Die Gartenlaube (1876)/Heft 7

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1876
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 7.   1876.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig – In Heften à 50 Pfennig.



Nachdruck verboten und Ueber-
setzungsrecht vorbehalten.     
Im Hause des Commerzienrathes.


Von E. Marlitt.


(Fortsetzung.)


Während dieser Mittheilungen glitt die Frau Diaconus immer noch ordnend, aber so geräuschlosen, behutsamen Trittes umher, als säße der Doctor bereits dort am Schreibtisch über seinem neuen Werke, zu dessen ungestörter Vollendung er sich eben „das Zimmer im Grünen“ vorbehalten hatte. Und dann schloß sie ein Wandschränkchen neben dem Büchergestell auf und nahm einen Teller mit Prophetenkuchen heraus. Mit einer anmuthigen Geberde hielt sie dem jungen Mädchen das einfache Gebäck hin. „Es ist ganz frisch – ich habe es heute, trotz aller Umzugsarbeit, gebacken. Der Doctor braucht immer dergleichen für kleine widerhaarige Patienten … Wein aber kann ich Ihnen nicht anbieten; die wenigen Flaschen, auf die wir halten, habe ich in der Stadt gelassen; sie gehören den Schwerkranken.“

Käthe dachte an die vielen Papiere in ihrem Geldschrank, die „bienenfleißig arbeiten“, um immer neue Geldströme aus der Welt herbeizuziehen, an den reichausgestatteten Weinkeller im Thurm, an ihre übermüthige cigarrenrauchende Schwester zwischen den purpurfarbenen Polstern des Ruhebettes – welch ein ungeheurer Contrast zu diesem einfachen Genügen und Entsagen! Und wie wurde sie hier an ihr Dresdner Heim erinnert! Das Herz ging ihr auf; sie erzählte von ihrer Pflegemutter und der weisen, festen und doch so wohlthuenden Art, wie sie wirke und Andere beeinflusse, wie sie die fleißigen Hände rege und von der Pflegetochter dasselbe verlange.

„Was aber sagt die Frau Präsidentin zu diesem Erziehungssystem?“ fragte die Tante fein lächelnd, während ihr Blick in geheimem Wohlgefallen an der blühenden Jugendgestalt hing.

„Ich weiß es nicht,“ versetzte Käthe achselzuckend, mit muthwillig aufblitzenden Augen, „aber ich glaube, meine Bewegungen sind ihr zu rasch, meine Stimme klingt ihr zu laut, ich bin ihr zu robust und nicht blaß genug. Gott mag wissen, wie viel Noth man mit mir hat! – Ist dies das Portrait Ihrer Frau Schwester?“ fragte sie plötzlich ablenkend und zeigte nach dem Oelbild einer hübschen Frau, das an der Wand lehnte.

Die alte Dame bejahte die Frage. „Es macht mir Angst, bis ich es wieder an seinem sicheren Platze sehe; der Rahmen ist ein wenig hinfällig,“ sagte sie. „Aber ich leide an Schwindel und darf mich nicht auf die Leiter wagen … Vor einigen Wochen habe ich das Dienstmädchen abgeschafft,“ – eine zarte Röthe stieg ihr in das Gesicht – „und nun muß ich warten, bis die Aufwärterin kommt und mir die letzten Bilder und meine Bettgardinen aufhängt.“

Schon bei den ersten Worten dieser Auseinandersetzung war Käthe an den Schreibtisch getreten; sie legte den Sonnenschirm auf die Platte desselben und steckte unbedenklich den kleinen Strauß von Weidenkätzchen und Leberblümchen in ein zierliches milchweißes Trinkglas, das neben dem Schreibzeuge stand. Dann zog sie mit einem kräftigen Rucke den Arbeitstisch tiefer in das Zimmer und stellte einen Rohrstuhl an die Wand. „Darf ich?“ fragte sie zutraulich und griff nach Hammer und Nägeln, die auf dem Fenstersimse bereit lagen.

Dankbar lächelnd brachte die Tante das Bild herbei, und nach wenigen Augenblicken hing es an der Wand. Käthe bebte unwillkürlich zurück, als ihr die alte Dame nun auch Flora’s Photographie hinhielt. Sie sollte mit eigener Hand dem verrathenen Manne das Bild vor die Augen führen, das schon nicht mehr sein Eigenthum war – binnen Kurzem wurde es zurückgefordert, so gut wie der Ring, den er noch am Finger trug. Welche peinvolle Lage! Und jetzt ließ die Tante auch noch liebkosend die Hand über das Portrait hingleiten. „Sie ist so wunderschön,“ sagte sie zärtlich. „Ich kenne sie im Grunde wenig; sie besucht mich sehr selten; wie könnte ich alte Frau denn auch verlangen, daß sie sich bei mir langweilen soll, aber ich habe sie doch von Herzen lieb; sie liebt ihn ja und wird ihn glücklich machen.“

Diese unbegreifliche Ahnungslosigkeit! Dem jungen Mädchen war es, als brenne der Stuhl unter ihren Füßen – sie hatte zu kopflos gehandelt. Nach Allem, was sie eben noch drüben im Thurme mit angehört, durfte sie hier nicht eintreten. Sie kam sich falsch und heuchlerisch vor, weil sie nicht der Frau sofort das Bild aus der Hand stieß und ihr die Schlange enthüllte, die nach ihrem Herzen zischte. Und doch durfte ihr kein Wort entschlüpfen. Sie schlug so heftig auf den Nagel, daß die Wand dröhnte, dann hing sie mit spitzen Fingern die Photographie hin und sprang vom Stuhle. Wie ein schöner, böser, triumphirender Dämon lächelte das verführerische Gesicht der Schwester auf den Schreibtisch nieder.

