RE:Gigantensäulen
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Typ von Steindenkmälern mit Viergötterstein und reitendem Gott | |||
Band S IV (1924) S. 689–696 | |||
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Gigantensäulen, genauer Iuppitergigantensäulen, nennt man eine in den Rheinlanden und bis nach Gallien hinein zahlreich vorkommende Klasse von Steindenkmälern, welche unten einen sog. Viergötterstein, darüber vielfach einen Wochengötterstein als Übergang zu der Säule zeigen, über der Säule und ihrem Kapitell aber die Gruppe eines reitenden Gottes tragen, der mit geschwungener Waffe über einen meist am Boden sich windenden Giganten weggaloppiert.
Nachdem zuerst Hettner die Frage der GS. in der Westd. Ztschr. 1885 angeregt und Donner v. Richter gleichzeitig eines der hervorragendsten und am besten erhaltenen Denkmäler dieser Klasse besprochen hatte (Heddernheimer Ausgrabungen 1885), erschienen in der Westd. Ztschr. IX. X 1890f. die Zusammenstellungen und Besprechungen der Wochengöttersteine und der überaus zahlreichen Viergöttersteine von Haug mit ihren einzelnen Göttergestalten. Auch sonst entwickelte sich über diese interessanten Denkmälerklassen eine ausgiebige Literatur, über welche Riese in den ,Einzelforschungen über Kunst- und Altertumsgegenstände in Frankfurt a. M.‘ einen interessanten kritischen Bericht unter dem Titel ,Die Gigantensäulen, insbesondere die Säulen und Gigantengruppen und ihre Literatur‘ herausgegeben hat.
Die Viergöttersteine stellen sich ihrer äußeren Form nach im allgemeinen als Würfel dar, bei denen aber die Höhe meist die Breite und diese die Tiefe übertrifft. Die Zahl der bekannten Exemplare konnte damals auf 218 berechnet werden; die seitdem bekannt gewordenen hat Hertlein (Die Iuppitergigantensäulen 1910) auf 50 berechnet, darunter 4 von Kreuznach und 6 von Mainz. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich auf der rechten Rheinseite vom mittleren Neckar bis zum Taunus, auf der linken vom unteren Elsaß bis Luxemburg, aber auch ins mittlere und nördliche Frankreich hinein bis in die Bretagne. Daß unter den Götterfiguren trotz der ständigen Widmung I. O. M. gerade Iuppiter selbst selten erscheint, hat offenbar seinen Grund darin, daß er oben zu Pferd als Sieger über den Giganten abgebildet ist. Wenn andrerseits Iuppiter selbst hier und da im Gebiet der Mediomatriker, häufiger im Lande [690] der Treverer (Haug nr. 176ff.) auf den Viergöttersteinen erscheint, so ist hier wohl ein anderer Abschluß der Denkmäler anzunehmen als der mit dem Reiter und Giganten. Die auf den Viergöttersteinen am häufigsten abgebildeten Gottheiten sind Iuno, Minerva, Hercules, Mercur. Iuno erscheint hier meist als Opferfrau, in der Linken das Weihrauchkästchen (acerra), mit der Rechten auf ein Altärchen opfernd, Minerva wie gewöhnlich mit Helm, Lanze und Schild, Hercules mit Keule, Hesperidenäpfeln, Köcher und Löwenhaut, Mercur mit Heroldsstab, Beutel und Flügeln am Kopf. Anstatt dieser vier gewöhnlichen Gottheiten kommen aber auch andere vor, besonders Apollo, Mars, Vulcan, Victoria, Fortuna, seltener Diana, Venus, Silvan, nur ausnahmsweise Neptun. Im ganzen betrachtet ist die gesamte griechisch-römische Götterwelt vertreten.
