Einsegnungsunterricht 1912/3. Stunde

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3. Stunde.
Samstag, den 26. Oktober 1912, vorm.
Lied 343, 1-4. 7.
Psalm 139.
Kollekte 160. Schluß Ps. 32.
Lied 362, 1. 4. 6.

 Auf den Unterschied von Wort und Sakrament haben wir hingewiesen. Sie gehören zusammen, sind sie doch beide Gnadenmittel, Mittel, durch welche der heilige Geist die Gnade den Einzelnen darbietet und ist doch die Gnade, die sie darbieten, an sich die gleiche. Dennoch sind sie verschieden, weil sie die Gnade auf verschiedenem Wege uns vermitteln. Das erste, das primäre Gnadenmittel, vermittelt eben durchs Wort, die Sakramente dagegen vermöge eines sichtbaren Zeichens, an welches der Empfang eines bestimmten himmlischen Gnadengutes durch Gottes Gnade und des Geistes Wirkung geknüpft ist. Diesen Unterschied von Wort und Sakrament müssen wir nun wohl im Auge haben, wenn wir heute auf eine weitere Gnadenquelle Bezug nehmen wollen, welche auch zur Kraftquelle in uns werden kann und soll. Wir reden:

von der Beichte und der durch sie beförderten Selbsterkenntnis.
 Wenn von der Beichte geredet wird, so muß der Unterschied von Wort und Sakrament wohl beachtet sein. Bekanntlich erachtet die römische Kirche die Beichte oder wie sie sich ausdrückt „die Buße“ für ein Sakrament. Auch Melanchthon hat die Beichte oder speziell die Absolution für ein Sakrament gehalten. Man sieht das aus der Ordnung der Artikel in der Augsb. Konfession. Artikel 9 handelt „von der Taufe,“ Art. 10 „vom hlg. Abendmahl,“ Art. 11 „von der Beichte“, Art. 12 „von der Buße“, Art. 13 „vom Gebrauch der Sakramente.“ Wenn Melanchthon die Beichte nicht auch für ein| Sakrament gehalten hätte, würde er den Artikel „vom Gebrauch der Sakramente“ vorher als Artikel 11 gesetzt haben. Übrigens spricht er es in der Apologie der Augustana geradezu aus: „es sind drei Sakramente.“ Luther hat in diesem Punkt klarer gesehen, obwohl er ihn nicht für so bedeutend erachtete, daß es darüber zu einer Differenz zwischen den beiden Gottesmännern hätte kommen können. Wenn Melanchthon die Beichte für ein Sakrament hielt, so wird der Grund gewesen sein, daß eine Einsetzung durch Christus vorliegt und daß die Beichte allerdings eine Handlung ist und darstellt. Doch es fehlt ja, wie wir alle wissen, als Wesensmoment das sichtbare Zeichen. Die Handauflegung, die bei Erteilung der Absolution gebraucht wird, kann nicht als solches betrachtet werden, da es das allgemeine Zeichen segnender Zueignung auch sonst in gottesdienstlichen und außergottesdienstlichen Handlungen ist. Es ist also kein sichtbares Zeichen bei der Beichte vorhanden, das himmlische Gnadengut der Vergebung wird hier nicht durch ein sichtbares Zeichen dargeboten sondern durchs Wort vermittelt und darum ist die Absolution in der Beichte ganz gewiß ein Gnadenmittel, eine Gnadenquelle ersten Ranges, wenn wir so sagen dürfen, aber allerdings kein Sakrament, sondern sie gehört mit zum Gebrauch des Wortes. Durchs Wort wird die Vergebung ausgesprochen und Einzelnen zugeeignet. – Übrigens muß nun auch, was die Einsetzung durch Christus anlangt, noch bestimmter gesagt werden, daß der Herr Jesus Christus doch nicht die Beichte als Handlung eingesetzt hat, sondern eben vielmehr das Amt der Schlüssel, das in der Beichte zur Anwendung kommt. Amt der Schlüssel und Beichte gehören zusammen und sind doch verschieden. Sie gehören zusammen, weil das Amt der Schlüssel in der Beichte angewendet wird und die Beichte also auf dem Amt der Schlüssel beruht. Sie sind verschieden, denn die Beichte ist eine gottesdienstliche Handlung, das Amt der Schlüssel ist eine Einrichtung, eine Gabe, die Christus Seiner Kirche gegeben hat. Also nicht die Beichte an sich hat der Herr eingesetzt, sondern das ihr zu Grunde liegende und durch sie zur Anwendung kommende Schlüsselamt. Wir kennen die Einsetzung des Amtes der Schlüssel aus dem Katechismus, Johannes 20. Lange ehe der Herr das Sakrament der hl. Taufe eingesetzt hat – bei Seiner letzten Erscheinung vor dem Scheiden von Seinen Jüngern – hat Er zuvor auf dieselbe hingewiesen im Gespräch mit Nikodemus, Joh. 3. Lange ehe der Herr das andere Sakrament, das hl. Abendmahl, eingesetzt hat, wies Er schon von ferne darauf hin in dem Gespräch, das uns auch das 4. Evangelium, das des Johannes, aufbewahrt hat, Kap. 6. So hat der Herr auch, ehe Er das Amt der Schlüssel einsetzte, vorher darauf hingewiesen und zwar zweimal Matth. 16 und 18. Matth. 16 in dem bekannten Wort an Petrus von des Himmelreichs Schlüssel, Matth. 18, wo Er von Versündigungen innerhalb Seiner Gemeinde spricht, die nicht unbeachtet, ungewarnt und ungestraft bleiben dürfen.
