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ADB:Strähuber, Alexander

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Artikel „Strähuber, Alexander“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 490–493, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Str%C3%A4huber,_Alexander&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 17:44 Uhr UTC)
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Strähuber: Alexander St., Historienmaler, wurde als der Sohn des fürstlich Wrede’schen Stallmeisters St. am 28. Februar 1814 zu Mondsee im Salzkammergut geboren, kam bald darauf mit seinen Eltern nach Ellwangen und mit sieben Jahren nach München, wo der nach dem Wunsche der Eltern zum geistlichen Stande bestimmte junge Studiosus bis zur zweiten Gymnasialclasse auf der Bahn zur Wissenschaft aushielt, dann aber unaufhaltsam der Kunst zusteuerte. Bei Hermann Joseph Mitterer und J. A. Rhomberg wurde St. an der Polytechnischen Schule für die Akademie vorbereitet. Nach dem Tode des Vaters frühzeitig auf eigenen Erwerb angewiesen, zeichnete der Jüngling für die Formschneider Thomas und Heinrich Neuer, welche damals ganz allein die Xylographie zu München ausübten, allerlei Vignetten zu Zeitungsbedarf und Bücherschmuck, lithographirte und copirte – alles mit einer beispiellosen Liebe und Gewissenhaftigkeit, immer nur seine Arbeit und nie den etwaigen, meist geringen Lohn vor Augen. Im J. 1829 kam St. an die Akademie, übte sich unter Heinrich Heß und Clemens Zimmermann im Antikensaal und endlich bei dem ihm so vielfach verwandten Julius Schnorr v. Carolsfeld, wo St. seinen Formensinn und sein Componirtalent herrlich entfaltete. Mit der innigsten Begeisterung hing er an diesem Meister, welcher ihn bald zu seinen besten Gehülfen rechnete. Mit gleichem Geschick versuchte sich St. vielfach in antiken, religiösen und mittelalterlich-historischen Stoffen. Zu den ersteren gehört z. B. ein von ihm 1836 auf Stein gezeichnetes Blatt: „Nessus entführt die Dejanira und wird von Herakles getödtet“. Für Pustet zu Regensburg zeichnete St. zu einem Erbauungsbuch biblische Scenen aus dem alten und neuen Testament, welche in Form und Auffassung als die Vorläufer der späteren Bilderbibel Beachtung verdienen. Auch zu dem von Guido Görres und Franz Pocci herausgegebenen Festkalender (1834 ff.) lieferte St. viele eigene Compositionen und Umzeichnungen nach Bildern von Kaulbach, Führich, E. Steinle und Anderen. Die deutsche Heldensage begeisterte ihn zu verschiedenen Entwürfen, zu „Wieland der Schmied“, „wie Dietrich von Bern den Riesen Ecke erschlägt“ u. s. w. Schnorr übertrug ihm zwei Bilder im Saale Karl’s des Großen (in der königl. Residenz, vgl. Kunstblatt 1841, Nr. 56). Für die große Prachtausgabe des Nibelungenliedes (Stuttgart 1840–43 bei Cotta, mit der Textbearbeitung von G. Pfizer, 1867 von Karl Simrock) zeichnete St. ohne daß dabei sein Name genannt wurde, die meisten Holzstöcke nach den von Schnorr im Erdgeschoß der königl. Residenz gemalten Fresken. – Zu Strähuber’s eigenen und ganz originellen Schöpfungen [491] gehörten unter vielen anderen Blättern ein Aufnahmsdiplom für den Künstlerverein zu Triest (lithographirt bei Zacher 1840); eine auf Pergament mit der Feder und in Farben ausgeführte Zeichnung, welche dem Kronprinzen Maximilian zu