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ADB:Minckwitz, Johannes

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Artikel „Minckwitz, Johannes“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 411–416, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Minckwitz,_Johannes&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:00 Uhr UTC)
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Minckwitz: Johannes M., Philolog, Uebersetzer und Dichter, wurde am 21. Januar 1812 zu Lückersdorf bei Kamenz in der sächsischen Oberlausitz geboren, als Sohn des Dorfrichters, eines wohlhabenden, kinderreichen Bauerngutsbesitzers. Bis zum 12. Jahre in tüchtiger Dorfschule unterrichtet, besuchte er das lateinische Lyceum in Kamenz, seit 1828 die Prima des Kreuzgymnasiums zu Dresden und studirte seit 1830 auf der Leipziger Universität [412] Philologie, zwar mit dem damals natürlichen Schwergewicht auf den antiken Sprachen, jedoch zog ihn persönlich deutsche Poesie weit mehr an, deren Studium, wie die Litteraturgeschichte überhaupt, damals auf den Hochschulen, besonders aber auf der Leipziger, sehr im Argen lag. Er schloß sich da zunächst an den hervorragenden Gräcisten Gottfr. Hermann an, dessen Einfluß damals im akademisch-wissenschaftlichen Leben Leipzigs allmächtig war. Zwar fand M. 1833, nachdem er 20. März (angeblich 21. Febr., dem Datum seiner Mündigkeit) antiquo ritu promovirt, in dessen „Griech. Gesellschaft“ Eintritt, suchte aber darin viel mehr als gediegene Sprachkenntnisse und Schulung in der Wortkritik. Indem er das von dem berühmten Lehrer Dargebotene mit größerer Freiheit als dessen meiste Jünger ergriff, sein gesammtes Sprachstudium auf die deutsche bezog und der sog. kritisch-grammatischen Philologie seine volle Abneigung bezeigte, gerieth er mit jenem stark diktatorischen Haupte des maßgeblichen Professorenringes und seinem Anhang nicht nur in offenen Gegensatz. Vielmehr artete dieser in leidenschaftlichen Streit und litterarische Fehde aus, als M. auf Grund der mit August Graf v. Platen schriftlich angeknüpften Bekanntschaft sich entschloß, dessen metrisch-rhythmische Doctrin und Praxis auf die Objecte der classischen Philologie insofern anzuwenden, als er die großen hellenischen Dichter in kunstreichster, dem deutschen Idiom wirklich angemessener Weise verdeutschen wolle. Allerdings versagte ihm G. Hermann für seine ersten Uebertragungen der attischen Poeten den Beifall nicht, den Publikum und Kritik sofort spendeten, namentlich aber Platen seinem Bewunderer zu theil werden ließ. Als M. aber, von einer Reise nach Süddeutschland und Italien (Sommer 1836 bis Herbst 1837) zurück, an der Leipziger Universität sich für Vorlesungen über classische Poesie habilitiren wollte, vereitelten dies Hermann und die Stimmenmehrheit der von diesem beherrschten philosophischen Facultät. Hermann verabscheute freilich nur die Richtung Minckwitz’, im Sinne von J. H. Voß den ihm falsch und fruchtlos scheinenden Weg zur Eroberung der antik-classischen Dichtwerke zu gehen. Im übrigen erkannte er Minckwitz’ specifisches Talent an und wünschte bloß, daß dieser – anderswo auftrete. Nachdem M. so seine nächsten Absichten auf unabsehbare Frist durchkreuzt sah, versuchte er sich als Gymnasiallehrer am Blochmann’schen Privatinstitut zu Dresden 1840/41, ließ sich aber im folgenden Jahre in Leipzig für die Dauer nieder, verheirathete sich glücklich und wandte seinen vollen