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ADB:Hoë von Hoënegg, Matthias

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Artikel „Hoë von Hoënegg, Matthias“ von Adolf Brecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 541–549, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ho%C3%AB_von_Ho%C3%ABnegg,_Matthias&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:28 Uhr UTC)
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Hoë: Matthias H. von Hoënegg, Theolog, war der jüngste von drei Söhnen des Dr. jur. Leonh. H., der aus Franken gebürtig, nach Wien gekommen und dort allmählich von der Advokatur zur Professur und dem Decanat in der juristischen Facultät emporgestiegen, endlich, trotzdem er Protestant war, vom Kaiser Rudolf II. 1592 mit dem Zusatze von Hoënegg geadelt, 1596 zum wirklichen Reichshofrath ernannt und am 4. März 1599 gestorben war. Seine Mutter war Helena v. Wollzogen, des niederösterreichischen Hofkammerraths v. W. Tochter. – Matthias v. H. war 1580 zu Wien geboren. Zarter Gesundheit und schwächlichen Körpers, begann er erst im 7. Jahre den Unterricht in der Dom- und Kathedralschule von St. Stephan in Wien, entwickelte sich aber bei seinen guten Anlagen und seiner leichten Fassungskraft später um so schneller. Mit dem 14. Jahre ward er auf das Gymnasium nach Steyer in Oesterreich geschickt, wo damals der österreichische Adel mit Vorliebe seine Söhne erziehen ließ. War er hierdurch den Werbungen der Katholiken um seinen Uebertritt entgangen, so gerieth er nun in den Kampf zwischen seinem flacianischen Hauslehrer und einem calvinistischen Lehrer, dessen Ausgang seinen gut lutherischen Vater bis zum Abgange seines Sohnes zur Universität ängstigte. Dieser scheint 1597 erfolgt zu sein. Vorerst hörte H. Vorlesungen in Wien; dann entschieden sich seine Eltern, da sie seine besondere Hinneigung zur Theologie erkannten, ihn nach dem Hort der evangelischen Kirche und des reinen Lutherthums, nach Wittenberg, zu senden. Von dem sächsischen Gesandten in Wien bestens empfohlen, langte er am 15. Juli 1597 in Wittenberg an und wurde am folgenden Tage immatriculirt. Man nahm sich seiner in den Professorenkreisen, wie H. selbst rühmt, freundlich an und der ausgezeichnete Fleiß, mit dem er zuerst Philosophie, dann Theologie und Jurisprudenz gleichmäßig hörte, ließ von ihm in jeder dieser Wissenschaften das Beste erwarten. Aber er blieb der Theologie treu. 1601 zur Licentiatur zugelassen, hielt er Vorlesungen und predigte fleißig. Von dem Kurfürsten Christian II., dem er sich bei dessen Thronbesteigung am Septbr. 1601 durch eine Gratulationsschrift empfohlen hatte, wurde er nach abgelegtem theologischem Examen als dritter Hofprediger am 24. Febr. 1602 nach Dresden berufen. Trotz seiner kurzen Amtsführung wußte er sich die Gunst des Kurfürsten, wie des Hofes in dem Maße zu erwerben, daß er seine älteren Amtsbrüder Polykarp Leyser und Blate auszustechen drohte. Zum Glück für beide bot die Vacanz der Superintendentur in Plauen die Möglichkeit, den gefährlichen Rivalen dorthin zu entfernen. Am 1. Januar 1604 begann er sein neues Amt und am 6. März d. J. wurde er zum Doctor der Theologie durch Leonh. Hutter in Wittenberg promovirt. Der Kurfürst hatte ihn mit 200 Gulden bei den Ausgaben hierfür unterstützt, wie er ihm auch während seines Dresdener Aufenthaltes in freigebigster Weise durch Geld- und andere Geschenke seine Gunst zu erkennen gegeben hatte. – Hoë’s Wirksamkeit in Plauen scheint eine gesegnete gewesen zu sein. Er besaß die Fähigkeit, [542] die Menschen für sich einzunehmen. Bei