seiner Vermählung von dem Gesangverein der Münchener Künstler (1842) überreicht wurde; ein „Schutzengel“ für England („The Guardian Angel“, lithographirt von Melcher). Außerdem illustrirte St. Luther’s Deutsche Lieder (herausgegeben von C. v. Winterfeld, Leipzig 1840; eine ausführliche Besprechung im Kunstblatt Nr. 67 vom 24. August 1841, S. 80) und die von Wenzel Alois Swoboda veranstaltete deutsche (und slavische) Uebersetzung des Thomas v. Kempis (Nachfolge Christi, Prag 1843). Ebenso ist ein „Missale“ (Regensburg bei Pustet 1851; 1852 u. 1856 in neuen Auflagen) mit stilgerechten Arabesken und Initialen dieses Künstlers ausgestattet. In allen diesen Arbeiten bewährte sich sein feines Gefühl für Anmuth, Grazie und Schönheit in überraschender Weise. Einen neuen Aufschwung nahm St. mit seinen Zeichnungen zur Bibel. Die Idee einer Bilderbibel hatte der Historiker Joh. Fr. Böhmer schon während seines Aufenthaltes zu Rom im J. 1819 angeregt; Passavant, Schnorr, Samuel Amsler und Karl Barth verabredeten den Plan; Schnorr sollte die ersten Zeichnungen liefern, dann Konrad Eberhard, Overbeck u. s. w. Amsler und Barth wollten die ersten Stiche ausführen, wozu Böhmer als vorläufigen Zuschuß hundert Scudi steuerte (vgl. Janßen: Böhmer 1869. S. 59). Das Project aber scheiterte, weil der „vornehme“ Kupferstich für ein populäres Unternehmen zu kostbar schien. Später dachte man an die billigere Lithographie, welche indessen nur eine geringe Vervielfältigung erlaubte. Endlich kam Schnorr’s langgehegten Wünschen die Cotta’sche Verlagsbuchhandlung entgegen, wobei der durch seine Fresken in der königl. Residenz schon mehr als billig in Anspruch genommene Meister seine besten Schüler und Gehülfen als Mitarbeiter, und die durch Kaspar Braun’s Atelier neu aufblühende Holzschneidekunst in Vorschlag brachte. So trat nun nach längeren, wohlgeplanten Vorarbeiten, lieferungsweise in der Zeit von 1847–1850 dieses treffliche Werk ins Leben, wozu außer Schnorr und dessen Schülern Gustav Jäger, Fr. Schubert. Alex. St., L. Völlinger und dem damals in München anwesenden Alfred Rethel, noch E. Bendemann, Jos. Ant. Fischer, Overbeck, Veit, Ludwig Richter, E. Steinle und C. F. v. Stralendorf eingeladen wurden und insgesammt Beiträge lieferten (Stuttgart 1850; dritte Aufl. Leipzig 1875 bei Brockhaus. Vgl. Kunstblatt Nr. 26 u. 27, 1848). St. überflügelte bald die anderen Schüler Schnorr’s; seinem Lehrer und Meister, welchem er immerdar mit der innigsten Verehrung und Dankbarkeit zugethan blieb, war er in Fülle und Beweglichkeit der Phantasie wohl ebenbürtig, übertraf ihn aber in der reinen Strenge und Schönheit der Zeichnung, sowie im Adel der Darstellung. Wenige neuere Künstler haben bestimmtere Contouren gezeichnet als St., oder denselben im wohlklingenden Fluß und Rhythmus der Linien erreicht. In der plastischen Kürze des Ausdrucks oder in der bündigen Gedrungenheit der Darstellung, in der weisen Benützung des Raumes und der glücklichen Anordnung bewies St. eine große Gewandtheit, Frische und Schwung. Er hatte den Geist der altdeutschen Holzschnitte tief studirt und erfaßt, voraus Dürer und Heinrich Goltzius, und den daraus gezogenen Gewinn mit dem eigenen, oft ganz italischen Schönheitsgefühl erwärmt und belebt. Einzelne Blätter, z. B. „wie Isaak seine Braut