Fleiß und Eifer dem genauen Studium der altgriechischen wie der deutschen Metrik und Dichtersprache sammt der Nutznießung seiner Ergebnisse für die ununterbrochene Uebersetzer-Thätigkeit zu. Die Verdeutschung der zwei großen attischen Tragiker bewog den König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der sie über andere, gleichfalls von ihm gelesene zu stellen erklärte, ihm 1845 auf Bunsen’s Verwendung ein lebenslängliches Jahrgehalt von 300 Thaler als eine Dichterpension zur Muße zu stiften, obgleich M. außerhalb Preußens zu Haus war. Dieser materielle Beistand und Ansporn kam gerade zur rechten Zeit; denn die rastlos fortgesetzten selbständigen Studien und Arbeiten von seinem konsequent festgehaltenen Standpunkte aus verwickelten ihn immer wieder in widerwärtige Händel mit den Fachgenossen, so daß der Privatgelehrte vorerst an ein Einrücken in den akademischen Beruf nicht denken durfte. Nach G. Hermann’s, seines erbitterten Gegners, Tod (31. December 1848) versprach ihm der zeitweilige sächsische Cultusminister 1849 die Ernennung zum außerordentlichen Professor an der Leipziger Universität, was sich jedoch mit dem baldigen Ausscheiden des Ministers zerschlug. Als M. darauf um die Zulassung zum Privatdocenten einkam, trat ihm Moritz Haupt, der Germanist, innerhalb der Philosophischen Facultät entgegen, was ihn in [413] Zusammenstöße mit dieser selbst hineinzog. Trotz Haupt’s Absetzung 1851 glückte es M. erst, nachdem jener Leipzig verlassen, 1855 die seitherigen Zwiste mit der Facultät auszugleichen und am 7. Juli seine Probevorlesung behufs Habilitation zu halten. Aber auch hier gab es zunächst wenig Ruhe. M., dessen Ruf als Vers-Uebersetzer längst fest gegründet war, hatte seit 1854 den Homer in deutscher Prosa herauszugeben begonnen, weil seines Erachtens die vorhandenen metrischen Verdeutschungen starke Mißverständnisse des Sinnes eingebürgert hätten. Darob ergoß sich über ihn der „Zorn der großen und kleinen Pedanten“, wie er angibt, zumal als M. 1856 im Vorwort zur Odyssee „über einige tüchtig hergefahren war“, besonders bezüglich der Entstehung der homerischen Gesänge, und zwar in der bei den strengen Philologen für solche Dinge ungern gesehenen deutschen Sprache. Es mag sein, daß, mit dadurch aufgehetzt, ihn am 19. Januar 1856 ein zahlreicher Studentenhaufen in seinem Hörsaal überfiel: „doch mit Geistesgegenwart vereitelte er die Absicht, ihn vom akademischen Katheder hinauszutrommeln“. Schutz kam ihm danach auf unerwartete Weise. Der hochbejahrte Alexander v. Humboldt trat, vielleicht durch Friedrich Wilhelm’s IV. Sympathie zuerst angeregt, am 7. Februar 1857 in einem Sendschreiben ans deutsche Volk mit vollster Anerkennung Minckwitz’ Anfeindern entgegen: M. allein sei als Nachfolger Platen’s imstande, eine gute metrische Uebersetzung Homer’s zu liefern, und nannte ihn öffentlich den „vorzüglichsten Uebersetzer der Alten nach J. H. Voß“. Und als dann M. in aufrichtiger Dankbarkeit in dem „Album des deutschen Vereins zur Unterstützung der Hinterlassenen verdienter Künstler“, das Moriz Graf zu Bentheim 1858 in Würzburg herausgab, einen „Festgesang an Alexander v. Humboldt“ anstimmte, da urtheilte letzterer in einem Briefe an den Verfasser, daß dies Gedicht „zu dem Reichsten, Vollendetsten und Erhabensten gehört, was ich je gelesen habe“. Am 12. Juli 1857 wurde dem vielgeplagten Manne seine geistreiche Gattin Ernestine, die ihn selbst „in