RE:Licinius 63

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Crassus, Publius?. Sohn des Triumvirs M. Crassus Nr. 68, 53 v. Chr.
Band XIII,1 (1926) S. 291294
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63) P. Licinius Crassus war der jüngere Sohn des Triumvirs M. Crassus Nr. 68. Zur Bestimmung seiner Geburtszeit ist einerseits die Tatsache zu verwerten, daß der Vater schon eine Weile vor 667 = 87 geheiratet hatte und 669 = 85 durch die Flucht nach Spanien für längere Zeit von seiner Frau getrennt wurde, anderseits der Umstand, daß Cicero Brut. 280 die Behandlung des gegen 670 = 84 geborenen C. Scribonius Curio (Bd. IIA S. 868B.) und des 672 = 82 geborenen C. Licinius Calvus Nr. 113 beginnt und 281f. unterbricht (vgl. 283 Anf.), um zwischen beiden diesen P. Crassus einzuschieben, der ihnen also im Alter nahegestanden haben muß. Wenn demnach Crassus um 668 = 86 geboren ist, so war er gerade in dem rechten Alter, um im ersten Consulat seines Vaters 684 = 70 die Männertoga zu empfangen, um sich an den eben damals im Verresprozesse seinen Ruhm begründenden Cicero zur höheren Ausbildung anzuschließen und um im Seeräuber- und Mithridatischen Kriege unter Pompeius seine militärische Lehrzeit durchzumachen. Cicero betont wiederholt, daß Crassus von früher Jugend an ihm herzlich ergeben gewesen sei (ad Q. fr. II 7, 2 Anf. 699 = 55: P. Crassus adulescens nostri, ut scis, studiosissimus; fam. V 8, 4 an den Vater Crassus Anf. 700 = 54: me, quamquam a pueritia sua semper, tamen hoc tempore maxime sicut alterum parentem et observat et diligit; nach dem Tode des Crassus Brut. 281; cum initio aetatis ad amicitiam se meam contulisset cet.; fam. XIII 16, 1 an Caesar 709 = 45: P. Crassum ex omni nobililate adulescentem dilexi plurimum et ex eo cum ab ineunte eius aetate bene speravissem, cet.); mit Recht sagt daher Plut. Crass. 13, 5: ὁ γὰρ Πούπλιος ὣν φιλόλογος καὶ φιλομαθὴς ἐξήρτητο τοῦ Κικέρωνος; und Cic. 33, 8: Ποπλίῳ ...... ζηλώτἡ τοῦ Κικέρωνος ὄντι. Die öffentliche Bekundung dieser Hinneigung zu Cicero bezeichnet das erste Hervortreten des jungen Mannes: Er war es, der im März 696 = 58 nach der Bedrohung Ciceros durch den Gesetzantrag des Clodius der adligen Jugend das Zeichen gab, für jenen Trauer anzulegen, und ihr darin voranging (Plut. Crass. 13, 5; vgl. Cic. 31, 1); er wendete auch weiterhin alle Mühe auf, um seinen Vater zugunsten von Ciceros Rückkehr aus dem Exil zu beeinflussen, bis er es erreichte (s. u. Plut. Crass. 13, 5; Cic. 33, 8. Dio XXXVIII 17, 3). Er selbst folgte noch im Frühjahr 696 = 58 dem Caesar nach Gallien und diente unter ihm in diesem ersten Jahre als Praefectus equitum (P. Crassus adulescens, qui equitatui praeerat Caes. bell. Gall. I 52, 7; vgl. adulescens III 7, 2; adulescentulus III 21, 1), im zweiten als Legatus τῷ Καίσαρι ὑπεστρατήγει Dio XXXIX 31, 2; vgl. Groebe bei Drumann G. R.² III 699) an der Spitze der siebenten Legion (Caes. II 34. III 7, 2) und im dritten an der eines größeren Armeekorps. Bereits in der Schlacht gegen Ariovist führte er durch den rechtzeitigen Befehl zum Einsetzen der Reserve die entscheidende Wendung herbei (Caes. I 52, 7). 