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ADB:Preger, Wilhelm

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Artikel „Preger, Wilhelm“ von Victor Michels in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 107–113, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Preger,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 20:19 Uhr UTC)
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Preger: Johann Wilhelm P., protestantischer Theolog, geboren am 25. August 1827 zu Schweinfurt, der Vaterstadt Rückert’s, † am 30. Januar 1896 zu München. Was er einst über J. Hamberger schrieb, gilt im wesentlichen auch von seinem eigenen Lebensgang: er war „der mühsame und stille eines Schulmannes und Gelehrten“. Preger’s Vater war Kaufmann, die Mutter eine geborene Krackhardt, aus dem kinderreichen Hause des Kupferschmieds und Rathsherrn Krackhardt, das sein vier Jahre älterer Vetter und späterer Schwager Ernst Luthardt pietätvoll und anschaulich geschildert hat (Erinnerungen aus vergangenen Tagen, 2. Aufl., Leipzig 1891). P. besuchte das von Gustav Adolf begründete Gymnasium seiner Vaterstadt unter dem trefflichen Rector Oehlschläger, an dem er mit großer Verehrung hing und dem er auch 1882 eine biographische Skizze (im „Sammler“) gewidmet hat. Er studirte dann (1845–49), dem Wunsche des Vaters und dem Beispiele des Vetters Ernst folgend, Theologie in Erlangen und Berlin. Seine Jugend fällt in die Zeit des neuerwachenden kirchlichen Lebens, das unter der evangelischen Minderheit Baierns besonders charakteristische Formen annahm. (Vgl. [108] G. Thomasius, Das Wiedererwachen des evangelischen Lebens in der lutherischen Kirche Baierns, Erlangen 1867.) Als P. am 1. November 1845 in Erlangen immatriculirt wurde, war der auch für die lutherischen Theologen bedeutsame G. L. Krafft (s. A. D. B. XVII, 17) gerade gestorben, G. Chr. Ad. Harleß (s. A. D. B. X, 763) durch das ultramontane Ministerium Abel gegen seinen Willen nach Bayreuth versetzt worden; aber Männer wie Joh. Chr. Konr. Hofmann, sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl der theologischen Encyklopädie, Sittenlehre und neutestamentlichen Exegetik (s. A. D. B. XVII, 631), 1847–48 zwei Jahre hintereinander Prorector, der Dogmatiker Gottfried Thomasius, der Vertreter der praktischen Theologie J. Fr. W. Höfling mußten einen starken Eindruck auf P. machen. Zu Hofmann unterhielt er auch später noch Beziehungen und erfreute sich seines persönlichen Verkehrs, wenn dieser als Landtagsabgeordneter in München weilte. Von den beiden Schellingianern, K. Ph. Fischer, dem vorgeschriebenen Docenten für Logik und Metaphysik, und dem poesievollen aber confusen E. A. v. Schaden, bei dem P. Geschichte der Philosophie hörte, war wohl nicht allzuviel zu lernen. Aber Nägelsbach verband die Begeisterung für das classische Alterthum mit christlichem Sinn, und der als „Studentenvater“ überaus beliebte Karl v. Raumer kam der stets gepflegten Neigung zu sinniger Naturbetrachtung entgegen. Die „Utenruthia“, der P. wie Luthardt mit Begeisterung angehörte, gab einen fröhlichen studentischen Mittelpunkt. Während des Berliner Aufenthaltes (Herbst 1847 bis Herbst 1848) waren Neander, Nitzsch, Twesten und Ranke seine Lehrer. Mit Ueberzeugung bekannte P. sich stets als „gläubigen“ Theologen und zu dem lutherischen Kerndogma der Rechtfertigung allein durch den Glauben. Hofmann’s Wort: „Der erste und nächste Weg, auf welchem die Theologie sich ihres nächsten Inhalts wieder versichern kann, geht von dem Allgemeinsten der inneren Erfahrung aus“, war auch ihm aus dem Herzen gesprochen. Der Unterschied von Theologie und Philosophie schien ihm darin zu liegen, daß „jene ihren Ausgang von der Herzenserfahrung, diese von objectiven Vernunftgesetzen nimmt, jene unbekümmert um diese sich organisch zu entfalten, diese das Maß des Glaubens aus der Erkenntniß zu nehmen sucht“, und daß nur „jene im unmittelbaren Anschluß an das Evangelium frei ist von falscher Gebundenheit durch die Schrift selbst und durch die jeweiligen kirchlichen Erscheinungen der Gegenwart“ (Flacius 1, 34). Die Philosophie sei in der kirchlichen Lehre zuerst „unter Melanchthon als Eklekticismus hervorgetreten, dann unter den streng lutherischen Theologen gegen Ende des 16. und im Verlaufe des 17. Jahrhunderts als eine neue Scholastik, im Verlaufe des 18. Jahrhunderts als Rationalismus und Pantheismus“, und selbst in unseren Tagen bestehe die Bewegung der gläubigen Theologen „in einem Kampfe um das Vorherrschen des frei persönlichen oder des scholastischen Princips in der Wissenschaft“.