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|  Das Wort: Joh. 20. „Welchen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten,“ hat nun Luther in etwas allgemeinerem Sinn verstanden, als wir es zu verstehen pflegen. Er verstand darunter überhaupt den Auftrag der Predigt des Evangeliums und hebt auch besonders hervor, daß nicht nur auf amtlichem Wege, sondern auch durch brüderliche Zusprache Vergebung der Sünden und eine Lossprechung von Sünden möglich ist. Er verstand es also nicht im Zusammenhang mit dem Amt des neuen Testaments. Wir werden aber es wohl sagen dürfen, daß Luther hier sich in zu starkem Gegensatz gegen die römische Auffassung vom Amt befand. Es war gewiß seine und der Reformation Aufgabe die Lehre vom allgemeinen Priestertum aller Christen wieder aufs mächtigste zu betonen; denn die katholische Kirche hatte aus dem geistlichen Amt einen besonderen von der Gemeinde streng geschiedenen, über sie hocherhabenen Stand gemacht. Im alttestamentlichen Sinn war wohl der Priester als Stellvertreter für die Gemeinde aufgestellt, wie der Name andeutet: Priester so viel wie der Stehende, d. h. der welcher vor Gott steht. So waren die Priester solch ein sonderlicher, die Gemeinde vor Gott vertretender Stand. Aber im neuen Bunde ist es das Große, daß der Herr uns alle zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, unserm Vater, wie die Offenbarung sagt. Was weissagend dem Volk vor der Gesetzgebung gesagt worden war: „Ihr sollt mir ein priesterlich Königreich“, es heißt eigentlich „ein Reich von Priestern“ sein, das ist im neuen Testament zur Wahrheit geworden. Diese große Wahrheit vom allgemeinen Priesterrecht aller Gläubigen hatte die Reformation wieder hervorgeholt mit einer so starken Betonung wie nie zuvor. Im Zusammenhang damit verstehen wir, daß Luther etwas zu stark diese Seite betont hat. Wir werden in Johannes 20 gewiß mit Recht die Einsetzung des neutestamentlichen Amtes finden dürfen: „Wie Mich Mein Vater sendet, so sende Ich euch.“ Nur fassen wir das neutestamentliche Amt nie als einen besonderen Priesterstand über der Gemeinde auf, es ist lediglich der Dienst zur Verwaltung der Gnadenmittel, der Dienst zur öffentlichen Predigt des Worts und zur Spendung der heiligen Sakramente. Und so werden wir auch in dem Wort: „Welchen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben“ eine besondere Vollmacht sehen dürfen, die dem Amt des neuen Testaments mit übertragen ist und angehört. Das Amt der Schlüssel, die Vollmacht, Sünden zu vergeben und zu behalten an Christi Statt, ist ein Teil des neutestamentlichen Predigtamts. Wir leugnen nicht, daß jeder Christ vermöge des allgemeinen Priestertums unter besonderen Umständen berechtigt sein könne, einem Mitbruder das Wort der Sündenvergebung zu sprechen, aber als kirchliche Einrichtung, die der Herr als Gabe Seiner Gemeinde geben wollte, ist diese Aufgabe dem Amt des neuen Testaments anvertraut. Es ist ja auch mit der Taufe, die im Notfall von andern erteilt werden kann und ebenso mit dem Sakrament des| Altares nicht anders. Die besondere Vollmacht, Sünden zu vergeben und zu behalten, ist von Christus Seiner Kirche gegeben worden und wird durch das Amt des neuen Testaments verwaltet.

 Vor allem, Sünden zu vergeben. Solange der Herr Jesus selbst auf Erden wandelte, hat Er das Wort der Sündenvergebung gesprochen, wo Er sah, daß ein besonderes Verlangen darnach in der Seele lebte, wie beim Gichtbrüchigen und so besonders bei der großen Sünderin. Da Er nun nach Vollendung seines Werkes nicht auf Erden bleiben wollte und sollte, hat Er die Seinigen nicht ohne den gewissen Trost der Vergebung der Sünden lassen wollen und hat darum Seiner Gemeinde diese Vollmacht gegeben, in seinem Namen Sünden zu vergeben. Es handelt sich also bei dieser Gabe oder Stiftung des Herrn um dem gewissen Trost der Vergebung der Sünden. Nicht so darf es angesehen werden, wie die römische Kirche es auffaßt, daß die Sündenvergebung überhaupt für den Einzelnen an die priesterliche Absolution gebunden sei, sondern die Vergebung der Sünden wird fortwährend durchs Wort verkündet und den Einzelnen dargeboten: denn was ist die Evangelien-Predigt anders als die Botschaft von der Vergebung der Sünden. Die Vergebung der Sünden ist uns, wie wir gehört haben, in der Taufe schon ein für allemal geschenkt durch unsere Einpflanzung in die Gemeinschaft Jesu Christi. Die Vergebung der Sünden wird uns im heiligen Abendmahl verbürgt, aber in der Absolution handelt es sich um den gewissen Trost der Sündenvergebung für solche, die darnach verlangen.