der Plauener Bürgerschaft gelang ihm dies um so leichter, je mehr er sich in schweren Zeiten der Noth thatsächlich um seine Gemeinde verdient gemacht und zugleich eine Menge von vortheilhaften Berufungen ihr zu Liebe abgelehnt hatte. Den Ruf der deutschen evangelischen Gemeinde zu Prag jedoch glaubte er annehmen zu müssen, weil höhere politische Gesichtspunkte dabei zur Geltung kamen. Im Mai 1611 trat er sein neues Amt an. Er übernahm damit die Leitung des gesammten Kirchen- und Schulwesens jener Gemeinde als „Director“ vorläufig auf unbestimmte Zeit, da er vom Kurfürsten gewissermaßen nur beurlaubt war. Die neue Lage, in welche er jetzt eintrat, war nach jeder Seite schwierig. Hatte er geglaubt, dem Lutherthum in Böhmen zu größerer Ausbreitung verhelfen zu können, so hatte er sich geirrt. Die große Masse der böhmischen Evangelischen blieb dem Calvinismus geneigter als jenem. Graf Andreas Schlick, auf den sich die deutsche Gemeinde vorzüglich stützte, war mit der Brüder-Unität zerfallen und entbehrte so des Einflusses auf das Gros seiner Landsleute. Es scheint als ob man auf der Seite derselben überhaupt die lutherischen Bestrebungen als fremde und ausländische Angelegenheiten angesehen habe. Es konnte diese Meinung nur stärken, wenn man z. B. bei der Grundsteinlegung zur neuen deutschen Salvatorkirche in der Altstadt Prag am 27. Juni 1611 den kursächsischen Gesandtschaftssecretär Dr. Seuß die Feierlichkeit leiten und den „Sachsen“ H. die Predigt halten sah. Dazu kam, daß H. in seinen Predigten dem Haß gegen alles Calvinische mehr als gut war, die Zügel schießen ließ und sowol Kanzelfehden als sich selbst persönliche Verfeindungen hervorrief. Man stellte ihm nach und beschimpfte ihn noch am letzten Tage seines Aufenthaltes durch ein boshaftes Pasquill, welches am Galgen der Prager Altstadt angeschlagen gefunden wurde. Der Ruf des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, der ihn zum obersten Hofprediger ernannte (22. Januar 1613), konnte ihm daher nur höchst willkommen sein, weil er ihn zur rechten Zeit auf ehrenvolle Weise aus einer mehr als unerquicklichen Situation befreite.

Erst mit dem Eintritt in dieses neu gegründete Amt wurden ihm aber auch die Mittel geboten, die mannigfaltigen Seiten seines Charakters zu offenbaren und die Stellung zu gewinnen, welche ihm einen Platz in der Geschichte seiner Zeit gewährt hat.

Der Schwerpunkt des geistigen und geistlichen Lebens in Deutschland lag damals in den Höfen und in denjenigen Personen, welche diese zu beherrschen verstanden. Diese waren die Günstlinge und die Beichtväter und Hofprediger. Indem H. die vornehmste geistliche Stelle des Landes übernahm, behielt er durch seinen Einfluß auf den Kurfürsten eine – man darf sagen – entscheidende Stimme in den theologischen und kirchlichen, oft auch in den politischen und diplomatischen Angelegenheiten, um so mehr, als diese nicht selten mit jenen Hand in Hand gingen oder durch sie geradezu bestimmt wurden. In dieser Beziehung ist das Urtheil daher nicht ganz ohne Berechtigung, daß die Geschicke dieser Zeit „in den Händen zweier fürstlichen Beichtväter gelegen hätten, wovon H. der eine, der andere Lämmermann, Beichtvater Ferdinands I.[WS 1] gewesen sei. (Tholuck, Herzogs Realencyklopädie, Bd. VI. S. 165.) So nennt auch das gleichzeitige Volkslied: „Dieses laß’ mir drei stolze Pfaffen sein“, als Vertreter der Lutheraner „Herrn Matz“ d. i. Matthias v. H. neben „Job“ dem Katholiken und „Vater Abraham“ (Scultetus) dem Calvinisten (vgl. Opel und Cohn, Der 30jährige Krieg, Halle 1862, S. 104 ff. u. S. 179 ff.).

