Berichtigung und Ergänzung des Füsselischen Tagbuchs, im 2ten Theil S. 321-332, Ermreut betreffend
Der Verfasser dieses Aufsatzes hat mit vielem Vergnügen gelesen, daß Herr Füssel auch dem in dem Fränkischen Kreise liegenden ritterschaftlichen Orte Ermreut einen Artikel gewidmet, und das lesende Publicum mit einer ganz artigen Beschreibung desselbigen unterhalten hat. Da aber Hr. Füssel sich nicht weitläuftiger ausbreiten konnte, als gerade zu seinem Zweck dienlich war, da er ferner nur von dem Notiz geben konnte, was er in einem kurzen Zeitraum selbst gesehen, und von andern erzählen gehöret hat: so sieht sich der Verfasser des gegenwärtigen Aufsatzes dadurch aufgefordert ein und anderes zu berichtigen und näher zu beleuchten.
| Ermreut liegt von Erlangen 3 Stunden, gränzt an das Bambergische und Nürnbergische Gebiet, wie auch an einige ritterschaftliche Güter, und gehört zu dem Fränkischen Ritterort Gebirg. Übrigens hat Hr. Füssel die Marsch-Route von Erlangen aus, und die Ortschaften, wo man durchkommt, nebst den dabey liegenden Gegenden genau und richtig beschrieben von S. 321–326. Die gemeinschaftlichen Besitzer dieses gewiß nicht unbeträchtlichen Rittersitzes sind die beyden Freyherren von Künsberg von der Thurnauischen Branche. Der ältere ist Hr. Hanß Friedrich Franciscus Freyherr von Künsberg, herzoglich Braunschweigischer Geheimder Rath und Oberhofmeister bey der verwittibten Frau Marggräfin zu Brandenburg-Culmbach, die zu Erlangen ihre Residenz hat, dann des erneuerten hochfürstl. Brandenburgischen rothen Adler- und des Johanniter-Ordens Ritter, wie auch Deputatus bey dem Fränkischen Canton Steigerwald. Der jüngere aber ist Herr Karl Ludwig Ernst, Freyherr von Künsberg, herzoglich Wirtembergischer Geheimer Rath, gewesener Oberhofmeister bey der verstorbenen Frau Herzogin zu Wirtenberg, und wirklicher Ritter-Rath bey| dem Canton Gebirg. Der ältere Herr von Künsberg hat keine Kinder, der jüngere aber, nämlich der herzoglich Wirtembergische Herr Geheimde Rath, hat zwey Söhne, welche die künftigen Besitzer nicht nur von Ermreut, sondern auch von allen demselben zugehörigen Rittergütern seyn werden. Von dem ältern dieser Söhne redet Herr Füssel, wenn er S. 321 sagt, daß er in der muntern Gesellschaft des künftigen Besitzers, Herrn Kammerjunkers Hans von Künsberg, von Erlangen aus nach Ermreut gereist sey. – Ehedessen gehörte dieser Ritterort den Herren von Künsberg von Thurnau-Ermreut, die mit den gegenwärtigen Besitzern aus einem Stamme entsprossen sind, und einerley Ur-Großvater gehabt haben. Nachdem jene Linie ohne männliche Nachkommenschaft ausgestorben ist, so haben die beyden Herren Geheimden Räthe von Künsberg, als rechtmäßige Erben und Nachfolger, 1764 Ermreut in Besitz genommen, und es bey dem hochfürstlichen Lehenhof zu Anspach dahin eingeleitet, daß die noch übrigen freyherrl. von Künsbergischen Geschlechter evangelisch-| lutherischer Religion als von Hain und Tandorf mit belehnet worden sind.Wenn Herr Füssel S. 327 von dem Ort Ermreut selbst schreibt: daß man solchen mehr für einen Marktflecken, als für ein Dorf halte; so hat er nicht Unrecht. Es sind in der Mitte desselben zwey geräumige Straßen, die gepflastert sind, und auf jeder Seite Reihen von Häusern. Ausser diesen ist noch eine Straße gegen Erlangen und den Hochweg, wie ihn Herr Füssel nennt, oder der Chaussee, und dann über dem Schloß bey dem Amthause hinaus wieder eine Straße, welche alle mit Häusern angebaut sind. Zu Ermreut gehören auch noch verschiedene Wohnungen, die eine kleine Viertelstunde von dem Orte selbst oben an dem Hochwege liegen, nicht weit von dem errichteten antiken Altar, der Freundschaft und Liebe gewidmet, welchen Herr Füssel S. 326 beschreibet: diese heissen zusammengenommen der Gleißenhof. Herr Füssel erwähnet seiner nicht, obschon daselbst die herrschaftliche Ökonomie und Meyerey ist, nebst einigen Häusern Künsbergischer Unterthanen, die sich daselbst angebaut haben.