 Allerdings hat der Herr nicht nur die Vollmacht, Sünden zu vergeben, sondern auch die Vollmacht Sünden zu behalten gegeben. Und in welchem Sinn Er das tut, das geht aus Matth. 18 deutlich hervor, wo der Herr sagt: „Sündiget dein Bruder.“ („an dir“ ist eine spätere Beifügung, die auch den Zusammenhang vollständig stört und sich daraus erklärt, daß die Worte damals nicht mehr verstanden wurden, weil man nicht mehr begriff, daß jeder Christ Recht und Pflicht haben soll, jedem Bruder jede begangene Sünde strafend vorzuhalten.) Also: „Sündiget dein Bruder, so strafe ihn zwischen dir und ihm allein, hört er dich nicht, so nimm noch einen oder zwei zu dir... wahrlich Ich sage euch, was Ihr auf Erden bindet, soll auch im Himmel gebunden sein.“ Es ist die Stelle wichtig schon deswegen, weil wir deutlich sehen, daß der Herr unter Binden und Lösen doch Vergeben und Behalten der Sünde und nichts anderes verstanden hat, nachdem manche Ausleger darunter verstehen wollen: Anordnungen geben und Verbote erlassen innerhalb der Gemeinde. So hat der Herr es nicht gemeint, da Er an das Wort anschließt: „Achte ihn für einen Heiden und Zöllner,“ d. h. nimm ihn nicht mehr für ein Glied meiner Gemeinde an. „Und was ihr binden werdet, soll im Himmel gebunden sein“, fährt Er fort. Der Herr hat die Vollmacht gegeben, Sünden zu behalten, weil er nicht wollte, daß Sünder öffentlich und ungestraft in seiner Gemeinde| bleiben und zu derselben sich rechnen. Er hat gewollt, daß in Seiner Gemeinde ernste Zucht geübt werden solle, die bis zum Ausschluß von der Gemeinde und auch zu der Behaltung der Sünde fortschreiten darf. So hat es der Apostel auch betrachtet, wie wir aus 1. Kor. 5 sehen, wo der Apostel selber den Ausschluß aus der Gemeinde mit feierlichen Worten gegenüber einem, der öffentlich gesündigt hatte, vollzieht und mit der Mahnung schließt: „Tut von euch selbst hinaus, was da bös ist.“

 Der Name: „Amt der Schlüssel“ geht auf Matthäus 16 zurück, wo der Herr zu Petrus sagt: „Ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben“; denn durch Vergebung der Sünden wird das Himmelreich geöffnet, durch Behaltung bleibt es verschlossen und zugleich erscheint der Sünder als Gefesselter, als Gefangener, den man lösen kann vermöge des Schlüssels und der gebunden, gefesselt bleibt, wenn man diesen Schlüssel nicht anwendet.

 Und was ist nun das Verhältnis des Amtes der Schlüssel zum Predigtamt überhaupt? Das Amt der Schlüssel ist ein Teil des Predigtamtes, nämlich das Recht, das tröstende und strafende Wort auch auf die Einzelnen mit voller Giltigkeit anzuwenden. Wichtig ist, daß der Herr da, wo er das neutestamentliche Amt ordnet: „Wie mich mein Vater sendet, so sende ich euch“, in der Fortsetzung, insbesondere von der Sündenvergebung spricht, um zu zeigen, das ganze Amt des neuen Testaments zielt auf die Vergebung der Sünden ab und das Amt des neuen Testaments schließt in sich die heilige Pflicht der Einzelnen sich anzunehmen, zu trösten, aufzurichten, auch zu warnen und zu strafen.

 Soviel vom Amt der Schlüssel, das der Herr Seiner Kirche gegeben hat. Nun hat der Herr keine Anweisung darüber erteilt, wie dies Amt angewendet oder gebraucht werden soll. Es hat unser Herr und Heiland, man möchte sagen, sich vorsichtig gehütet, Seiner Gemeinde neue Gesetze aufzuladen. Er hat kein Wort gesagt über die Art, wie der Gottesdienst gehalten werden soll, nur die dazu nötigen Gaben hat Er Seiner Kirche in Wort und Sakrament und in dem Predigtamt geschenkt. Er hat kein Wort gesagt über die Feier des Sonntags, etwa über die Wahl des Tages, an dem die Gemeinde sich versammeln soll, weil Er Seiner Gemeinde keine Gesetze aufbürden wollte. So hat Er im Amt der Schlüssel Seiner Gemeinde eine Gabe schenken wollen, aber über die Anwendung nichts gesagt, sondern es der weiteren kirchlichen Entwicklung überlassen.