seinen sprachkünstlerischen Arbeiten“ gefördert hatte, nach 12 schrecklichen Wochen verschlimmerten Herzleidens entrissen. Aus dieser Ehe stammt der, nebenbei auch dichterisch thätig gewesene hervorragende Schachspieler Hans M., geb. 1843, im J. 1893 in eine Nervenheilanstalt überführt und am 20. Mai 1905 verstorben, nachdem er den vom Vater behaupteten Zusammenhang mit der gleichnamigen sächsischen Adelsfamilie durch Annahme des Prädicats „von“ vor der Oeffentlichkeit erregt zur Geltung gebracht hatte. M. hat dann nochmals geheirathet und ist da Vater der vortrefflichen Romanistin Dr. Marie Joh. M. (geb. 1868) geworden, welche von ihm den tieferen philologischen Feinsinn geerbt hat. An Weihnachten 1861 erhielt M. eine außerordentliche Professur zu Leipzig. Er hat daselbst in der Ueberzeugung, seine Sache wenigstens im Heimathlande Sachsen siegreich durchgesetzt und, „sich seiner Haut wehrend, da er niemals der angreifende Theil gewesen“, die vielfach kleinlichen Feinde und Krittler geschlagen zu haben, fürderhin über deutsche Litteratur, Verskunst u. s. w. eifrigst seine Anschauungen als Docent und mit der Feder verfochten, freilich weder hier noch dort unangefochten und besonders von jugendlicher Hörerschaft in seinem unumwundenen Stolze auf das Gelungene seiner Leistungen und die Richtigkeit seiner Ideen öfters mißverstanden, ja, nicht ernst genommen. Das hat ihn allerdings wol wenig gekränkt, und erst als er im April 1883 sein 50jähriges Doctorjubiläum gefeiert hatte, schied er mit der Familie vom Schauplatze seines Ringens und Kämpfens und verzog nach Heidelberg, wo er im schönen Vorort Neuenheim am 29. December 1885 gestorben ist.

Innerhalb der ausgedehnten litterarischen Thätigkeit Minckwitz’ steht sein Wirken als Erneuerer der großen hellenischen Poeten dergestalt im Vordergrunde, [414] daß sein Anrecht auf Nachruhm eben auf diesen Leistungen fußt. Er strebte danach, wirklich jene classischen Dichtwerke ebenbürtig nachzubilden, sie gemäß den strengsten, namentlich metrischen Anforderungen dem deutschen Schriftthum anzueignen. Mit rastloser Beharrlichkeit rang er, auf Grund intimsten Verständnisses der Originale einerseits dem Griechischen treu, andererseits im deutschen Umguß sprachlich wie metrisch durchweg gewandt zu verfahren. Kein Wunder, daß seine Uebersetzungen schon vom ersten Erscheinen an bedeutenden Erfolg erzielten. Nicht nur sein Vorbild und Meister Platen, ferner dann, wie erwähnt, Alex. v. Humboldt, der ja auch ein feiner Sprach- und Litteraturkenner war, auch Fachleute ersten Ranges, nämlich der von G. Hermann wegen dieser Parteinahme scharf getadelte Fr. Thiersch und Hermann’s geistiger wie litterarischer Antipode, Aug. Böckh, welcher M. ein Uebersetzergenie genannt hat, waren für seine einschlägigen Ergebnisse außerordentlich eingenommen. Trotzdem ruhte M. nicht, sie durch fortwährendes Feilen zu vervollkommnen, wie jüngere Auflagen beweisen. Er begann 1834 mit Euripides’ Dramen, setzte sie 1836/37, dann 1857 fort. Sophokles’ Tragödien erschienen 1835–43, neu 1851–62; dieser 3. bezw. 4. Abdruck ist seitdem öfters ohne ausdrückliche Bezeichnung frisch aufgelegt worden, als Glied der bei Metzler in Stuttgart erscheinenden deutschen Bibliothek antiker Classiker. Die Sophokles-, dazu die 1845 (3. Aufl., zum Theil 4. Abdruck 1853) zuerst hervorgetretene Aeschylos-Verdeutschung haben Minckwitz’ Ruf als Uebersetzer in erster Linie fest begründet