| Dieser Gleißenhof wird noch immer mehr erweitert durch neue Familien, die sich da anbauen und häuslich niederlassen. Die Berge und Hügel, womit Ermreut umgeben ist, sind meistens zu Feldern umgearbeitet und fruchtbar, viele aber derselben mit Kirschbäumen bepflanzet. Es wachsen auf diesen Bergen alle Gattungen von Getraid und Feldfrüchten. Besonders ist der Boden dem Waizen- und Dinkelbau sehr günstig. Ganz trefflich und von vorzüglicher Güte ist das Wiesenfutter, und zur Mastung für das Rindvieh überaus dienlich. Daher ist das Heu und Grummet auf den Ermreuter Fluren, die so anmuthsvoll im Thale liegen, sehr gesucht, und es kommen die Bewohner vom Gebirge gegen die Nürnbergischen Örter Gräfenberg und Hilpoltstein zu auf 3 bis 4 Stunden her, um sich Ermreuter Wiesen zu pachten, und wenden gerne Geld und Kosten darauf, wenn sie nur solche bekommen können. Daß die Einwohner ihr Getraid und ihre übrigen Producte, die sie verkaufen können, wohl anbringen, ist leicht zu erachten; weil die Städte Nürnberg und Erlangen nicht zu weit davon entlegen sind. Der beträchtlichste Nahrungszweig ist immer der| Obst-Bau, wenn obstreiche Jahre sind. Herr Füssel gibt davon besondere Nachricht S. 326, Kirschen und Weichseln (saure Kirschen) sind von vorzüglicher Güte, und werden, wenn diese Früchte wohl gedeihen, in Menge ausgeführt, so daß es Wahrheit ist, wenn Herr F. sagt, daß die Einwohner 1000 Reichsthlr. nur an Kirschen gewinnen können. Geschieht es, daß noch das übrige Obst, als Birnen, Äpfel, Zwetschgen, einschlagen: so ist der Gewinn wohl noch größer. Wenn aber Herr F. hinzusetzt: daß Ermreut noch mehr gewinnen würde, wenn es sein Obst selbst ausführte; so aber kämen, wann das Obst in den Kern wächst, Käufler aus Erlangen und Nürnberg hieher (S. 327) und kauften die Frucht ganzer Gärten noch am Baum: so mag das wohl ehedessen geschehen seyn, da die Einwohner den Preis des Obstes und den Wehrt desselben von auswärtigen Käufern kennen und schätzen lernen mußten. Ich kann aber versichern, daß es in Ermreut selbst viele gibt, die neben ihrer Handthierung und dem Feldbau den Obsthandel stark treiben, ganze Kirschgärten, wie auch ganze Obstfelder zusammen kaufen, und die Früchte theils auf Schubkarren, theils auf| Wägen, die sie von den Bauern, welche Anspann haben, dingen, nach Erlangen, am allermeisten aber nach Nürnberg schaffen lassen und sie dort verkaufen. Diese Leute nennt man hier zu Lande Öbstler.Die Schilderung, welche Herr F. von dem Schlosse, seiner Lage, und der gegenwärtigen modernen Einrichtung macht, ist wohl getroffen. (S. 327 und 28.) In Ansehung des Schloßgartens aber wäre wohl die Frage aufzuwerfen: ob der ökonomische Nutzen desselben, den Herr F. doch selbst eingesteht, nicht dem Vergnügen, schattenreiche Alleen dafür anzubringen, und deswegen die üppigen (warum üppig?) Graßplätze, trefflichen Obstbäume, und Gemüße wegzuschaffen, weit vorzuziehen sey?