Mit seinem Amtsantritt begann H. sofort, wie ein auf ihn gekommenes Erbtheil seiner Vorgänger seine polemisch-litterarische Thätigkeit. Die Spannung zwischen Lutheranern und Calvinisten, welche in den letzten 50 Jahren in immer [543] fühlbarerer Weise zugenommen hatte, war auf ihrem Höhepunkt angelangt. Seitdem auch Kurbrandenburg und Liegnitz das lutherische Bekenntniß verlassen hatten, erschien die Gefahr, allmählich dem Calvinismus zu erliegen, in Dresden, dem staatlichen Hort des Lutherthums, so groß, daß man daselbst sogar ein Zusammengehen mit den Katholischen nicht für verwerflich hielt. Diese Anschauung war in Sachsen keineswegs durch H. eingeführt worden. Schon 1602 hatte Polykarp Leyser es offen aussprechen können, „daß die Lutheraner lieber mit den Papisten gemeinschafft haben und gleichsam mehr vertrawen zu ihnen tragen sollen, denn mit und zu den Calvinisten“. Es war daher nur eine gewissermaßen amtlich übernommene Pflicht, daß H. sich jetzt in seiner Politik ebenfalls mit besonderem Nachdruck gegen die Reformirten wendete. Seine ersten Händel mit dem reformirten englischen Gesandten Stephan Lesurius bildeten nur das Vorspiel zu einem weit heftigeren Kampfe, der 1614 wegen des kurbrandenburgischen Confessionswechsels anhob. Alle Streitpunkte fanden sich hier zusammen, um dem Kampfe Gluth und Bedeutung zu verleihen: Politische Feindschaft zwischen Sachsen und Brandenburg wegen der jülichschen Erbfolge, religiöser Eifer gegen die Irrlehre, beides zusammen wegen der drohenden Ausbreitung des calvinischen Machtgebietes. Natürlich handelte H. nicht als bloße Privatperson, als er den Streit begann. Seine vier Schriften von 1614 in dieser Sache hatten einen gleichen Werth, wie heutzutage diplomatische Noten, und ihr Ton, wie ihr Inhalt bezeugen in ihren Steigerungen und Anzüglichkeiten mindestens ebensosehr den Grad der Feindschaft Kursachsens gegen Kurbrandenburg, wie der Lutheraner gegen die Calvinisten. Beide decken sich in vielen Fällen. Vermindert sich jene, so kann auch diese schweigen. Darum ist es gar nicht verwunderlich, daß, als beide bisher feindseligen Kurfürsten sich einander nähern und auf einer persönlichen Zusammenkunft zu Naumburg (März 1614) die alte Erbverbrüderung erneuern, derselbe H., der soeben noch zuckende Blitze gegen Brandenburg geschleudert hatte, eine „Naumburgische Fried- und Freuden-Post“ meldet, d. i. „Zwo christliche Predigten, derer eine zum Eingang, die andere zum glücklichen Ausgang der – Zusammenkunfft zu Naumburg gehalten“. Indessen war diese Stimmung des sächsischen Oberhofpredigers nur vorübergehend wie jenes Freundschaftsverhältniß der beiden Kurhäuser. Die alte Fehde beginnt von neuem und diesmal nicht blos gegen Brandenburg, sondern gegen den Calvinismus überhaupt. In jedem Jahre erscheint eine Anzahl Schriften Hoë’s, die, in unglaublich kurzer Zeit verfaßt, mit geschicktester Benutzung aller Blößen der Gegner eine dem Zeitgeschmack entsprechende sehr derbe und meist übertreibende Kritik an denselben üben. Am interessantesten unter jenen sind: der „Triumphus Calvinisticus“, 1614, der „Prodromus“, 1618, und die „Trewherzige Warnung für die Jubelfests-Predigt, so im vergangenen Jahr den 2. November zu Heydelberg von Abraham Sculteto, Churfürstl. Pfältzischen Hofe Prediger daselbst gehalten etc.“, Leipz. 1618. Die ganze bis zum Haß gesteigerte Feindschaft, welche beide Confessionen und jetzt besonders Sachsen und die Pfalz trennte, lodert hier in unheimlicher Gluth auf und beleuchtet schauerlich die Jubelfeier, welche man gerade damals im protestantischen Deutschland zum 100jährigen Gedächtniß der Einführung der Reformation zu begehen sich anschickte. Wenige Monate noch und das große Drama des 30jährigen Krieges nimmt in Prag seinen Anfang.

