BLKÖ:Böhm, Joseph Daniel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 2 (1857), ab Seite: 20. (Quelle) | |||
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[21] März 1794).[BN 1] Ist der Sohn protestantischer Eltern, und verlor als er erst 7 Jahre alt war, seinen Vater. Die mittellose Mutter gab den Knaben in eine Handlung nach Iglo [Neudorf], wo er 6 Jahre in der Lehre zubrachte. Die freien Stunden benützte der Knabe, aus den Kernen des Steinobstes niedliches Schnitzwerk zu schneiden, welches in der nächsten Umgebung sehr gefiel; bald machte er sich an größere Versuche und schmückte das Haus eines Edelmanns mit plastischen Zierathen u. d. m. Nach beendeter Lehrzeit wandte er sich an den Maler Zausig in Leutschau, der ihn freundlich im Zeichnen unterrichtete und dem talentvollen Jünglinge dabei so viel von Wiens Kunstschätzen erzählte, daß dieser mit einem Male den ihm zugewiesenen Lebenszweck aufgebend, im Jahre 1813 sein Bündel schnürte und nach der Residenz wanderte. Dort gelang es ihm nach Ueberwindung einiger Schwierigkeiten, in der Akademie der bildenden Künste zur Probe zugelassen zu werden, die über alle Erwartung glücklich ausfiel. Eine trefflich gelungene Copie des Anatomiekopfes des Professors Fischer erwarb dem talentvollen Jünglinge des Meisters Gunst im vollen Maße. Da übrigens seine Börse erschöpft war, begann er seine frühern Schnitzereien aus Obstkernen, und unternahm eine sehr mühsame und kunstvolle Arbeit, ein Halsband, welches ganze Figuren, Köpfe, Embleme und Verzierungen, alles auf den eben beendigten Völkerkrieg und die in Wien anwesenden Alliirten (1814) bezüglich, vorstellte. Moriz Graf Fries kam in den Besitz dieses Kunstwerkes, und gab dem jungen Künstler 25 Ducaten dafür. Die Bekanntschaft mit dem Vorsteher der Fries’schen Sammlungen v. Rechberger war aber für B.’s höhere Geschmacksrichtung und Veredlung des Kunstsinnes von Einfluß. An Bestellungen zu Arbeiten fehlte es auch nicht, dabei besuchte B. die Akademie und lernte in Strants Atelier die Kunst in Holz zu schnitzen. Auf des Dir. Zauners Rath verlegte er sich auf die Steinschneiderei und bildete sich darin zum Meister. Viele Arbeiten B.’s aus jener Epoche kamen aus dem Lande. Da sich jedoch in diesem Fache nicht günstige Aussichten zu hinreichender Beschäftigung zeigten, wendete sich B. dem Medaillenfache zu, indem er den mechanischen Theil der Stahlarbeit handwerksmäßig bei einem Schlosser erlernte. Seine beiden Mäcene, Graf Lamberg und Graf Fries setzten ihn nunmehr in den Stand, seinen Lieblingswunsch erfüllen zu können, und 1821 reiste B. nach Italien. Dort aus den unsterblichen Werken der Kunst nahm B. nicht blos Eindrücke mit, die den Künstler und seine Phantasie bildeten und entwickelten, die Kunst feierte hier noch einen höheren Sieg. Die Innigkeit, Unschuld, Einfalt des Glaubens, welche namentlich aus den Werken der ältern italischen Malerschulen spricht, wirkten so tief auf B.’s Gemüth, daß dieser zur katholischen Kirche übertrat. In Rom gewann er die Freundschaft des großen Thorwaldsen, der sich eben mit der Restauration der „Aegineten“ beschäftigte, von denen B. einige Abgüsse nahm, die sich jetzt in der Wiener Akad. der bildenden Künste befinden. Besonders begeisterten ihn Pisano’s Werke im Dom zu Ovieto, woran B. 6 Wochen copirte und auch den Brunnen von Perugia, Pisano’s Meisterwerk, im Kleinen als Tafelaufsatz modellirte. Diese Sculpturen führte B. in Kehlheimer Platten aus, in welchen er später viele Porträte vollendete, wovon eine ganze Sammlung der Graf Fries besaß. 