Käthe griff nach ihrem Sonnenschirme, um schleunigst das Zimmer zu verlassen. Ueber die Schwelle schreitend, sah sie durch die nächste, weitoffene Thür direct auf das Bett der alten Dame – die Treppenleiter stand daneben. „Das hätte ich fast vergessen,“ rief sie entschuldigend; sie huschte hinüber, und den buntgeblümten Vorhang vom Bette nehmend, stieg sie die Leiter hinauf. Seitwärts in der dunklen Fensterecke stand sie so hoch oben, daß sie die herabhängenden Füßchen der Engelsgestalten in der Deckenverzierung berühren konnte. Mit fliegender Hast [110] reihte sie die Ringe der Gardine auf das Eisengestell, während die Tante an dem mitten in ihrem Zimmer befindlichen Tische stand und ein Glas Wasser mit Himbeersaft „für ihre gütige Gehülfin“ mischte.

Da sah Käthe draußen am Fenster einen Mann rasch vorübergehen, einen Mann von strenger Haltung und auffallend stattlicher Gestalt. Sie erkannte ihn sofort und erschrak; ehe sie sich aber klar wurde, ob sie bleiben oder schleunigst herabsteigen sollte, hatte er schon den Flur durchschritten und öffnete die Thür im Zimmer der Tante. Die alte Dame drehte sich um, und mit dem Ausrufe: „Ach, Leo, da bist Du ja schon!“ eilte sie auf ihn zu und schlang ihre Arme um seinen Hals. Vergessen war die Himbeerlimonade, vergessen „die gütige Gehülfin“, welche sie trinken sollte, und die sich nun in namenloser Verlegenheit halb und halb hinter dem Kattunvorhange zu verbergen suchte – jetzt mußte sie sich still verhalten, wenn sie nicht plump störend zwischen die Wiedersehensscene treten wollte.

Sie sah, wie sich das schöne, bärtige Gesicht des Doctors liebevoll über die treue, mütterliche Pflegerin neigte, wie er sie fest an sich zog und ihre Hand von seiner Schulter nahm, um sie ehrerbietig zu küssen. Und nun überblickten seine Augen das Zimmer.

Nun, Leo, was sagst Du, daß ich ohne Dein Vorwissen ausgeflogen bin?“ fragte die alte Dame, den Blick auffangend.

„Ich sollte das eigentlich nicht billigen. Du hast Dir in den wenigen Tagen zu viel zugemuthet, und wir wissen, daß Dir häusliche Unruhe und Ueberstürzung stets feindlich sind; übrigens siehst Du wohl und frisch aus.“

„Du aber nicht, Leo,“ unterbrach ihn die Tante bekümmert. „Du hast nicht die kräftige Farbe wie sonst, und hier“ – sie strich leicht mit der Hand über seine Stirn – „liegt etwas Fremdes, etwas wie ein finsterer, quälender Gedanke. Hast Du Verdruß gehabt auf Deiner Berufsreise?“

„Nein, Tante!“ Das klang aufrichtig und beruhigend, aber auch kurz abbrechend – der Commerzienrath hatte es ja gesagt, Bruck sprach nie über seinen Beruf und dessen Vorkommnisse. „Wie mich dieses Zimmer anheimelt, trotz seiner verdunkelten Wände!“ sagte er, und die Hände auf dem Rücken gekreuzt, wandelte er mit musterndem Blicke langsam nur den Tisch. „Der Friede der selbstlosen Frauenseele weht Einen an – das ist’s auch, weshalb ich so gern heimgehe in unser Stillleben mit den einfachen Möbeln und Deinem geräuschlosen Walten, Tante. Ich werde viel hier sein –“

Die alte Frau lachte. „Ja, ja, bis zu einem gewissen Junitage,“ versetzte sie schelmisch. „Zu Pfingsten wird Deine Hochzeit sein.“

„Am zweiten Pfingsttage.“ Wie seltsam er das aussprach, so kalt und fest, so unerbittlich – der ließ sich nicht eine Secunde von der festgesetzten Stunde abdingen. Käthe fühlte etwas, wie einen Angstschauer. Sie hielt den Athem zurück; nun durfte sie sich gar nicht sehen lassen. Von Minute zu Minute hoffte sie, daß der Doctor in sein Zimmer gehen werde, dann konnte sie leicht ihren hohen Standpunkt verlassen und hinausschlüpfen, ohne ihm begegnen zu müssen. Ihre ganze Natur empörte sich gegen dieses unfreiwillige Lauschen. Aber statt zu gehen, blieb er plötzlich am Tische stehen und nahm einen Brief zur Hand, der zwischen verschiedenen, noch nicht geordneten Bücherstößen lag.