Auch H. fiel in demselben seine Rolle zu. In allen wichtigen religiösen wie politischen Handlungen wird sein steigender Einfluß fühlbar und in immer weiteren Kreisen. Bei der böhmischen Königswahl, bei der Wahl Ferdinands II. zum deutschen Kaiser, bei dem Bündnisse Sachsens mit dem Kaiser und der Liga gegen Friedrich V. von der Pfalz, bei den Verhandlungen mit den Katholischen [544] auf der berüchtigten Mühlhauser Versammlung (März 1620), aber auch bei der Auswirkung der Bekenntnißfreiheit für die Lutheraner in Schlesien und Böhmen ist seine Thätigkeit im Sinne der sächsisch-kaiserlichen Politik mit der Spitze gegen den Calvinismus nachweisbar. Der kaiserliche Gesandte an die Stände des ober- und niedersächsischen Kreises v. Elvern theilt in seinen Berichten nach Wien d. d. 22. u. 23. Febr. 1620 mit, H. liege täglich dem Kurfürsten mit Anklagen gegen die Böhmen in den Ohren, er male die Calvinisten und Böhmen mit den schwärzesten Farben, ja er habe in einem eigenen Promemoria seinen Herrn aufgefordert, dem Kaiser Hülfe zu leisten. Der Haß Hoë’s gegen jene habe ihn in Verwunderung gesetzt, „er habe es nie gedacht, daß dieser in so hohem Grade den Katholiken zugethan sein könne“. Der Kaiser hatte H. ein Geschenk für seine Kinder überreichen lassen. Unter dem 24. Febr. bedankte sich dieser bei ihm in den lebhaftesten Ausdrücken für die kaiserliche Gnade. „Er versicherte, daß er bis an seinen Tod in seinem bisherigen Diensteifer verharren werde“. Man kann durchaus nicht sagen, daß diese Haltung Hoë’s und diese Richtung in der Politik selbst in Sachsen allgemeine Billigung erfahren habe. Die Universität Wittenberg widerrieth in einem amtlichen Gutachten auf das entschiedenste ein Bündniß mit dem Kaiser, weil „zu besorgen, da man zu auffreibung und zu unterdruckung der Evangelischen hülffe, daß hernach der Pabst durch seine Adhaerenten die vertilgung und ausrottung deß ubrigen theils, so wol fortsetzung deß Tridentinischen Concilii eyferig werde suchen. Auch ferner zu befürchten, daß durch solche würckliche Assistenz die eygene Lande in eußerste gefahr gesetzet werden“; und ein (vielleicht pseudonymer) „Herr Jakob von Grünthal, kurfürstlich Sächsischer Kriegs-Rath etc.“, konnte sogar in einer Flugschrift den Kurfürsten direct auffordern, dem Bündniß mit dem Kaiser zu entsagen, die Execution in der Lausitz etc. einzustellen und H. „als ein Sündopfer je eher je besser hinrichten zu lassen“. Eine ähnliche Erregung spricht sich in anderen gleichzeitigen Schriften aus, die alle H. geradezu als den Urheber alles Unglückes, das aus der Verbindung eines evangelischen Staates mit dem Kaiser und der Liga entstanden sei, bezeichnen (vgl. Joh. Mylius, Viel und längst gewünschter … Bericht, ob, was, woher, und wie fern … Herr D. Hoë mit der Böhmischen Sache … zu thun gehabt u. s. w. Dreßden 1620). H. hatte, wie es scheint, vor der Hand keine Zeit auf alle diese ernsten Angriffe zu antworten. Der Executionszug nach der Lausitz, Schlesien, Nordböhmen war im Gange, Sachsen beflissen, seine reformirten Glaubensgenossen an den Kaiser auszuliefern, und H. viel beschäftigt im Feldlager mit Danksagungs- und Huldigungs-Predigten, mit Rathschlägen und Gutachten für den Kurfürsten, aber auch mit der Einheimsung der reichen Geschenke, welche ihm von allen Seiten zuflossen, und der Ehren, die ihm u. a. der Kaiser durch die Verleihung der Würde eines kaiserlichen Pfalzgrafen (November 1621) zu Theil werden ließ. Kaum jedoch war er nach Hause zurückgekehrt, so schreibt er mit gewohnter Rührigkeit gegen seine Feinde. Wüthend wendet er sich zuerst gegen den Herrn v. Grünthal in seiner „Gegen-Antwort auf sein lästerliches Sendschreiben, … da es doch ein Teufflisches Gedicht ist“, sodann gegen die Reformirten, indem er zu beweisen sucht, die „Einstimmung der Türcken und Calvinisten“ und eine „Augenscheinliche Probe“ gibt, „wie die Calvinisten in 99 Punkten mit den Arrianern und Türcken übereinstimmten“. Alle drei Schriften sind vor 1621 erschienen. Sie sind weder original noch überzeugend; grob und hochfahrend wie selten, vermag H. die Monotonie des Ausdruckes seines Calvinistenhasses nur durch möglichste Steigerung der Beschuldigungen und Verurtheilungen der Feinde einigermaßen zu mildern. Und doch – was half ihm dies Alles! Die Thatsachen, die Freunde wie die Feinde, endlich die gesammte Entwicklung der [545] deutschen Verhältnisse erheben sich als gewaltige Ankläger gegen ihn und die kursächsische Politik, die er zu discreditiren so eifrig beigetragen hatte. Zwei Mal, 1622 und 1624, muß er sich an den Kaiser resp. dessen