1822 kehrte B. nach Wien zurück. Sein Gönner Graf Lamberg war mittlerweile gestorben, das Haus Fries hatte fallirt. Doch fand B. anfänglich genug Beschäftigung. Se. kais. Hoheit Erzherzog Johann ließ von Böhm [22] mehrere plastische Werke: „Standbilder der vorzüglichsten Fürsten des Erzhauses Oesterreich“ für die Capelle seines Brandhofs in Steiermark ausführen. Als aber der kunstsinnige Rudolph Graf Czernin an die Spitze der Akademie der bildenden Künste als Präsident trat, wurde B. zum zweiten Male (1825) auf vier Jahre als Pensionär im Medaillenfache nach Rom geschickt. Dahin waren eben um diese Zeit die berühmten „Elgin marbles“[WS 1] angekommen. An diesen Meisterwerken bildete sich nun Böhm aus und copirte mit päpstlichem Privilegium einen Theil derselben in geistreicher u. kunstgemäßer Ausführung. Nebenbei arbeitete er Medaillen und Porträte in Kehlheimer Platten, die er mit Oel tränkte u. ihnen eine der plastischen Behandlung so angemessene Farbe zu verleihen verstand, daß sich namentlich diese Arbeiten einer vorzugsweise großen Beliebtheit erfreuten. Neben seiner künstlerischen Ausbildung entwickelte sich in B. noch eine andere Idee, nämlich die zu einer Sammlung von Kunstwerken zu einer allgemeinen praktischen Kunstgeschichte. Thatsächlich brachte er auch eine Reihe der interessantesten Kunstincunabeln sowohl aus der christlichen Kunstgeschichte, als von Resten der griechischen, römischen ja egyptischen Vorzeit zusammen, unter denen sich ganz kostbare Schätze befinden, u. a. zwei in Holz geschnitzte Köpfe [allem Anschein nach von Holbein] von wunderbarer Schönheit. Auch eine Menge pompejischer und herkulanischer Vasen befindet sich in dieser Sammlung. Im Jahre 1829 kehrte B. nach Wien zurück, und erweckte durch seine Arbeiten die Aufmerksamkeit des allerhöchsten Hofes, so daß er schon 1831 zum Kammermedailleur ernannt wurde, eben als im Ausland Schritte geschahen, den Künstler seiner Heimat zu entreißen. Im J. 1844 trat Böhm noch mit zwei Künstlern aus seiner Schule eine dritte Reise nach Italien an und nahm in Florenz in der reichen Sammlung des Palastes degli uffizj Studien vor. Böhms Arbeiten stehen in eigenthümlich treu-fleißiger Vollendung da; durch seinen eigenen Genius hat er sich Bahn gebrochen und seinen Arbeiten jene zarte und doch kraftvolle Bestimmtheit verliehen, welche nur dann erreicht werden kann, wenn die Masse selbst Geist wird. Deutscher Fleiß und die seltenste Vereinigung von Kühnheit, Treue und Sicherheit bezeichnen, in welcher Gattung es sei, Böhms Kunstschöpfungen. Die Zahl von Böhms Arbeiten in den verschiedenen Kunstgebieten, die er pflegte – er schnitt erhaben und vertieft in Stein – in Holz – in Kehlheimer Marmor – in Halbedelsteine – in Metall –, ist sehr groß und eine Aufzählung, so interessant für die Kunstgeschichte, würde einen unverhältnißmäßigen Raum einnehmen, doch sollen die vorzüglichsten im Folgenden erwähnt werden: In Stein schnitt er in einen Ring für den Fürsten Metternich einen „Faun aus dem Zuge des Bacchus“; – das „Porträt des Kaisers Franz“ in einen Siegelring, der sich im kais. Antiken-Cabinete befindet; – „Amor, der Löwenbändiger“ und „Ein Adlerkopf“ für Hrn. Hebenstreit; – eine „Antike Tänzerin“ für seinen Mäcen den Grafen Lamberg; – ein „Grosser Römerkopf“ für Hrn. Neuling; – „Ein Heros mit einem Lorbeerkranze“, ein Intaglio bewunderungswürdig in der Feinheit der Ausführung, athmend den Geist der Antike; – eine kleine Medaille: „Brustbild Franz I.“, auf der Reversseite: „die Victoria“; – „Thorwaldsens Bild“, Abguß von einer Camee; – „Die Flucht der Helena“, für Hrn. v. Speck in Leipzig ausgeführt; – die „Medaille für die Agrikultur-Gesellschaft“; – die „Preismedaille für Beförderung der Obstbaumzucht in Steiermark“ mit der Inschrift: „Pflanzet Bäume, damit ihr deren Früchte genießet“; – die „Denkmünzen auf Fodor“; [23] – „Lablache“; – die „Catalani“ und den Historienmaler „David“; – das „Bild von Thomas Gargallo“; – die „Denkmünze auf den Fürsten Schwarzenberg“, auf der einen Seite sein Porträt in ernster Eigenthümlichkeit und milder Größe; auf der Reversseite: Harnisch, Schild, Schwert und Commardostab, diese vier Simbole sind an die mit dem Helm gekrönte Denksäule angelehnt; auf Schwert und Commandostab sitzt der Vogel Minervens; – die „Denkmünze auf den Hofschauspieler Koch“, ausgezeichnet durch Treue und Bestimmtheit der Darstellung; – die „Preismedaille zu Ehren des Joseph Freiherrn v. Jacquin“, womit sich Böhm um den Reichel’schen Preis