Über dem viereckigen Hauptsockel erhebt sich öfters ein Zwischensockel, der den Übergang zu der darauf stehenden Säule bildet. Auch er ist mit Götterbildern geschmückt, die etwas kleiner, aber zahlreicher sind als die auf dem Hauptsockel. Meist sind es die Wochengötter, welche auf Grund des mosaischen Gesetzes mit seiner Sabbatordnung von der chaldäischen Astrologie in den letzten Jahrhunderten v. Chr. auch im Abendland Eingang gefunden hatten. Es waren die sieben sog. Planeten, deren Reihe nach der astrologischen Berechnung mit Saturn begann und mit Sol, Luna, Mars, Mercur, Iuppiter, Venus sich fortsetzten (Haug Wochengöttersteine, Westd. Ztsehr. IX 1890). So finden wir auf den Iuppiter-GS. abgebildet die entsprechenden Götter ganz in der Überlieferung der griechisch-römischen Kunst dargestellt, mit den entsprechenden Attributen, nur etwas kleiner und einfacher als die auf den Viergöttersteinen. Wegen der Schwierigkeit der Raumverteilung ist aber vielfach eine achte Göttergestalt beigefügt, eine Fortuna, ein Genius oder gar einmal ein Gigant, der mit aufgehobenen Armen die darüberstehende Säule zu tragen scheint, oder es sind sechs oder acht andere Gottheiten auf diesen Zwischensockeln dargestellt (Haug a. a. O. S. 47ff. E. Maaß Die Tagesgötter 171ff.).
Die zu diesen Denkmälern gehörenden Inschriften (vgl. Haug Westd. Ztschr. X 334ff.) sind in verschiedener Weise angebracht, hier und da auf einer besonderen Ara, neben dem Denkmal, meist aber auf diesem selbst. Sie gehören zu der fast unzählbaren Menge lateinischer Votivinschriften, die uns überliefert sind, bei denen man wohl fragen darf, ob sie wirklich auf einem Gelübde beruhen, wie der Wortlaut zu ergeben scheint, oder ob sie bloß ein üblich gewordener Ausdruck frommer Widmung sind. Sie sind auch an den GS. meist kurz, wie z. B. CIL XIII 6092[1] I. o. m. Mansuetus Natalis v. s. l. l. m. öfters beginnen sie, etwa seit a. 170 n. Chr., mit der Formel i(n) h(onorem) d(omus) d(ivinae), also einer Huldigung an das Kaiserhaus, und fügen dem I(ovi) o(ptimo) m(aximo), noch bei et Iunoni Reginae, einer echt italischen aber besonders in den Rheinlanden üblich gewordenen Bezeichnung. Es folgen die Namen [691] der Weihenden, bald einzelner Personen, bald ganzer Familien, z. B. CIL XIII nr. 7352, sogar der Bürger eines Stadtteils, der vicani salutares oder des vicus novus in Mainz nr. 6722f. Hier und da sind es auch die Würdenträger einer Gemeinde, so die Decurionen der civitas Taunensis oder ein Decumvir derselben Gemeinde (nr. 7265 und 7352), aber auch Krieger, wie ein Soldat des numerus Caddarensium (nr. 7268), ein Reiter der 22. Legion (nr. 7609) oder ein Soldat derselben Legion mit seiner Frau (nr. 6704). Die Namen der Weihenden sind teils gut römisch teils keltisch, aber romanisiert, nie entschieden germanisch. Zu beachten ist ferner die sechsmal vorkommende Formel in suo, womit eine Beziehung des Denkmals zu Haus und Hof des Dedikanten ausgesprochen ist. Den Schluß bildet die bekannte Formel v. s. l. l. m., die auf ein Gelübde hinweist, das nach Beseitigung einer Gefahr oder Erfüllung eines Wunsches gelöst wurde. Von Bedeutung sind die Zeitangaben mit den Consulnamen, im J. 170 unter Marc Aurel, im J. 204f. unter Septimius Severus, im J. 221 und 223 unter Severus Alexander, im J. 241–246 unter Gordian III. und Philippus, also fast alle in der trübsten Zeit der römischen Kaisergeschichte, als durch Schwäche der häufig wechselnden und von den Prätorianern abhängigen Kaiser die innere Ordnung und der äußere Bestand des römischen Reiches aufs schwerste erschüttert war.
