ADB:Schikaneder, Emanuel
Eleonore Artim (geb. zu Hermannstadt 1752, † am 22. Juni 1821 in Wien) und übernahm die Leitung der Truppe, mit der er in Innsbruck, Laibach, Graz, Preßburg, Pest und Salzburg unter großem Beifall spielte. Eine Vogelkomödie, deren Kostüme ihm große Summen kosteten, ohne daß er damit beim Publicum durchdrang, ruinirte ihn; die Vorliebe, Thiere auf die Bühne zu bringen, blieb ihm aber Zeit seines Lebens eigen. Er fand Engagement beim Nationaltheater in Wien, wo er am 1. April 1785 als Maler Schwindel in Gluck’s „Pilgrime von Mekka“ auftrat, versuchte sich auch in tragischen Rollen (Graf Essex), erlitt damit aber eine völlige Niederlage. 1786 mußte er Wien verlassen, ging wieder nach Baiern, leitete 1786–87 das Theater in Regensburg, kehrte aber 1788 nach Wien zurück. Chr. Roßbach hatte in der Vorstadt Wieden, im großen Hofe des Starhembergischen Freihauses ein neues Theater erbaut, das am 7. October 1787 eröffnet worden war. Dessen Leitung übernahm S. mit Johann Friedl 1788 und brachte es zu hoher Blüthe. Er pflegte vorwiegend die Localposse, daneben auch Singspiel und Oper. 1800 gestattete ihm Kaiser Franz, bei dem er sich durch auffallende Proben seines Patriotismus, durch Widmung von Stücken an ihn und Erzherzog Karl beliebt zu machen gewußt hatte, trotz energischer Gegenvorstellungen einflußreicher Persönlichkeiten die Erbauung eines neuen Theaters in derselben Vorstadt. Er schloß das alte Haus am 11. Juni 1801 mit dem Nachspiel „Thespis“ und eröffnete das neue glanzvolle „Theater an der Wien“, die damals größte Bühne der Hauptstadt, am 13. Juni mit dem correspondirenden Vorspiel „Thespis’ Traum“ und der heroischen großen Oper „Alexander“ (Musik von Franz Teyber). Schon ein Jahr nach der Eröffnung trat er sein Privilegium mit allen Ansprüchen an seinen Compagnon Zitterbarth um 100 000 fl. ab und zog sich nach Nußdorf zurück, übernahm aber die Direction bald wieder, bis das Theater im J. 1804 [197] an Baron Braun verkauft wurde. Da wurde er entlassen, nach einem Jahre aber wieder zurückberufen; 1807 übernahm er die Direction des Theaters in Brünn und erbaute in der Nähe der Stadt eine Arena, wo er große Ausstattungs- und Spektakelstücke, „Schembera, Herr von Boskowitz“, „Die Schweden vor Brünn“ etc. aufführte und dabei endgiltig zu Grunde ging. Neue Directionspläne in Wien und Pest zerschlugen sich; unter den traurigsten Umständen verkam der verschwenderische Lebemann und Wüstling im Wahnsinn.
Schikaneder: Emanuel S., Schauspieler und Theaterdichter, geboren zu Regensburg 1751, † zu Wien am 21. September 1812. Er war der jüngste von 12 Geschwistern, mußte sich schon als achtjähriger Knabe seinen Unterhalt durch Singen und Geigen verdienen, schloß sich in Augsburg einer wandernden Schauspielertruppe an, heirathete später die Pflegetochter des Principals, die SchauspielerinS. war ein höchst verwendbarer, vielseitiger Schauspieler, der über ausgezeichnete Mittel verfügte, in seiner Jugend alle ersten Rollen spielte, vom Hamlet bis zum Hanswurst, Liebhaber, komische Väter, Tyrannen, Helden, und sich als Tänzer gleichfalls mit Glück versuchte. In komischen Rollen verfiel er früh ins Allzuniedrige und Derbe, was mit den Jahren zunahm. Immer mehr arbeitete er nur auf den Effect hin und kein Mittel war ihm zu schlecht, um das Publicum bei guter Laune zu erhalten. Als er später unförmlich dick wurde und einen watscheligen Gang annahm, war es sein lebhaftes Auge, mit dem er nicht selten durch einen Blick seinen Worten eine Zweideutigkeit zu geben wußte, die gefiel. In Localstücken gelangen ihm aber auch dann noch vorzügliche Chargen; obgleich kein geborener Wiener, galt er doch als Typus eines solchen; neben La Roche und Hasenhut nimmt er eine selbständige wichtige Stellung unter den Wiener Komikern vor Raimund ein.