Die Tante machte eine unwillkürliche Bewegung, als wolle sie ihn verhindern, zu lesen; ihr zartes Gesicht war sehr roth geworden. „Ach Gott, wie vergeßlich wird doch so ein alter Kopf!“ klagte sie. „Der Brief wurde vor einigen Stunden aus der Stadt mitgebracht. Er ist vom Kaufmanne Lenz; heute sollte er gar nicht in Deine Hände kommen, und nun habe ich ihn doch liegen lassen. Ich glaube, er enthält das Honorar – zu so ungewöhnlicher Zeit, Leo – ich fürchte –“

Der Doctor hatte das Couvert bereits erbrochen und überflog die Zeilen. „Ja, auch er lohnt mich ab,“ sagte er ruhig und warf den Brief und etwas Papiergeld auf den Tisch. „Grämst Du Dich darüber, Tante?“

„Ich? Nicht einen Augenblick, Leo, wenn ich weiß, daß Du Dir die Undankbarkeit dieser urtheilslosen Menschen nicht zu Herzen nimmst. … Ich glaube unerschütterlich an Dich und Deine Kunst und – an Deinen Stern,“ sagte die sanfte Frauenstimme warm und überzeugungsfroh. „Die Steine, die Mißgeschick und Uebelwollen Dir zeitweilig unter die Füße werfen, beirren mich nicht – Du machst Deinen Weg.“ Sie zeigte in die offene Thür des Eckzimmers. „Sieh’ Dir Dein Stübchen an! Wie ungestört und unbehelligt wirst Du hier denken und arbeiten können! Ach, und wie freue ich mich der Zeit, die wir noch traulich zusammenleben werden, wo ich noch für Dich sorgen darf –“

„Ja, Tante – aber die Einschränkungen, die Du in Folge des mißlichen Umschwungs meiner Verhältnisse während der letzten Monate allmählich eingeführt hast, müssen aufhören. Ich leide nicht mehr, daß Du stundenlang auf dem kalten Steinfußboden der Küche stehst. Wenn möglich, rufst Du noch heute unsere alte Köchin zurück. Du kannst das unbesorgt.“ Er griff in die Brusttasche, nahm eine schwere Börse heraus – sie strotzte von Goldstücken – und schüttete ihren Inhalt auf den Tisch.

Die alte Frau schlug stumm und in freudiger Ueberraschung die Hände zusammen über das rollende Gold auf ihrer einfachen Tischdecke.

„Es ist ein einziges Honorar, Tante,“ sagte er mit hörbarer Genugthuung. „Die schwere Zeit ist vorüber.“ Bei diesen Worten wandte er sich ab und trat auf die Schwelle des Eckzimmers.

Man sah, die Tante hatte Manches auf dem Herzen, aber sie fragte mit keiner Silbe, welcher Cur und welchem Patienten er diese große Geldsumme verdanke.

Käthe benutzte den günstigen Moment, um die Leiter hinabzugleiten. Wie schlug ihr das Herz, wie brannten ihre Wangen vor Beschämung darüber, daß sie diese intimen Erörterungen mit angehört hatte! Dort die Thür führte direct in den Flur. Da hinaus konnte sie unbemerkt entkommen; selbst die Tante Diaconus sollte glauben, sie habe längst das Schlafzimmer verlassen und kein Wort von Allem gehört, was gesprochen worden. Verstohlen flog ihr Blick hinüber in das Eckzimmer, wo die Beiden eben an den Schreibtisch traten. In diesem Augenblicke hörte sie den Doctor sagen: „Sieh da, die ersten Frühlingsblumen! Hast Du gewußt, daß ich die hübschen blauen Blümchen so gern habe?“

Ein Ausruf des Staunens unterbrach ihn. „Ich nicht, Leo – Käthchen, Deine junge Schwägerin, hat die Blumen in das Glas gestellt. … Nein, bin ich zerstreut und vergeßlich!“ Die alte Dame eilte herüber, aber schon drückte Käthe draußen die Thür hinter sich zu und schlüpfte durch den Flur in’s Freie.

Nun ging sie langsam und beruhigt unter den Fenstern hin. Durch die nächsten schimmerten schwach die bunten Bouquets der schief und unvollendet herabhängenden Bettgardine; dann kam sie zu den zwei Fenstern mit den hübschen Filetvorhängen im Zimmer der Tante. Ein Fensterflügel stand offen, und der Hyacinthen- und Narcissenduft wehte heraus. Plötzlich schob eine schöne kräftige Männerhand ein weißes Glas mit blauen Blumen auf den Sims, zwischen die Töpfe; es war ihr kleiner Frühlingsstrauß, den der Doctor von seinem Schreibtische entfernte und hierher brachte.

Sie fuhr heftig zusammen. Flüchtig und unbedacht, wie sie war, hatte sie sich in ein sonderbares Licht gestellt. Daß sie die Blumen auf seinen Tisch gesetzt, mußte er offenbar für die Tactlosigkeit, die Zudringlichkeit eines unbesonnenen jungen Mädchens halten. Sofort blieb sie stehen, und den feuchten Glanz unterdrückter Zornesthränen in den Augen, streckte sie die Hand zum Fenster empor – diese Bewegung machte den Doctor aufsehen.