 Der Gang der Dinge in der Kirche ist der gewesen, daß die älteste Kirche, soweit wir sehen, das Amt der Schlüssel fast nur im Dienst der Kirchenzucht angewendet hat, wenn öffentliche Sünden in der Kirche vorkamen, insbesondere Verleugnung des Christenstandes in den Verfolgungszeiten. Zeigten sie sich bußfertig, so wurden sie, allerdings nach längerer Zeit der Prüfung und Erprobung, durch den Löseschlüssel wieder in die Gemeinde Christi aufgenommen;| zeigten sie sich unbußfertig, so wurden sie durch den Bindeschlüssel aus der Gemeinde ausgeschlossen. Wie weit die alte Kirche das Amt der Schlüssel und die Absolution auch für die Seelsorge angewendet hat, ist nicht bekannt, wenn man auch nicht bezweifeln wird, daß eine Anwendung im Dienst der Seelsorge stattgefunden hat. Eine Anordnung der Beichte hat die alte Kirche nicht gekannt. Erst bei einem weiteren wichtigen Abschnitt in der Entwicklung der christlichen Kirche, nämlich beim Eintritt der germanischen Völker in die Christenheit, trat die Beichte auf. Es hatte sich damals eine bedeutsame Wendung auf einem anderen Gebiet vollzogen. Die Taufbewerber, also diejenigen, die der christlichen Gemeinde beitreten wollten, mußten in der alten Kirche eine lange Zeit des Lernens durchmachen. Es war die Einrichtung des sog. Katechumenats dessen Dauer durch einen Beschluß der Synode zu Nicäa (325) bestimmt wurde. Weil damals die Massen sich dem Christentum zuzuwenden begannen, infolge des Umstandes, daß der Kaiser selbst sich fürs Christentum erklärt hatte, so hat die Synode die Zeit des Taufunterrichts auf 3 Jahre festgesetzt, um den Zudrang zurückzudämmen. Diese Einrichtung des Katechumenats ist in der evangelischen Mission erneuert worden. Es wird nie ein Taufbewerber gleich getauft, sondern erst nach entsprechender Zeit des Unterrichts. Als die germanischen Völker sich der Christenheit zuwendeten, war die Veräußerlichung der Kirche schon so fortgeschritten, daß man zur Praxis überging, in Massen die Völker zu taufen. Man ließ die Erziehung vor der Taufe völlig fahren, statt dessen hat die Kirche eine Erziehung nach der Taufe einsetzen wollen und dafür die Beichte als eine regelmäßige pflichtmäßige Handlung eingeführt und allerdings nie anders denn als Einzelbeichte. Die Kirchenglieder mußten sich dieser Ordnung der Einzelbeichte unterwerfen und wurden in der Beichte genau befragt über ihr Leben. Man suchte auf diesem Weg eine allmähliche Erneuerung des Lebens herbeizuführen. So ist die Beichte in der christlichen Kirche aufgekommen ungefähr um 600–800 und stand demnach im Dienst der kirchlichen Erziehung. Einen weiteren Schritt hat dann der Papst getan, den man den gewaltigsten und machtvollsten der Päpste nennen kann: Innocenz III, indem er auf dem Lateran-Konzil 1215 die Ohrenbeichte anordnete als ein kirchliches Machtmittel, nicht mehr nur als ein kirchliches Erziehungzmittel wie bis dahin. Die Ohrenbeichte besteht in der den Einzelnen auferlegten Verpflichtung, alle Sünden, deren sie sich erinnern können, dem Beichtiger aufzuzählen, ohne welches Tun sie keinen Anteil an der Vergebung hätten. Im Zusammenhang damit war die Lehre von der Buße veräußerlicht. Man erklärte die Buße für ein Sakrament. Aus einem Vorgang im Innern des Menschen, der dauernd vorhanden sein muß, machte man eine Handlung, die von Zeit zu Zeit vollzogen werden kann und als Wesensbestandteil der Buße wurden genannt: Zerknirschung des Herzens, Bekentnis mit dem Munde, Genugtuung mit der Tat. Alle drei galten als verdienstliche Werke, durch welche der Einzelne die Gnade| verdient. Auch die Zerknirschung des Herzens erscheint als ein solches, noch mehr das Bekenntnis mit dem Munde, das Aufzählen der einzelnen Sünden, die Genugtuung schließlich mit der Tat – die Ableistung der Büßungen – ist es, durch welche die zeitlichen Strafen der Sünden abgewendet werden. So sieht es gegenwärtig die katholische Kirche an, während sie früher es so hinstellte, daß durch die Taufe nur die vor derselben begangenen Sünden vergeben würden, während sie für die nach der Taufe begangenen sich selbst durch die Satisfaktionen d. i. Genugtuungen Vergebung erwirken mußten. So war es nicht zufällig, sondern aus innerer Notwendigkeit hervorgegangen, daß Luthers Reformation gerade an den Begriff der Buße anknüpfte und daß die erste These heißt: „Wenn unser Herr und Meister spricht: Tut Buße, so will er, daß das ganze Leben Seiner Gläubigen eine fortwährende Buße sein soll.“ Ein wirklich reformatorischer Satz, durch welchen Luther mitten hineingriff in das stärkste Verderben der mittelalterlichen Kirche. Es war der Reformation kein Zweifel, daß die Ohrenbeichte im Sinn dieser Verpflichtung, alle Sünden aufzählen zu müssen, vollends im Sinne eines verdienstlichen Werkes, fallen müsse. Was an ihre Stelle treten solle, darüber waren die Reformatoren sich nicht gleich klar. Vielfach bestand die Meinung, die noch in den Schwabacher Artikeln 1529 zum Ausdruck kommt, daß die Beichte freigegeben werden könne, gewiß die idealste Anwendung, die am meisten dein Sinn und der Meinung Christi entsprechen mag; denn die Reformation erkannte klar, daß die Absolution nichts anderes sei als ein evangelisches Trostmittel, nicht ein Erziehungsmittel, noch weniger ein Machtmittel. Die Beichte ein Trostmittel; freilich als solche müßte sie völlig freigegeben sein; doch entschlossen sich die Reformatoren mit Rücksicht auf die großen Gemeinden, mit denen sie es zu tun