BLKÖ:Liechtenstein, Karl Borromäus Joseph Fürst

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 15 (1866), ab Seite: 165. (Quelle)
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Liechtenstein, Karl Borromäus Joseph Fürst, öfter auch Karl allein (k. k. Feldmarschall, geb. 20. September 1730, gest. 21. Februar 1789). Ein Sohn des Fürsten Emanuel [S. 122, Nr. 14] aus dessen Ehe mit Maria Anna Gräfin Dietrichstein und ein Neffe des berühmten Joseph Wenzel [S. 156]. In früher Jugend widmete er sich dem Waffendienste und trat mit der bei dieser Familie für den Reiterdienst herrschenden Vorliebe bei einem Reiterregimente ein. Von Stufe zu Stufe rasch vorrückend, war er im siebenjährigen Kriege bereits General. An allen wichtigeren Kämpfen dieses Krieges hatte er rühmlichen Theil. Bei Reichenberg (April 1757) trug er eine schwere Wunde davon. Bei dem Sturme auf Schweidnitz zeichnete sich der Fürst besonders aus. Vorerst trug er Sorge, daß das nöthige Sturmgeräthe aus der Umgegend in möglichster Stille und vom Feinde unbemerkt herbeigeschafft wurde. Beim Sturme selbst war er mit seiner Reiterei einer der ersten in die Stadt gedrungen, hatte überall, wo sich die feindliche Besatzung zu sammeln anfing, dieselbe versprengt; die von den befreiten Gefangenen zum Plündern aufgeforderten Soldaten, davon abgehalten und zur Ordnung und Kriegszucht zurückgeführt und sich überhaupt so hervorgethan, daß Feldmarschall Loudon ihn mit der Nachricht von der Einnahme der Festung an die Kaiserin nach Wien schickte. Die Kaiserin belohnte die Verdienste des Fürsten durch Verleihung des goldenen Vließes, durch Ernennung zum zweiten Inhaber des 1. Dragoner-Regiments und durch Uebertragung der Stelle eines Commandanten der Stadt Wien. Im bayerischen Erbfolgekriege 1778 war der Fürst bereits zum General der Cavallerie vorgerückt. Mit 12 Bataillonen und [166] 18 Schwadronen – 28.000 Mann stark – stand er zu Anfang des Krieges bei Leitmeritz an der sächsischen Grenze, dem Feinde den Weg nach Bayern versperrrend. Als sich später die österreichische Armee enger zusammenzog, führte er sein Corps in klugen Bewegungen über Bischitz, Benatek und Jungbunzlau zu Loudon’s Armee, an welche er sich bald darauf anschloß, nachdem Prinz Heinrich von Preußen in Böhmen eingebrochen war. Nun führte er im August, bis zum 9. September, als die Lage der Unseren durch die Bewegungen des Feindes sich mehrere Male kritisch gestaltete, verschiedene Märsche und Bewegungen mit großer Geschicklichkeit und stets mit den beabsichtigten Erfolgen aus. Im Türkenkriege übernahm der Fürst von dem Feldmarschall-Lieutenant Freiherrn De Vins im April 1788 den Oberbefehl des 36.000 Mann starken Armeecorps in Croatien. Die bisherigen Versuche, die Festung Türkisch-Dubitza zu nehmen, waren mißlungen. Der Fürst traf nun alle Voranstalten dazu, half dem bereits eingetretenen Mangel an Lebensmitteln ab und beorderte Belagerungs-Artillerie herbei. In der Nacht vom 19. auf den 20. April wurde der Angriff in zwei Colonnen, deren erste der Feldmarschall-Lieutenant De Vins und der General-Major Schlaun, die zweite der Fürst selbst führte, beschlossen. Nach ungeheueren Anstrengungen gelang es am 20. mit Tagesanbruch eine feste Aufstellung bei Begovstan zu nehmen und bald darauf, ungeachtet der Feind ein heftiges Geschützfeuer aus der Festung eröffnete, die Unna auf rasch hergestellten Brücken zu übersetzen. Nun wurden im Laufe des Tages drei Redouten erbaut und das