„Wollen Sie die Freundlichkeit haben, mir die Blumen herauszugeben, Herr Doctor? Sie gehören mir; ich hatte sie für einen Moment aus der Hand gelegt und dann vergessen,“ sagte sie, mühsam ihre Aufregung unter angenommener Ruhe verbergend.

Im ersten Moment schien es, als erschrecke er leicht beim Klange der Stimme, die ihn so unerwartet ansprach, es war ihm doch wohl unlieb, daß Käthe ihn beobachtet hatte, aber er unterdrückte augenblicklich die unangenehme Empfindung und sagte freundlich: „Ich werde Ihnen die Blumen bringen.“ Diese tiefe gelassene Stimme entwaffnete sie sofort – er hatte ihr nicht wehe thun wollen.

[111] Gleich darauf kam er die Stufen herab. Mit dem prächtig niederwallenden Bart, der breiten Brust und den gemessen edlen Bewegungen war und blieb er eine Gestalt, die man sich eigentlich nur in Uniform denken mochte, und wenn auch nur im grünen Waidmannsrocke. Er reichte dem jungen Mädchen das Glas mit einer höflichen Verbeugung.

Sie nahm die Blumen heraus. „Es sind die ersten, kleine, vorwitzige Dinger, die nicht schnell genug in die scharfe Aprilluft herauskommen können,“ sagte sie lächelnd. „Man muß sich vielmal bücken und sie mühsam zusammensuchen, freut sich dann aber auch mehr daran, als an einem ganzen Treibhaus voll Blumen.“ – Nun erst war sie beruhigt; nun glaubte er ganz gewiß nicht mehr, daß sie auf die neue Verwandtschaft hin seinen Schreibtisch plump vertraulich attaquirt habe.

Jetzt erschien auch die Tante am offenen Fenster. Sie entschuldigte sich und bat das junge Mädchen in warmen Worten, recht oft zu kommen.

„Fräulein Käthe geht ja schon in wenigen Wochen nach Dresden zurück,“ antwortete der Doctor fast hastig an Käthe’s Stelle.

Sie stutzte. Hatte er Furcht, sie werde bei ihren Besuchen mit der ahnungslosen alten Frau über sein seltsames Verlobungsverhältniß sprechen? Diese Annahme verdroß sie, aber er that ihr so leid um seiner inneren Leiden willen, die er so streng in seiner Brust verschloß. Und sie konnte ihn nicht einmal beruhigen.

„Ich werde länger bleiben, Herr Doctor,“ versetzte sie ernst. „Ja, es ist leicht möglich, daß sich mein Aufenthalt in Moritzens Hause über viele Monate ausdehnt. Als Henriettens Arzt werden Sie ja am besten beurtheilen können, wann ich meine kranke Schwester ohne Sorge verlassen und zu meinen Pflegeeltern zurückkehren kann.“

„Sie wollen Henriette pflegen?“

„Wie es sich von selbst versteht,“ ergänzte sie. „Schlimm genug, daß ihre Pflege bis heute ausschließlich in fremden Händen gewesen ist. Die Arme verbringt ihre Nächte lieber hülflos, als daß sie sich entschließt, Beistand herbeizurufen, weil die sauren, mürrischen Mienen der verschlafenen Gesichter sie beleidigen, weil sie zu stolz und vielleicht auch zu krankhaft reizbar ist, um sich ihre Abhängigkeit von Untergebenen so fühlbar machen zu lassen. Das darf nicht mehr vorkommen – ich bleibe bei ihr.“

„Sie denken sich die Aufgabe jedenfalls viel zu leicht – Henriette ist sehr krank;“ er strich sich mit der Hand so langsam über die Stirn, daß die Augen für einen Moment nicht sichtbar waren; „es werden schwere, bange Stunden zu überwinden sein.“

„Ich weiß es,“ sagte sie leise und tiefe Blässe deckte secundenlang ihr Gesicht. „Aber ich habe Muth –“

„Daran zweifle ich nicht,“ unterbrach er sie, „ich glaube ebenso an Ihre Geduld wie an Ihre ausdauernde Barmherzigkeit, aber es läßt sich nicht ermessen, bis zu welchem Zeitpunkt die Kranke – keine Pflege mehr brauchen wird. Deshalb darf ich nicht zugeben, daß Sie die Sache so energisch in die Hand nehmen. Sie können es physisch nicht durchsetzen.“

„Ich?“ Sie hob und streckte unwillkürlich ihre Arme und sah stolzlächelnd auf sie nieder. „Kommt Ihnen Ihre Befürchtung nicht selbst unmotivirt vor, wenn Sie mich ansehen, Herr Doctor?“ fragte sie mit einem heiteren Aufblick. „Ich bin von derbem Schrot und Korn; ich bin nach meiner Großmutter Sommer geartet; die war ein Bauernkind, oder vielmehr ein Holzhackerstöchterlein, ist barfuß gelaufen und hat die Axt im Walde besser geschwungen als ihre Brüder – ich weiß es von Suse.“

Er sah von ihr fort zum offenen Fenster hinüber; da stand die alte Frau Diaconus selbstvergessen hinter ihren Hyacinthen und Narcissen, und ihr Blick hing wie verzaubert an dem Mädchen. – Sein Gesicht verfinsterte sich auffallend.

