erwachsenen Weibchen und beim Männchen ehe es zwei Jahre alt wird dieser Raum mit Haaren bedeckt und nicht riechend ist. Der eigentliche Moschusbeutel ist seiner Lage nach nothwendig auf das Männchen beschränkt [261] und bildet noch ein weiteres riechendes Organ. Es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass die von dieser letzteren Drüse abgesonderte Substanz sich der Angabe von Pallas zufolge während der Paarungszeit weder in der Consistenz verändert noch der Quantität nach zunimmt. Nichtsdestoweniger nimmt dieser Forscher an, dass ihr Vorhandensein in irgend welcher Weise mit dem Acte der Reproduction in Zusammenhang steht. Er gibt indessen nur eine vermuthungsweise und nicht befriedigende Erklärung von ihrem Gebrauche.[12]

Wenn während der Paarungszeit das Männchen allein einen starken Geruch von sich gibt, so dient dieser in den meisten Fällen wahrscheinlich dazu, das Weibchen zu reizen oder zu locken. Wir dürfen in Bezug auf diesen Punkt nicht nach unserem eigenen Geschmacke urtheilen; denn es ist wohl bekannt, dass Ratten von gewissen ätherischen Oelen und Katzen von Baldrian berauscht werden, Substanzen, welche weit entfernt davon sind, uns angenehm zu sein, und dass Hunde, trotzdem sie Aas nicht fressen, doch dasselbe beschnuppern und sich darin wälzen. Aus den bei der Erörterung der Stimme des Hirsches gegebenen Gründen können wir wohl die Idee zurückweisen, dass der Geruch dazu diene, die Weibchen aus der Entfernung zu den Männchen hinzuführen. Reichlicher und lange fortgesetzter Gebrauch kann hier nicht in das Spiel gekommen sein, wie bei den Stimmorganen. Der ausgegebene Geruch muss für das Männchen von einer beträchtlichen Bedeutung sein, insofern grosse und complicirte Drüsen in einigen Fällen entwickelt worden sind, die mit Muskeln zum Umwenden des Sackes und zum Schliessen und Oeffnen der Mündung versehen sind. Die Entwickelung dieser Organe durch geschlechtliche Zuchtwahl ist wohl verständlich, wenn die stärker riechenden Männchen beim Gewinnen des Weibchens die erfolgreichsten gewesen sind und Nachkommen hinterlassen haben, ihre allmählich vervollkommneten Drüsen und stärkeren Gerüche zu erben.

Entwickelung der Haare. – Wir haben gesehen, dass männliche Säugethiere häufig das Haar an ihrem Nacken und ihren Schultern viel stärker entwickelt haben als die Weibchen und es liessen sich noch viele weitere Beispiele hierfür anführen. Dies dient zuweilen [262] als Vertheidigungsmittel für das Männchen während seiner Kämpfe; ob aber das Haar in den meisten Fällen speciell zu diesem Zwecke entwickelt worden ist, ist sehr zweifelhaft. Wir können ziemlich sicher sein, dass dies nicht der Fall ist, wenn nur ein dünner und schmaler Haarkamm der ganzen Länge des Rückens entlang läuft; denn ein Haarkamm dieser Art würde kaum irgend welchen Schutz darbieten und die Kante des Rückens ist nicht wohl eine gerade verletzliche Stelle. Nichtsdestoweniger sind derartige Haarkämme zuweilen auf die Männchen beschränkt oder sind bei ihnen viel mehr entwickelt als bei den Weibchen. Zwei Antilopen, der Tragelaphus scriptus[13] (Fig. 70, S. 278) und Portax picta, mögen als Beispiel angeführt werden. Die Haarkämme gewisser Hirsche und des wilden Ziegenbockes stehen aufrecht, wenn diese Thiere in Wuth oder Schrecken versetzt werden.[14] Es lässt sich aber kaum vermuthen, dass dieselben nur zu dem Zwecke entwickelt worden sind, damit bei ihren Feinden Furcht zu erregen. Eine der eben erwähnten Antilopen, Portax picta, hat einen grossen scharf umschriebenen Pinsel schwarzen Haares an der Kehle und dieser ist beim Männchen viel grösser als beim Weibchen. Bei dem Ammotragus tragelaphus von Nordafrica, einem Gliede der Familie der Schafe, sind die Vorderbeine beinahe gänzlich durch ein ausserordentliches Wachsthum von Haaren verborgen, welche vom Nacken und der oberen Hälfte der Beine herabhängen. Mr. Bartlett glaubt aber nicht, dass dieser Mantel für’s Männchen, bei welchem er viel mehr entwickelt ist als beim Weibchen, auch nur von dem geringsten Nutzen ist.

Männliche Säugethiere vieler Arten weichen von den Weibchen darin ab, dass sie mehr Haare oder Haare eines verschiedenen Characters an gewissen Theilen ihrer Gesichter haben. Der Bulle allein hat gekräuselte Haare an der Stirn.[15] Bei drei nahe verwandten Untergattungen der Familie der Ziegen besitzen allein die Männchen Bärte und zuweilen von bedeutender Grösse; in zwei anderen Untergattungen haben beide Geschlechter einen Bart, aber dieser verschwindet bei einigen domesticirten Rassen der gemeinen Ziege, und bei Hemitragus hat keines von beiden Geschlechtern einen Bart. Beim [263] Steinbock ist der Bart während des Sommers nicht entwickelt und ist zu anderen Jahreszeiten so klein, dass er rudimentär genannt werden kann.[16] Bei einigen Affen ist der Bart auf das Männchen beschränkt, so beim Orang, oder ist beim Männchen viel grösser als beim Weibchen, wie beim Mycetes caraya und Pithecia satanas (Fig. 68).

Fig. 68. Pithecia satanas, Männchen, (aus Brehm, Thierleben).

Dasselbe ist mit dem Backenbarte einiger Species von Macacus[17] und wie wir gesehen haben mit den Mähnen einiger Arten von Pavianen der Fall. Aber bei den meisten Arten der Affen sind verschiedene Haarbüschel um das Gesicht und den Kopf in beiden Geschlechtern gleich.

Die Männchen verschiedener Glieder der Rinderfamilie (Bovidae) und gewisser Antilopen sind mit einer Wamme versehen oder einer grossen Hautfalte am Halse, welche beim Weibchen viel weniger entwickelt ist.

Was haben wir nun in Bezug auf derartige geschlechtliche Verschiedenheiten wie die angeführten zu folgern? Niemand wird behaupten wollen, dass die Bärte gewisser männlicher Ziegen oder die Wamme des Bullen oder die Haarkämme entlang dem Rücken gewisser [264] männlicher Antilopen diesen Thieren während des gewöhnlichen Verlaufs ihres Lebens von irgendwelchem Nutzen sind. Es ist möglich, dass der ungeheure Bart der männlichen Pithecia und der grosse Bart des männlichen Orang ihre Kehle schützen, wenn sie mit einander kämpfen; denn die Wärter im zoologischen Garten sagen mir, dass viele Affen einander bei der Kehle angreifen. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass der Kinnbart zu einem besonderen Zwecke entwickelt worden ist, der verschieden von dem wäre, welchem der Backenbart, Schnurrbart und andere Haarbüschel am Gesichte dienen, und Niemand wird annehmen, dass diese als Schutzmittel von Nutzen sind. Müssen wir nun alle diese Anhänge von Haaren oder von Haut einfacher, zweckloser Variabilität beim Männchen zuschreiben? Es kann nicht geläugnet werden, dass dies möglich ist; denn bei vielen domesticirten Säugethieren sind gewisse Charactere, die allem Anscheine nach nicht auf Rückschlag von irgend einer wilden elterlichen Form her bezogen werden können, auf die Männchen beschränkt oder bei diesen viel bedeutender entwickelt als bei den Weibchen – z. B. der Buckel beim männlichen Zeburinde von Indien, der Schwanz beim fettschwänzigen Widder, die gewölbte Umrisslinie der Stirn bei dem Männchen mehrerer Rassen von Schafen, und endlich die Mähne, die langen Haare an den Hinterbeinen und die Wamme alleim beim Männchen der Berbura-Ziege.[18] Die Mähne, welche allein bei dem Widder einer africanischen Schafrasse auftritt, ist ein ächter secundärer Sexualcharacter, denn er wird, wie ich von Mr. Winwood Reade höre, nicht entwickelt, wenn das Thier castrirt ist. Obschon wir, wie ich in meinem Buche: „das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ gezeigt habe, äusserst vorsichtig sein müssen, wenn wir folgern wollen, dass irgend ein Character, selbst bei Thieren, die von halbcivilisirten Völkern gehalten werden, nicht der Zuchtwahl des Menschen unterlegen und hierdurch gehäuft sei, so ist dies doch in den soeben speciell angeführten Fällen unwahrscheinlich und noch besonders deshalb, weil diese Charactere auf die Männchen beschränkt oder bei ihnen stärker entwickelt sind, als bei den Weibchen. Wenn es positiv bekannt wäre, dass der africanische Widder mit einer Mähne [265] von demselben primitiven Stamme, wie die anderen Schafrassen, oder der Berbura-Ziegenbock mit seiner Mähne, seiner Wamme u. s. w. von demselben Stamme wie andere Ziegen abstammten, so müssen sie, angenommen dass Zuchtwahl nicht auf diese Charactere angewendet worden ist, Folge einfacher Variabilität in Verbindung mit geschlechtlich beschränkter Vererbung sein.