und erhalten. Beim Aeschylos hatte er übrigens zugleich 1839 für „Die Eumeniden“ und den „Gefesselten Prometheus“ durch kritische Herausgabe des Urtextes mit lateinischem Commentar seine völlige Vertrautheit mit der rein philologischen Seite der Sache deutlich erwiesen. Auch seine 1850 gedruckten zwei „Habilitationsschriften“ – „Pindar’s 4. pyth. Ode, deutsch, mit Einleitung und Anmerkungen“ und „Quomodo Romani Graecos converterint. Dissertatio I“ – zeigen ihn auf dem Boden, den er Jahrzehnte lang unermüdlich bepflügt, überaus heimisch. Pindar’s schwierige Oden hat er 1848/49, Aristophanes 1855–64, Homer erst in Prosa 1854–56, dann, nach seiner „Vorschule zum Homer“ (1863), 1871 eine lange vorbereitete Hexameter-Fassung beginnend, theilweise Lucian 1836 deutsch herausgegeben. Alle diese Uebersetzungen sind Niederschläge anhänglichster Hingabe an griechische und deutsche Dichtersprache, und zwar bevorzugen sie diese nur selten zu Gunsten der Form, auf die sie ja das Hauptgewicht legen. Eben deshalb haben sie auch die Hauptanfechtungen erduldet. Es klingt sehr gnädig, wenn ein Richter wie der gern abfällig urtheilende Ad. Bartels, dem gewiß Vorbedingung der Competenz mangelt, sagt, daß M. „aber als der Verdeutscher griechischer Werke doch einige Verdienste hat“, nachdem er ihn soeben „in mancher Hinsicht als Platen’s Caricatur“ zu erkennen meint. Allerdings hat sich M. nicht nur in der Auffassung poetischer Form, sondern auch als selbstschaffender Dichter so eng als möglich an den Grafen Platen angeschlossen. Hat er doch auch für dessen und seiner Dichtungen Andenken nachdrücklich gesorgt durch „Briefwechsel zwischen Aug. Graf v. Platen und Dr. Johannes Minckwitz. Nebst Briefen Platen’s an G. Schwab“ (1836), „Graf Platen als Mensch und Dichter. Litteraturbriefe“ (1838), des Frühverklärten und Vielverkannten älteste Biographie, und Herausgabe eines 6. und 7. Bandes zu den Gesammelten Werken, den „Poetischen und litterarischen Nachlaß“ (1852, 2. Aufl. 1854): Bibliographie u. Inhaltsangabe dieser bei Goedeke, Grundriß ²VIII, 679m u. n, 682B, 683B. Minckwitz’ bezügliches Verdienst darf seine doch übermäßige Emporschraubung von Platen’s Bedeutung nicht übersehen lassen. Recht abhängig ist er als treuester Schüler Platen’s auch in seinen eigenen Dichtungen von [415] diesem seinem Ideale geblieben. Seine „Gedichte“ (1847), neue Sammlung als 1. Band seiner nicht fortgesetzten „Gesammelten Schriften“, vorwiegend gelegenheitliche, endgültige Auswahl unter dem Titel „Aus Deutschlands größter Zeit, 1813–76“ (1876), führen uns M. als Pfleger einer ernsten, getragenen, reflectirenden Anschauungs- und Ausdrucksweise vor, der meistens in antiker, namentlich der Oden (weit über 100) -Form, von modernen am liebsten in der technisch lockendsten, dem Sonett, dichtet, doch auch hie und da im unmittelbar melodischen Lied oder in der classisch gehaltenen Romanze (beste Beispiele „Alexander vor Troja“ und „Titus“) Erfreuliches leistet. Anklänge, auch direkte, an die Art seiner antiken Idole und Platen’s sind übrigens ziemlich häufig und auch ein ihn warm vertheidigendes Urtheil wie das bei I. Hub „fühlt sich doch versucht auszusprechen, er sei zu litterarisch und ästhetisch gelehrt und bekomme die Eindrücke nicht genug aus der ersten Hand, um original zu sein“. Moritz Hartmann’s ihm früh an den Kopf geschleuderten Spottnamen „Leipziger Magister“ hat M. immer als einen unberechtigten Protest