hatten, und mit Rücksicht auf den niedern Stand der christlichen Erkenntnis, die Beichte als eine erforderliche Einrichtung beizubehalten, und zwar in Verbindung mit dem heiligen Abendmahl. So kommt es in der Augsburger Konfession zum Ausdruck. Da heißt es in Artikel 11, daß die Privatabsolution nicht fallen gelassen, sondern beibehalten werden soll und im 25. Artikel ist gesagt: Die Beichte sei nicht abgetan, sondern es solle niemand zum Sakrament gehen unverhört, d. h. ohne daß man in der Privatbeichte einzeln mit ihm gesprochen habe. Daß man ein Recht hat, derartige Ordnungen festzusetzen, unterliegt keinem Zweifel; denn der Herr hat Seiner Kirche Vollmacht gegeben, Seine Gemeinde zu weiden, also auch die Einrichtungen zu treffen, die erforderlich sind, damit der Trost des göttlichen Wortes in der rechten Weise dargeboten werden kann. Zu bedauern ist, daß die Beichte zu sehr und ausschließlich in Verbindung mit dem Abendmahlsgang festgehalten wurde, und daß nicht genug betont wurde, daß es ein Beichten ohne Abendmahlsgang ebensogut geben kann, wie das heute noch jedem Christen freistehen muß. – Die Beichte in der Form der Privatbeichte ist vielfach nur recht äußerlich behandelt worden. gestaltete sich meist so, daß| eben eine Formel der Privatbeichte hergesagt oder auch abgelesen wurde und die gute Gelegenheit zur Übung der Privatseelsorge ist offenbar nicht genugsam benützt worden, obwohl gewiß treue Geistliche es im rechten Sinn getan und geübt haben werden, aber vielfach scheint man es doch zu äußerlich damit genommen zu haben. Neben der Privatbeichte hat es immer auch eine allgemeine Beichte gegeben, aber nur im öffentlichen Gottesdienst, entweder beim Beginn des Gottesdienstes – nach der römischen Messe – in dem schönen Sinn, daß die Gemeinde vor allem von Sünden sich reinigen müsse, ehe sie Gott dienen kann oder nach der Predigt, wo als Ergebnis der Predigt das Sündenbekenntnis folgte und dann der Trost der Absolution als Mitgabe für die Rückkehr ins Leben und die Arbeit in der Woche gespendet wurde. Wegen der vielfachen Veräußerlichung der Privatbeichte und Absolution hat der Pietismus die Privatbeichte ins Wanken gebracht. Johann Schade war es, der gegen die Ordnung des Beichtstuhles wütete, ihn einen Teufelsstuhl nannte, durch den die Seelen sicher gemacht würden, indem auf ihr abgelesenes Bekenntnis die Absolution gespendet und darum falsche Sicherheit in ihnen hervorgerufen würde. Und nachdem der Pietismus die Privatbeichte ins Wanken gebracht hatte, hat der Rationalismus sie vollends gestürzt. In Berlin ist sie schon im Jahre 1698 abgeschafft worden unter dem Einfluß der reformierten Kurfürsten. Im übrigen Preußen geschah es im Jahre 1739, in unsern Landen, die sich je und je durch Festhalten der kirchlichen Ordnungen auszeichneten, sehr spät erst, 1788 in Ansbach, 1790 in Bayreuth, 1799 in Nürnberg für die Stadt, im folgenden Jahr für den Burgfrieden. Der Erlaß des Ansbacher Konsistoriums zeichnete sich durch sichtliche Sorge um den Bestand des gläubigen Bekenntnisses aus. Es wird darin stark betont, daß die Augsburgische Konfession an der das Blut der Bekenner hafte, durchaus in Geltung in der Kirche bleiben müsse und es wurde angeordnet, daß die Spendeformel und die Konsekration nicht geändert werden dürfe, aber im übrigen wurde es den Pfarrern freigestellt, neben der Brandenburg’schen Kirchenordnung fernerhin auch die Seilersche Agende zu benutzen, die ganz und gar im Dienst des Rationalismus stand. Es scheint, daß das Konsistorium Ansbach und Bayreuth ungern nachgab, aber es wurde doch bestimmt, daß denen, die vom Hersagen der Beichte dispensiert sein wollten, eine Anrede gehalten werden könne, an deren Schluß man ihnen eine Frage nach Seiten der Sündenerkenntnis vorlesen solle und sie sollten dieselbe dann bestätigen mit ihrem Ja.
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 So ist an Stelle der Privatbeichte die allgemeine Beichte getreten. Das Ergebnis war ein merkwürdiges. Im Jahr 1799 ist die Kommunikantenzahl in Nürnberg um 6000 zurückgegangen. Es hat also dieser Sturz einer bestehenden Kirchenordnung nur im Dienst des damaligen Unglaubens gewirkt und es hat sich an diesen Punkt das Herabsinken des kirchlichen Lebens angeknüpft. So trat die allgemeine Beichte ein und sie ist in ihrer damaligen Ordnung schon deshalb ungünstig,| weil die Kommunikanten meist nicht einmal das Sündenbekenntnis gemeinsam hersagen, sondern weil sich ihre Beichte bloß auf das Ja zurückzieht, das sie am Schlusse sagen, meist auch nur ein einmaliges Ja. Die Anmeldung zur Beichte ist unter diesen Umständen umso wichtiger geworden und es ist ein Glück, daß in unserer Landeskirche die Anmeldung zur Beichte und zum Abendmahl meist noch ziemlich zu Kraft besteht, auf dem Lande wie in den Städten, einige Städte wie München und Nördlingen, ausgenommen. Sonst ist die Anmeldung in der Stadt oft sogar gründlicher gestaltet als auf dem Land, insofern sich dort die Einzelnen anmelden, während sie auf dem Lande oft in Massen ins Zimmer treten. Bedauerlich ist nur, daß sich die Sitte des Beichtgeldes daran angeknüpft hat, die geradezu oft ein Hindernis für die Teilnahme am Sakrament werden kann. Es mag da manchmal die Aufgabe der Gemeindeschwester sein, wenn die Rede darauf kommt, den Leuten zuzureden, daß sie doch auch ohne diese Abgabe – die kein treuer Pfarrer als ein Muß ansehen wird – den Mut finden möchten, das Sakrament zu suchen.