Es erscheint hiernach verständig, dieselbe Ansicht auf alle analogen Fälle auszudehnen, welche bei Thieren im Naturzustande vorkommen. Nichtsdestoweniger kann ich mich doch nicht davon überzeugen, dass diese Ansicht ganz allgemein anwendbar ist, wie z. B. bei der ausserordentlichen Entwickelung von Haaren an der Kehle und den Vorderbeinen des männlichen Ammotragus oder des ungeheuren Bartes der männlichen Pithecia. Nach den Studien, welche ich der Natur habe widmen können, bin ich der Ansicht, dass bedeutend entwickelte Theile oder Organe in irgend einer Periode zu einem besondern Zwecke erlangt wurden. Bei denjenigen Antilopen, bei welchen das Männchen im erwachsenen Alter auffallender gefärbt ist, als das Weibchen, und bei denjenigen Affen, bei welchen das Haar am Gesicht in einer eleganten Weise angeordnet und von einer verschiedenen Farbe ist, scheinen wahrscheinlicher Weise die Haarkämme und Haarbüschel als Zierathen erlangt worden zu sein; und ich weiss auch, dass dies die Ansicht einiger Naturforscher ist. Ist diese Ansicht correct, dann lässt sich wenig zweifeln, dass diese Charactere durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt oder mindestens modificirt worden sind; in wie weit aber diese selbe Ansicht auf andere Säugethiere ausgedehnt werden kann, ist zweifelhaft.

Farbe des Haars und der nackten Haut. – Ich will zuerst alle die Fälle kurz aufführen, die mir bekannt sind, wo männliche Säugethiere in der Farbe von den Weibchen verschieden sind. Wie mir Mr. Gould mitgetheilt hat, weichen bei Beutelthieren die Geschlechter selten in dieser Beziehung von einander ab. Aber das grosse rothbraune Känguruh bietet eine auffallende Veränderung dar, indem hier „zartes Blau an denjenigen Theilen des Weibchens der vorherrschende Farbenton ist, welche beim Männchen roth sind“.[19] Bei dem Didelphis opossum von Cayenne soll das Weibchen ein wenig [266] mehr roth sein als das Männchen. In Bezug auf Nagethiere bemerkt Dr. Gray: „africanische Eichhörner, besonders die in den tropischen Ländern gefundenen, haben einen Pelz, der zu gewissen Zeiten viel glänzender und lebhafter ist als zu anderen, und der Pelz des Männchens ist meist heller als der des Weibchens“.[20] Dr. Gray theilt mir mit, dass er die africanischen Eichhörner deshalb speciell erwähnt, weil sie wegen ihrer ungewöhnlich hellen Färbungen diese Verschiedenheiten am besten darbieten. Das Weibchen von Mus minutus Russlands ist von einer blässeren und schmutzigeren Färbung als das Männchen. Bei einer grossen Anzahl von Fledermäusen ist das Haarkleid des Männchens heller und glänzender als beim Weibchen.[21] Mr. Dobson bemerkt ferner in Bezug auf diese Thiere: „Verschiedenheiten, welche zum Theil oder gänzlich davon abhängen, dass das Männchen ein Pelzkleid von einem viel brillanteren Farbentone oder „durch verschiedene Zeichnungen oder durch grössere Länge gewisser Partien ausgezeichnet besitzt, finden sich in einem irgendwie nachweisbaren Grade nur bei früchtefressenden Fledermäusen, bei denen der Gesichtssinn gut entwickelt ist“. Diese letzte Bemerkung verdient Beachtung, da sie sich auf die Frage bezieht, ob helle Farben dadurch männlichen Thieren von Nutzen sein können, dass sie als Schmuck dienen. Wie Dr. Gray angibt, ist jetzt bei einer Gattung von Faulthieren ermittelt, „dass die Männchen in einer von den Weibchen verschiedenen Weise geschmückt sind, – d. h. sie haben einen „Fleck von kurzem weichen Haar zwischen den Schultern, welcher allgemein mehr oder weniger orangenfarbig, und in einer Species rein weiss ist. Die Weibchen dagegen besitzen diese Zeichnung nicht“.

Die auf dem Lande lebenden Carnivoren und Insectivoren bieten selten geschlechtliche Verschiedenheiten irgend welcher Art dar, mit Einschluss ihrer Färbung. Indessen bietet der Ocelot (Felis pardalis) eine Ausnahme dar; denn hier sind die Farben des Weibchens mit denen des Männchens verglichen „moins apparentes, le fauve étant [267] plus terne, le blanc moins pur, les raies ayant moins de largeur et les taches moins de diamètre“.[22] Auch die Geschlechter der verwandten Felis mitis weichen, aber selbst in einem noch geringeren Grade, von einander ab, indem der allgemeine Farbenton des Weibchens im Ganzen etwas blässer ist, auch die Flecken weniger schwarz sind. Die See-Carnivoren oder Robben weichen auf der anderen Seite zuweilen beträchtlich in der Farbe von einander ab, auch bieten sie, wie wir bereits gesehen haben, andere merkwürdige geschlechtliche Verschiedenheiten dar. So ist das Männchen der Otaria nigrescens von der südlichen Hemisphäre oben von einer reichen braunen Schattirung, während das Weibchen, welches seine erwachsenen Farben früher im Leben erhält als das Männchen, oben dunkelgrau ist und die Jungen beider Geschlechter von einer sehr tiefen Chocoladefärbung sind. Das Männchen der nordischen Phoca groenlandica ist grauroth mit einer merkwürdigen sattelförmigen dunklen Zeichnung am Rücken; das Weibchen ist viel kleiner und hat ein sehr verschiedenes Ansehen, indem es „schmutzig weiss, oder von einer gelblichen Strohfarbe ist, mit einem braunrothen Hauch über den Rücken“. Die Jungen sind anfangs rein weiss und können „kaum unter den Eisblöcken und dem Schnee unterschieden werden, wobei also ihre Farbe als Schutzmittel dient“.[23]

Bei Wiederkäuern kommen geschlechtliche Verschiedenheiten der Farbe gewöhnlicher vor als in irgend einer anderen Ordnung. Eine Verschiedenheit dieser Art ist bei den Strepsiceros-artigen Antilopen sehr allgemein. So ist das männliche Nilghau (Portax picta) bläulich grau und viel dunkler als das Weibchen; auch sind die viereckigen weissen Flecke an der Kehle, die weissen Zeichnungen an den Fesseln und die schwarzen Flecken an den Ohren sämmtlich viel deutlicher. Wir haben gesehen, dass in dieser Species die Kämme und Büschel von Haaren gleichfalls beim Männchen entwickelter sind als bei dem hornlosen Weibchen. Wie mir Mr. Blyth mitgetheilt hat, wird das Männchen, ohne sein Haar abzustossen, periodisch während der Paarungszeit dunkler. Junge Männchen können von jungen Weibchen, [268] wenn sie nicht über zwölf Monate alt sind, nicht unterschieden werden, und wenn das Männchen vor dieser Zeit entmannt wird, so verändert es nach derselben Autorität niemals seine Farbe. Die Bedeutsamkeit dieser letzteren Thatsache als entscheidend für die sexuelle Natur der Färbung beim Nilghau wird offenbar, wenn wir hören,[24] dass weder das rothe Sommerkleid noch das blaue Winterkleid des virginischen Hirsches durch Entmannung im Geringsten afficirt wird. Bei den meisten oder sämmtlichen der äusserst verzierten Species von Tragelaphus sind die Männchen dunkler als die hornlosen Weibchen und ihre Haarkämme sind vollständiger entwickelt. Bei dem Männchen jener prachtvollen Antilope, Oreas derbyanus (Derby’s Eland), ist der Körper röther, der ganze Hals viel schwärzer und das weisse Band, welches diese Färbungen von einander trennt, breiter als beim Weibchen. Auch beim Eland vom Cap ist das Männchen unbedeutend dunkler als das Weibchen.[25]

Bei dem indischen Schwarzbocke (Antilope bezoartica), welcher zu einem anderen Stamme der Antilopen gehört, ist das Männchen sehr dunkel, beinahe schwarz, während das hornlose Weibchen rehfarbig ist. Wir haben in dieser Species, wie mir Dr. Blyth mittheilt, eine genau parallele Reihe von Thatsachen wie bei der Portax picta vor uns, nämlich beim Männchen periodisch sich verändernde Farbe während der Paarungszeit, Wirkungen der Entmannung auf diese Veränderung und die Jungen beider Geschlechter von einander nicht zu unterscheiden. Bei der Antilope nigra ist das Männchen schwarz, das Weibchen, ebenso wie die Jungen, braun. Bei A. sing-sing ist das Männchen viel heller gefärbt als das hornlose Weibchen und seine Brust und sein Bauch sind viel schwärzer. Bei der männlichen A. caama sind die Zeichnungen und Linien, welche an verschiedenen Theilen des Körpers vorkommen, schwarz, statt wie beim Weibchen braun zu sein. Beim gefleckten Gnu (A. gorgon) sind „die Farben des Männchens nahezu dieselben wie die des Weibchens, nur gesättigter [269] und von einem glänzenderen Tone“.[26] Andere analoge Fälle könnten noch angeführt werden.