Als Dreiundzwanzigjähriger kam P. 1850 nach München in das protestantische Predigerseminar. Im folgenden Jahre wurde er Stadtvicar und Lehrer (Professor) der Religion und Geschichte für die evangelischen Schüler der Münchener Gymnasien. Er gab sich dem Beruf mit großer Liebe hin und betrachtete es als „Pflicht der Mittelschulen ihren Zöglingen die Möglichkeit einer Versöhnung zwischen Glauben und Wissen darzuthun, damit sie nicht wehrlos mit ihrem Glauben den Angriffen einer falschen Weisheit erliegen“ (Protestantische Realencyklopädie, 3. Auflage, 7, 34). Wie er das Walten Gottes im kleinsten Blümlein sah, so verfolgte er die Hand Gottes durch den vielverästelten Lauf der Geschichte (Anmerkungen zur Geschichte, 1852 und 53, in der Erlanger Zeitschrift f. Protestantismus u. Kirche, N. F. [109] 23, 256 und 26, 186). Nach den Erinnerungen eines seiner Schüler (Caspari) verstand er es als Lehrer „anschaulich zu erzählen und klar und eindringlich vorzutragen. Auch solche Schüler, die nachher durchaus nicht bei dem geblieben sind, was er sie gelehrt hatte, haben ihm doch persönliche Hochachtung bewahrt“. Nach der Aufhebung des confessionellen Geschichtsunterrichts behielt er nur den Religionsunterricht bei, den er 17 Jahre lang auch an der Handelshochschule ertheilte. 1868 wurde er zum Gymnasialprofessor ernannt. Mit der stillen Thätigkeit als Lehrer verband er ein glückliches Familienleben und einen einfachen Verkehr mit Gelehrten und Künstlern. Seinem Ehebunde mit Wilhelmine Meyer, der Tochter eines höheren Regierungsbeamten (1856) entsproßten zwei Söhne und zwei Töchter. Er verkehrte im Hause des Philologen Thiersch, einem der Mittelpunkte des damaligen geistigen Lebens in München, und mit den Pfarrerfamilien Caspari und Feez. Zu seinen näheren Bekannten gehörten der Maler G. König, der Kupferstecher Thäter, der Lehrer Güll (Verfasser der „Kinderheimath“), mit denen er allwöchentlich in einem auch von Schwind und anderen Künstlern besuchten Café zusammentraf, J. Hamberger, I. v. Döllinger, der Decan und spätere Consistorialrath Burger, v. Stählin u. A. „Preger war ein glücklicher und ebenso gewissenhafter wie liebevoller Gatte und Familienvater. Im Umgang zeigte er sich als feiner Kopf und als allgemein gebildeter Mann mit vielen Interessen und Kenntnissen ausgerüstet; seine christliche Ueberzeugung sprach er im Privatverkehr offen aus, wie er sie auch vor der Körperschaft der königlich bairischen Akademie der Wissenschaften in der Rede über die Entfaltung der Idee des Menschen durch die Weltgeschichte entwickelte (1870); er konnte aber auch Andersdenkende wohl verstehen und mit ihnen auskommen“ (Caspari).