S. 330 schildert Herr F. den Amtmann zu Ermreut, Herrn Mayer, als einen Mann der das Studium der Ökonomie sich zu seinem Nebengeschäfft gemacht habe, und dadurch, daß er alles, was zur bessern Aufnahme des Landbaus und der Viehzucht geschrieben wird, ins Werk zu setzen suche, Ermreut sehr nützlich werde. Ohne diesem Manne seine Verdienste streitig zu machen, kann ich der| Wahrheit zur Steuer sagen, daß es eigentlich der Besitzer des Ritterguts selbst, der jüngere Freyherr von Künsberg, und herzoglich Würtenbergische Geheimde-Rath ist, welcher die Ökonomie auf das thätigste zu betreiben sucht, alle die dahin einschlagenden neuen Bücher liest, nach denselben Versuche in der Landwirthschaft mit glücklichem Erfolge anstellt, die alten Vorurtheile, die noch unter den Bauern gäng und gebe sind, so viel möglich, zu verbannen, und dagegen seinen Unterthanen zweckmäßigere Methoden zur Verbesserung ihrer Feldgüter und Viehzucht durch sein eigenes Beyspiel beyzubringen sich bemühet. Er ließ den ganzen öden Berganger, wo vorhin ungeheure Steinmassen waren, umarbeiten und urbar machen, und bauet darauf gegenwärtig die schönsten Feldfrüchte, als Korn, Waitzen, Dinkel, Hafer, Gerste, Kraut, Rüben, Erdäpfel, Klee. Herr Amtmann Mayer ist nur das Werkzeug, wodurch die Ökonomie ad interim besorgt wird, wenn gedachter Herr Geheimde Rath (welches nur den Winter über geschiehet) abwesend ist, und kann in diesem Fache weiter nichts thun, als die Befehle vollziehen, die ihm von seiner Herrschaft ertheilt werden. Von| dem damahligen Pfarrer Döhlemann, der nun seit einigen Jahren tod ist, gedenkt der Verfasser des Tagbuches weiter nichts, als daß er ein grauer biederer Teutscher gewesen, der viel von dem Umgang und Zeitvertreib seines vorigen Herrn zu erzählen wisse. Hier hat Herr F. doch wohl, ohne sein Verschulden, zu wenig gesagt. Denn wie ist es möglich, einen Mann in wenigen Stunden von der Seite kennen zu lernen, wodurch er sich um einen Ort oder seine Einwohner verdient gemacht hat, zumahl wenn er bescheiden ist, und nicht bey dem dritten Worte von seinem eignen hohen Ich spricht. Ausser dem geistlichen Amte, welches der verstorbene Pfarrer Doehlemann mit aller Treue verwaltete, hat er nebst seinem Schwager, dem noch lebenden Schulmeister Hechtel, vieles zur Beförderung der Obstcultur in Ermreut mitgewirket. Denn er war nicht nur ein großer Liebhaber der Baumzucht, sondern auch wirklich ein Kenner der Art, Bäume von mancherley guten Obstsorten so zu behandeln, daß sie aufkamen und fortschlugen. Pfarrer Doehlemann war es, der auf einem Stück Landes, das zur Pfarre gehört, und an dem Abhang eines Berges| liegt, zuerst einen Kirschgarten angelegt, wo vorher noch keiner war, verschiedene Arten von rothen, schwarzen Kirschbäumen, und dann auch von Spanischen Weichselbäumen dahin gepflanzet, beynahe auf allen zur Pfarre gehörigen Feldgütern Bäume mancherley guter Sorten von Stein- und Kernobst hingesetzt, ein ihm eigenthümlich zugehöriges Feld, welches er von seinem Vater erblich angenommen, und das seine noch lebende hinterlassene Wittwe besitzet, eben auf diese Weise mit Anpflanzen von Kirschbäumen und andern schönen Obstbäumen verbessert, sich oft mit seinen Pfarrkindern über Obstcultur und Baumzucht besprochen, ihnen seine Erfahrungen und seine Behandlung der Bäume mitgetheilt, und dadurch vieles zur Aufrechthaltung dieses beträchtlichen Nahrungszweiges mit beygetragen hat. Schulmeister Hechtel hat aber dieses nicht allein alles auch gethan, sondern er hat auch viel 100 und 1000 Obstbäumen und besonders auch Kirschbäumen, durch seine geschickte Hand im Belzen und Oculiren mancherley seltne und treffliche Früchte gegeben, und dadurch den Ermreuter Einwohnern in der That vielen Nutzen verschafft. Überhaupt aber| haben die beyden Herrn Geheimde-Räthe von Künsberg, seitdem sie dieses Rittergut besitzen, alles gethan, was dasselbe in Flor bringen konnte, und durch Anlegung einer Chaussee, Verschönerung des Schlosses, eigne ökonomische Anstalten, Urbarmachung mancher leeren und öden Stücke Landes, die jetzt in fruchttragende Felder umgeschaffen worden, dergestalt verbessert, daß Ermreut eine ganz andere trefflichere Gestalt gewinnet, als es ehedessen unter seinen vormahligen Besitzern gehabt hat.