Statthalter wenden, um die armen böhmischen und schlesischen Lutheraner vor den furchtbarsten Verfolgungen, die der Kaiser trotz allen den Sachsen gemachten Versprechungen über sie verhängt hatte, zu schützen; umsonst, der böhmische Protestantismus wurde fast unter seinen Augen vernichtet. – Treue und gläubige Lutheraner sind entrüstet, weil er dem Kaiser und den Papisten gegenüber sich so servil benommen und seinen Kurfürsten zum Kriege gegen die Protestanten überredet habe. Man ist nahe daran, ihn für einen heimlichen Katholiken zu halten, und wird in dieser Meinung noch bestärkt, da Petrus Cutsemius, Weihbischof zu Cöln, 1622 die Zeit für gekommen erachtet, den Kurfürsten von Sachsen und sein Volk öffentlich in seiner Saxonia Catholica zur Rückkehr in die katholische Kirche aufzufordern. – Kein Wunder daher, wenn auch auf rein kirchlichem Gebiete das bisherige Ansehen, welches Sachsen unter den Lutheranern seit der Reformation genoß, in sehr bedenklichem Maße sank. Die Tübinger waren es, welche in dem zwischen ihnen und den Gießenern wegen der κρύψις und κένωσις ausgebrochenen Streite, den Sachsen und an ihrer Spitze H. zuerst entgegentraten, als dieselben die Differenz beider ihnen befreundeten Facultäten vor ihr Forum zogen und unter Hoë’s Vorsitz eine von ihm verfaßte Decision („Gründliche und in Gottes Wort, auch dem christlichen Concordien-Buche gemäße Erklärung etc.“, Leipz. 1624) erließen, in welcher sie die Tübinger verurtheilten. Diese bezeugten in ihrer „überaus hefftigen und stachlichen“ Erwiderung, „Amica admonitio“ nicht die geringste Lust, die Autorität der Sachsen anzuerkennen und konnten auch durch Hoë’s Replik: „Necessaria et inevitabilis Apologia“, Leipz. 1625, nicht dazu gebracht werden. Nicht besser erging es H. und seinem Leipziger theologischen Convente in dem Rathmannschen Streite, in welchem die Rathmann in Schutz nehmender Rostocker und besonders die trefflichen Paul und Johann Tarnov kurzweg ihnen erklärten, daß sie sie als Richter nicht anerkennten (1629). Es war vergeblich gewesen, durch die Theologenconvente, welche von 1621–28 in Sachsen regelmäßig und in möglichst officieller Form die theologischen Streitfragen der Zeit beurtheilten und entschieden, die Autorität über Lehre und Glauben dem kurfürstlichen Oberhofprediger und den sächsischen Universitäten wie in alter Zeit zu erhalten. Die Zeit der theologischen Kämpfe und ihres allgemeinen Einflusses war vorüber, die politischen lösten sie ab, freilich ohne die Gemeinschaft des Ursprunges und die innere Verwandtschaft mit jenen zu verleugnen. – Das Restitutionsedict (1627) traf Sachsen ebenso scharf, wie die übrigen evangelischen Staaten. Die Milde, welche Ferdinand II. anfänglich noch gegen Johann Georg I. walten ließ, fand bald ihr Ende. Schon behaupteten die Jesuiten, nicht blos um die Herausgabe der nach dem Augsburger Religionsfrieden eingezogenen Kirchengüter handele es sich, sondern um alle früheren geistlichen Besitzungen; denn die Evangelischen seien von der jenem Frieden zu Grunde gelegten Augsburgischen Confession abgewichen. Das war gerade für Sachsen eine höchst bedenkliche Behauptung. Der Kurfürst beauftragte H. und die mit ihm in Leipzig versammelten Theologen mit der Widerlegung derselben. Mit ihrer Zustimmung veröffentlichte er die „Nothwendige Vertheidigung des H. Röm. Reichs Chur-Fürsten und Stände Augapfels, nemlich der – Augsb. Confession etc.“, Leipz. 1628 und auf die jesuitische Replik: „Brill auf den Evangelischen Augapfel etc.“, 1629 die: „Nochmalige Hauptvertheidigung des – Aug-Apfels etc.“, 1630 zwei Schriften, von denen besonders die letzte, unter Mitwirkung des großen lutherischen Dogmatikers Joh. Gerhard entstanden, wegen ihrer tiefen Gelehrsamkeit und der Wucht ihrer [546] Argumente noch heute unter den protestantisch-polemischen Arbeiten eine sehr bedeutende Stelle einnimmt. – Damit war endlich ein Mal Klarheit gegenüber den Katholiken geschaffen; die Feier der Erinnerung an die Uebergabe der Conf. Augustana konnte nur dazu beitragen, sie noch zu vermehren. H. verfaßte hierzu auf Befehl des Kurfürsten das „Manuale Jubilaeum Evangelicum“, Leipzig 1630, wegen dessen er von Cutsemius angegriffen und zu der die Hoffnungen der Katholiken gründlich zerstörenden „Responsio ad Paraenesin provocatoriam D. Petri Cutsemii“, Leipz. 