Über dem Zwischensockel erhebt sich dann der meist mit Schuppen bekleidete Säulenschaft, der durch seine Höhe dem ganzen Denkmal eine größere Bedeutung verlieh, nach dem Vorbild der vor etlichen Jahren in Mainz entdeckten und jetzt wieder aufgerichteten Iuppitersäule aus der Zeit Neros. Diese trug aber oben ein eigentliches Standbild des Gottes und sollte deshalb nicht mit den GS. in Verbindung gebracht werden, wie dies Quilling in seinem Prachtwerk ,Die Iuppitersäule des Samus und Severus‘ (1918) getan hat.
Wie gewöhnlich fand der Säulenschaft seinen Abschluß in einem Kapitell, das schon in der hellenistischen Zeit (z. B. in Pompeii) und dann weiter in der Kaiserzeit mit vier Köpfen in der Mitte zwischen den Eckvoluten verziert wurde. Vgl. Espérandieu Recueil général, besonders I 493. IV 3944. V 3783 mit vier bärtigen Köpfen, IV 3334 mit vier Frauenköpfen. An den Iuppiter-GS. tritt am deutlichsten hervor ein verschleierter Frauenkopf, der als Nox gedeutet wird, aber auch als Hiems gefaßt werden könnte. Wenn die vier Köpfe überhaupt etwas Bestimmtes bedeuten sollen, so könnte man auch an die vier Jahreszeiten denken, die bei Espérandieu V 4428 ganz deutlich sind, oder an die vier Lebensalter. Jedenfalls haben sie nur ornamentale Bedeutung. Vgl. Maaß Die Tagesgötter 178. Körber Mainzer Ztschr. VII nr. 21 p. 117.
Über dem Kapitell erhebt sich aber dann auf einer viereckigen Platte die Gruppe eines Iuppiter mit Giganten, offenbar der Hauptteil der ganzen Denkmälerklasse; welchen zuerst Hertlein in seinem Buche ,Die Iuppitergigantensäulen‘ (1910) eingehender behandelt [692] hat, natürlich auch mit Rücksicht auf die andern Teile der einschlägigen Denkmäler. Wenn er aber auch über alle diese Teile viel Material beigebracht, viel Scharfsinn gezeigt und manche Einzelheiten klargestellt hat, so müssen wir doch seine Resultate über die eigentliche Bedeutung der Hauptgruppe und damit der ganzen Denkmälerklasse für völlig verfehlt halten, weil er den Giganten durchweg als Bundesgenossen Iuppiters erklären will. Dieser Irrtum hängt damit zusammen, daß die Künstler oder Steinmetzen zwei einander widersprechende Aufgaben zu lösen hatten, nämlich technisch den Giganten als Stütze für Iuppiters galoppierendes Roß zu verwenden, ideell aber als Feind des Gottes darzustellen. Wie schwierig die Vereinigung dieser Gegensätze war, zeigt sich daran, daß bei einer Anzahl von über 100 Exemplaren keine Darstellung der andern gleich oder ganz ähnlich ist. Der Gigant ist teils nach vorn, teils rückwärts gewendet, bald aufgerichtet, bald liegend oder hockend dargestellt; die Hufe des Rosses sind auf die Hände, die Schultern, die Keulen, ja auf den Kopf oder Rücken des Giganten gestellt. Einmal kommen auch zwei Giganten vor, ob aber auch weibliche, scheint zweifelhaft.
Einheitlicher ist die Darstellung Iuppiters als Reiter. Er trägt im ganzen das Kostüm eines römischen Feldherrn; an seiner linken Seite hängt das Schwert, und die linke Hand hält die Zügel, die erhobene rechte Hand aber schwingt die Waffe, welche leider meistens nicht erhalten, aber einmal jedenfalls als Blitzstrahl zu erkennen ist. Eigentümlich ist vereinzelt das Rad am linken Arm, immer aber hält die linke Hand die Zügel. Die Kleidung entspricht der eines römischen Feldherrn, auf dem Kopf aber scheinen hie und da Spuren eines Kranzes erkennbar zu sein. Mancher dieser Züge entspricht nicht der gewöhnlichen Charakterisierung Iuppiters, wie überhaupt seine Darstellung als Reiter. Diese erklärt sich aus der Anpassung an die Kaisermünzen einer- und die Iuppitergemmen andrerseits. Auf den letzteren erscheint Iuppiter auf dem Wagen stehend, wie z. B. auf der bekannten viel nachgeahmten Gemme des Athenion (abgeb. z. B. bei K. O. Müller Denkmäler, in Lübkers Reallexikon, in Baumeisters Denkmälern). Hier steht Zeus auf dem Wagen, in der Rechten den Blitzstrahl, in der Linken das Scepter, und seine galoppierenden Rosse überspringen zwei am Boden sich windende Giganten. Ganz ähnlich erscheint Iuppiter auf römischen Kaisermünzen als Sieger über Giganten (vgl. Haug Westd. Ztschr. X 333), so auf Münzen des Antonin, des Commodus, des Septimius Severus, also gerade in der Zeit unserer Iuppiter-GS. Diese erhielten in solcher Weise einen wirkungsvollen Abschluß, und die Weiheinschrift auf einem der unteren Teile, Iovi optimo maximo, war gerechtfertigt.