„Es handelt sich weniger um die Stahlkraft der Muskeln,“ sagte er ausweichend. „Ein solches Pflegeramt mit seinen Aufregungen und Aengsten richtet sich feindlich gegen das Nervenleben – übrigens,“ unterbrach er sich, „steht es mir ja gar nicht zu, bestimmend auf Ihre Entschlüsse einzuwirken. Das ist Sache Ihres Vormundes. Moritz soll entscheiden; er wird voraussichtlich darauf bestehen, daß Sie zur festgesetzten Zeit in das Haus Ihrer Pflegeeltern zurückkehren.“ Der Doctor sprach die letzten Worte, ganz gegen seine gewohnte Milde und Gelassenheit, ziemlich schroff.

Die Tante zog sich unwillkürlich tiefer in das Zimmer zurück; Käthe dagegen blieb ruhig stehen „Aber warum denn so unbeugsam, Herr Doctor? Warum wünschen Sie denn, daß Moritz gar so hart mit mir verfährt?“ fragte sie mädchenhaft sanft. „Will ich denn Böses? Und sollte Moritz wirklich die Befugniß zustehen, mich von der Erfüllung meiner schwesterlichen Pflicht abzuhalten? Ich glaube es nicht. … Nun weiß ich aber einen Ausweg: Veranlassen Sie Henriette, mich nach Dresden zu begleiten! Dort theile ich mit meiner Doctorin die Pflege der Patientin; das wird doch meinen Nerven nicht schaden?“ Sie lächelte ganz leise.

„Gut – ich werde einen Versuch machen,“ sagte er sehr bestimmt.

„Dann gebe ich Ihnen mein Wort, daß ich so bald wie möglich auf- und davonfliegen werde,“ versetzte sie ebenso fest mit einem sprechenden Blick, vor dem er, wie auf einem Unrecht ertappt, die Augen niederschlug.

Die Tante bog sich plötzlich aus dem Fenster und sah dem Doctor erstaunt und beweglich in das Gesicht – er war ja merkwürdig schweigsam. Da stand er nun und löste einige verdorrte Weinranken vom Spalier, die der Zugwind hin- und herschaukelte, und sagte keine Silbe mehr.

„Gehen Sie denn so gern?“ fragte die alte Frau sichtlich verlegen mit liebreichem Vorwurfe.

Käthe zog eben den in den Nacken gesunkenen Schleier wieder über den Kopf und knüpfte ihn fest unter dem Kinn. Wie eine Pfirsichblüthe leuchtete ihr Gesicht aus dem dunkeln Gewebe. „Soll ich aus Höflichkeit ‚Nein‘ sagen, Frau Diaconus?“ fragte sie lächelnd zurück. Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich bin leidlich vernünftig für die Welt und ihre Dinge, wie sie nun einmal sind, erzogen, aber all’ und jede Caprice der Individualität fegt auch die strengste Zucht nicht aus den Seelenwinkeln. Ich stehe z. B. der Großmama meiner Schwestern heute genau so verwunderlich fremd gegenüber, wie damals, wo ich ihr auf Befehl meines Vaters die Hand küssen mußte; ich stoße mich insgeheim consequent an Ecken und Eckchen, die für Andere nicht da sind und welche mich schon als Kind gequält und beunruhigt haben. Und wie durchkältet ist mein Vaterhaus!“ – sie schauerte – „man steht mit seinen warmen Füßen auf zu viel Marmor. Dazu ist Moritz ein so entsetzlich vornehmer Mann geworden“ – zwei schelmische Grübchen zeigten sich auf ihren Wangen – „man erschrickt und schämt sich ja förmlich, wenn Einem die eigene kahle Visitenkarte vor die Augen kommt … ja, meine liebe Frau Diaconus, ich kehre herzlich gern nach Dresden zurück, vorausgesetzt, daß Henriette mich begleitet; außerdem“ – sie wandte sich, aus dem scherzenden Tone in einen sehr entschiedenen übergehend, wieder an den Doctor – „außerdem werde ich mein Möglichstes thun, mich in die gegebenen Verhältnisse zu schicken und zu bleiben, selbst auf die Gefahr hin, daß Moritz mich zwangsweise nach Dresden zu befördern versucht.“

Sie grüßte herzlich zu der alten Dame hinüber, verbeugte sich leicht gegen den Doctor und verließ den Garten, um doch noch in die Schloßmühle zu gehen, obgleich bereits der Abend hereinbrach.




8.