P. hatte schon als Knabe ausgesprochene litterarische Neigungen. Ein feinsinniger Nachempfinder griff er gern auch zur poetischen Form („Die Psalmen in Liedform“, Rothenburg 1885; 2. Aufl. als „Stimmen aus dem Heiligthum“, Gütersloh 1888). Eine weitverzweigte litterarische Thätigkeit setzt ernsthafter 1856 ein mit der „Geschichte der Lehre vom geistlichen Amte auf Grund der Geschichte der Rechtfertigungslehre“ (Nördlingen 1857). Die ruhig und sachlich gehaltene, nur in den Eingangscapiteln noch etwas schwülstig stilisirte Schrift nimmt in dem lebhaften Kampfe, der damals um das geistliche Amt geführt wurde, entschiedene Stellung gegen den Priesterbegriff bei Löhe (s. A. D. B. XIX, 116) und Kliefoth (ebenda LI, 218) und tritt etwa an die Seite der Schriften von Höfling (Grundsätze evangelisch-lutherischer Kirchenverfassung, 2. Aufl. Erlangen 1851) und Harleß (Kirche und Amt nach lutherischer Lehre, Stuttgart 1853). Der Zusammenhang zwischen den Lehren von der Rechtfertigung allein durch den Glauben und von dem königlichen Priesterthum aller Christen liegt auf der Hand; aber es ist bezeichnend, daß die Gefährdung der lutherischen Grundlehre durch die innerhalb der evangelischen Kirche auftauchenden kirchenregimentlichen Theorien P. alsbald zu einer weitausholenden historischen Betrachtung anregte. – Auch später hat P. mit Aufsätzen in der Luthardt’schen und Hengstenbergischen Kirchenzeitung ab und an in kirchliche Tagesfragen eingegriffen. Der im Juli 1870 in der Hengstenbergischen Kirchenzeitung erschienene Aufsatz „Die Unfehlbarkeit des Papstes und die kirchliche Opposition in Deutschland, oder die Schwäche der deutschen Opposition in ihrem Kampfe gegen die Ultramontanen. Eine protestantische Stimme aus dem Grabfeld in Franken“ (der in umgearbeiteter Gestalt später auch separat erschien unter dem Titel: „Die Unfehlbarkeit des Papstes und die Schwäche der kirchlichen Opposition in Deutschland. Von einem Theologen [110] der evangelischen Kirche in Bayern“, München 1871) wies nach, daß das Infallibilitätsdogma nur die Consequenz des römisch-katholischen Priesterbegriffs sei und weissagte den um Döllinger gruppirten deutschen Katholiken die Niederlage, falls sie nicht bereit seien, sich auf den Boden Luther’s zu stellen. – 1874 veröffentlichte auch ein anonymes Schriftchen zu Gunsten der Confessionsschule: „Von der Gefahr, welche unserer evangelischen Volksschule droht. Ein Wort an alle protestantischen Eltern in Bayern“.

Von jener Erstlingsschrift aber leiten die in den Jahren 1857 und 1858 in der Erlanger Zeitschrift für Protestantismus und Kirche erschienenen Aufsätze „Menius und Flacius über Amt und Priesterthum“ und „Flacius von den kirchlichen Mitteldingen“ unmittelbar über zu dem zweibändigen Werk „Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit“ (Erlangen 1859 und 1861), einer auf gründlichen Quellenstudien basirten Arbeit, Preger’s abgerundetstem Werk. Für den viel verlästerten Streittheologen der Reformationszeit fand P. volles Verständniß; sein entschlossenes Eintreten für die Lutherische Rechtfertigungslehre gegen Melanchthon mußte P. ja von vornherein sympathisch berühren. Wenn man ihm auch wohl nicht mit Unrecht vorgeworfen hat, daß die Ecken und Kanten in der Natur des Flacius nicht recht zur Geltung gekommen seien, so bleibt diese liebevolle Biographie eine höchst verdienstvolle und dauernd lesenswerthe Leistung. In engerem Rahmen konnte P. sein Thema im J. 1874 noch einmal behandeln in dem Artikel „Flacius“ der A. D. B. (VII, 88 ff.).