697 = 57 brachte er die Küstenstämme [292] des Nordwestens in der Normandie und Bretagne zur Anerkennung der römischen Herrschaft (Caes. II 34) und bezog die Winterquartiere im Gebiet der Anden, beim jetzigen Angers (Caes. III 7, 2, vgl. Jullian Hist. de la Gaule III 274f.). Falls er der P. Crassus ist, der nach Strab. III 176 die Kassiteriden besuchte, und falls diese in den Kanalinseln zu sehen sind (vgl. Haverfield o. Bd. X S. 2331, 24ff. und I Nr. 61), so müßte die Fahrt in diese Zeit fallen. Seine Forderung von Getreidelieferungen bewog die eben unterworfenen Völkerschaften, ihm den Gehorsam wieder aufzukündigen und sich seiner Kriegskommissare als Geiseln zu versichern (Caes. III 7, 2-9, 1; daraus Oros. VI 8, 7-9). Caesar übernahm es im dritten Feldzug 698 = 56 persönlich, die Abgefallenen mit Waffengewalt endgültig zu unterwerfen, und übertrug dafür dem Crassus eine größere selbständige Aufgabe, die Unterwerfung Aquitaniens. Crassus erhielt zwölf Legionscohorten und eine zahlreiche Reiterei (Caes. III 11, 3) und bot dazu starke Hilfstruppen und kriegserprobte Freiwillige aus den an Aquitanien grenzenden Teilen der Narbonensis auf (ebd. 20, 2). Er fiel von Norden über die Garonne in das Gebiet der Sotiates ein, schlug sie in einer großen Feldschlacht und zwang ihre Hauptstadt zur Kapitulation, der auch ihr König Adietuanus nach anfänglichem Widerstreben beitrat (ebd. 20, 1-22, 4; daraus Oros. VI 8, 19f. Dio XXXIX 46, 1f., auch Nicol. Damasc. frg. 89 [FHG III 418] bei Athen. VI 249A). Die übrigen aquitanischen Stämme vereinigten sich zu gemeinsamer Abwehr und erhielten beträchtlichen Zuzug von ihren Nachbarn jenseits der Pyrenäen, darunter tüchtige Krieger aus der Schule des Q. Sertorius; sie waren dem Heere des Crassus an Zahl weit überlegen, erschwerten ihm die Verpflegung und wichen einer Schlacht geflissentlich aus, so daß er sich zuletzt zum Sturmangriff auf ihr Lager entschloß. Während des Kampfes gelang es einem Teil seiner Truppen, auf Umwegen an eine schwach befestigte und schlecht bewachte Stelle heranzukommen und einzudringen; der Sieg war vollkommen und zog die Unterwerfung fast ganz Aquitaniens nach sich (Caes. 23, 1-27, 2; daraus Oros. 21f. Dio 3f.; vgl. Hirt. bell. Gall. VIII 46, 1. Liv. ep. CIV E.). Leider läßt der von Caesar aufgenommene Feldzugsbericht ,in topographischer Hinsicht die Präzision und Deutlichkeit sehr vermissen, die wir an ihm, wo er seine eigenen Taten erzahlt, zu bewundern gewohnt sind‘ (Hirschfeld Kl. Schr. 212: vgl. zur Erläuterung ebd. 223. 232f. Jullian a. O. 303-311). Im folgenden Winter kehrte Crassus mit kriegerischen Auszeichnungen (Plut. Crass. 17, 4) nach Rom zurück; er brachte zahlreiche beurlaubte Soldaten hierher, die bei den bis in den Anfang von 699 = 55 verschleppten Wahlen für seinen Vater und Pompeius stimmen sollten (Dio XXXIX 31, 2; vgl. Plut. Crass. 14, 7; Pomp. 51, 3). Im Februar vermittelte er dann eine Zusammenkunft und Aussöhnung seines Vaters mit Cicero (Cic. ad Q. fr. II 7, 2; vgl. Plut. Crass. 13, 5; Cic. 33, 8). Für ihn selbst bezeichnet dieses Jahr, etwa das dreißigste seines Lebens, den Zeitpunkt seiner Vermählung und seines Eintritts in die öffentliche Laufbahn. [293] Er heiratete Cornelia, die Tochter des Q. Metellus Scipio und Urenkelin des L. Crassus Nr. 55, die nach ihrem hohen Adel und ihren persönlichen Eigenschaften die würdige Gattin für den Sohn eines der drei Gebieter Roms war (Plut. Pomp. 55, 1. 