 Löhe hat sich nun bestrebt die Privatbeichte wieder aufzurichten. Aber nachdem sie gefallen war, konnte sie in weiteren Kreisen nicht mehr wiederhergestellt werden. Wie sehr in Franken ein Festhalten an den Ordnungen rühmend anzuerkennen ist, mag daraus ersehen werden, daß in einzelnen Gemeinden, auch hier in der Nähe bis zum Jahre 1820 die Privatbeichte fortbestand, daß sie in einigen Gemeinden wenigstens bei der Konfirmation sich hielt und daß in Oberfranken der eigentümliche Modus sich bildete, daß nach einer allgemeinen Beichte Einzelabsolution am Altar mit Handauflegung stattfindet, ähnlich wie es bei uns vor der Einsegnung gehalten wird. Bei uns ist dies gerechtfertigt, da der Beichtvater vorher mit jeder einzelnen Schwester seelsorgerlich gesprochen hat. In diesem Fall hat die Einzelabsolution nach gemeinsam abgelegter Beichte ohne Zweifel ein kirchliches Recht, während ohne dieses eine schwere Anfechtung sich daraus ergeben kann, wie Löhe es von seiner Tätigkeit in Kirchenlamitz uns berichtet.

 Es steht in der Gegenwart so, daß nur in der separierten lutherischen Kirche Preußens, in den Gemeinden, die von der Union getrennt sind und auf dem lutherischen Bekenntnis sich zusammengeschlossen haben und in einigen Diakonissenhäusern noch die Privatbeichte besteht. Es zeigt sich darin, daß die Diakonissenhäuser eine kirchliche Aufgabe haben, da bei einer solchen Genossenschaft möglich ist, Einrichtungen durchzuführen, die sonst in der Kirche leider gefallen sind, ohne daß eine Wiederaufrichtung möglich wäre. Denn eine Wiederaufrichtung in weiteren Kreisen dürfte als ausgeschlossen zu betrachten sein. Es wäre höchstens die Frage, wie man es gestalten soll, nachdem die Privatbeichte gefallen sei. Soll die allgemeine Beichte im Gottesdienst an einer andern Stelle eintreten, für die Abendmahlsgäste etwa nach der Predigt und zugleich die Stelle der Beichte vertretend? So hat Löhe gemeint. Es wird doch| festgehalten werden müssen, daß die Beichte, auch wenn sie bloß eine allgemeine ist, doch eine besondre Handlung bleiben soll, um der Erziehung willen zum hl. Sakrament. Unter uns steht es jeder frei, ob sie die Privatbeichte erwählen oder an der allgemeinen teilnehmen will. – Es könnte gefragt werden, was richtiger ist, ob die Beichte am Tage zuvor oder unmittelbar vor dem Sakramentsempfang stattfinden soll. Unter uns hat anscheinend die Mehrzahl es für segensreich erkannt, wenn Beichte und Absolution unmittelbar vor dem Sakramentsempfang steht, wie bei unsern kleinen Kommunionen. Es mag das viel für sich haben, – besonders daß man leichter in der freudigen Gewißheit der Vergebung zum Sakrament geht. Für die weiteren Kreise ist es gut, wenn die Beichte schon am Tage vorher stattfindet, da dann doch wenigstens am Tage vorher schon eine ernste Bereitung auf das Abendmahl nahegelegt ist, die von den einzelnen so oft sonst unterlassen wird, wenn keine kirchliche Mahnung dazu an sie ergeht.
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 Eine Segens- und Gnadenquelle ist die Beichte unter allen Umständen, auch in ihrer unvollkommenen Gestalt wie sie jetzt stattfindet, daß nur das Ja von Seite der Beichtenden gesprochen wird. Es wird doch das Wort der Absolution gesprochen und es ist das eine Gnadenquelle, das kann aus Erfahrung vieler bezeugt werden – auch in dieser Gestalt. Insbesondere kann auch diese Ordnung der Beichte der Selbsterkenntnis dienen und dadurch wird die Segensquelle zu einer Kraftquelle. Auf