1632, gezwungen wurde. Aber schon vor dieser Schrift hatten die immer deutlicher hervortretenden Absichten des Kaisers eine Verständigung des sächsischen Hofes mit den übrigen Evangelischen erfordert und zu Stande gebracht. Der Leipziger Convent bezeichnete diesen bedeutsamen Schritt, den die sächsische Politik endlich zu thun wagte. Am 10./20. Febr. 1631 wurde er eröffnet. H. hielt in der Thomaskirche die geharnischte Eröffnungspredigt, der er die Worte des Psalmes: „Gott schweige doch nicht also, und sei doch nicht so stille“ etc. zu Grunde legte, und während die Fürsten tagten, hielten ihre Theologen, von Sachsen H. Höpffner, Jo. Höpner und H., von Seiten Brandenburgs und Hessens Bergius, Crocius und Neuberger vom 3.–23. März friedsame und versöhnliche Religionsgespräche. Die Confessio Augustana, selbst die invariata wurde von den Reformirten anerkannt; nur in Betreff der Art. 3 und 10 hielten sie an ihrem Dissensus fest. Damit war ein für die religiösen, wie für die politischen Verhältnisse hochbedeutender Erfolg erzielt: Der bisher herrschende lutherische Separatismus, der im Laufe der Zeit sich allmählich zu einer Art sächsischer Staatsraison entwickelt hatte, war, vor der Hand wenigstens, aufgegeben (J. H. A. Ebrard, Kirchen- und Dogmengesch. Bd. III. S. 648 ff.). H. hatte bewiesen, daß er unter Umständen geschmeidig genug sein konnte, sich und seinen Herrn zu versöhnlichen Schritten zu disponiren – wenn er nur wollte. Indessen darf diese Willfährigkeit nicht täuschen. Der Kurfürst und sein Hofprediger trugen zunächst nur dem Zwange der Verhältnisse Rechnung. Bis zur Lützener Schlacht hatten sie die alte Hinneigung zum Kaiserhause und die Feindschaft gegen die verbündeten Calvinisten klüglich zurückgesetzt. Kaum aber hatte der Tod Gustav Adolfs dem immer eifersüchtigen Dresdener Hofe seine Selbständigkeit zurückgegeben, so bemächtigten sich seiner sofort wieder die alten Zu- und Abneigungen. Dadurch, daß H. hierbei ein maßgebender Einfluß eingeräumt wurde, bezeichnete man zugleich die Richtung, welche man einzuschlagen geneigt war. Am 28. März 1634 hatte H. auf Befehl des Kurfürsten im Geheimrathscollegium ein Gutachten zu erstatten über die Frage: „Ob die Evangelischen dem Calvinismo zum Besten die Waffen ergreiffen, und in omnem eventum, allein um des Calvinismi willen, den hochnöthigen Frieden im H. Röm. Reich ausschlagen, hingegen mit den blutigen Waffen fortfahren könnten und sollen?“ Die Antwort war selbstverständlich; aber sie überraschte doch durch ihre in Anbetracht der letzten Vergangenheit rücksichtslose Schroffheit: „Da muß nein sagen“, erklärte H., „wer ein christliches Herz und Gewissen hat. Denn so hell die Sonne am Mittag steht, so wahr ist es, daß die calvinische Lehre voller erschrecklichen Gotteslästerungen, abscheulicher Irrthümer und Gräuel stecke und Gottes geoffenbartem Worte diametraliter entgegenlauffe“ (Unschuld. Nachr. 1734, S. 570 ff.). Das war ganz der alte H.; seine Wandlung hatte nicht lange vorgehalten. Nun war auch entschieden, was folgen mußte. Der Prager Friede 1635 bezeichnet die Rückkehr Kursachsens zu der Politik von 1620 mit allen ihren Consequenzen für die davon betroffenen Evangelischen in Schlesien und Böhmen.

Wie man diese damals wol ohne rechtes Urtheil über die eigene That ihrem Todfeinde ausgeliefert hatte, so übergab man sie jetzt demselben zum zweiten [547] Male, aber mit der bestimmten Erkenntniß, daß man ihre Kirche dem Untergange Preis gebe. Das konnte den sächsischen Räthen, die den Frieden vermittelten, ja vielleicht sogar dem Kurfürsten in Anbetracht mancher politischer Vortheile ohne zu große Bedenken möglich sein; aber H. hat sich dagegen im Geheimrathscollegium ganz entschieden gesträubt, ja nicht ein Mal die Calvinisten von dem Frieden auszuschließen gestrebt (K. G. Helbig, Der Prager Friede; in v. Raumer’s historischem Taschenbuch, 1858, S. 616). Auch die Forderung Sachsens bei den Pirnaer Verhandlungen, daß das Augsburgische Bekenntniß in den kaiserlichen Erblanden freigegeben werde, beruhte gewiß auf seinem Vorschlage, und es ist daher wohl erklärlich, daß er am Abend vor der Dankfeier wegen der Pirnaischen Friedensacte dem Feldmarschall v. Arnim erklärte, der Kurfürst könne dieselben in seinem Gewissen nicht verantworten und handle wider die Billigkeit, obgleich er am nächsten Tage selbst die Dankpredigt hielt (16. Novbr. 1634). Diese Thatsache ist vollkommen verständlich, sobald man die Stellung Hoë’s am Hofe eines Johann Georg I. ermißt. Man braucht darum durchaus nicht an eine Bestechung Hoë’s von Seiten des Kaisers zu glauben. Um denselben überhaupt für den Frieden zu gewinnen, reichte schon der Wunsch des Kurfürsten, denselben hergestellt zu sehen, damit er von dem schwedischen Bündniß befreit werde, vollkommen aus. Und dieser ist hinreichend bezeugt.