74, 3. Appian. bell. civ. II 350. Lucan. II 90ff. o. Bd. IV S. 1596f.; vgl. Röm. Adelsparteien 317). Er wurde in das vornehme Kollegium der Auguren aufgenommen vermutlich an Stelle seines kurz vorher gestorbenen berühmten Geschlechtsgenossen L. Lucullus Nr. 104 (Plut. Cic. 36, 1; vgl. Bardt Priester der vier großen Kollegien 25). Er war Münzmeister und erwies vielleicht durch die Darstellung auf seinen mit P. Crassus M. f. gezeichneten Denaren den beiden Bundesgenossen seines Vaters eine Aufmerksamkeit: Die Venus der Vs. ist Caesars Schutzgöttin, die Rittermusterung vor dem Censor vielleicht ein Hinweis auf die berühmte Szene aus dem ersten Consulat des Vaters und des Pompeius, deren Held Pompeius war (Plut. Pomp. 22, 3 u. a. Sonstige Deutungen Mommsen Röm. Münzw. 640f. nr. 288. Babelon Monn. de la rép. rom. II 133f. Grueber Coins of the Roman rep. I 487f.). Nachdem sein Vater gegen Ende des Jahres in die Provinz abgegangen war, blieb er in Rom und in dessen Interesse tätig, wie der Brief Ciceros an den Triumvir vom Januar 700 = 54 zeigt (fam. V 8, 2. 4). Erst bei Beginn des Winters folgte er dem Vater nach Syrien und führte ihm 1000 erlesene gallische Reiter zu (Plut. Crass. 17, 7. 25, 2). Daß er in Hierapolis Bambyke beim Verlassen des Heiligtums ausglitt und dann auch seinen Vater zum Falle brachte, wurde als schlimmes Vorzeichen gedeutet (ebd. 17, 10). Auf dem Feldzuge von 701 = 53 (vgl. darüber Nr. 68) befehligte er an dem verhängnisvollen 9. Juni bei Karrhae den rechten Flügel; durch das scheinbare Zurückweichen der Parther wurde er von dem Hauptheere hinweggezogen und mit 1300 Reitern, darunter seinen gallischen, 500 Leichtbewaffneten und acht Cohorten durch die feindliche Übermacht völlig abgeschnitten; nach tapferster Gegenwehr wurde das ganze Korps von den feindlichen Geschossen vernichtet; der Führer selbst verschmähte die Rettung durch die Flucht und ließ sich, da er außer anderen Wunden auch einen Schuß durch die Hand bekommen hatte, von seinem Waffenträger den Tod geben; seinen abgeschlagenen Kopf steckten die Feinde auf einen Speer und zeigten ihn höhnisch dem unglücklichen Vater (Hauptbericht Plut. Crass. 23, 4. 6. 25, 1-26, 9. 27, 3. Kürzere Erzählungen und Erwähnungen Cic. Brut. 282; div. II 22; fam. XIII 16, 2. Liv. ep. CVI. Flor. I 46, 10. Eutrop. VI 18, 1. Oros. VI 13, 3. Iustin. XLII 4, 4. Val. Max. I 6, 11. Hieron. zu Euseb. chron. II 137f Schöne. Propert. II 10, 14. III 4, 9. Ovid. ars am. I 179; fasti V 583. VI 461. Sidon. Apollinar. carm. VII 100. IX 251. Plut. Pomp. 55, 1. 74, 3. Appian. bell. civ. II 66. Dio XL 21, 2f. XLI 55, 5). Die Witwe des Crassus heiratete nach seinem Tode Pompeius; seinen Platz im Augurenkollegium erhielt Cicero (Plut. Cic. 36, 1); sein gelehrter Freigelassener Apollonios (Nr. 34) fand zunächst bei diesem in Kilikien Aufnahme (fam. XIII 16, 2). Crassus war ausgezeichnet [294] durch geistige Begabung und feine Bildung, durch kühnen Mut und strategisches Geschick, durch einen edlen Sinn und dazu durch die äußeren Vorzüge der Geburt und des Reichtums; er ging einer glänzenden Zukunft entgegen, und sein Ende hat einen romantischen Schimmer über ihn ausgegossen (vgl. bei Plut. Crass. 25, 13 seine eigene Äußerung, 26, 4 die Worte der Parther, 26, 7 die Klage des Vaters). Diesem Eindruck hat sich Livius nicht entzogen (vgl. Val. Max. I 6, 11: optimae indolis. Eutrop. VI 18, 1: clarissimus et praestantissimus iuvenis. Oros. VI 13, 3: lectissimus iuvenis); dagegen hat Cicero in seiner zusammenfassenden Beurteilung des jungen Freundes und Verehrers (Brut. 281f.; andere Äußerungen s. o.) bei aller Anerkennung seiner geistigen Vorzüge doch so unfreundlich und ungerecht von dem Toten gesprochen, daß man dieses befremdende Versagen seines sonstigen Herzenstaktes wohl nur mit O. Jahn (z. d. St.) dadurch erklären kann, er habe hier im Grunde auf Caesar gezielt.