Auch als Theaterdichter blieb er immer Schauspieler und Director; er arbeitete eingestandenermaßen nur für die Kasse und schrieb die besten Rollen sich selbst auf den Leib. Er war von großer Fruchtbarkeit; 1787 giebt er an, 17 ungedruckte Stücke (Trauerspiele, Lustspiele, komische Opern und einige Possen) liegen zu haben. Nur weniges davon ist im Druck erschienen. Unter den erhaltenen Stücken der achtziger Jahre sind alle Richtungen vertreten, welche damals auf der deutschen Bühne gepflegt wurden: das bürgerliche Trauerspiel, das Ritterstück, das militärische Schauspiel, das rührende Familiendrama. „Das Regensburger Schiff“ (Lustspiel in drei Aufzügen. Salzburg 1780) hebt mit Regensburger Localschilderungen an; Oesterreich und besonders Ungarn schwebt dem Helden des Stückes, einem Geizhals, als das goldene Land des Wuchers, zugleich als eine Art Schlaraffenland vor. Der Officier als Liebhaber und die weiblichen Rollen erinnern an Minna von Barnhelm; der Officiersdiener Budel – eine derbe Hanswurstrolle: er singt unter Trommelbegleitung eine kauderwelsche Arie „nach türkischer Art“, bei deren Refrain er seinen Herrn immer auf den Kopf schlägt. Der zweite Act endet mit einer großen Prügelei und einem Heidenspektakel; das Vorspiel zum dritten kündigt ein Donnerwetter an; Affen und Bären treiben ihr Unwesen und eine Anmerkung hebt ausdrücklich hervor, daß die betreffenden Scenen auch weggelassen werden können. „Die Raubvögel“ (Schauspiel in fünf Aufzügen, Salzburg 1782) greifen das damals beliebte Thema der falschen Spieler auf und führen es flüchtig, mit vielen Unwahrscheinlichkeiten, durch. Ein alter Haudegen von einem Oberst, der mit Flüchen um sich wirft, nicht übel. Die komischen Figuren: der Wirth und der Kutscher, mehr lümmel- als possenhaft. Von der Roheit der Späße giebt eine stumme Scene im zweiten Acte ein Beispiel, wo der Wirth mit hinaufgeschobenen Hemdärmeln bei einem Nudelbrett beschäftigt ist, Nudeln „auszuwälchen“; die Tabaksbüchse auf der Seite, wo er wechselweise schnupft und sodann wieder Nudeln macht. Später nimmt er ein ausgewalchtes Blatt und hängt es zum Trocknen über die Schlafhaube auf den Kopf. „Das Laster kömmt an den Tag“ (Schauspiel in vier Aufzügen, Salzburg 1783), ein Extract aus allen Motiven des Sturms und Drangs; die Gräfin Sturz eine carikirte Orsina, die ihren Vergiftungsversuch auf offener Bühne ungeschickt genug vornimmt; der Grenadier [198] Fleckkugel, mit Zügen aus den Schelmenromanen, voller Rührung und Pathos, die in Komik umschlagen; mit seiner Furcht vor dem „Birkenparadies“ und seiner Anhänglichkeit bis zum Henkerbeil eine Paraderolle Schikaneder’s. „Der Grandprofos“ (Trauerspiel in vier Aufzügen, Regensburg 1787), ein militärisches Rührstück, von dem er selbst in der Vorrede sagt: „Die allgemein gesammelte volle Thränenärnte dieses Stückes ist mir Beweis und Befriedigung für meine Arbeit“; zwei Acte lang: Abschied und Todesfurcht. Bei den Einzelheiten des Soldatenlebens kommt es ihm darauf an, seinem Stücke „alles mögliche Täuschungsvermögen zu geben“. Der Naturalismus wird so weit getrieben, daß der Scharfrichter sich zur Execution eine Stelle auswähIt, wo die Sonne nicht blendet, seinen Rock auszieht und sich durch einen Schluck für die Arbeit stärkt.