Zwei Exemplare, auf denen Hertleins Ansicht von einer Bundesgenossenschaft des Reiters und des Giganten eine Stütze finden könnte, versagen bei genauerer Betrachtung. Der Gigant im Mannheimer Antiquarium, der nach Hertleins ganz richtiger Beschreibung ,auf dem Gesäß hockt und seine Schlangenfüße nach vorn [693] mit andächtiger Beschaulichkeit ineinander faltet und auch seine Arme übereinander schlägt‘, ist ohne Bezeichnung seiner Herkunft um 1830 ins Mannheimer Antiquarium gekommen (vgl. Mannheimer Gesch.-Blätter 1919, 89) und ohne Zweifel eine Arbeit des berüchtigten Fälschers Mich. Kaufmann in Rheinzabern, der nach Zangemeister (CIL III p. 192)[2] um diese Zeit seine Machwerke weithin verschickte. Der ,Ehranger Bauernreiter‘ rührt nach Hettner (Römische Steindenkmäler in Trier nr. 31) wahrscheinlich von einer ungeschickten Renovation her. Der reitende Iuppiter von Grand (Lothringen) aber gehört nicht zu unserer Denkmälerklasse, weil dort das Pferd Iuppiters nicht von einem Giganten, sondern von einem friedlichen und freundlichen Genius getragen wird (vgl. Riese 16). Die wirkungsvollste Darstellung des feindlichen Verhältnisses der Giganten zu den Göttern, besonders zu Iuppiter, bieten uns bekanntlich die pergamenischen Reliefs, auf denen Zeus und Athene in erbittertem Kampf gegen die Giganten dargestellt sind. So hoch diese auch in künstlerischer Hinsicht über unsern rheinischen Iuppiter-GS. stehen mögen, so haben sie doch die allgemeine Tendenz mit ihnen gemeinsam, den Kampf der höheren Kultur gegen eine niedere Bildungsstufe darzustellen. Auf einen solchen beziehen sich auch unsere rheinischen Denkmäler; in Kleinasien war es der Kampf griechischer Kultur gegen die eindringende Gewalt der Kelten, am Rhein der Kampf römischer Kultur gegen die Wucht der sich wiederholenden Einfälle der Germanen in der Mitte der Kaiserzeit. Dieselben sind zusammengestellt von Riese Das römische Germanien in der antiken Literatur (1892, 175ff.) und kurz besprochen in Köpps Buch ,Die Römer in Deutschland‘ 83f. Zuerst der Einfall der Germanen in Italien unter Marc Aurel, dann im J. 190 unter Commodus die Zurückweisung der in Gallien eingedrungenen gentes transrhenanae, ferner unter Septimius Severus die Zurückhaltung der Germanen am Rhein innerhalb ihrer Grenzen. Unter Caracalla treten zum erstenmal die Alemannen hervor, die am Main ,besiegt‘, aber dann auch mit Geld bestochen wurden und zum Teil sogar in die kaiserliche Leibwache Aufnahme fanden.