Um die Zeit der Entstehung des „Flacius Illyricus“ scheint Preger’s College, der Theosoph Julius Hamberger aus Gotha, damals Religionslehrer am königlichen Cadettencorps in München, einen starken Einfluß auf ihn gewonnen zu haben. P. hat ihm in der Protestantischen Realencyklopädie einen Artikel gewidmet (Supplementband der 2. Aufl.; 3. Aufl. 7, 336). Er rühmt es Hamberger’s „Lehrbuch der christlichen Religion“ (1839) nach, daß es „da, wo es die christliche Gottes- und Weltanschauung im Gegensatz zu den ihr widerstreitenden Auffassungen entwickelt und rechtfertigt, ein sehr werthvoller Beitrag für die Schule“ sei. Es war wohl Hamberger, der ihn nicht nur von neuem zu Franz v. Baader, St. Martin und Böhme, an die auch Schadens Philosophie anknüpfte, sondern nun auch zur Mystik des Mittelalters hinführte. P. nennt Baader einmal einen „der tiefsinnigsten Philosophen unseres Jahrhunderts“ und rühmt ihm nach, „er habe Böhme’s Anschauungen in durchaus originaler Weise begründet und erweitert und sie der Philosophie Kant’s und Fichte’s, sowie Schelling’s und Hegel’s gegenüber mit überlegener Kraft zu rechtfertigen verstanden“ (Protest. Realencykl., 2. Aufl., 15, 561). Schon im „Flacius Illyricus wird eine Aeußerung Baader’s nach der Ausgabe von Hoffmann, Hamberger u. s. w. an auffallender Stelle citirt (2, 401 Anm.). Aber die romantischen Lockungen entfernten P. nicht von seinem streng-lutherischen Standpunkt: die Mystik zog ihn an, soweit sie sich mit Luther berührte. „In dem Wesen der evangelischen Rechtfertigungslehre hat Luther das Wesen der mittelalterlichen Mystik ausgesprochen und ihr zugleich eine sichere Grundlage gegeben“ (Protest. Realencykl., 3. Aufl., 15, 498).

Von diesem Standpunkte aus las er Meister Eckhart, den Franz Pfeiffer 1857 erschlossen, Suso, Tauler, und die Schätze der Münchener Bibliothek zogen den fleißigen Mann in dem Decennium von 1864–1874 immer tiefer hinein in die Geschichte der Mystik. Es erschienen nun hintereinander die Aufsätze: 1864 „Ein neuer Traktat Meister Eckhart’s und die Grundzüge der eckhartischen Theosophie“ (Zeitschr. f. hist. Theologie 34, 163; vgl. aber Pfeiffer, Germania 10, 377); 1866 „Kritische Studien zu Meister Eckhart“ (ebenda [111] 36, 453); 1867 „Zur Mystik“ (Zeitschr. f. die gesammte Theologie 28, 243); 1869 „Vorarbeiten zu einer Geschichte der Mystik“ (Zeitschr. f. hist. Theologie 39, 1), „Meister Eckhart und die Inquisition“ (Abh. d. bair. Akademie, hist. Classe 11, Nr. 2), „Ueber das unter dem Namen der Mechthild von Magdeburg herausgegebene Werk ‚das fließende Licht der Gottheit‘“ (Sitzungsberichte der bair. Akademie 1869 II, 151); Recension von Lasson „Meister Eckhart, der Mystiker“ (Pfeiffer’s Germania 14, 373); 1870: „Die Theosophie Meister Eckhart’s und deren neueste Darstellung“ (Zeitschr. f. luth. Theologie 31, 59); 1871: „Der altdeutsche Traktat von der wirkenden und möglichen Vernunft“ (Sitzungsber. d. bair. Akademie II, 159): 1873: „Dante’s Matelda“ (ebenda III, 185); 1874: „Das Evangelium aeternum und Joachim von Floris“ (Abh. d. Akademie XII, Nr. 3). Dazu die Ausgabe „Suso’s Briefe“ (Leipzig 1867). Diesen Vorarbeiten folgte 1874 der erste Band des Hauptwerks „Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter“ (bis zum Tode Eckhart’s reichend), dem sich im J. 1881 der zweite und 1893 der dritte Theil anreihten.