Der Bantengbulle (Bos sondaicus) des malayischen Archipels ist beinahe schwarz mit weissen Beinen und weissem Kreuz. Die Kuh ist von einem hellen Graubraun, wie auch die jungen Männchen bis ungefähr in das Alter von drei Jahren, wo sie sehr schnell die Farbe verändern. Der castrirte Bulle kehrt zur Färbung des Weibchens zurück. Die weibliche Kemas-Ziege ist blässer und die weibliche Capra aegagrus soll gleichförmiger gefärbt sein, als ihre beziehentlichen Männchen. Hirsche bieten selten irgend welche geschlechtliche Verschiedenheiten in der Farbe dar. Judge Caton theilt mir indessen mit, dass bei den Männchen des Wapitihirsches (Cervus canadensis) der Hals, Bauch und die Beine viel dunkler sind als dieselben Theile beim Weibchen, aber während des Winters bleichen die dunklen Färbungen allmählich ab und verschwinden. Ich will hier noch erwähnen, dass Judge Caton in seinem Parke drei Rassen des virginischen Hirsches besitzt, welche leicht in der Farbe von einander verschieden sind; aber die Verschiedenheiten sind beinahe ausschliesslich auf das blaue Winter- oder Paarungskleid beschränkt, so dass dieser Fall mit denen verglichen werden kann, welche in einem früheren Capitel von nahe verwandten oder stellvertretenden Species von Vögeln angeführt wurden, die nur in ihrem Hochzeitsgefieder von einander abweichen.[27] Die Weibchen des Cervus paludosus von Südamerica, ebenso wie die Jungen beiderlei Geschlechts, besitzen die schwarzen Streifen an der Nase und die schwärzlich braune Linie an der Brust nicht, welche die erwachsenen Männchen characterisiren.[28] Endlich ist das reife Männchen des wunderschön gefärbten und gefleckten Axishirsches beträchtlich [270] dunkler als das Weibchen, wie mir Mr. Blyth mittheilt; und diese Färbung erlangt das castrirte Männchen niemals.

Die letzte Ordnung, welche wir zu betrachten haben, ist die der Primaten. Das Männchen des Lemur macaco ist gewöhnlich kohlschwarz, während das Weibchen braun ist.[29] Unter den Quadrumanen der neuen Welt sind die Weibchen und Jungen von Mycetes caraya gräulich gelb und einander gleich; im zweiten Jahre wird das junge Männchen röthlich braun und im dritten Jahre schwarz, mit Ausnahme des Bauches, welcher indessen im vierten oder fünften Jahre vollständig schwarz wird. Es besteht auch ein scharf markirter Unterschied in der Farbe zwischen den Geschlechtern bei Mycetes seniculus und Cebus capucinus; die Jungen der ersteren Art und wie ich glaube auch der letzteren gleichen dem Weibchen. Bei Pithecia leucocephala sind die Jungen gleichfalls den Weibchen ähnlich, welche oben bräunlich schwarz und unten hell rostroth sind, während die erwachsenen Männchen schwarz sind. Die Haarkrause rings um das Gesicht bei Ateles marginatus ist beim Männchen gelb gefärbt, beim Weibchen weiss. Wenden wir uns zu den altweltlichen Affen: die Männchen von Hylobates Hoolock sind immer schwarz mit Ausnahme einer weissen Binde oberhalb der Brauen; die Weibchen variiren von weisslich braun bis zu einem dunkleren mit schwarz gemischten Tone, sind aber niemals völlig schwarz.[30] Bei dem schönen Cercopithecus diana ist der Kopf des erwachsenen Männchens von einem intensiven Schwarz, während der des Weibchens dunkelgrau ist. Bei ersterem ist der Pelz zwischen den Schenkeln von einer eleganten Rehfarbe, bei letzterem ist er blässer. Bei dem schönen und merkwürdigen Schnurrbartaffen (Cercopithecus cephus) ist die einzige Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern die, dass der Schwanz des Männchens nussbraun und der des Weibchens grau ist; aber Mr. Bartlett theilt mir mit, dass alle diese Töne beim Männchen, wenn es erwachsen ist, schärfer ausgesprochen werden, während sie beim Weibchen so bleiben, wie sie während der Jugend waren. Nach den colorirten Abbildungen, welche [271] Salomon Müller gegeben hat, ist das Männchen von Semnopithecus chrysomelas nahezu schwarz, während das Weibchen blassbraun ist. Bei dem Cercopithecus cynosurus und griseoviridis ist ein Theil des Körpers, der auf das männliche Geschlecht beschränkt ist, von dem brillantesten Blau oder Grün und contrastirt auffallend mit der nackten Haut an dem Hintertheile des Körpers, welche lebhaft roth ist.

Endlich weicht in der Familie der Paviane das erwachsene Männchen von Cynocephalus hamadryas vom Weibchen nicht bloss durch seine ungeheure Mähne, sondern auch unbedeutend in der Farbe des Haars und der nackten Hautschwielen ab. Beim männlichen Drill (Cynocephalus leucophaeus) sind die Weibchen und Jungen viel blässer gefärbt, mit weniger Grün, als die erwachsenen Männchen. Kein anderes Glied der ganzen Classe der Säugethiere ist in so ausserordentlicher Weise gefärbt als der männliche Mandrill (Cynocephalus mormon), wenn er erwachsen ist. In diesem Alter wird sein Gesicht schön blau, während der Rücken und die Spitze der Nase von dem brillantesten Roth ist. Nach einigen Autoren ist das Gesicht auch mit weisslichen Streifen gezeichnet und an anderen Theilen mit Schwarz schattirt; doch scheinen die Färbungen variabel zu sein. An der Stirn findet sich ein Haarkamm und am Kinne ein gelber Bart. „Toutes les parties supérieures de leurs cuisses et le grand espace nu de leurs fesses sont également colorés du rouge le plus vif avec un mélange de bleu, qui ne manque réellement pas d'élégance“.[31] Wenn das Thier erregt wird, werden alle die nackten Theile viel lebhafter gefärbt. Mehrere Schriftsteller haben bei Beschreibung dieser letzteren glänzenden Farben, welche sie mit denen der brillantesten Vögel vergleichen, die allerlebhaftesten Ausdrücke gebraucht. Eine andere merkwürdige Eigenthümlichkeit ist die, dass wenn die grossen Eckzähne völlig entwickelt sind, ungeheure Knochenprotuberanzen an jeder Wange gebildet werden, welche tief longitudinal gefurcht sind und über welchen die nackte Haut so wie eben beschrieben worden ist, brillant gefärbt wird (Fig. 69). Bei den erwachsenen Weibchen und den Jungen beiderlei Geschlechts sind diese Protuberanzen kaum bemerkbar, und die nackten Theile sind viel weniger hell gefärbt, [272] das Gesicht ist fast schwarz, etwas mit Blau gefärbt. Indess wird beim erwachsenen Weibchen die Nase zu gewissen regelmässig eintretenden Zeiten mit Roth gefärbt.


In allen den bis jetzt angeführten Fällen ist das Männchen auffallender oder heller gefärbt als das Weibchen und weicht in einem bedeutenderen Grade von den Jungen beiderlei Geschlechts ab. Wie

Fig. 69. Kopf des männlichen Mandrill (nach Gervais, Hist. nat. des Mammifères).

aber bei einigen wenigen Vögeln das Weibchen glänzender gefärbt ist als das Männchen, so hat auch beim Rhesus-Affen (Macacus rhesus) das Weibchen eine grössere Fläche nackter Haut rund um den Schwanz von einem brillanten Carmoisinroth, welches periodisch selbst noch lebhafter wird, wie mir die Wärter im zoologischen Garten versichert haben; auch ist sein Gesicht blassroth. Auf der anderen Seite zeigen weder das erwachsene Männchen, noch die Jungen beiderlei Geschlechts, wie ich in dem Garten selbst sah, eine Spur von Roth an der nackten Haut am hinteren Ende des Körpers oder an dem Gesicht. Nach einigen veröffentlichten Berichten scheint es indess, als wenn das [273] Männchen gelegentlich oder während gewisser Jahreszeiten einige Spuren von Roth darböte. Obgleich es hiernach weniger geschmückt ist als das Weibchen, folgt es doch in der bedeutenderen Grösse seines Körpers, den grösseren Eckzähnen, entwickelterem Backenbarte und vorspringenden Augenbrauenleisten der allgemeinen Regel, dass das Männchen das Weibchen übertrifft.


Ich habe nun alle mir bekannten Fälle von einer Verschiedenheit in der Farbe zwischen den Geschlechtern der Säugethiere angeführt. In einigen Fällen mögen die Verschiedenheiten das Resultat von Abänderungen sein, welche auf ein Geschlecht beschränkt und auch diesem selben Geschlecht überliefert wurden, ohne dass irgend ein Vortheil dadurch erreicht wurde, und daher auch ohne die Hülfe einer Zuchtwahl. Wir haben Beispiele dieser Art bei unseren domesticirten Thieren, wie bei den Männchen gewisser Katzen, welche bräunlichroth sind, während die Weibchen dreifarbig sind (tortoise-shell). Analoge Fälle kommen auch in der Natur vor. Mr. Bartlett hat viele schwarze Varietäten des Jaguar, des Leoparden, des fuchsartigen Phalanger’s und des Wombat gesehen; und er ist sicher, dass alle oder beinahe alle diese Thiere Männchen waren. Auf der anderen Seite werden Wölfe, Füchse und wie es scheint auch americanische Eichhörner gelegentlich und zwar in beiden Geschlechtern schwarz geboren. Es ist daher vollkommen möglich, dass bei einigen Säugethieren eine Verschiedenheit der Geschlechter in der Färbung, besonders wenn diese Farbe angeboren ist, einfach, ohne die Hülfe von Zuchtwahl, das Resultat davon ist, dass eine oder mehrere Abänderungen auftraten, welche vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung geschlechtlich beschränkt waren. Nichtsdestoweniger ist es unwahrscheinlich, dass die mannichfaltigen lebhaften und contrastirenden Farben gewisser Säugethiere, z. B. der oben erwähnten Affen und Antilopen auf diese Weise erklärt werden können. Wir müssen uns daran erinnern, dass diese Farben beim Männchen nicht bei der Geburt erscheinen, sondern nur zur Zeit oder nahe der Zeit der Reife und dass, verschieden von gewöhnlichen Abänderungen, diese Farben, wenn das Männchen entmannt wird, verloren werden. Es ist im Ganzen eine viel wahrscheinlichere Folgerung, dass die scharf markirten Färbungen und andere ornamentale Charactere männlicher Säugethiere für dieselben in ihrer [274] Rivalität mit anderen Männchen wohlthätig sind und daher durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt wurden. Die Wahrscheinlichkeit dieser Ansicht wird dadurch verstärkt, dass die Verschiedenheiten in der Farbe zwischen den Geschlechtern beinahe ausschliesslich, wie man beim Durchgehen der vorhin angeführten Einzelnheiten beobachten kann, in denjenigen Gruppen und Untergruppen von Säugethieren auftreten, welche andere und bestimmte secundäre Sexualcharactere darbieten; und auch diese sind Folge der Wirkung geschlechtlicher Zuchtwahl.