Unter Alexander Severus brachen Germanen über Rhein und Donau ins Reich ein und suchten Gallien mit Plünderungen und Verheerungen heim. Auch unter ihm und seinen Nachfolgern Maximinus Thrax und Gordian tritt die Zwiespältigkeit der Germanen immer aufs neue hervor, einerseits ihre Neigung zur Plünderung und Verheerung auf den Gebieten der Gallier und der Römer, andrerseits ihre Neigung gegen gute Bezahlung in römische Dienste zu treten. Unter Gallienus kamen die plündernden Alemannen und Franken sogar bis nach Spanien, wo sie Tarraco eroberten, während andere Scharen nach Italien zogen und bis Ravenna vordrangen.
Diese ganz allgemein gehaltenen Berichte sind doch von großer Bedeutung für die Erklärung der vorliegenden Fundtatsachen. Fürs erste erklärt sich daraus nicht nur die große Verbreitung der in ganz Frankreich zerstreut vorgefundenen Viergöttersteine (Haug Westd. Ztschr. [694] X 150ff.), sondern auch die ebenso weit, ja bis in die Bretagne reichenden Iuppitergigantengruppen (z. B. Espérandieu 2999. 3036ff. 3227). Ferner aber hängt damit auch zusammen die außerordentliche Verschiedenheit in der Gestaltung des Giganten und seines Verhältnisses zu Iuppiter, von der gewaltsamen Tötung des Giganten bis zu freundlicher Ergebung in sein Schicksal. Zwei ganz schlagende Belege hierfür sind gerade in neuerer Zeit bekannt geworden. Das Äußerste in gewaltsamer Tötung des Giganten zeigt ein von Körber (Mainzer Ztschr. VI 158ff. nr. 52) mit Abbildung veröffentlichtes Exemplar, wo der Gigant, offenbar gewaltsam niedergeworfen und sein Kopf über den Nacken zurückgebogen ist, andrerseits dagegen ein Pforzheimer Fund (von Wagner Fundstätten und Funde in Baden II 144 ebenfalls mit Abbildung wiedergegeben), wo der Gigant keine Spur von Kampf oder Gegenwehr zeigt, sondern mit den Händen gemütlich die auf ihnen ruhenden Hufe der gleichmäßig über seine Schultern herunterragenden Vorderbeine des Pferdes trägt. Für diese Gegensätze gibt es wohl keine andere Erklärung, als die, daß das Verhalten der in das römische Gebiet eingebrochenen Germanen zu den Bewohnern desselben ein ganz verschiedenes war oder wurde, wie das auch aus den mitgeteilten Berichten der Schriftsteller sich ergibt. Die beiden Extreme waren blutiger Kampf auf Tod und Leben, andrerseits gütliche Verständigung bis zur Annahme als Knecht oder Teilhaber. Beide sind abgebildet in dem Bilderatlas Germania Romana Taf. 61, 7 und 65, 1.
Dieselbe Verschiedenheit, ja Gegensätzlichkeit zeigt sich auch sonst bei der Verwendung der Giganten in der antiken bildenden Kunst. Neben Athene-Minerva erscheint öfter ein kleiner Gigant als Schildträger. Ganz ähnlich steht auf einem Viergötterstein aus Mainz (Haug nr. 126. Körber Mainzer Ztschr. VIII/IX mit Abb. Taf. 4, c) neben einem Gott (wahrscheinlich Iuppiter) ein kleiner Gigant. Weitere Beispiele hat Hertlein in verdienstlicher Weise gesammelt und im Röm.-germ. Korr.-Bl. 1917, 117ff. mit kleinen Abbildungen veröffentlicht. Besonders dienen die Giganten als Telamonen (Tragfiguren, vgl. Maaß Die Tagesgötter 202. Curtius Ges. Abh. II 273ff.), ja sogar nur dekorativ zum Halten von Inschriften oder Reliefbildern; wie z. B. Körber Mainzer Ztschr. I 93 (vom J. 217). Haug Viergöttersteine nr. 59 (vom J. 239).