erblickt“, „Jakob’s Kampf mit dem Engel“, „die Kundschafter aus Canaan“, „Josua’s Boten in Jericho und sein Sieg über die Amoriter“, „Gideon’s Opfer", „Jephtha’s unbesonnenes Gelübde“, „David’s Salbung“, „David und Jonathan“ (bezeichnet mit der Jahreszahl 1846), „David und der Pestengel“, „Salomon’s weises Urtheil“, die beiden Bilder zum Psalter und die Vignetten zum Neuen Testament – meist von Rupprecht, Kreuzer und Blanz [492] mit bestem Verständniß meisterlich geschnitten – sind wahre Perlen der deutschen Kunst. Das Maaß der Bildstöcke ist größtentheils nur 11 cm Höhe bei 14 cm Breite (doch kommen auch mehrere mit 13,70✕15,50 vor): aber welch’ durchgebildete Compositionen, viele mit dem herrlichsten landschaftlichen Hintergrunde! Diese nur beispielsweise genannten Arbeiten sind überhaupt ganz vollendete, durchgearbeitete Bilder, da glücklicher Weise nicht das Format, sondern vorerst immer noch der Gehalt entscheidet. Zu der Ausgabe von 1850 lieferte St. 37 Zeichnungen und das Titelblatt zum Alten Testament. Geringer ist sein Antheil am Neuen; hier sind außer den vier Evangelisten nur wenige Bilder von seiner Hand, aber sämmtliche Vignetten und die geistvollen Copien nach E. Steinle. – Damit stand St. auf der Höhe seines Ruhmes. Aber dieser gute Name war theuer erkauft: Der Künstler that sich nie genug; er selbst legte an seine Arbeiten die strengste Kritik. Sobald ihm eine langsam gereifte Composition nicht mehr gefiel, warf er, anstatt etwaiger Aenderungen, das ganze Blatt in den Ofen und begann mit ungeschwächter Ausdauer eine neue, welche nur zu bald dasselbe Schicksal theilte; so fuhr er unerbittlich fort, bis er zuletzt nach vielen verdorbenen Tagen und Wochen, vielleicht zum ersten Project zurückkehrte. Zahllose Arbeiten zerstörte St. mit dieser unfruchtbaren Methode. Ein Anderer hätte mit jenen durch den Kamin gepufften Entwürfen Reichthümer und Schätze gesammelt – auf St. übte das Geld keinen Reiz. Um keinen Preis der Welt hätte er ein, seiner Meinung nach, unvollendetes und unwürdiges Blatt aus der Hand gegeben! Dieses Niefertigwerden, ewige Verbessern, Verbrennen und Wiederbeginnen wurde zu einer wahren Plage, Pein und Krankheit, welche dem Künstler großen Schaden zufügte. Nicht selten verloren die Auftraggeber die Geduld, nahmen die schönsten, neidenswerthesten Bestellungen zurück, an welche der scrupulöse Mann alle Mühe und Kraft gesetzt und verschwendet hatte, und das in einer Zeit, wo St. keine Stelle bekleidete und verheirathet und mit munteren Knaben gesegnet, einzig auf den Ertrag seines Pinsels angewiesen war. Zu den wunderlichen Eigenthümlichkeiten dieses Künstlers gehörte auch die Gewohnheit, alle seine Compositionen statt mit dem Stifte oder der Feder, lieber mittelst des Pinsels auf das Holz zu übertragen, wobei er durch lange Uebung in Führung desselben die größte Sicherheit erreicht hatte. Aber auch hier wusch er immer wieder aus und bereitete sich und Anderen böse Tage. Ein solches Schmerzenskind war das Blatt, wie Leopold der Schyre im Heldenkampfe gegen die Ungarn 907 sein Leben verliert (in dem von Echter, Foltz, Hiltensperger, Andreas Müller, Karl Piloty und M. v. Schwind gezeichneten Cyclus „Zwölf Bilder aus dem Leben bairischer Fürsten“, München (1852) bei Braun u. Schneider), welches schließlich dem nimmersatten