der Selbsterkenntnis ruht eine besondere Kraft. Die Selbsterkenntnis ist entscheidend für die Bekehrung selber. Durchs Wort der Wahrheit wird das Gewissen geweckt und ein Verlangen nach Heil entzündet. Und nun kommt es darauf an, ob man sich vom Geist weiterführen lassen will. Die Berufung führt zur Frage: Was soll ich tun, daß ich selig werde? Die Antwort ist: Buße tun und glauben. Ohne Glauben kann man nicht zu Jesu, ohne Buße nicht zum Glauben kommen. Die Buße beginnt mit der Selbsterkenntnis, der Erkenntnis der Sünde. Auch für das Beharren in der Bekehrung ist die Selbsterkenntnis unbedingt notwendig. Solange wir uns als arme Sünder bekennen, gehen wir täglich zum Gnadenthron und lassen uns die Vergebung täglich neu versichern durch den heiligen Geist im Wort. Für das Leben der Heiligung ist die Selbsterkenntnis ebenso wichtig. Wie können wir kämpfen gegen die Sünden und Mängel, wenn wir sie nicht klar und deutlich erkennen. Nicht minder wichtig ist die Selbsterkenntnis für den Beruf. Es begegnet einem so oft bei der Führung der Schwestern, daß viele ihre Mängel unter denen sie leiden, die sich im Beruf so fühlbar machen, gar nicht erkennen wollen. Das ist ein Mangel rechter Selbsterkenntnis. Man möchte manchmal die Optimisten beneiden, die von der Mangelhaftigkeit ihrer Leistungen keinen Begriff haben und mit einer großen Selbstzufriedenheit ihre Tätigkeit werten. In Wahrheit sind sie freilich nicht zu beneiden. Für den Beruf ist es wichtig seine Mängel zu erkennen, auch seine Grenzen in Bezug| auf die Frage, ob man sich für den Beruf als passend erachten darf oder nicht. Auch für die Tätigkeit selber und für das Zusammenleben ist das so wichtig. Wenn jede Schwester ihre Grenze recht erkennt, dann kann sie andere viel ruhiger und friedlicher neben sich arbeiten lassen, auch den rechten Zeitpunkt erkennen, wo die Kraft nicht mehr zureicht für die Ausübung des Berufes. Also ist Selbsterkenntnis etwas Wichtiges. Das Haupthindernis des Selbsterkenntnis ist die Gleichgültigkeit, das allzu sichere Dahinleben, dann der Hochmut und die Einbildung, daß man nicht klein und gering sein will. Wie wird nun die Selbsterkenntnis erlangt? Nicht anders als durch Selbstprüfung, durch ernste Selbstprüfung und diese muß täglich vorgenommen werden. Insbesondere Schwestern sollen keinen Tag beschließen ohne sich zu prüfen und sich zu fragen, wie sie den Tag vollbracht haben, wie sie ihres Berufes warteten, ob sie die Fürbitte für die ihnen Anvertrauten wie für die Gesamtheit geübt haben. – Tägliche Selbstprüfung vor allem und dann Selbstprüfung bei besonderen Anlässen, wenn Trübsale und Leiden kommen. Nicht die törichte Frage stellen: Womit habe ich das verschuldet? Als ob wir nicht alles und noch viel mehr verdient hätten, wenn Gott mit uns rechten wollte. Sondern fragt: Was will mir Gott sagen, auf welchen Mangel meines inneren Lebens will Er mich hinweisen? Dann ebenso bei besonderen inneren Erfahrungen, wenn das Wort der Wahrheit die Gewissen trifft. Da gilt es sich zu prüfen, sich selber zu fragen, nicht auf andere zu sehen, sondern auf sich selber. Dann mag die Einsegnung und die Vorbereitungszeit auf dieselbe als ein besonderer Anlaß zur Selbstprüfung als Mahnung zur Selbsterkenntnis genannt werden. Es müssen in dieser wichtigen Zeit die Schwestern sich nochmals klar werden, ob das der Weg ist, den Gott sie führt und ob sie Gabe und Kraft in sich haben, diesen Weg zu beschreiten und dauernd demselben treu zu bleiben.