Auch die Ritterstücke, welche in Schikaneder’s „sämmtlichen theatralischen Werken“ (Wien 1792, zwei Bände) erschienen, reichen in eine frühere Zeit zurück; er folgt den Spuren der bairisch-patriotischen Dichtung, behandelt österreichische Localsagen und übertrumpft seine Vorbilder durch Geschmacklosigkeit und Grausamkeit. Wie bei den Ritterstücken Hensler’s und anderer ist auch hier die Grenze, wo die Parodie anfängt, schwer anzugeben. „Der Bucentaurus oder die Vermählung mit dem Meere zu Venedig“ und „Philippine Welserinn, die schöne Herzogin von Tirol“ sind sicher völlig ernst gemeint. In „Hanns Dollinger oder das heimliche Blutgericht“ aber kann der Heide und Ritter Krako, der die „geharnischten Popanzen“ seiner Gegner gerade gut genug für eine „Nachtmahlzeit“ hält und der „einen gemahlenen Ritter um den andern“ von der Wand sticht und auf die Erde wirft, doch nur komische Wirkung erzielen. In „Herzog Ludwig von Steiermark oder Sarmäts Feuerbär“ geht das Ritterstück schon in das Zaubermärchen über: der Zauberer Sarmäts tritt unter starken Donnerschlägen auf; ein feuriger Klotz rollt vor ihm her; er ist in Thierhäute gekleidet: seine Kopfbedeckung ist mit Schlangen umwunden. Er prophezeit die Zukunft und zeigt sie in seinem Spiegel; er verhängt und heilt Wahnsinn durch die Schläge seines Hammers. Er schickt zu seiner Vertheidigung einen Bären mit Feueraugen auf die Bühne. Mit diesem zauberischen Elemente verbindet sich auf der einen Seite die dramatische Verwerthung der steirischen Alpenlandschaft, auf der andern Seite die Schlächterwut im Stile der englischen Komödianten; wilde Knechte schüren das Feuer unter dem Kessel, worin der Herzog Ernst in Oel gesotten werden soll.
Von da war nur ein Schritt zum reinen Zauber- und Märchenstück, das damals in Wien einer ungeheuren Beliebtheit sich erfreute. Mit Gieseke’s und Wranitzky’s Oper „Oberon“ hatte S. 1790 ein vorzügliches Geschäft gemacht; so schlug er im März 1791 Mozart, mit dem er von Salzburg her bekannt war und dessen ältere Werke auf seiner Bühne aufgeführt wurden, ein Zaubermärchen Lulu (von Liebeskind, in einer von Wieland herausgegebenen Sammlung gedruckt) als Stoff zu einer Oper vor: „Die Zauberflöte“ (erste Aufführung am 30. September 1791, noch in demselben Jahre in Wien gedruckt). Ich glaube aber nicht, daß die gleichzeitige Behandlung desselben Stoffes durch die Dichter des Leopoldstädter Theaters („Kaspar, der Vogelkrämer“ von Hensler, 3. März 1791; „Der Fagottist oder die Zauberzither“ von Perinet, 8. Juni 1791; beide mit Musik von Wenzel Müller) eine Aenderung in Schikaneder’s Plan zur Folge hatte, sondern daß er überhaupt erst durch diese Stücke auf jenen ausgezeichneten Vorwurf hingelenkt wurde. Eine solche gleichzeitige Behandlung desselben Stoffes durch die Wiener Possendichter war damals nichts seltenes. Gieseke und Perinet treffen auch im travestirten Hamlet zusammen; Perinet schrieb eine Oper „Telemach“, trotzdem daß S. schon vor ihm den Stoff in seinem „Königssohn aus Ithaka“ eingeschlachtet hatte. Mit tausend Fäden ist [199] „Die Zauberf1öte“ an die ihr vorausgehende Wiener Possendichtung geknüpft, (deren Kenntniß allen bisherigen Biographen Mozart’s abgeht). Daher wird sich auch wohl nie mit Sicherheit feststellen lassen, wie weit Gieseke (vgl. A. D. B. IX, 162 f.), dem späte und ungenaue Gerüchte die Autorschaft dieses Textbuches zuschreiben, seinem Director dabei geholfen haben mag. Doch kann dessen Antheil nicht sehr groß gewesen sein, weil sich sonst S. nicht so oft, so laut und so stolz als „Vater der Zauberflöte“ hätte verkündigen dürfen. Auch hat die Forschung über Mozart die Vorrede zu Schikaneder’s Oper „Der Spiegel von Arkadien“ (Wien 1795) übersehen, wo er „die Frechheit“ eines gewissen Theaterjournalisten in Regensburg, der einige Schauspieler glauben machen wollte, er hätte an der „Zauberflöte“ mitgearbeitet, mit den schärfsten Ausdrücken zurückweist: „Solche Dreistigkeiten grenzen an Büberei.