Freilich hatte sein Verhalten bisher mit Recht starkes Bedenken gegen seine Unbestechlichkeit erweckt. Er selbst hatte sich der ehrenden Anerkennungen und Geschenke sowol des Kaisers, als anderer Fürsten und vornehmen Personen oft genug gerühmt. Er hatte auch „ein gar schönes Vermögen erlanget, und ist über die Güther Lungwitz, Gönßdorff, Ober- und Nieder-Rachwitz, Erb-Herr gewesen, daß er also seine Familie in gutem Glück und Wohlstand hinter sich gelassen“ (Gleich, Bd. II. S. 136). Pufendorf, Rer. Suecicar. Lib. VII. § 43 p. 195, berichtet von dem Verdacht, H. habe für 10000 Thaler, die er vom Kaiser erhalten, seine Geneigtheit zum Prager Frieden erkaufen lassen, und Spanheim, Mémoires sur la vie et la mort de la Princesse Loyse Juliane etc., Leyden 1645, S. 154 u. S. 327 behauptet gradezu, man habe H. 1620, sowie 1635 par diverses bricolles et la graine du Peru für den Kaiser gewonnen. Indessen die wenigsten dieser Beschuldigungen sind erweisbar, und so oft sie zu Hoë’s Lebzeiten geltend gemacht wurden, so oft sind sie zurückgewiesen worden (vgl. Hoë, „Unvermeidentliche Rettung Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen“ etc., Leipz. 1635). Ganz rein stand H. in dieser Hinsicht gewiß nicht da; aber man wird ihm kaum mehr Empfänglichkeit für solche Gnadenerweisungen Schuld geben können, als sie im Durchschnitt bei den meisten Räthen und Günstlingen damaliger Fürsten vorhanden war. Vor allem ist es unrichtig, ihn immer als verwandtschaftlich und darum auch dem Verbrechen nach verbunden mit dem kurfürstlichen Rathe David Döring zu nennen, der sich bei den Prager Friedensverhandlungen gewiß hatte bestechen lassen. H. war weder sein Schwager, noch sein Schwiegervater, und Familienverbindungen zwischen den Kindern Hoë’s und Döring’s fanden erst 2 resp. 7 Jahre nach dem Tode des letzteren (1638) statt (Gleich a. a. S. 140 u. 142).

Die Kurfürstin Magdalene Sibylla, Joh. Georgs Gemahlin, welche die Personen und die Verhältnisse in der Umgebung ihres Gemahles mit sehr scharfem Blicke betrachtete, beschuldigt H. nicht der Bestechlichkeit, wie sie es bei Anderen in bestimmtester Form thut, wol aber des Ehrgeizes und der Mißgunst. (K. A. Müller, Kurf. Joh. Georg I. etc., Dresden und Leipzig 1838, S. 198.) In der That trifft sie damit die besonders hervortretenden Fehler seines Charakters. Sein vornehmer Haushalt, sein offenbares Streben nach Umgang mit distinguirten Personen, seine hohle Prahlerei mit dem Titel und der Würde eines kaiserlichen [548] Pfalzgrafen, seine Härte und Verfolgungssucht gegen seinen Amtsgenossen, den ältesten Hofprediger Hänichen, im Grunde auch seine unverkennbare Sucht, sich als Haupt und Hort der reinen lutherischen Kirche sowol das Schiedsrichteramt über die streitenden Parteien derselben, als auch das Recht der Abwehr der gegen dieselbe gerichteten Angriffe zu vindiciren – Alles dies bezeugt, daß er nicht gewillt und im Stande war, im Leben irgendwo die zweite Rolle zu spielen. Er hat allerdings auch den ersten Platz bei seinem Fürsten bis zu seinem Ende behalten.