 Und ganz besonders ist die Beichte ein solch wichtiger Anlaß zur Selbstprüfung, wie gesagt, auch in ihrer unvollkommenen Gestalt. Es ist darum bedeutsam, wenn die Beichte am Tag vorher stattfindet, damit man noch besonders zur Selbstprüfung gemahnt und angeleitet werden kann. „Der Mensch prüfe sich selbst und also esse er von diesem Brote“ sagt das Wort Gottes. – Man soll sich prüfen nach dem Gesetz Gottes und da bleiben die 10 Gebote in ihrer festen klaren Bestimmtheit, wie in Stein gemeißelt, als das wichtigste Mittel der Selbstprüfung stehen. Nur hat man sie recht neutestamentlich evangelisch zu verstehen, nicht nach dem Buchstaben, sondern nach dem Geist. Auch ist zu bedenken, daß es Sünden gegen das Evangelium gibt. Es darf in Erinnerung gerufen werden, daß ein Gegenstand der Selbstprüfung stets sein muß, ob wir die große Gnade, die uns dadurch zuteil geworden ist, daß wir in unserer lutherischen Kirche, in diesem Berufe leben, auch allezeit uns zu nutz angewendet haben.

 Auch die allgemeine Beichte ist eine gute Anleitung zur Selbstprüfung.| Die Privatbeichte soll gewählt werden, wenn etwa eine einzelne bestimmte Sünde drückt. Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden – Luther weist in seiner Anleitung zur Beichte auch darauf hin – daß begangene einzelne Sünden gebeichtet werden sollten. Allerdings kann die Privatbeichte auch gewählt werden, wenn der sündige Zustand des Herzens uns sonderlich belastet. Es sei wiederum darauf hingewiesen, daß sogen. Zustandsbeichten, in denen man nur den allgemeinen sündigen Zustand beklagt, auch ihre Gefahr haben können, weil man da sich gewissermaßen in dieser Selbsterniedrigung gefällt und zu viel den sündigen Zustand beklagt, den wir doch nicht ändern können; denn wir bleiben unter dem schweren Bann, den der Apostel Römer 7 zum Ausdruck bringt: „von dem andern Gesetz in unsern Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in unserm Gemüte und uns gefangen nimmt in der Sünde Gesetz.“ Über diesen Zustand kommt auch der Christ nie hinaus und es handelt sich nur darum, trotzdem, ja eben deshalb sich zum Gnadenthron zu wenden. Es ist die Privatbeichte auch dann noch anzuraten, wenn man einmal mehr persönlich das Wort der Absolution haben möchte und das muß durchaus nicht immer im Zusammenhang mit dem Abendmahlsgang sein. Privatbeichte ist ohne Abendmahlsgang möglich und wird gerne erteilt. In diesem Fall, wenn es einem darum zu tun ist, persönlich die Absolution sich zugesprochen zu haben. kann man auch eine Formelbeichte anwenden; auch hierin soll und darf völlige Freiheit herrschen.

 In der Konkordienformel wird gesagt, daß zu dem besonders wichtigen Licht, welches in dieser Zeit der Reformation der Kirche aufgegangen sei, auch das gehört, daß man weiß, was Gesetz und Evangelium ist und daß man beides am rechten Ort anzuwenden weiß. In der Beichte hat das Gesetz seinen Platz, wenn man sich darnach prüft und fragt, aber man nimmt freilich dann auch seine Zuflucht zum teuern Evangelium. Wir haben vorhin gesagt: Ohne Glauben kann man nicht zu Jesu und ohne Buße nicht zum Glauben kommen und so wollen wir in der Kraft des heiligen Geistes uns den Segen erbitten, daß wir von neuem es erwählen auf Grund rechter Selbsterkenntnis den Weg treulich zu gehen, den Ap. Gesch. 20, 21 der Apostel als den von ihm bezeugten nennt: Buße zu Gott und Glaube an den Herrn JEsum Christum.





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