Säugethiere nehmen offenbar von Farben Notiz. Sir S. Baker beobachtete wiederholt, dass der africanische Elephant und das Rhinoceros mit besonderer Wuth Schimmel und Grauschimmel angriffen. Ich habe an einer andern Stelle gezeigt,[32] dass halbwilde Pferde allem Anscheine nach vorziehen, sich mit solchen von der nämlichen Farbe zu paaren, und dass Heerden von Damhirschen von verschiedener Farbe trotzdem sie zusammenleben sich doch lange Zeit gesondert hielten. Es ist eine noch bezeichnendere Thatsache, dass ein weibliches Zebra die Liebeserklärungen eines männlichen Esels nicht annehmen wollte, bis derselbe so angemalt war, dass er einem Zebra ähnlich wurde, und dann „nahm es ihn“, wie John Hunter bemerkt, „sehr gern an. In dieser merkwürdigen Thatsache haben wir einen Fall von einem durch blosse Farbe angeregten Instinct, welcher eine so starke Wirkung hatte, dass er alle übrigen Erregungen bemeisterte. Aber das Männchen bedurfte dies nicht; das Weibchen, welches ein ihm selbst einigermaassen ähnliches Thier war, war als solches schon hinreichend, es zu reizen“.[33]

In einem früheren Capitel haben wir gesehen, dass die geistigen Kräfte der höheren Thiere nicht der Art nach, wenn auch schon bedeutend dem Grade nach, von den entsprechenden Kräften des Menschen und besonders der niederen und barbarischen Rassen verschieden sind; und es möchte den Anschein haben, als ob selbst ihr Geschmack für das Schöne nicht so weit von dem der Affen verschieden sei. Wie der Neger von Africa das Fleisch in seinem Gesichte in parallelen Leisten sich erheben lässt, „oder in Narben, welche, hoch über der [275] natürlichen Oberfläche als widerwärtige Deformitäten hervortretend, doch für grosse persönliche Reize angesehen werden“,[34] – wie Neger ebenso wie Wilde in vielen Theilen der Welt ihre Gesichter mit Roth, Blau, Weiss oder Schwarz in verschiedenen Zeichnungen anmalen – so scheint auch der männliche Mandrill von Africa sein tief durchfurchtes und auffallend gefärbtes Gesicht dadurch erlangt zu haben, dass er hierdurch für das Weibchen anziehend wurde. Es ist ohne Zweifel für uns eine äusserst groteske Idee, dass das hintere Ende des Körpers zum Zwecke einer Verzierung selbst noch brillanter gefärbt sein solle als das Gesicht. Es ist dies aber in der That nicht mehr befremdend, als dass der Schwanz vieler Vögel ganz besonders geschmückt worden ist.

Bei Säugethieren sind wir gegenwärtig nicht im Besitze irgend welcher Beweise, dass die Männchen sich Mühe geben, ihre Reize vor den Weibchen zu entfalten, und die ausgesuchte Sorgfalt, mit welcher dies von Seiten der männlichen Vögel und andrer Thiere geschieht, ist das stärkste Argument zu Gunsten der Annahme, dass die Weibchen die Verzierungen und Farben, die vor ihnen entfaltet werden, bewundern oder dass sie durch sie angeregt werden. Es besteht indessen ein auffallender Parallelismus zwischen Säugethieren und Vögeln in allen ihren secundären Sexualcharacteren, nämlich in ihren Waffen zum Kampfe mit ihren rivalisirenden Männchen, in ihren ornamentalen Anhängen und in ihren Farben. Wenn das Männchen vom Weibchen verschieden ist, so gleichen in beiden Classen die Jungen beiderlei Geschlechts beinahe immer einander und in einer grossen Majorität von Fällen auch dem erwachsenen Weibchen. In beiden Classen erhält das Männchen die seinem Geschlechte eigenen Charactere kurz vor dem fortpflanzungsfähigen Alter. Wird es in einem frühen Alter entmannt, so verliert es derartige Merkmale. In beiden Classen ist der Farbenwechsel zuweilen an die Jahreszeit gebunden und die Färbungen der nackten Theile werden zuweilen während des Actes der Bewerbung lebhafter. In beiden Classen ist das Männchen beinahe immer lebhafter oder stärker gefärbt als das Weibchen, und ist mit grösseren Kämmen entweder von Haaren oder Federn, oder mit anderen Anhängen verziert. In einigen wenigen ausnahmsweisen Fällen ist in beiden Classen das Weibchen bedeutender geschmückt [276] als das Männchen. Bei vielen Säugethieren und was die Vögel betrifft, wenigstens bei einem, ist das, Männchen stärker riechend als das Weibchen. In beiden Classen ist die Stimme des Männchens kräftiger als die des Weibchens. Betrachtet man diesen Parallelismus, so lässt sich nur wenig daran zweifeln, dass hier eine und die nämliche Ursache, welche dieselbe auch gewesen sein mag, auf die Vögel und Säugethiere gewirkt hat, und soweit ornamentale Charactere in Betracht kommen, kann das Resultat, wie mir es scheint, getrost der lange fortgesetzten Bevorzugung von Individuen des einen Geschlechtes durch gewisse Individuen des anderen Geschlechtes zugeschrieben werden, in Verbindung mit ihrem Erfolge, eine grössere Anzahl von Nachkommen zu hinterlassen, welche ihre höheren Anziehungsreize erbten.

Gleichmässige Ueberlieferung ornamentaler Charactere auf beide Geschlechter. – Bei vielen Vögeln sind Ornamente, von welchen uns die Analogie veranlasst anzunehmen, dass sie ursprünglich von den Männchen erlangt wurden, gleichmässig oder beinahe gleichmässig auf beide Geschlechter überliefert worden, und wir wollen nun untersuchen, inwieweit diese Ansicht auf Säugethiere ausgedehnt werden kann. Bei einer beträchtlichen Anzahl von Species, besonders von kleineren Arten, sind beide Geschlechter unabhängig von geschlechtlicher Zuchtwahl zum Zwecke eines Schutzes gefärbt worden; soweit ich es aber beurtheilen kann, weder in so vielen Fällen, noch in nahezu so auffallender Art und Weise wie in den meisten niederen Classen. Audubon bemerkt, dass er die Bisamratte,[35] während sie an den Ufern eines schlammigen Stromes sass, häufig für einen Erdkloss gehalten habe, so vollständig wäre die Aehnlichkeit. Der Hase ist ein sehr bekanntes Beispiel von Geschütztsein durch Farbe, und doch schlägt dieses Princip in einer nahe verwandten Species fehl, nämlich beim Kaninchen; denn sobald dieses Thier nach seinem Baue läuft, wird es dem Jäger und ohne Zweifel allen Raubthieren durch seinen nach oben gewendeten reinweissen Schwanz auffallend. Niemand hat jemals bezweifelt, dass die Säugethiere, welche mit Schnee bedeckte Gegenden bewohnen, weiss geworden sind, um sich gegen ihre Feinde zu schützen oder um das Beschleichen ihrer Beute zu begünstigen. In Gegenden, [277] wo der Schnee niemals lange auf dem Boden liegen bleibt, würde ein weisses Kleid von Nachtheil sein; in Folge dessen sind so gefärbte Arten in den wärmeren Theilen der Erde äusserst selten. Es verdient Beachtung, dass viele, mässig kalte Gegenden bewohnende Säugethiere, trotzdem sie kein weisses Winterkleid annehmen, doch während dieser Zeit blässer werden; und dies ist dem Anscheine nach das directe Resultat der Bedingungen, welchen sie lange Zeit ausgesetzt sind. Pallas gibt an,[36] dass in Sibirien eine Veränderung dieser Natur beim Wolfe, bei zwei Species von Mustela, bei dem domesticirten Pferde, dem Equus hemionus, der Hauskuh, bei zwei Species von Antilopen, dem Moschusthiere, beim Rehe, dem Elk und dem Renthiere vorkommt. Das Reh hat z. B. ein rothes Sommer- und ein graulich weisses Winterkleid, und das Letztere kann vielleicht als Schutz für das Thier dienen, während es durch die laublosen, von Schnee und Rauchfrost überzogenen Dickichte wandert. Wenn die eben angeführten Thiere ihre Verbreitung allmählich in Gegenden ausdehnten, welche beständig mit Schnee bedeckt bleiben, so würde wahrscheinlich ihr blasses Winterkleid durch natürliche Zuchtwahl gradweise immer weisser und weisser werden, bis es zuletzt so weiss wie Schnee wäre.