Hauptquartier nach Croatisch-Dubitza übersetzt, überdieß, um jedem von den Belagerten gehofften Entsatze zuvorzukommen, in den Belagerungsarbeiten auf das Schleunigste fortgefahren. Schon in der Nacht vom 20. auf den 21. wurden die Parallelen eröffnet und dieselben den Tag über auf eine Strecke von 260 Klafter ausgedehnt. Als am Morgen des 21. die Türken ihren Feind so nahe der Festung entdeckten, begannen sie ein heftiges Gewehr- und Geschützfeuer und verbrannten auch den größten Theil der Vorstädte. Endlich am 22. April, gegen Abend, begannen bereits die Batterien der Belagerer gegen den Platz zu spielen. Nach 24 Stunden war eine Bresche von 20 Klafter Länge in der Festungsmauer geschossen. Nichtsdestoweniger wies der Feind die erste Aufforderung zur Uebergabe am 23. mit Hohn ab; nach einer zweiten, indem die Beschießung fortgesetzt wurde, am nämlichen Tage, erbat er sich einen Tag Bedenkzeit. Offenbar erwartete er Zuzüge und der Fürst ging auf dieses Begehren nicht ein. Mit Tagesanbruch des 23. sollte die Festung von den Unseren mit Sturm genommen werden. Schon mit der Morgendämmerung führte General-Major Graf Khuen in aller Stille seine Truppe zum Sturme, aber auch die Belagerten hatten sich vorgesehen und empfingen die Stürmenden mit einem fürchterlichen Kugelregen, der eine allgemeine Unordnung unter denselben hervorbrachte. Auch eine rasch herbeigeholte Unterstützung blieb ohne Erfolg, da die Besatzung von der Wirkung ihres Feuers ermuthigt, die Bresche übersprang und selbst zum Angriffe überging, den sie jedoch bald einstellte und in die Festung sich zurückzog. In der That hatte sich nun auch gezeigt, daß die Belagerten nur um Aufschub gebeten hatten, weil sie Verstärkungen mit Zuversicht erwarteten, denn noch im Laufe des Vormittags [167] erschien unter entsetzlichem Kriegsgeschrei eine mehrere Tausende zählende Masse von Kämpfern aller Art vor der Festung, fiel in das kaiserliche Lager von verschiedenen Seiten ein, schwamm zum Theile durch die Unna, besetzte zum Theile, um sich den Rückzug zu sichern, verschiedene Puncte. Wohl fuhr das Geschütz der Belagerer fort zu feuern, aber die reißende Schnelligkeit, mit welcher die Bosnier und Tataren der Festung zueilten und in scheinbar ordnungslosen Haufen überall durchbrachen, verringerte sehr die Wirkung des Geschützes, auch hatte sich eine größere Abtheilung der Feinde so aufgestellt, daß man alsbald ihren Angriff gewärtigen mußte. Der Kampf von allen Seiten war ein hitziger, der Fürst selbst war einen Augenblick in der Gefahr, von den Bosniern, nachdem diese eine der aufgestellten Huszarenschwadronen durchbrochen und ihn umrungen hatten, gefangen zu werden. Nur die Umsicht des Obersten Jellačić, der ihn noch rechtzeitig in das Quarré des 2. Banal-Regiments aufnahm, und mit demselben gegen die Lanzen der ansprengenden feindlichen Reiter unerschütterlich Stand hielt, bewirkte des Fürsten Rettung. Eine Abtheilung der Feinde hatte sich mit Uebermacht auf unsere Breschbatterie geworfen, dieselbe erobert und die Besatzung vernichtet. Da gewahrte General-Major Schlaun, der an Stelle des schwerverwundeten Grafen Khuen das Commando in den Laufgräben übernommen hatte, wie dieser Haufe nunmehr beschäftigt war, die Festung mit Lebensmitteln, Munition und neuen Kämpfern zu versorgen. Rasch mit einer Abtheilung von Preiß-Infanterie und einigen Zügen Croaten drang er im Sturm mit gefälltem Bajonnete auf denselben ein, hieb Alles, was sich zur Wehr setzte, nieder und