Mit einem total und in jeder Beziehung verschiedenen Denkmal hat aber Hertlein 70ff. die bisher besprochenen Iuppiter-GS. in Verbindung bringen wollen, nämlich mit der Irminsul der Sachsen, welche uns nur ungefähr 500 Jahre später bekannt ist. Eine genauere Besprechung derselben von Haug s. Röm.-germ. Korr.-Bl. II (1918) 68ff. Wir hören von einer Irminsul erst bei ihrer Zerstörung durch Karl d. Gr. im J. 773 in seinem national-religiösen Kampf gegen die Sachsen; sie erscheint in den Chroniken als das religiös-politische Zentrum des Stammes, durch dessen gründliche Zerstörung sein Widerstand gebrochen werden sollte. Es war ein uralt ehrwürdiger, vielleicht schon längst abgestorbener [695] Baumstamm, zu vergleichen mit der Donarseiche der Chatten, den um dieselbe Zeit Bonifatius fällte und so die Bekehrung des Chattenvolks bewirkte. Was aber die Bedeutung des Wortes Irmin betrifft, so hat Hertlein Aufklärung darüber nur bei den mittelalterlichen Mönchen gesucht, so bei Rudolf, der Irminsul erklärt universalis columna quasi sustinens omnia (um 865 n. Chr.), und bei Widukind von Corvey (um 870), der in einer sehr unklaren und falschen, von Hertlein ganz anders als von Pertz erklärten Stelle Irmin mit dem griechischen Hermes und dem römischen Mars identifiziert (Hirmin vel Hermin graece Mars dicitur, quo vocabulo ad laudem vel vituperationem usque hodie etiam ignorantes utimur). Hätte Hertlein statt an solche trüben Quellen mittelalterlicher Unwissenheit vielmehr an die überaus reiche Sammlung von Förstermann (Altdeutsches Namenbuch I 2) sich gehalten, so hätte er da gelernt, daß Ermin oder Irmin, auch mit H anlautend, mit a oder u statt des zweiten i, ein sehr viel gebrauchter Personenname ist, der auch als Gottes- oder Stammesname erscheint, ferner adverbial als Verstärkung eines folgenden Adjektivs, und etwa die Bedeutung von ,stark, mächtig‘ hat. Ich verweise hier nur kurz auf die Namen Ermin, Irmin, Hermin, Hermiones, Hermunduri, Ermanerich, Irminfried, Irmengard usw., Namen, bei denen wir nur an ein lobendes Eigenschaftswort denken können, aber keineswegs an den Sinn von ,Welt‘ oder ,allgemein‘ (universalis). Genaueres findet sich in der angeführten Abhandlung, welche freilich den Germanisten anscheinend nicht willkommen war, aber von niemand zu widerlegen versucht wurde; vgl. Solmsen-Fränkel Indogerm. Eigennamen (Heidelb. 1922) 10. Erst neuestens in dem XII. Bericht der Röm.-germ. Kommission (1920/1921) sagt sich Koepp von der Hertleinschen Erklärung los, soweit diese die Irminsul zur maßgebenden Entscheidung der Frage heranziehe, wenn er auch meint, daß zur Erklärung der Iuppiter-Gigantengruppe keltische oder germanische Vorstellungen herangezogen werden müßten. – Betreffend der genauen Erklärung der ,Weltsäule‘ oder ,Weltssäule‘ (wie Hertlein mit unerlaubter Amphibolie sagt), sollen die vier Götter des Untersockels nach ihm die Götter der Jahreszeiten sein, indem Iuno den Frühling, Mercur den Sommer, Hercules den Herbst, Minerva den Winter bedeute, allein das ist erstens keineswegs einleuchtend und stimmt zweitens nicht zu der Angabe des Tacitus, daß die Germanen nur drei (in Wirklichkeit wohl zwei) Jahreszeiten hatten. Eher paßt zu Hertleins Erklärung das Mittelstück mit den Wochengöttern und allenfalls auch das Kapitell mit den Tageszeiten. Für die obere Gruppe erfindet Hertlein die Erklärung, der Reiter sei Ziu und der Gigant ein Erdgeist. So will er diese Denkmäler, welche in ihrem ganzen Aufbau und mit ihren lateinischen Inschriften römischen Charakter an sich tragen und mit der Irminsul auch gar nichts gemeinsam haben, in die Sphäre altgermanischer Vorstellungen und Formen hineinziehen, während doch die Einwohner der betreffenden Gegenden, ob von germanischer oder [696] keltischer oder römischer Abstammung, offenbar dem Gebiet römischer Kultur angehörten.
Nachträge und Berichtigungen
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