bewarb u. ihn auch erhielt. Die obere Seite stellt Jacquins wohlgetroffenes Bild dar; auf der Reversseite überliefert die Geschichte der Fama des edlen Naturforschers Namen und Thaten auf einer Rolle verzeichnet, seinem Sarkophage angelehnt, auf welchem die Jacquinia und Aeskulaps Stab eingegraben sind. Unter dem Fußgestell sind Jacquin’s Geburts- und Sterbejahr und die Worte zu lesen: Amore Florum Tantus; – die „Medaille für den Fürsterzbischof von Olmütz, Grafen Chotek“; – die „Denkmünze auf die Anwesenheit der Aerzte und Naturforscher in Wien“; – die „Drei Preismedaillen für die Josephinische Akademie“; – das „Bildniss des Herzogs von Reichstadt“, Basrelief in Gyps, in vollendeter Treue; und ein zweites desselben Prinzen (beide aus den J. 1824 u. 1825); – das „Bildniss des Grafen von Hohenwarth, Erzbischofs von Wien“, in carrarischem Marmor; – das „Porträt des Papstes Gregor XVI.“; – „Porträt des Grafen Lützow“; – „Des Cardinals Consalvi“; – „Der Albaneserin Vittoria[WS 2]“; – „Des Kronprinzen Ferdinand“ (nachherigen Kaisers) in Kehlheimer Stein. Außer den bereits erwähnten Copien der „Elginschen Marmore“ copirte und ergänzte Böhm 14 der schönsten Tafeln aus dem „Panathenaeischen Festzuge“. Als Director der k. k. Münzgraveur-Akademie in Wien entfaltete der ausgezeichnete, gründlich gebildete Künstler und emsige Sammler eine segensvolle Wirksamkeit.
Böhm, Joseph Daniel (Bildhauer, Medailleur und Steinschneider, geb. zu Wallendorf in der Zips 16.- Archiv für Geschichte, Statistik, Liter. u. Kunst XV. Jahrg. (Wien 1824, 4°.) 1826, Nr. 128 u. 129. – Nagler (G. K. Dr.), Neues allgem. Künstler-Lexikon (München 1835 u. f., 8°.) I. Bd. S. 560 [nennt ihn irrig: Johann Daniel]. – Oester. National-Encyklopädie (von Gräffer u. Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 325. VI. Bd. Suppl. S. 376. – Kunstblatt. Beilage zum Morgenblatt (Stuttgart, 4°.) 1826, S. 379. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibliogr. Inst.) IV. Bd. 4. Abtheil. S. 1294: „II. Künstler, Nr. 5“ [nennt ihn irrig Johann Daniel, statt Joseph Daniel]. – Nouvelle Biographie générale … publiée sous la direction de M. le Dr. Hoffer (Paris 1853) VI. Bd. Sp. 345 [nennt ihn irrig: Jean Daniel].[BN 2][BN 3]
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ † Böhm, Joseph Daniel [s. d. Bd. II, S. 20], gestorben zu Wien 15. August 1865. Zu der ausführlichen Lebensskizze Böhm’s im 2. Bande dieses Lexikons ist nur hinzuzufügen, daß er auf die jüngere Generation der österreichischen Kunstgelehrten, unter denen Baron Sacken in Wien, Henszlmann in Pesth beispielsweise genannt sein mögen, im hohen Grade anregend gewirkt hat. Unter seinen Schülern ist der Medailleur Professor Karl Radnitzky besonders zu nennen. In seiner zahlreichen Familie haben zwei Söhne sich der Kunst gewidmet und zwar der eine, Wolfgang, der Malerei, der andere, Joseph, der Bildhauerei. Beide leben zur Zeit in England.
- Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt, Fol.) 1865, Nr. 349; „J. D. Böhm“. [Band 14, S. 404]
- ↑ E Böhm, Joseph Daniel, k. k. Kammer-Medailleur [Bd. II, S. 20; Bd. XIV, S. 404].
- Pester Lloyd 1865, Nr. 240, im Feuilleton: „Ueber J. D. Böhm und sein Museum“, von Henßlmann. – Wiener Zeitung 1865, Nr. 254, S. 364: „Auction des Kunstcabinets J. D. Böhm“; – dieselbe, Nr. 292, S. 925: Schluß der Kunstauction [Angabe der Preise der erheblichsten Kunstobjecte]. [Band 22, S. 486]
- ↑ E Böhm, Joseph Daniel [Bd. II, S. 20; Bd. XIV, S. 404; Bd. XXII, S. 486].
- Versteigerung der Kunst-Sammlung des am 15. August 1865 verstorbenen k. k. Kammer-Medailleurs und Directors der k. k. Münz-Graveur-Akademie Herrn Jos. Dan. Böhm zu Wien am 4. December d. J. u. a. d. f. Tagen durch Alexander Posonyi, Kunsthändler (Wien 1865, gr. 8°., XXVI u. 198 S. mit in den Text gedruckten Holzschnitten]. – Hoffinger (Ritter v.), Oesterr. Ehrenhalle u. s. w., III. 1865, S. 68. [Band 24, S. 378]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Elgin Marbles (Wikipedia).
- ↑ Vittoria Caldoni (Wikipedia).