Mr. Reeks hat mir ein merkwürdiges Beispiel von einem Thiere mitgetheilt, welches durch seine eigenthümliche Färbung Vortheil hatte. Er erzog in einem grossen von einer Mauer umgebenen Obstgarten von fünfzig bis sechzig weiss und braun gescheckte Kaninchen; zu derselben Zeit hatte er einige ähnlich gescheckte Katzen in seinem Hause. Derartige Katzen sind, wie ich oft bemerkt habe, bei Tage sehr auffallend; da sie aber während der Dämmerung vor den Löchern der Kaninchenbaue auf Beute lauernd geduckt dazuliegen pflegten, so unterschieden sie die Kaninchen offenbar nicht von ihren ähnlich gefärbten Genossen. Das Resultat war, dass innerhalb achtzehn Monate jedes einzelne dieser zum Theil gefärbten Kaninchen zerstört war; und es fanden sich Beweise, dass dies durch die Katzen geschehen war. Bei einem andern Thiere, dem Skunk, scheint die Farbe in einer Art und Weise von Vortheil zu sein, von der wir in andern Classen viele Beispiele finden. Kein Thier wird eines dieser Geschöpfe absichtlich angreifen, wegen des schauderhaften Geruchs, welchen es abgibt, [278] wenn es gereizt wird; während der Dämmerung dürfte es aber doch nicht leicht erkannt werden, und dann könnte ein Raubthier es angreifen. Deshalb nun ist der Skunk, wie Mr. Belt glaubt,[37] mit einem grossen buschigen weissen Schwanze ausgerüstet, der als auffallendes Warnungszeichen dient.

Obgleich wir zugeben müssen, dass viele Säugethiere ihre jetzigen Farben entweder als Schutzmittel oder als Hülfsmittel zur Erlangung

Fig. 70. Tragelaphus scriptus, Männchen (nach der Knowsley-Menagerie).

der Beute empfangen haben, so sind doch bei einer Menge von Species die Farben viel zu auffallend und zu eigenthümlich angeordnet, um uns die Vermuthung zu gestatten, dass sie diesen Zwecken dienen. Wir können als Erläuterung gewisse Antilopen betrachten: wenn wir sehen, dass der viereckige weisse Fleck an der Kehle, die weissen Zeichnungen an den Fesseln und die runden schwarzen Flecke [279] an den Ohren sämmtlich beim Männchen der Portax picta viel deutlicher sind als beim Weibchen, – wenn wir sehen, dass die Farben bei dem männlichen Oreas derbyanus viel lebhafter, dass die schmalen weissen Linien an den Flanken und die breiten weissen Balken an der Schulter deutlicher sind als beim Weibchen, – wenn wir eine ähnliche Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern der so merkwürdig verzierten Art Tragelaphus scriptus (Fig. 70) sehen, so können wir nicht annehmen, dass Verschiedenheiten dieser Art beiden Geschlechtern in ihrer täglichen Lebensweise von irgendwelchem Nutzen sind. Ein viel wahrscheinlicherer Schluss scheint der zu sein, dass die verschiedenartigen Zeichnungen zuerst von den Männchen erlangt, dass ihre Färbungen durch geschlechtliche Zuchtwahl intensiver geworden sind und dann theilweise auf die Weibchen überliefert wurden. Wird diese Ansicht angenommen, dann kann man nur wenig daran zweifeln, dass die gleichmässigen eigenthümlichen Färbungen und Zeichnungen vieler anderen Antilopen, trotzdem sie beiden Geschlechtern gemeinsam zukommen, in einer gleichen Weise erlangt und überliefert wurden. So haben z. B. beide Geschlechter der Kudu-Antilope (Strepsiceros kudu, Fig. 64, S. 238) schmale weisse senkrechte Linien an dem hinteren Theile ihrer Flanken und eine elegante winkelige weisse Zeichnung an ihrer Stirn. Beide Geschlechter der Gattung Damalis sind sehr merkwürdig gefärbt. Bei D. pygarga sind der Rücken und Hals purpurartig roth, schattiren an den Seiten in Schwarz ab und sind dann von dem weissen Bauche und einem grossen weissen Flecke auf der Kruppe scharf abgesetzt. Der Kopf ist noch merkwürdiger gefärbt. Eine grosse oblonge weisse, schmal mit Schwarz geränderte Larve bedeckt das Gesicht bis herauf zu den Augen (Fig. 71); auf der Stirn finden sich drei weisse Streifen und die Ohren sind mit Weiss gezeichnet. Die Kälber dieser Species sind von einem gleichförmigen blassen Gelblichbraun. Bei Damalis albifrons weicht die Färbung des Kopfes von der letzterwähnten Species darin ab, dass hier ein einziger weisser Streif die drei Streifen ersetzt und dass die Ohren beinahe vollständig weiss sind.[38] Nachdem ich, soweit ich es nach meinen besten Kräften zu thun im Stande war, die geschlechtlichen Verschiedenheiten zu allen Classen gehöriger Thiere studirt habe, konnte [280] ich nicht vermeiden, zu dem Schlusse zu kommen, dass die merkwürdig angeordneten Farben vieler Antilopen, trotzdem sie beiden Geschlechtern gemeinsam sind, das Resultat ursprünglich auf das Männchen angewandter geschlechtlicher Zuchtwahl sind.

Dieselbe Folgerung kann vielleicht auch auf den Tiger ausgedehnt werden, eines der schönsten Thiere in der Welt, dessen Geschlechter selbst von den mit wilden Thieren Handelnden nicht an der Farbe unterschieden werden können. Mr. Wallace glaubt,[39] dass das gestreifte

Fig. 71. Damalis pygarga, Männchen (nach der Knowsley-Menagerie).

Fell des Tigers „so übereinstimmend mit senkrechten Stämmen des Bambusrohrs sei, dass es das Thier bedeutend beim Beschrieben seiner Beute unterstütze“. Doch scheint mir diese Ansicht nicht befriedigend zu sein. Wir haben einige unbedeutende Zeugnisse dafür, dass seine Schönheit Folge geschlechtlicher Zuchtwahl sein mag; denn in zwei Species von Felis sind analoge Zeichnungen und Farben im Ganzen beim Männchen heller als beim Weibchen. Das Zebra ist auffallend gestreift und Streifen können auf den offenen Ebenen von [281] Südafrica keinen Schutz darbieten. Burchell[40] sagt bei einer Beschreibung einer Heerde Zebras: „ihre schlanken Rippen glänzten in der Sonne und die Helligkeit und Regelmässigkeit ihrer gestreiften Kleider bot ein Gemälde ausserordentlicher Schönheit dar, worin sie wahrscheinlich von keinem anderen Säugethiere übertroffen werden“. Da aber durch die ganze Gruppe der Equiden die Geschlechter in der Färbung identisch sind, so haben wir hier keinen Beweis für eine geschlechtliche Zuchtwahl. Nichtsdestoweniger wird derjenige, welcher die weissen und dunkeln senkrechten Streifen auf den Flanken verschiedener Antilopen geschlechtlicher Zuchtwahl zuschreibt, wahrscheinlich dieselbe Ansicht auf den Königstiger und das schöne Zebra ausdehnen.

Wir haben in einem früheren Capitel gesehen, dass, wenn junge zu gleichviel welcher Classe gehörige Thiere nahezu dieselbe Lebensweise haben wie ihre Eltern, und doch in einer verschiedenen Art und Weise gefärbt sind, man wohl schliessen kann, dass sie die Färbung irgend eines alten und ausgestorbenen Urerzeugers beibehalten haben. In der Familie der Schweine und in der Gattung Tapir sind die Jungen mit Längsstreifen gezeichnet und weichen hierdurch von jeder jetzt lebenden erwachsenen Species in diesen beiden Gruppen ab. Bei vielen Arten von Hirschen sind die Jungen mit eleganten weissen Flecken gezeichnet, von denen ihre Eltern nicht eine Spur darbieten. Es lässt sich eine allmählich aufsteigende Reihe verfolgen vom Axishirsch, bei welchem beide Geschlechter in allen Altersstufen und während aller Jahreszeiten schön gefleckt sind (wobei die Männchen im Ganzen etwas stärker gefärbt sind als die Weibchen), bis zu Species, bei welchen weder die Alten noch die Jungen gefleckt sind. Ich will einige Stufen in dieser Reihe anführen. Der mantschurische Hirsch (Cervus mantschuricus) ist während des ganzen Jahres gefleckt: die Flecke sind aber, wie ich im zoologischen Garten gesehen habe, während des Sommers viel deutlicher, wo die allgemeine Farbe des Pelzes heller ist, als während des Winters, wo die allgemeine Färbung dunkler und das Geweih vollständig entwickelt ist. Bei dem Schweinshirsch (Hyelaphus porcinus) sind die Flecke während des Sommers äusserst auffallend, wo der ganze Pelz röthlich braun ist, verschwinden aber während des Winters, wo der Pelz braun wird, vollständig.[41] [282] In diesen beiden Species sind die Jungen gefleckt. Bei dem virginischen Hirsche sind die Jungen gleichfalls gefleckt, und von den erwachsenen in Judge Caton’s Park lebenden Thieren bieten, wie mir derselbe mitgetheilt hat, ungefähr fünf Procent zeitweise in der Periode, wenn das rothe Sommerkleid durch das bläuliche Winterkleid ersetzt wird, eine Reihe von Flecken auf jeder Flanke dar, welche beständig der Zahl nach gleich, wennschon an Deutlichkeit sehr variabel sind. Von diesem Zustande ist dann nur ein sehr kleiner Schritt zu dem vollständigen Fehlen von Flecken zu allen Jahreszeiten bei den Erwachsenen, und endlich bis zu dem Fehlen derselben auf allen Altersstufen, wie es bei gewissen Species vorkommt. Aus der Existenz dieser vollkommenen Reihe und ganz besonders aus dem Umstande, dass die Kälber so vieler Species gefleckt sind, können wir schliessen, dass die jetzt lebenden Glieder der Familie der Hirsche die Nachkommen einer alten Species sind, welche wie der Axishirsch auf allen Altersstufen und zu allen Jahreszeiten gefleckt war. Ein noch früherer Urerzeuger war wahrscheinlich in einer gewissen Ausdehnung dem Hyomoschus aquaticus ähnlich; denn dieses Thier ist gefleckt und die hornlosen Männchen haben grosse vorspringende Eckzähne, von denen einige wenige echte Hirsche noch Rudimente bewahren. Es bietet der Hyomoschus auch einen jener interessanten Fälle von Formen dar, welche zwei Gruppen mit einander verbinden, da er in gewissen osteologischen Merkmalen zwischen den Pachydermen und Ruminanten mitten inne steht, welche man früher für vollkommen verschieden hielt.[42]