Und nun war es ganz dunkel geworden; auf dem Thurme der Spinnerei hatte es Sieben geschlagen, und Käthe saß noch in dem einen Bogenfenster der Schloßmühlenstube. Sie hatte zwar vorher auf Suse’s dringende Bitte hin den Wäscheschrank inspicirt; die Alte traute der Müllerfrau nicht, die pflegend ab- und zuging, und behauptete, nach schöner, „selbstgesponnener“ Wäsche mache „Jede“ lange Finger, dann hatte sie, wie bisher jeden Tag, die Abendsuppe gekocht und die Kranke zu Bett gebracht, die, wenn auch bedeutend wohler, doch noch sehr unbehülflich und schwach war. … Nun aber saß das junge Mädchen doch schon lange Zeit, die Hände feiernd im Schooße gefaltet, still in der Fensterecke und ließ sich von den Schatten des Abends förmlich einspinnen. So gut wurde es ihr drüben [112] im Hause des Commerzienrathes nicht; da gab es kein Erholungsdämmerstündchen wie in Dresden. Sobald die Sonne erloschen, sanken unerbittlich die Rouleaux unter den Händen der Dienerschaft; die Gasflammen schlugen auf, und eine blendende Lichtfluth jagte den Schatten auch aus den fernsten Ecken.

Der dumpfe Pendelschlag der alten Wanduhr klang wie ein tactmäßiges, unterirdisches Klopfen, und durch den dicken, grünen Vorhang der geschlossenen Alkoventhür glomm das Nachtlicht an Susens Bett wie ein verdüstertes Gnomenauge. Das war wieder einmal ein so athemlos stiller Augenblick im Dunkeln. Wie hatte sie als Kind in solchen Momenten gläubig auf das Huschen und Schlurfen weißbestäubter Heinzelmännchen gehorcht, wenn ihr Suse erzählte, daß im Grundsteine der Mühle abergläubischer und barbarischer Weise ein neugeborenes Kind eingeschlossen und der Mauermörtel von dem übermüthigen Erbauer mit kostbarem Wein gemischt worden sei! Heute flogen ihr diese Erinnerungen nur flüchtig durch den Sinn; ihr Auge hing an dem schwachen Dämmerscheine, der durch das Südfenster hereinfiel, auf die Stelle, wo der Schloßmüller gestorben war, und sie dachte an die Art und Weise, wie Doctor Bruck ihr selbst die öffentliche Verurtheilung seiner Person mitgetheilt, und jetzt begriff sie noch weniger als neulich, daß er sich ihr gegenüber zu einer Vertheidigung herabgelassen hatte. … Und wenn die ganze Welt darauf bestand, sie glaubte nicht an ein keckes, gewissenloses Wagen, an dünkelhafte Selbstüberschätzung ohne Kunst und Wissen bei dem Manne, der die ernste, gedankenvolle Ruhe, die schlichte Wahrhaftigkeit und Geradheit selbst war. Und jetzt schoß ihr die Blutwelle wieder heiß und jäh nach dem Herzen, und ein starkes Zorngefühl quoll in ihr auf, wie heute Nachmittag, wo Flora in den crassesten Ausdrücken Bruck’s ärztliches Wirken gebrandmarkt hatte. Was für eine räthselvolle Frauennatur war sie doch, diese gefeierte Flora, dieses einst so sehr gefürchtete und doch heimlich bewunderte Idol der kleinen Käthe! … Henriette hütete sich seltsamer Weise, in den Stunden des Alleinseins mit der heimgekehrten Schwester über das Brautpaar eingehend zu sprechen, aber hier und da waren ihr doch Bemerkungen über die Lippen geschlüpft, aus denen Käthe entnahm, daß Flora anfänglich eine leidenschaftlich liebende Braut gewesen sein mußte.

Doctor Bruck war, nachdem er den deutsch-französischen Krieg als Regimentsarzt mitgemacht und dann längere Zeit einer berühmten ärztlichen Capacität in Berlin assistirt hatte, hauptsächlich auf Wunsch seiner Tante nach M. zurückgekehrt. Der vortheilhafte Ruf, der ihm vorausgegangen, und seine imposante äußere Erscheinung hatten ihn sehr bald zu einem gesuchten Arzt und zu einer wünschenswerthen Partie für die Damenwelt gemacht. Es war mithin keineswegs Herablassung von Seiten der stolzen Flora Mangold gewesen, ihm die begehrte Hand zu reichen. Sie selbst hatte sich ihm auffallend genähert, indem sie einen schmerzhaft verstauchten Fuß keiner anderen Hand, als der des gefeierten neuen Doctors anvertrauen wollte – noch im Krankenhause hatte sie sich mit ihm verlobt und war darum vielfach beneidet worden. Aus diesem Grunde mochte sie auch vor dem peinlichen Aufsehen eines gewaltsamen Bruchs zurückscheuen. Darum diese perfide Lösung, die, auf ein allmähliches beiderseitiges Erkalten gestützt, schließlich von der Welt halbvergessen, geräuschlos vor sich gehen sollte.