Die letzten Jahre seines Lebens verflossen unter den furchtbaren Drangsalen eines nimmer enden wollenden Krieges, den mit verursacht und verlängert zu haben, er vielleicht niemals als seine Schuld erkannt hat. Er hatte sich, das genügte ihm, seinem Fürsten unentbehrlich zu machen gewußt. Ihre Naturen hatten etwas Zusammenstimmendes. Dazu kam sein Geschick in der Behandlung dieses Mannes, sein serviles Benehmen, das er mit großer Gewandtheit in eine biedermännisch-derbe und treuherzige Form zu kleiden verstand. Darum schickte er sich sehr wohl zum Beichtvater eines Johann Georg, der nicht genirt werden durfte, der sich aber wohl leiten ließ. Damit war ihm eine große Macht in die Hand gelegt, die Kirche zu verjüngen – und doch, wie sehr hat gerade zu seiner Zeit der Protestantismus in Sachsen gealtert! Ein Theolog voll Furcht, auch nur ein Titelchen des lutherischen Lehrsystems aufzugeben, aber ohne den Glauben an die weltüberwindende Macht seines Bekenntnisses; ein lauter, eindruckmachender Kanzelredner, aber ein Prediger voll Menschenfurcht; endlich ein politischer Beirath, wie die meisten Hoftheologen seiner Zeit, aber ein Berather, der „den Mund des Herrn“ sehr nach Wunsch der Partei oder des Kurfürsten sprechen läßt und auch sich selbst und seine Freunde darüber nicht vergißt – eine solche Persönlichkeit war nicht geeignet, einen Fürsten, ein Land, eine Zeit, wie diese damals waren, in ihrem Falle aufzuhalten und mit der Prophetenstimme eines Nachfolgers Luthers noch ein Mal den entarteten Protestantismus zu seinem weltgeschichtlichen Berufe zurückzuführen. So hat er nicht unwesentlich auch der Ausbreitung des Katholicismus gedient, trotzdem seine Polemik gegen denselben keinen Zweifel an seiner antipäpstlichen Gesinnung übrig läßt. – Das wissenschaftliche Hauptwerk in dieser Richtung war sein „Commentarius in Apocalypsin“, 2 Bde., 1610–40, eine Frucht 30jähriger Arbeit, von den Zeitgenossen wegen seiner Gelehrsamkeit gefeiert, heute vergessen. Seine übrigen litterarischen Leistungen gehören dem Gebiete der praktischen Theologie an; am zahlreichsten sind die Predigten vertreten, die sowol interessante Einblicke in die Zeitgeschichte, als auch gutes Material zur Beurtheilung der Tektonik der damaligen Kanzelreden bieten. – Sein Tod erfolgte am 4. März 1645; sein Grab befindet sich in der Sophienkirche zu Dresden.

J. A. Gleich, Annales ecclesiastici, Dresden u. Leipzig 1730, II. Bd. S. 1–206 (enthält auch ein ziemlich genaues Verzeichniß seiner Schriften). J. M. Schröckh, Abbildungen und Lebensbeschreibungen berühmter Gelehrten, Leipzig 1767, Bd. III. S. 168–241. F. K. Wißgrill, Schauplatz des niederösterr. Adels, Bd. IV, 1800, S. 349. Vgl. auch A. Weise in Ersch und Gruber’s Allgem. Encyklopädie, Sect. II. Th. IX. S. 216. – Tholuck in Herzog’s Real-Encyklopädie, 2. Ausg., Bd. VI. S. 165. – Derselbe, Das kirchl. Leben des 17. Jahrh., I. Abth. 1861. – J. P. Oettel, Zuverläßige Historie aller Herrn Pastoren und Superintendenten der Creyß-Stadt Plauen, Schneeberg 1747. – Häberlin, Neue deutsche Reichsgeschichte fortgesetzt von Senkenberg, Bd. XXIV. S. 365, 485, 541, 543. – Hurter, Geschichte des Kaisers Ferdinands II. und seiner Eltern, 1853, Bd. XI. S. 289 u. a. – [549] Pescheck, Geschichte der Gegenreformation in Böhmen, Bd. I. 1844, S. 228. – Czerwenka, Geschichte der evangel. Kirche in Böhmen, II. 595. – Böttiger, Geschichte Sachsens, 2. Aufl. 1870, Bd. II. – Gindely, Geschichte des 30jähr. Krieges, Bd. II. S. 417 ff. 1878. – Th. Wiedemann, Geschichte der Reformation u. Gegenreformation im Lande unter der Enns, Prag 1879, Bd. I. S. 514, 541. H. Hitzigrath, Die Publicistik des Prager Friedens (1635), Halle 1880, S. 4–25.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. wohl Druckversehen, denn Lamormaini war ab 1624 Beichtvater Kaiser Ferdinands II.