Verbesserer geradezu mit Gewalt aus den Händen genommen werden mußte. Aehnlich erging es mit der Copie von Kaulbach’s „Hunnenschlacht“, welche St. im Winter 1854 auf 1855 in Berlin nach dem daselbst im Besitze des Grafen Raczynski befindlichen Original für den Kupferstich zeichnete (gestochen von Louis Jacoby; photographirt von Fr. Bruckmann). Aus den dazu bestimmten Wochen wurden Monate bis St. mit dieser Arbeit zu Ende kam; er hat diese wirklich unvergleichliche Schöpfung mit dem innigsten Verständniß wiedergegeben. Diese selbstsuchtlose Treue schätzte Kaulbach hoch, und übertrug dem Erprobten und Bewährten die Ausführung seiner „Reformation“, ebenso der „Schlacht von Salamis“ und des „Nero“; St. zeichnete nach den kleinen Skizzen Kaulbach’s für diese genannten Compositionen den Contour im Großen auf die gewaltigen Cartons. Es mag ihm oft schwer genug geworden sein, mit völligem Verzicht auf eigene Erfindung solche Handreichung zu thun; er vollführte diese Leistungen mit der ihm eigenen unverbrüchlichen Gewissenhaftigkeit, welche Kaulbach’s vollste Befriedigung errang. [493] Hier ging ihm die strengste Arbeit leicht von Statten, da seine sonstige Unschlüssigkeit bei fremden Werken völlig verschwand. Indessen zeichnete St. auch viele Cartons nach eigenen Compositionen, insbesondere im Auftrage Ainmüller’s zu dessen Glasgemälden für den Regensburger und den Kölner Dom; für Glasgow „die Bekehrung des Paulus“ (nach Schnorr’s Skizze) 1867 und eine „Kreuzigung“ für St. Paul in London (1868); ersteres eine Stiftung des Sir Thomas Brown, letzteres eine solche der Londoner Tuchmacher-Innung. Strähuber’s letzte, leider unvollendete Schöpfung war ein „St. Georg“ mit einem riesigen „Gottvater“ und einem meisterlich in einen Vierpaß componirten Engel. Inzwischen entwarf St. auch viele Holzstockzeichnungen zum sogenannten Hermann-„Kalender“ (München 1842 u. 1843), zum „Buch für fromme Kinder“ (Braun u. Schneider), zu Tr. Löschke’s „Himmelsblümchen“ (München 1848 bei Kaiser); für G. Scherer’s „Alte und neue Kinderlieder" radirte St. einige Blätter, welche in der vierten Auflage nicht besonders glücklich durch fremde Hand in Holzschnitt übersetzt wurden. Ebenso enthalten Scherer’s „Volkslieder“ vier Zeichnungen von St., welcher auch das schöne von H. Merz gestochene Titelblatt zu J. A. Meßmer’s „Das heilige Land“ (München 1860) componirte. – Strähuber’s äußere Lebensereignisse sind sehr einfach: 1853 wurde er Ehrenmitglied, 1862 Corrector in der Antikenclasse, 1865 Professor der Akademie, wo er sich als ausgezeichneter, von seinen zahlreichen Schülern immerdar hochverehrter Lehrer bewies, für welche Thätigkeit er 1879 mit dem Ritterkreuz I. Classe vom Verdienstorden des heil. Michael decorirt wurde. Mit unermüdlichem Eifer seinen Berufspflichten obliegend und in der ihm kurz zugemessenen Freizeit unausgesetzt künstlerisch thätig, erlahmte schließlich seine Kraft. Sein Leben erlosch am Morgen des Sylvestertages 1882. Rein und lauter wie seine ideale Kunst, war auch sein edler, männlicher und durchweg ehrenhafter Charakter.

Vgl. Nagler 1847. XVII, 451 ff. – Maillinger, Bilder-Chronik II, 3327 ff. – Wurzbach 1879. XXXIX, 210 ff. – Beil. 47 Allgem. Ztg. 16. Februar 1883. – Kunstvereinsbericht für 1883 S. 63 ff. – Lützow’s Zeitschrift. 1883. XVIII, 284.