Das Buch trug seinem Verfasser sogleich reiche Ehrungen ein: die Erlanger theologische Facultät, die ihm 1862 die Licentiatenwürde verliehen hatte, ernannte ihn 1874 zum Doctor honoris causa („propter singularem eruditionem sagacitatem dexteritatem qua quum pridem Matthiae Flacii vitam ac doctrinam tum nuper mysticorum mediae aetatis Germanicorum rationem investigavit examinavit enarravit“); die bairische Akademie der Wissenschaften hatte ihn schon 1868 auf Döllinger’s Vorschlag zu ihrem außerordentlichen Mitgliede erwählt; sie machte ihn nun 1875 zum ordentlichen und berief ihn später auch in die mit ihr verbundene historische Commission. Andererseits fehlte es nicht an heftigen Angriffen. Der Dominicanerpater H. S. Denifle unterwarf gleich Preger’s ersten Band in den „Historisch-politischen Blättern“ (Bd. 75, S. 679 ff.) einer scharfen, schmerzhaft einschneidenden Kritik, lehnte auch den zweiten Band in der „Deutschen Litteraturzeitung“ (3, Sp. 201) als „übereilte Arbeit“ ab und blieb dem Protestanten mit überlegener Gelehrsamkeit, gründlicherer philologischer Schulung und glücklichem Spürsinn dauernd auf den Fersen. Es ist auch nicht zu leugnen, daß gleich der erste Band, dessen Verdienste W. Scherer hervorhob (Kl. Schriften 1, 661), auch die Schwächen von Preger’s gelehrter Persönlichkeit klar erkennbar machte. Er bot mehr eine Reihe werthvoller biographisch-litterarhistorischer Abhandlungen als eine zusammenfassende geschichtliche Darstellung und ließ einer unglücklichen und nichtdurchführbaren Trennung von praktischer und theoretischer, häretischer und kirchlicher Mystik zu Liebe nicht einmal die Chronologie und damit das Anwachsen der mystischen Bewegung scharf hervortreten. Er versäumte, das Thema sicher zu umgrenzen und die allgemeinen Voraussetzungen zusammenzufassen. Er stand schwierigen psychologischen Problemen mit dem kindlichen Dilettantismus längstvergangener Tage hülflos gegenüber und erinnerte bei ihren Ausdeutungen manchmal an die schlimmsten Excesse der verflossenen rationalistischen Bibelexegese. Er zeigte bei aller Gelehrsamkeit eine unzulängliche Kenntniß mittelalterlicher Philosophie und in wahrhaft verhängnißvoller Weise die Neigung, die nach den verschiedensten Seiten hin interessanten Erscheinungen unter dem viel zu engen Gesichtswinkel der lutherischen Rechtfertigungslehre zu betrachten: Der von Denifle erhobene Vorwurf, das Ganze sei eine Tendenzschrift, die Apologie eines bestimmten kirchlichen Bekenntnisses, schoß freilich über das Ziel hinaus; jeder Zweifel an Preger’s Wahrheitsliebe war durchaus ungerecht. Aber wie die Dinge lagen, hatte er die verhängnißvolle Folge, daß sich P. nun als Opfer ultramontanen [112] Hasses fühlte und sich gegen die bahnbrechenden, wenn auch nicht abschließenden Forschungen des katholischen Gegners auf Schritt und Tritt mehr als billig versteifte; so auch auf dem Gebiet der durch den wackern aber unkritischen K. Schmidt so gründlich verfahrenen, noch immer nicht endgültig erledigten Gottesfreundfrage, mit der auch die Beurtheilung Tauler’s zusammenhängt. Schon der zweite, noch mehr der dritte Band der „Geschichte der Mystik“ riefen eine starke Enttäuschung hervor, die auch die Recensionen des ruhigsten und sachkundigsten Beurtheilers durchklingt (Ph. Strauch: Anzeiger f. deutsches Alterthum 9, 113 und Deutsche Litteraturzeitung 1893, Sp. 717). Heutzutage ist Preger’s Standpunkt wohl in allen strittigen Fragen endgültig aufgegeben. Eine Vergleichung des in der zweiten Auflage der Protestantischen Realencyklopädie (13, 102) von P. verfaßten Artikels „Rulman Merswin“ mit dem von Strauch geschriebenen der dritten Auflage ist lehrreich genug.

Die Ausstellungen der wissenschaftlichen Kritik raubten P. nicht die Arbeitsfreudigkeit. In den Jahren 1875–1890 entfaltete sich seine Production am reichsten. Mit der Geschichte der Mystik hängen unmittelbar zusammen die Aufsätze „Die Briefbücher Susos“ (1876, Zeitschrift f. deutsches Alterthum 20, 373 gegen Denifle’s Untersuchungen ebenda 19, 346, der 21, 89 eingehend replicirte) und „Ueber die Zeit einiger Predigten Tauler’s (Sitzungsberichte 1887 II, 917) und die Artikel „Mystische Theologie“, „Amalrich von Bene“, „Mechthild von Hackeborn“, „Mechthild von Magdeburg“ „Gertrud von Hackeborn“ u. a. in der Realencyklopädie, „David von Augsburg“, „Dietrich von Freiburg“, „Meister Eckhart“ in der A. D. B., weiterhin auch die Arbeiten über die Waldenser, die in diesen Jahren meist in den Abhandlungen der bairischen Akademie erschienen und von den Kirchenhistorikern besonders geschätzt werden: so die „Beiträge zur Geschichte der Waldesier im Mittelalter“, „Der Traktat des David von Augsburg über die Waldesier“, „Die Waldesier im Mittelalter“ (Zeitschr. f. kirchl. Wissensch. u. kirchl. Leben 1883), „Ueber die Verfassung der französischen Waldesier in der älteren Zeit“. An seine reformationsgeschichtliche Arbeit schlossen sich die Ausgabe der Tischreden Luther’s (1888) und die Artikel „Johann Coelestin“ und „Flacius“ in der A. D. B.