“ In Schikaneder’s früheren und späteren Werken spricht nichts dafür, daß man ihm die Autorschaft der „Zauberflöte“ streitig machen müßte. Ueberall dieselbe entschiedene Begabung für ernste wie komische Bühneneffecte, für die Wirkung um jeden Preis; eine ungezügelte, kühn waltende Phantasie; schleuderische Arbeit, mangelhafte Motivirung, auch Abweichung vom ursprünglichen Plan findet sich oft; überall dieselbe Mißhandlung der Sprache, des Verses, des Reimes; oft kehrt auch die aufklärerische, tugendboldische Tendenz bei ihm wieder. Die komischen Figuren hat ihm niemand abgestritten: der Papageno kommt ganz auf seine Rechnung. Auch einige musikalische Effecte, die er Mozart angerathen haben soll, dürfen wir S., der z. B. zu seinem ersten Stücke „Die Lyranten oder das lustige Elend“ (Wien 1778) selbst die Musik schrieb, wohl zutrauen. Die Zauberflöte begründete Schikaneder’s Glück für Zeit und Ewigkeit; sie machte ihn reich, sie machte ihn berühmt. Ein großer Theil seiner späteren Producte steht ganz unter dem Bann der Zauberflöte; er setzte sie fort, er schrieb sie aus, er ahmte sie nach. „Das Labyrinth oder der Kampf der Elemente“ (1798. Musik von Winter) wurde als zweiter Theil der Zauberflöte bezeichnet: nach Zelter’s sachkundigem Urtheil voll von Effecten, die das Ohr und den Sinn betäuben und überrennen, Tamino und Papageno müssen sich darin ihre Geliebten von neuem erobern. „Die Pyramiden von Babylon“ (1797. Musik von Gallus und Winter) sind der Zauberflöte sehr ähnlich. Der Vogelfänger Papageno kehrt, wenig verkappt, in andern Stücken wieder. Als Vipernfänger im „Spiegel von Arkadien“ (1794. Musik von Süßmayer); als Kalifornio im „Königssohn aus Ithaka“ (1795. Musik von A. F. Hoffmeister), wo er das Paperllied singt: „Ich schickte mich herrlich darein, ein Paperl, ein Paperl zu sein“ und beim Kuchenessen von zwei Bären attackirt wird: wieder eine berühmte Rolle Schikaneder’s mit Ansätzen zu Raimund’s Simplicius und Valentin u. s. w. Außerdem schrieb S. noch eine lange Reihe von Opern: „Der Zauberpfeil“ (1793, Musik von Lickl), „Der Höllenberg“ (1795. Musik von Wölffl), „Der Löwenbrunnen“ (1797. Musik von Seyfried), „Soliman II“ 1800 (Musik von Süßmayer), „Swetard’s Zauberthal“ (1805. Musik von Fischer); „Die Eisenkönigin“ (1806. Musik von Henneberg) etc. Zahlreiche kleinere Singspiele liefen daneben einher, unter denen „Anton, der dumme Gärtner“ (1789. Musik von Schack und Gerl) und „Die beiden Antone“ (1790. Musik von Schack und anderen. Eine Neubearbeitung von fremder Hand Leipzig 1797) mit ihren zahlreichen Fortsetzungen die beliebtesten waren. Eine eigene Gruppe unter seinen späteren Werken bilden die Wiener Localstücke, in denen er Gewey, Bäuerle und Meisl tüchtig vorarbeitete. Die bekanntesten waren wohl der „Tiroler Wastel“ (1796. Musik von Haibel) mit einer Fortsetzung „Oesterreichs treue Brüder“ und „Die Fiaker in Wien“. Die Genußsucht und Sittenlosigkeit des damaligen Wien ist von niemand anderem, nicht einmal von Perinet mit solcher [200] erschreckenden Naturtreue geschildert worden. Daneben fehlt es diesen Stücken nicht an Heiterkeit, Liebenswürdigkeit und Gemüthlichkeit und selbst ein gegen S. voreingenommener Zuschauer wie Varnhagen von Ense gab sich willig dem Reiz hin, den das Volksthümliche und Ursprüngliche darin auf ihn ausübte.
- S. verdient eine monographische Behandlung. Das Material dazu wäre in Wien wohl aufzutreiben. Die Wiener Stadtbibliothek besitzt das Manuscript des Stückes Der Fleischhauer von Oedenburg, die Hofbibliothek Das abgebrannte Haus, Lustspiel in 1 Aufzuge; Vestas Feuer, eine große heroische Oper (Musik von Jos. Weigl). Die Theaterarchive von Wien und Brünn wären heranzuziehen. – Eine Liste seiner Libretti zusammengestellt von C. F. Pohl 1882 in Grove, Dictionary of Music. – Castelli, Memoiren meines Lebens I, 229 ff. – Varnhagen, Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens II, 319. – Jahn, Mozart II, 379; IV, 560 bis 674, 731; dort auch die ausgedehnte Litteratur über die Zauberflöte; über eine ungarische Uebersetzung aus dem Jahr 1804, die bei Jahn fehlt, vgl. Annalen für den österreichischen Kaiserstaat 1803 II, 110. – Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter I, 17 ff. – Goedeke, Grundriß II, 1071. – Wurzbach XXIX, 299 f.