der Poeten „loser Ungebundenheit“ betrachtet und nie verwinden können. Zu Minckwitz’ sonstigen belletristischen Werken gehören: „Die deutsche Dichtkunst. Ein satyrisch-komisches Lehrgedicht“ (1837); „Der Prinzenraub. Ein geschichtliches Schauspiel in 5 Acten“ (1839), von Kurz (s. u.) wegen seiner verschiedensten Versmaße, prosaischen Sprache und schlimmen Compositionsmängel bös abgekanzelt; „Der Künstler. Eine culturhistorische Novelle aus der Mitte unsers Jahrhunderts. Wahrheit und Dichtung“ (1862); „Dem neuen Kaiser. Hymnus“ (1871). Freiere Nachbildungen bieten die beiden Veröffentlichungen „Geschichten aus alter und neuer Zeit. Den besten Quellen nacherzählt für Leser aller Stände“ (anonym, 3 Bde., 1851), enthaltend „Die Pariser Bluthochzeit nach Ernestus Vacamundus“, „Die Buße Kaiser Heinrich’s IV. vor Gregor VII. zu Canossa, nach Lambert v. Aschaffenburg“, „Die Zerstörung Jerusalems, nach Flavius Josephus“ sowie „Die Weisen des Morgenlandes. Eine Anthologie der ältesten Erzählungen, Märchen, Bilder und Sinnsprüche“ (1862; 2. Aufl. 1865).

Greifbares und, wenn auch nicht überall glatt zu Billigendes, so doch mannichfach Werthvolles hat M. endlich geliefert mit seinen theoretischen Arbeiten, die in eigenen Studien wurzeln, vor allen mit dem „Lehrbuch der deutschen Verskunst oder Prosodie und Metrik“ (1844, 6. Aufl. 1878), obwol ja dieses Gebäude die Haupt- und besten Gemächer der antikisirenden Verskunst einräumt, der Habilitationsschrift „Lehrbuch der rhythmischen Malerei der deutschen Sprache“ (1856; 2. Aufl. 1858), dem „Katechismus der deutschen Verslehre“ (1878); diese Veröffentlichungen sind ihrer Zeit auch in Schweden, Rußland, England und Amerika vielfach in Gebrauch genommen worden. Und so muß doch seinem Schürfen mancherlei Brauchbares entsprungen sein. Sagt doch noch 1882 der keineswegs günstig voreingenommene Anonymus (der in beiderlei Hinsicht sachverständige Philolog Jakob Mähly?) des Artikels über Minckwitz bei Frz. Bornmüller (s. u.): „Er geht in seinen metrischen Prinzipien und in seiner Uebersetzungskunst eigene Wege, vielleicht nicht immer die richtigen, aber immerhin solche, die eine Prüfung verdienen; denn der Autor geht in seiner Untersuchung mit Ernst, Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit zu Werke“. Sogar „Der [nicht illustrirte] neuhochdeutsche Parnaß. 1740–1860. Eine Grundlage zum bessern Verständnisse unserer Litteraturgeschichte in Biographien, Charakteristiken und Beispielen unserer vorzüglichsten Dichter“ (1861; 2. Aufl. 1864) gründet seine Urtheile wesentlich auf die Form. Dem von ihm so betitelten Formenschlendrian, auch dem ihm immer vor Augen hangenden litterarischen Coteriewesen geht er darin scharf zu Leibe, läßt sich [416] aber dabei gegenüber den minder für seinen Halbgott Platen schwärmenden Litteraturkritikern, vor allen denen vom „Jungen Deutschland“, zu sehr die Zügel schießen. An seine altphilologischen Ausgänge kehren zurück: „Illustrirtes Taschenwörterbuch der Mythologie aller Völker“ (1852; 6. Aufl. 1883); „Katechismus der Mythologie aller Völker“ (1856; 4. Aufl. 1879), beide ohne fragliche Constructionen und Ausdeutungen die Thatsachen abspiegelnd und der nicht-classischen, auch der germanischen Mythologie ihr Recht neben der griechisch-römischen wahrend; „Einleitung in die mythologische Wissenschaft“, vor W. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie i. d. 3. Aufl. von Binder 1874.