Hier entsteht nun eine merkwürdige Schwierigkeit. Wenn wir zugeben, dass gefärbte Flecken und Streifen als Zierathen erlangt worden sind, woher kommt es, dass so viele jetzt lebende Hirsche, die Nachkommen eines ursprünglich gefleckten Thieres, und sämmtliche Arten von Schweinen und Tapiren, die Nachkommen eines ursprünglich gestreiften Thieres, in ihrem erwachsenen Zustande ihre früheren Verzierungen verloren haben? Ich kann diese Frage nicht befriedigend beantworten. Wir können ziemlich sicher sein, dass die Flecken und [283] Streifen bei den Voreltern unserer jetzt lebenden Species zur Zeit oder nahe der Zeit der Reife verschwanden, so dass sie von den Jungen beibehalten und in Folge des Gesetzes der Vererbung auf entsprechende Altersstufen auch den Jungen aller späteren Generationen überliefert wurden. Es mag für den Löwen und das Puma ein grosser Vortheil gewesen sein, wegen der offenen Beschaffenheit der Localitäten, in welchen sie gewöhnlich jagen, ihre Streifen verloren zu haben und hierdurch für ihre Beute weniger auffallend geworden zu sein; und wenn die nacheinander auftretenden Abänderungen, durch welche dieser Zweck erreicht wurde, im Ganzen spät im Leben erschienen, so werden die Jungen ihre Streifen behalten haben, wie es bekanntlich der Fall ist. Was die Hirsche, Schweine und Tapire betrifft, so hat Fritz Müller die Vermuthung gegen mich ausgesprochen, dass diese Thiere durch die Entfernung ihrer Flecken und Streifen mit Hülfe der natürlichen Zuchtwahl von ihren Feinden weniger leicht werden gesehen worden sein, und sie werden besonders eines solchen Schutzes bedurft haben, als die Carnivoren während der Tertiärzeit an Grösse und Anzahl zuzunehmen begannen. Dies kann wohl die richtige Erklärung sein; es ist aber befremdend, dass die Jungen nicht gleich gut geschützt gewesen sein sollten, und noch befremdender, dass bei einigen Arten die Erwachsenen ihre Flecke entweder theilweise oder vollständig während eines Theiles des Jahres beibehalten haben sollten. Können wir die Ursache auch nicht erklären, so wissen wir doch, dass wenn der domesticirte Esel variirt und röthlich-braun, grau oder schwarz wird, die Streifen auf den Schultern und selbst am Rücken häufig verschwinden. Sehr wenige Pferde, mit Ausnahme mausbraun gefärbter Arten, bieten auf irgend einem Theile ihres Körpers Streifen dar, und doch haben wir guten Grund zu glauben, dass das ursprüngliche Pferd an den Beinen und dem Rückgrate und wahrscheinlich an den Schultern gestreift war.[43] Es kann daher das Verschwinden der Flecken und Streifen bei unseren erwachsenen jetzt lebenden Hirschen, Schweinen und Tapiren Folge einer Veränderung der allgemeinen Farbe ihres Haarkleides sein; ob aber diese Veränderung durch geschlechtliche oder natürliche Zuchtwahl bewirkt wurde oder Folge der directen Wirkung der Lebensbedingungen oder irgend welcher anderer unbekannter [284] Ursachen war, ist unmöglich zu entscheiden. Eine von Mr. Sclater gemachte Beobachtung erläutert sehr gut unsere Unwissenheit von den Gesetzen, welche das Auftreten und Verschwinden von Streifen reguliren: die Species von Asinus, welche den asiatischen Continent bewohnen, entbehren der Streifen und haben nicht einmal den queren Schulterstreif, während diejenigen, welche Africa bewohnen, auffallend gestreift sind, mit der theilweisen Ausnahme von A. taeniopus, welcher nur den queren Schulterstreif und meist einige undeutliche quere Streifen an den Beinen besitzt; und diese letztere Species bewohnt die fast mitten innen liegenden Gegenden von Oberägypten und Abyssinien.[44]

Fig. 72. Kopf von Semnopithecus rubicundus. Diese und die folgenden Abbildungen (nach Gervais) werden mitgetheilt, um die merkwürdige Anordnung und Entwickelung des Haares am Kopf zu zeigen.

Quadrumanen. – Ehe wir zum Schlusse gelangen, wird es gerathen sein, einige wenige Bemerkungen über die ornamentalen Charactere der Affen noch hinzuzufügen. Bei den meisten Species sind die Geschlechter einander in der Farbe ähnlich, aber bei einigen weichen, [285] wie wir gesehen haben, die Männchen von den Weibchen ab, besonders in der Farbe der nackten Hautstellen, in der Entwickelung des Kinnbartes, Backenbartes und der Mähne. Viele Species sind in einer entweder so ausserordentlichen oder so schönen Art und Weise gefärbt und sind mit so merkwürdigen und eleganten Haarkämmen versehen, dass wir es kaum vermeiden können, diese Charactere als solche zu betrachten, welche zum Zwecke der Verzierung erlangt worden sind. Die beistehenden Figuren (Fig. 72—76) sollen dazu dienen,

Fig. 73. Kopf vom Semnopithecus comatus.
Fig. 75. Kopf von Ateles marginatus.
Fig. 74. Kopf von Cebus capucinus.
Fig. 76. Kopf von Cebus vellerosus.

die Anordnung des Haares am Gesicht und Kopf in mehreren Species zu erläutern. Es ist kaum zu begreifen, dass diese Haarkämme und die scharf contrastirenden Farben des Pelzes und der Haut das Resultat blosser Variabilität ohne die Hülfe von Zuchtwahl sein sollten, und es ist nicht denkbar, dass sie für diese Thiere von irgend welchem gewöhnlichen Nutzen sein könnten. Ist dies aber so, so sind sie wahrscheinlich durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt, indessen gleichmässig [286] oder beinahe gleichmässig auf beide Geschlechter überliefert worden. Bei vielen Quadrumanen haben wir noch weitere Belege für die Wirkung geschlechtlicher Zuchtwahl in der bedeutenderen Grösse und Kraft der Männchen und in der stärkeren Entwickelung der Eckzähne im Vergleich mit denen der Weibchen.

In Bezug auf die fremdartige Weise, in welcher beide Geschlechter einiger Species gefärbt sind, und auf die Schönheit anderer werden wenige Beispiele genügen. Das Gesicht des Cercopithecus petaurista (Fig. 77) ist schwarz, der Backen- und Kinnbart ist weiss, dabei findet sich ein umschriebener, runder, weisser Fleck auf der Nase, der mit kurzen weissen Haaren bedeckt ist, was dem Thiere einen fast lächerlichen Anblick gibt. Der Semnopithecus frontatus hat gleichfalls ein schwärzliches Gesicht mit einem langen schwarzen Barte und einem grossen nackten Flecken an der Stirn von einer bläulich weissen Färbung. Das Gesicht von Macacus lasiotus ist schmutzig fleischfarben mit einem umschriebenen rothen Flecke auf jeder Backe. Die äussere Erscheinung des Cercocebus aethiops ist grotesk mit seinem schwarzen Gesichte, seinem weissen Backenbarte und Kragen, seinem braunen Kopfe und einem grossen nackten weissen Flecken über jedem Augenlide. In sehr vielen Species sind der Kinnbart, Backenbart und die Haarkämme rings um das Gesicht von einer andern Farbe als das Uebrige des Kopfes, und wenn sie verschieden sind, sind sie immer von einer helleren Färbung,[45] häufig rein weiss, zuweilen gelb oder röthlich. Das ganze Gesicht des südamericanischen Brachyurus calvus ist „von einer glühenden Scharlachfärbung“, doch erscheint diese Farbe nicht eher als bis das Thier nahezu geschlechtsreif ist.[46] Die nackte Haut des Gesichts weicht in der Farbe bei den verschiedenen Species wunderbar ab. Sie ist oft braun oder fleischfarben mit vollkommen weissen Theilen und häufig so schwarz wie die Haut des schwärzesten Negers. Bei dem Brachyurus ist der scharlachene Ton glänzender als der des am lieblichsten erröthenden kaukasischen Mädchens. Die nackte Haut ist zuweilen deutlicher orange als bei irgend einem Mongolen, und in mehreren Species ist sie blau, in Violett oder in Grau übergehend. Bei allen den Mr. Bartlett bekannten Species, bei welchen [287] die Erwachsenen beiderlei Geschlechts stark gefärbte Gesichter haben, sind die Farben während der früheren Jugend stumpf oder fehlen. Dies gilt gleichfalls für den Mandrill und Rhesus, bei denen das Gesicht und die hinteren Theile des Körpers nur bei dem einen

Fig. 77. Cercopithecus petaurista (aus Brehm, Thierleben).