Käthe sprang plötzlich auf – der Gedanke war ihr unerträglich, daß sie, im Falle ihres Bleibens, fortgesetzt Zeugin dieser empörenden Komödie sein und mit ansehen sollte, wie der unglückliche Mann trotz seiner starken Liebe und Gegenwehr aus seinem geträumten Paradiese gestoßen würde. Nein, auch sie hielt zu Moritz und Henriette. Flora durfte und sollte ihr Wort nicht brechen; die ganze Familie mußte einmüthig zusammenhalten, dem grausamen Verrath gegenüber. Die Thörin, daß sie so verblendet ihr Glück von sich stieß! Hatte sie ihn noch nie gesehen in seinem Heim, im Zusammenleben mit seiner treuen Pflegemutter? Wußte sie nicht, daß sie auf Händen getragen werden würde, wenn sie ihm das Glück gab, nach welchem er verlangte?

Käthe schrak heftig zusammen und schlug entsetzt die Hände vor das Gesicht – hier war es dunkel, schauerlich dunkel, so tiefe Nacht, daß die Sünde auf leisen Sohlen bis an die innersten Gedanken der Menschenseele heranschleichen konnte. Hastig lief sie über die Holzstufen und riß die Stubenthür auf – drunten im Flur brannte die große Hauslampe; der helle Schein quoll die Treppe herauf und warf durch die Säulen der Galerie schmale Lichtstreifen vor die Füße des jungen Mädchens, und aus dem Mühlenraum, dessen Thür eben geöffnet wurde, scholl das Lärmen und Tosen, zum Betäuben stark, durch das Haus. Licht und Geräusch verscheuchten augenblicklich den verlockenden Spuk, der sich in die unschuldige Mädchenseele gedrängt hatte. … Das war ja der große, weißgetünchte Vorsaal der Schloßmühle mit dem uralten, lebensgroßen Bildnisse des Erbauers, des geharnischten Mannes dort, der so gespenstig verwischt aus dem wackeligen schwarzen Rahmen niedersah. Einst hatte sie ihn gefürchtet, und jetzt erschien er ihr wie ein alter Freund – er führte sie in die Wirklichkeit zurück, von einem verrätherischen, sündhaften Traumbild hinweg, in welchem sie eine unrechtmäßige Stelle eingenommen hatte. …

Sie stieg die Treppe hinab und verließ die Mühle. Der Zugwind blies ihre heißen Wangen nachtfrisch an, und droben funkelten die goldenen Arabesken, die Sternbilder des Himmels, in köstlicher Klarheit. Käthe schämte sich ihrer müßigen Träumerei – aber war es nicht wie ein Schwindel gewesen, dessen man sich nicht erwehren kann, und der auch die gesündesten und kraftvollsten Menschen plötzlich befällt?

Schon von weitem sah sie die Lichter der Villa durch das Geäst flimmern, und als sie das Haus betrat, da schollen Clavieraccorde durch den Corridor. Das Instrument war prachtvoll, aber es wurde malträtirt durch barbarische Hände. Die Präsidentin hatte heute einen kleinen Empfangsabend; man kam, Alt und Jung, zum Thee. Die Aelteren saßen um den Whisttisch, und die junge Welt musicirte, plauderte und amüsirte sich, wie sie Lust hatte; es war ein zwangloses Zusammensein bis gegen zehn Uhr.

Käthe machte schleunigst Toilette und betrat den Salon, das große Balconzimmer im Erdgeschosse. Es hatten sich heute nur Wenige eingefunden; nur ein Spieltisch war besetzt, und der Theetisch, um den sich die jungen Damen zu gruppiren pflegten, sah einsam und verlassen aus.

Henriette saß hinter der Theemaschine. Sie hatte wieder einmal grellrothe Schleifen in ihrem blonden Haar, und ein ärmelloses Sammetjäckchen von der gleichen schreienden Farbe über einem hellblauen Seidenkleid. Das graue, schmale Gesichtchen sah fast spukhaft aus dem theatermäßigen Putz, aber ihre schönen Augen glänzten förmlich überirdisch. „Bruck ist wieder da,“ flüsterte sie mit heißem Athem und bewegter Stimme Käthe in’s Ohr und zeigte durch den anstoßenden Musiksalon, in welchem noch immer der Concertflügel gemißhandelt wurde, nach Flora’s Zimmer. „Käthe, er sieht aus, als sei er noch gewachsen, so hoch und so überlegen. … Gott im Himmel, mache doch nicht gar so ein ernsthaftes Nonnengesicht!“ unterbrach sie sich heftig – sie war unerklärlich aufgeregt. „Alle sind heute so mürrisch; Moritz hat eine Depesche bekommen und ist sehr zerstreut, und die Großmama hat entsetzlich schlechte Laune, weil ihr Salon leer ist. Ach, und ich bin so froh, so froh! … Weißt Du, Käthe, daß ich vorgestern bei dem schlimmen Anfall geglaubt habe, Bruck sähe mich als Leiche wieder? Nur das nicht! Ich will nicht sterben, wenn er nicht da ist.“

Sie sprach zum erstenmal vom Sterben, und es war gut, daß die clavierspielenden Finger drüben in erneuter Kraft über die Tasten flogen und die drei alten Herren am Kamin im lebhaften Disput ihre Stimmen erhöhten; denn der letzte Ausruf der Kranken hatte laut und leidenschaftlich geklungen; Käthe stieß sie verstohlen an – die Präsidentin warf einen scharfen, mißbilligenden Blick über die Augengläser hinweg nach dem Theetisch. Henriette nahm sich augenblicklich zusammen. „Ah bah, kann mir das Jemand verdenken?“ sagte sie frivol und spöttisch die Achseln emporziehend. „Niemand stirbt gern allein. Der Arzt ist dazu da, daß man bis zum letzten Augenblick Hoffnung aus seinem Zuspruch schöpft.“

Käthe wußte genug. Die Kranke ging nicht mit ihr nach Dresden. Sie wies die Tasse Thee zurück, die ihr Henriette mit hastigen Händen füllte, und zog eine angefangene kleine Stickerei aus der Tasche.