Minckwitz’ mancherlei lyrische Gaben zu Almanachen u. dergl., seine zahlreichen Recensionen, Abhandlungen, Aufsätze zur deutschen Metrik und Rhythmik, auch zur Litteraturgeschichte u. ä. in vielen philologischen und anderen Zeitschriften möge man nach Heindl, Hub, Haan (s. u.) verfolgen. Rangirt er auch als frei schöpferischer Litterat kaum noch auf festem Posten in heutigen litterarhistorischen Handbüchern und in Compendien, da ihm die echte „schaffende Kraft“ fehlt, deren er („Meine Verdeutschungen des Sophokles und Aeschylos“) sich Gutzkow und Laube gegenüber rühmt, so gebührte ihm doch in der auf antiken Principien aufgebauten „Deutschen Uebersetzerkunst“ O. Fr. Gruppe’s (1859 u. 1866) auszeichnendere Ehrenstellung als S. 240–2 u. 329; und was der vielfach so hart Angelassene 1861 im „Schiller-Album der Allg. dtsch. National-Lotterie“ (S. 165) als „Des Sängers Segenswunsch“ ausgerufen hat, das dürfte ihm über zwei Decennien später vorgeschwebt haben: „Wer lang gekämpft mit langen Leiden, Ein lebensmüder Schwan, Wird gern, die Flügel hebend, scheiden Und steigen himmelan … Nicht mit dem Schicksal wird er grollen, Wie oft es ihn betrog, Er lächelt ob des Wetters Rollen, Das nun vorüberzog … Die bange Brust erhebt sich freier, Indem er scheidend spricht: ‚Verlöschen wird der Glanz des Schönen Auf dieser Erde nie: Mag hinter mir noch lange tönen Gesang und Melodie!‘“

Ausführliche, ersichtlich auf eigenen Mittheilungen Minckwitz’ beruhende und daher auch einseitig panegyrische Darstellungen bei J. B. Heindl, Galerie berühmter Pädagogen, verdienter Schulmänner u. s. w. aus der Gegenwart, II (1859), 32–37, und bei I. Hub, Deutschlands Balladen- und Romanzendichter, III, 1 (1870), 177–179 (179–183 Proben), bei letzterem auch allerlei Litteratur über M., bei beiden Bibliographie; letztere, außer den Journalbeiträgen, am genauesten bei W. Haan, Sächs. Schriftsteller-Lex. (1875), 218 f. Unabhängig urtheilt Heinr. Kurz, Gesch. d. dtsch. Litt. IV, 16, 9, 513. Vgl. Ad. Bartels, Gesch. d. dtsch. Litt. II (1902), 197 f.; Bornmüller, Biogr. Schriftstellerlex. (1882), 497; Meyer’s Dtschs. Jhrbch. I (1872), 977, K. Barthel(-Röpe), Vorlsgn. über d. dtsch. Nationallit.9 (1879), 433 falsch. Abriß seines Lebens und Wirkens Bartels, Handbuch z. Gesch. d. dtsch. Literat. (1906), S. 476, der auf Hoffmann von Fallersleben, Mein Leben, IV, verweist, nämlich S. 246 f. (scharf!). Den Alten zeigt M.’s „Entwicklung des neuen dramatischen Styls in Deutschland“ (1884: „Dtsch. Zeit- u. Streitfragen“ 203).