Geschlechte brillant gefärbt sind. In diesen letzteren Fällen haben wir allen Grund zu glauben, dass die Farben durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt wurden, und wir werden natürlich dazu geführt, dieselbe Ansicht auch auf die vorstehend erwähnten Species auszudehnen, [288] wenngleich bei diesen, wenn sie erwachsen sind, die Gesichter beider Geschlechter in einer und derselben Art gefärbt sind.

Obschon unserem Geschmacke nach viele Arten von Affen bei

Fig. 78. Cercopithecus Diana (aus Brehm, Thierleben).

weitem nicht schön sind, so werden doch andere Species allgemein wegen ihrer eleganten Erscheinung und ihrer hellen Farben bewundert. Der Semnopithecus nemaeus wird, obschon eigenthümlich gefärbt, doch als äusserst schön beschrieben. Das orange gefärbte Gesicht wird von einem langen Backenbarte von glänzender Weisse umgeben mit einer kastanienbraunen Linie über den Augenbrauen. Der Pelz am Rücken [289] ist von einem zarten Grau, aber ein viereckiger Fleck auf den Lenden, der Schwanz und die Vorderarme sind sämmtlich von reinem Weiss. Oberhalb der Brust findet sich eine kastanienbraune Kehle. Die Oberschenkel sind schwarz, die Beine kastanienroth. Ich will hier noch zwei andere Affen wegen ihrer Schönheit erwähnen, und ich habe gerade diese ausgewählt, da sie leichte geschlechtliche Verschiedenheiten in der Färbung darbieten, was es in einem gewissen Grade wahrscheinlich macht, dass beide Geschlechter ihre elegante Erscheinung geschlechtlicher Zuchtwahl verdanken. Bei dem Schnurrbartaffen (Cercopithecus cephus) ist die allgemeine Farbe des Pelzes grünlich gefleckt mit weisser Kehle; beim Männchen ist das Ende des Schwanzes kastanienbraun; aber das Gesicht ist der verzierteste Theil: die Haut ist nämlich hauptsächlich bläulichgrau schattirt, unterhalb der Augen in einen schwärzlichen Ton übergehend: dabei ist die Oberlippe von einem zarten Blau und an dem unteren Rande mit einem dünnen schwarzen Schnurrbart eingefasst. Der Backenbart ist orangefarben, mit dem oberen Theile schwarz und bildet ein sich rückwärts bis zu den Ohren streckendes Band, welch’ letztere mit weisslichen Haaren bekleidet sind. Im zoologischen Garten habe ich häufig Besucher die Schönheit eines anderen Affen bewundern hören, verdientermaassen Cercopithecus Diana genannt (Fig. 78). Die allgemeine Farbe des Pelzes ist grau, die Brust und die innere Fläche der Vorderbeine sind weiss. Ein grosser dreieckiger umschriebener Fleck an dem hintern Theile des Rückens ist tief kastanienbraun. Beim Männchen sind die inneren Seiten der Oberschenkel und der Bauch zart rehfarben und der Scheitel des Kopfes ist schwarz. Das Gesicht und die Ohren sind intensiv schwarz und contrastiren schön, mit einem weissen quer über die Augenbrauen laufenden Kamme und mit einem langen weissen zugespitzten Bart, dessen basaler Theil schwarz ist.[47]

Bei diesen und vielen anderen Affen nöthigen mich die Schönheit und die eigenthümliche Anordnung ihrer Farben, noch mehr aber die verschiedenartige und elegante Anordnung der Kämme und Büschel [290] von Haaren an ihren Köpfen zu der Ueberzeugung, dass diese Charactere durch geschlechtliche Zuchtwahl ausschliesslich als Zierathen erlangt worden sind.

Zusammenfassung. – Das Gesetz des Kampfes um den Besitz des Weibchens scheint durch die ganze grosse Classe der Säugethiere zu herrschen. Die meisten Naturforscher werden zugeben, dass die bedeutendere Grösse, Kraft, der grössere Muth und die grössere Kampfsucht des Männchens, seine speciellen Angriffswaffen ebenso wie seine speciellen Vertheidigungsmittel sämmtlich durch jene Form von Zuchtwahl erlangt oder modificirt worden sind, welche ich geschlechtliche Zuchtwahl genannt habe. Diese hängt nicht von irgend einer Ueberlegenheit in dem allgemeinen Kampfe um das Leben ab, sondern davon, dass gewisse Individuen des einen Geschlechtes, und allgemein des männlichen, bei der Besiegung anderer Männchen erfolgreich gewesen sind und eine grössere Zahl von Nachkommen hinterlassen haben, ihre Superiorität zu erben, als die weniger erfolgreichen Männchen.

Es gibt noch eine andere und friedfertigere Art von Wettkämpfen, bei welchen die Männchen versuchen, die Weibchen durch verschiedene Reize anzuregen oder zu locken. Dies wird wahrscheinlich in manchen Fällen durch die kräftigen Gerüche bewirkt, welche die Männchen während der Paarungszeit aussenden, nachdem die Riechdrüsen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Ob dieselbe Ansicht auch auf die Stimme ausgedehnt werden kann, ist zweifelhaft; denn die Stimmorgane der Männchen müssen durch den Gebrauch während des geschlechtsreifen Alters, unter den mächtigen Erregungen der Liebe, Eifersucht oder Wuth gekräftigt und werden in Folge dessen auf dasselbe Geschlecht überliefert worden sein. Verschiedene Kämme, Büschel und Mäntel von Haaren, welche entweder auf die Männchen beschränkt oder bei diesem Geschlechte bedeutender entwickelt sind als bei den Weibchen, scheinen in den meisten Fällen nur ornamental zu sein, obschon sie zuweilen bei der Vertheidigung gegen rivalisirende Männchen von Nutzen sind. Es ist selbst Grund zur Vermutbung vorhanden, dass das verzweigte Geweihe der Hirsche und die eleganten Hörner gewisser Antilopen, obschon sie eigentlich als Angriffs- oder Vertheidigungswaffen dienen, zum Theil zum Zwecke einer Verzierung modificirt worden sind.

Wenn das Männchen in der Farbe vom Weibchen verschieden ist, [291] so bietet es allgemein dunklere und schärfer contrastirende Farbentöne dar. Wir begegnen in dieser Classe nicht jenen glänzend rothen, blauen, gelben und grünen Farben, welche bei männlichen Vögeln und vielen anderen Thieren so häufig sind. Indessen müssen hier die nackten Hautstellen gewisser Quadrumanen ausgenommen werden; denn derartige Theile, häufig in merkwürdiger Lage, sind auf die brillanteste Weise gefärbt. Die Farben des Männchens können in andern Fällen die Folgen einfacher Abänderungen sein, ohne dass eine Zuchtwahl auf sie eingewirkt hat. Wenn aber die Färbungen mannichfaltig und scharf ausgesprochen werden, wenn sie nicht eher entwickelt werden als in der Nähe der Zeit der Geschlechtsreife und wenn sie nach der Entmannung verloren werden, so können wir die Folgerung kaum vermeiden, dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl zum Zwecke des Ornamentes erhalten und ausschliesslich oder beinahe ausschliesslich auf dasselbe Geschlecht überliefert worden sind. Wenn beide Geschlechter in einer und derselben Art gefärbt und die Farben auffallend oder eigenthümlich angeordnet sind, ohne dass diese von dem allergeringsten nachweisbaren Nutzen als Schutzmittel sind und besonders wenn dieselben in Verbindung mit verschiedenen andern ornamentalen Anhängen auftreten, so werden wir durch Analogie zu demselben Schlusse geführt, nämlich dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind, wenngleich sie dann auf beide Geschlechter überliefert wurden. Dass auffallende und verschiedenartige Färbungen, mögen sie auf die Männchen beschränkt oder beiden Geschlechtern gemeinsam sein, der allgemeinen Regel nach in denselben Gruppen und Untergruppen mit anderen secundären Sexualcharacteren verbunden auftreten, welche entweder zum Kampfe oder zur Zierath dienen, – dies wird man für zutreffend halten, wenn man auf die verschiedenen in diesem und dem letzten Capitel mitgetheilten Fälle zurückblickt.

Das Gesetz der gleichmässigen Ueberlieferung von Characteren auf beide Geschlechter, soweit Farben und andere Zierathen in Betracht kommen, hat bei Säugethieren in viel ausgedehnterer Weise geherrscht als bei Vögeln; aber was Waffen, wie die Hörner und Stosszähne, betrifft, so sind diese häufig entweder ausschliesslich oder in einem viel vollkommeneren Grade den Männchen überliefert worden als den Weibchen. Dies ist ein überraschender Umstand; denn da die Männchen allgemein ihre Waffen zur Vertheidigung gegen ihre Feinde aller Art brauchen, würden diese Waffen auch den Weibchen von Nutzen [292] gewesen sein. Ihr Fehlen in diesem Geschlechte kann, soweit wir sehen können, nur durch die vorherrschende Form der Vererbung erklärt werden. Endlich ist bei Säugethieren der Kampf zwischen den Individuen eines und des nämlichen Geschlechtes, mag er friedfertiger oder blutiger Natur sein, mit den seltensten Ausnahmen auf die Männchen beschränkt worden, so dass diese letzteren entweder zum Kampfe mit einander oder zum Anlocken des anderen Geschlechtes viel gewöhnlicher als die Weibchen durch geschlechtliche Zuchtwahl modificirt worden sind.