hatte so die Batterie zurückerobert. Die Türken, von diesem unvermutheten Angriffe überrascht, ergriffen die Flucht und das Gefecht, das bisher mehr als zweifelhaft geschienen, war in kurzer Zeit zu Gunsten der Unseren entschieden. Den Tag über blieb Alles noch kampfbereit unter Waffen, und die Einnahme von Dubitza schien nur auf kurze Zeit verzögert zu sein. Aber noch am nämlichen Tage brachte ein Officier von Alt-Gradisca die Nachricht, daß ein 10.000 Mann starkes Corps Türken von Berbir her im Anzuge sei. Auch kamen den Tag über noch Nachrichten von anderen feindlichen Zuzügen von verschiedenen Seiten. Die Stärke der überdieß durch große und andauernde Strapazen erschöpften Belagerungstruppen war einer solchen feindlichen Uebermacht nicht gewachsen, es mußte also vorderhand der ganze Angriffsplan geändert, die Belagerung Dubitza’s zunächst aufgegeben und eine neue Stellung genommen werden, die den Feind hinderte, etwas Erfolgreiches zu unternehmen. Jedoch gab der Fürst seinen Plan der Einnahme von Dubitza nicht auf und traf alle Voranstalten, die auch den späteren Fall der Festung unter seinem Nachfolger ermöglichten. Denn er selbst war in Folge seiner rastlosen Thätigkeit schwer erkrankt, hatte anfänglich Heilung in Petrinia gesucht, wo sich das Leiden aber so verschlimmerte, daß er nach Wien gebracht werden mußte, wo er auch nach mehrmonatlichem schweren Siechthum demselben erlag. Der Fürst zählte zu den Lieblingen des Kaisers Joseph II., der ihn in den engeren Kreis seiner vertraulichen Umgebungen zog. Ueber seine militärische Tüchtigkeit gibt Prinz De Ligne in seinen Memoiren über den bayerischen Erbfolgekrieg ein kurzes aber ehrenvolles Zeugniß: „Liechtenstein“, [168] schreibt der Prinz, „me fit voir ses arrangemens, qui étoient d’autant meilleurs que le diable ne l’auroit pas fait demordre d’aucun de ces objets de défense. Je defie d’en trouver un plus brave et plus déterminé, et il est avec cela actif, confiant et inspire les qualités qu’il a, à sa troupe“. Ein liebenswürdiges Benehmen, ein edles humanes Wesen, gewannen ihm, als er Commandirender von Wien war, die allgemeine Zuneigung. Seit 30. März 1761 mit Maria Eleonora Fürstin von Oettingen-Spielberg vermält, entstammen dieser Ehe eine Tochter und sechs Söhne [s. d. II. Stammtafel], unter denen Wenzel [S. 170], Moriz [auf dieser Seite] und Alois [S. 109] den Ruhm ihrer glorreichen Ahnen glänzend fördern halfen, Franz Alois Crispin [S. 123, Nr. 16] im schönsten Jünglingsalter vor dem Feinde, und Karl Borromäus [S. 130, Nr. 41] in einem unglücklichen Zweikampfe ein vorschnelles Ende fand.

Ritter von Rittersberg (J.), Biographien der ausgezeichnetesten verstorbenen und lebenden Feldherren der k. k. österreichischen Armee (Prag 1828, 8°.) S. 710. – Thaten und Charakterzüge berühmter österreichischer Feldherren (Wien 1808, Degen, 8°.) Bd. II, S. 83. – Taschenbuch für die vaterländische Geschichte. Herausgegeben von den Freiherren von Hormayr und von Mednyansky (Wien, Härter, kl. 8°.) III. Jahrgang (1822), S. 76. – Vehse (Eduard Dr.), Geschichte des österreichischen Hofs und Adels und der österreichischen Diplomatie (Hamburg, Hoffmann u. Campe, 8°.) Bd. IX, S. 16 u. f. [enthält eine Schilderung des englischen Touristen Wraxall über die Anmuth und Liebenswürdigkeit der Fürstin Maria Eleonora, Gemalin des Fürsten Karl L.]. – Porträt. Unterschrift: Karl Joseph Fürst v. Lichtenstein, k. k. General-Feldmarschall. L. v. Rittersberg lith. (Prag, 8°.).