Außerdem aber wendete sich P. auch dem Gebiete der politischen deutschen und namentlich bairischen Geschichte zu, auf das ihn früh seine Lehrthätigkeit hingewiesen hatte. Dem Bedürfniß des Geschichtsunterrichtes war 1864 sein vielfach aufgelegtes „Lehrbuch der bairischen Geschichte“ entsprungen, dem 1866 ein ebenfalls oft aufgelegter „Abriß ber bayrischen Geschichte“ folgte. 1865 hatte er als Gymnasialprogramm „Albrecht von Oesterreich und Adolf von Nassau“ veröffentlicht. Nun folgten sich in den Abhandlungen der Akademie, zum Theil werthvolles, der Freundschaft Döllinger’s verdanktes Material aus den vaticanischen Archiven verarbeitend: „Der kirchenpolitische Kampf unter Ludwig dem Baier und sein Einfluß auf die öffentliche Meinung in Deutschland“, 1880 „Beiträge und Erörterungen zur Geschichte des deutschen Reichs in den Jahren 1330–1334“, 1883 „Die Verträge Ludwigs des Baiern mit Friedrich dem Schönen 1325 und 1326“, 1886 „Die Politik des Papstes Johann XII. in Bezug auf Italien und Deutschland“.

Zu Beginn des Jahres 1890 wurde P. als Rath in das Oberconsistorium für das rechtsrheinische Baiern berufen. Mit gewohntem Eifer fand er sich auch in die neue Thätigkeit. Der Oberconsistorial-Präsident v. Stählin rühmte ihm nach: „Die Schwierigkeiten des neuen Amtes, die sich ihm erhöhen konnten, da er nie im selbständigen praktischen Kirchendienst stand, überwand seine [113] hohe Geistesbildung, sein weiter klarer Blick, seine männliche Entschiedenheit in christlichen und kirchlichen Dingen, gepaart mit Milde und edlem Maß. Gerade das sachlich Schwierige zog ihn besonders an; sein Geistesstreben, stets den Dingen auf den Grund zu sehn, zeigte ihm den Weg zu befriedigender Lösung. Er arbeitete mit uns in vollster Eintracht und Sinnesgemeinschaft für sehr reale und sehr ideale Ziele zugleich“. Preger’s litterarische Thätigkeit trat seitdem mehr zurück; doch erscheinen noch 1894 seine „Beiträge zur Geschichte der religiösen Bewegung in den Niederlanden“, und in seinem Nachlaß fand sich eine Ausgabe des Minnebüchleins von Suso mit Einleitung (1896).

Mitten aus rastloser Arbeit rief der Tod den noch nicht Siebzigjährigen unerwartet ab. Eine Reihe warm gehaltener, seinen gediegenen Charakter und seine menschliche Liebenswürdigkeit einstimmig rühmender Nachrufe legen Zeugniß dafür ab, welcher Schätzung sich der Verstorbene im Kreise der protestantischen Theologen und in der Gelehrtenwelt Münchens erfreute.

Zum Gedächtniß des Oberconsistorialraths Dr. Preger. (Mit Portr.) Evang. Gemeindeblatt f. d. Dekanatsbezirk München 1896, Nr. 3 (Grabreden von Kelber und v. Stählin). – Ad. v. Cornelius in den Sitzungsberichten d. Münch. Akademie, philol.-philos. u. hist. Cl. 1896, S. 152–55. – Kohlschmidt in Bettelheim’s Biogr. Jahrbuch I (1897), S. 444 f. – Caspari, Protest. Realencyklopädie, 3. Aufl., 16, 1 ff. – Th. Kolde in den Beiträgen z. bayer. Kirchengeschichte II (1896), S. 253 ff. – Gütige Mittheilungen der Wittwe, der ich auch ein annähernd erschöpfendes Verzeichniß der Schriften verdanke.