  1. Owen, Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 585.
  2. ebenda p. 595.
  3. s. z. B. Major W. Ross King (The Sportsman in Canada, 1866, p. 53, 131) über die Gewohnheiten des Orignal und des wilden Renthiers.
  4. Owen, Anatomy of Vertebrates, Vol. III. p. 600.
  5. M. Green, in: Journal of the Linnean Society, Vol. X. Zoology, 1869, p. 362.
  6. C. L. Martin, General Introduction to the Natural History of Mamm. Animals, 1841, p. 431.
  7. Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay. 1830, S. 15, 21.
  8. Ueber den See-Elephanten s. einen Artikel von Lesson im Diction. class. d'Hist. natur. Tom. XIII, p. 418. Wegen der Cystophora oder Stemmatopus s. Dr. Dekay, in: Annals of the Lyceum of Natur. Hist. New-York, Vol. I. 1824, p. 94. Auch Pennant hat von Robbenjägern Mittheilungen übes dieses Thier gesammelt. Den ausführlichsten Bericht hat Mr. Brown gegeben, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p 435.
  9. Wie beim Castoreum des Bibers, s. Mr. L. H. Morgan’s äusserst interessantes Werk: The American Beaver, 1868, p. 300. Pallas hat (Spicileg. Zoolog. Fasc. VIII. 1779, p. 23) die Riechdrüsen der Säugethiere sehr gut erörtert. Auch Owen (Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 634) gibt eine Schilderung dieser Drüsen mit Einschluss der des Elephanten und (p. 763) der Spitzmäuse. Ueber Fledermäuse, s. Dobson, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1873, p. 241.
  10. Rengger, Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay, 1830, S. 355. Dieser Beobachter theilt auch einige merkwürdige Eigenthümlichkeiten in Bezug auf den entwickelten Geruch mit.
  11. Owen, Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 632. s. auch Dr. Murie’s Beobachtungen über diese Drüse, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1870, p. 340. Desmarest: über die Antilope subgutturosa in seiner Mammalogie, 1820, p. 455.
  12. Pallas, Spicilegia Zoologica, Fasc. XIII. 1799, p. 24. Desmoulins, Diction. class. d'Hist. Natur. Tom. III, p. 586.
  13. Dr. Gray, Gleanings from the Menagerie at Knowsley, pl. 28.
  14. Judge Caton über den Wapiti, in Transact. Ottawa Acad. Natur Scienc. 1868, p. 36, 40. Blyth, Land and Water, 1867, p. 37, über Capra aegagrus.
  15. Hunter’s Essays and Observations, edited by Owen. 1861. Vol. I, p. 236.
  16. s. Dr. Gray’s Catal. Mammalia British Museum, Part. III, 1852, p. 144.
  17. Rengger, Säugethiere von Paraguay etc. S. 14; Desmarest, Mammalogie, p. 66.
  18. s. die Capitel über diese verschiedenen Thiere im I. Bande meines „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“; auch Bd. II, 2. Aufl., S. 84; auch Cap. 20 über die Ausübung von Zuchtwahl seitens halbcivilisirter Völker. Wegen der Berbura-Ziege s. Dr. Gray, Catalogue etc. p. 157.
  19. Osphranter rufus, Gould, Mammals of Australia, Vol. II, 1863. Ueber Didelphis s. Desmarest, Mammalogie, p. 304.
  20. Annals and Magaz. of Natur. Hist. Nov. 1867, p. 325. Ueber Mus minutus s. Desmarest, Mammalogie, p. 304.
  21. J. A. Allen, in: Bulletin of Museum Compar. Zoolog. Cambridge, Mass. Unit. St., 1869, p. 207. Mr. Dobson, über die sexuellen Charactere bei Fledermäusen, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1873, p. 241. Dr. Gray, über Faulthiere, ebenda, 1871, p. 436.
  22. Desmarest, Mammalogie, 1820, p. 220. Ueber Felis mitis s. Rengger a. a. O. S. 194.
  23. Dr. Murie, über die Otaria, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 108. Mr. R. Brown, über die Phoca groenlandica, ebenda, 1868, p. 417. Ueber die Farbe der Robben s. auch Desmarest a. a. O. p. 243, 249.
  24. Judge Caton, in: Transact. Ottawa Acad. of Natur. Sciences. 1868, p. 4,
  25. Dr. Gray, Catalogue of Mammalia in the British Museum, Part. III, 1852, p. 134–142; s auch Dr. Gray’s Gleanings from the Menagerie of Knowsley, worin sich eine prachtvolle Abbildung des Oreas derbyanus findet: vergleiche den Text über Tragelaphus. Wegen des Capischen Eland (Oreas canna) s. Andrew Smith, Zoology of South Africa, pl. 41 und 42. Viele dieser Antilopen finden sich auch im Garten der zoologischen Gesellschaft.
  26. Ueber die Antilope nigra s. Proceed. Zoolog. Soc. 1850, p. 133. In Bezug auf eine verwandte Species, bei welcher sich eine gleiche geschlechtliche Verschiedenheit in der Färbung findet, s. Sir. S. Baker, The Albert Nyanza, 1866. Vol. II, p. 327. Wegen der A. sing-sing s. Gray, Catal. Mamm, Brit. Mus. p. 100. Ueber die A. caama s. Desmarest, Mammalogie, p. 468. Ueber das Gnu s. Sir Andrew Smith, Zoology of South Africa.
  27. Ottawa Academy of Natur. Scienc. May, 21. 1868, p. 3, 5.
  28. Sal. Müller, über den Banteng, in: Over de Zoogthieren van den Indischen Archipel, 1839–44, Tab. 35. s. auch Raffles von Blyth citirt in: Land and Water, 1867, p. 476. Ueber Ziegen: Dr. Gray, Catal. Mamm Brit. Mus. p. 146. Desmarest, Mammalogie, p. 482. Ueber Cervus paludosus: Rengger a. a. O. S. 345.
  29. Sclater, Proceed. Zoolog. Soc. 1866. pl. 1. Dieselbe Thatsache ist auch von Pollen und van Dam vollständig bestätigt worden, s. auch Dr. Gray, in: Annals and Mag. of Nat. Hist, May, 1871, p. 340.
  30. Ueber Mycetes s. Rengger a. a. O. S. 14 und Brehm, Illustrirtes Thierleben, Bd. 1, S. 96, 107. Ueber Ateles s. Desmarest. Mammalogie, p. 75. Ueber Hylobates s. Blyth, Land and Water, 1867, p. 135. Ueber den Semnopithecus: Sal. Müller, Over de Zoogthieren van den Ind. Archipel. Tab. X.
  31. Gervais, Hist. natur. des Mammifères, 1854, p. 103. Hier werden auch Abbildungen des Schädels vom Männchen gegeben. Desmarest, Mammalogie, p. 70. Geoffroy St. Hilaire et F. Cuvier, Hist. natur. des Mammifères. 1824. Tom. I.
  32. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 1873. 2. Aufl. Bd. 2, S. 117 und 118.
  33. Essays and Observations by J. Hunter, edited by R. Owen, 1861. Vol. I, p. 194.
  34. Sir S. Baker, The Nile Tributaries of Abyssinia, 1867.
  35. Fiber zibethicus, Audubon und Bachman, The Quadrupeds of North America. 1846, p. 109.
  36. Novae Species Quadrupedum e Glirium ordine. 1788, p. 7. Was ich oben Reh genannt habe, ist der Capreolus sibiricus subecaudatus von Pallas.
  37. The Naturalist in Nicaragua. p. 249.
  38. s. die schönen Tafeln in Sir Andrew Smith, Zoology of South Africa und Dr. Gray’s Gleanings from the Menagerie of Knowsley.
  39. Westminster Review. July, 1, 1867, p. 5.
  40. Travels in South Africa, 1824. Vol. II, p. 315.
  41. Dr. Gray, Gleanings from the Menagerie of Knowsley, p. 64. Mr. Blyth erwähnt den Schweinshirsch von Ceylon (Land and Water, 1869, p. 42) und sagt, dass er in der Zeit des Jahres, wo er sein Geweihe erneuert, heller mit Weiss gefleckt ist als der gemeine Schweinshirsch.
  42. Falconer and Cautley, Proceed. Geolog. Soc. 1843, and Falconer, Palaeont. Memoirs, Vol. I, p. 196.
  43. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 1873. 2. Aufl. Bd. 1, S. 62–69.
  44. Proceed. Zoolog. Soc. 1862, p. 164. s. auch Dr. Hartmann, Annal. d. Landwirthsch. Bd. 43, S. 222.
  45. Ich beobachtete diese Thatsache in den zoologischen Gärten; zahlreiche Beispiele sind auch in den colorirten Tafeln zu Geoffroy St. Hilaire und F. Cuvier, Hist. natur. des Mammifères, Tom. I. 1824, zu finden.
  46. Bates, The Naturalist on the Amazons. 1863. Vol. II, p. 310.
  47. Ich habe die meisten der obengenannten Affen in dem Garten der Zoological Society gesehen. Die Beschreibung des Semnopithecus nemaeus ist entnommen aus W. C. Martin, Natur. Hist. of Mammalia, 1841, p. 460; s. auch p. 475, 523.
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