(Fortsetzung folgt.)


[113]
Gallerie berühmter Firmengründer.


1. Ein Leipziger Buchhändler.


Am 4. Mai 1872 beging die buchhändlerische Firma F. A. Brockhaus in Leipzig ein erhebendes Doppelfest. Heinrich Brockhaus, der nun auch heimgegangen (15. November 1874), feierte an diesem Tage den Ablauf einer fünfzigjährigen Geschäftsthätigkeit; zugleich aber beging er mit seinem gesammten Personale, seiner Familie und einem großen Kreise herzlich Theilnehmender den Tag, an dem hundert Jahre früher sein Vater, Friedrich Arnold Brockhaus, der Begründer der Firma, geboren wurde.

Friedrich Arnold Brockhaus.

Von dem Lebensgange des Letzteren eine Skizze zu geben, ist eine schwierige Aufgabe. Denn selten mag es ein Leben geben, das durch Bewegungen aller Art so ausgezeichnet war, selten eines, das uns einen Mann zeigt, der durch die ihm innewohnende Kraft so unerschüttert in inneren und äußeren Kämpfen blieb, bis er sich hindurchgerungen zu dem Ziele, das ihm vorgeschwebt.

Ueber die Jugendjahre des seltenen Mannes können wir rasch hinweggehen. An der Hand eines strengrechtlichen Vaters, unter den Augen einer von ihm hochverehrten Mutter, einer vortrefflichen Frau, die ihm, wie er selbst sagt, „immer als das Ideal einer vollendeten Hausfrau vor der Seele stand“, verlebte er dieselben in seiner Vaterstadt Dortmund. Nur mit Unlust sah er sich für den Kaufmannsstand bestimmt, da ihn schon von früh an ein Drang nach wissenschaftlicher Bildung beseelte. Seiner Leselust that der Vater oft genug unliebsamen Einhalt.

Im fünfzehnten Lebensjahre kam er nach Düsseldorf in eine große Schnittwaarenhandlung, mit der ein Bankgeschäft verbunden war, in die Lehre. Hier machte seine Begabung sich schon in kurzer Zeit so geltend, daß ihn sein Principal bereits zwei Jahre nach seinem Eintritte zu wichtigen Geschäften verwandte. Er hatte Aussicht, dem Principale noch näher zu treten; doch gab ein Zerwürfniß, dessen friedliche Lösung nur an dem unbeugsamen Sinne des Jünglings scheiterte, Anlaß zur Trennung, und er ging zunächst wieder in’s väterliche Haus zurück. „Mein kecker Trotz“, sagt er, „kam mir später theuer zu stehen.“

Doch nicht lange litt es ihn in Dortmund in den ihm nun kleinlich erscheinenden Verhältnissen. Die Lücken in seiner Bildung um so mehr beklagend, je mehr Bedürfniß nach Erweiterung derselben er fühlte, bat er seinen Vater, ihn nach Leipzig gehen zu lassen, wo er dann während eines anderthalbjährigen Aufenthaltes sich namentlich mit den neuen Sprachen beschäftigte, zugleich aber an der Universität bei Platner, Hindenburg und Eschenbach Philosophie, Physik und Chemie hörte und so in seinem Wissen manche Lücke ausfüllte.

Ein wie lebhaftes Interesse Brockhaus schon damals an literarischem und buchhändlerischem Wirken nahm, davon liegt ein ihn sehr bezeichnendes Merkmal vor. Er reichte nämlich dem Buchhändler Voß in Leipzig den Prospect zu einem auf zwanzig Bogen berechneten Werke und zugleich die ersten acht Bogen desselben ein mit dem Antrage des Verlags. Sein Begleitschreiben fiel allerdings etwas kurz und bündig aus. Ob dies der Grund war, daß der Verlagsantrag keine Annahme fand, oder welch anderer Grund vorlag, ist nicht zu ermitteln gewesen.

Noch war aber die Zeit nicht gekommen, die ihn für sein späteres Wirken gereift finden sollte.

Zuerst gründete er, nach Dortmund zurückgekehrt, und nachdem sich ein in Aussicht stehendes Engagement in Manchester nicht verwirklicht hatte, ein eigenes kaufmännisches Geschäft mit einem Verwandten, Mallinckrodt, und einem gewissen Hiltrop, der zwar reiche Mittel, aber von Haus aus einen unverträglichen Sinn mit hineinbrachte, sodaß sich, als die Geschäfte des jungen Hauses sich glänzend entwickelten, Brockhaus und Mallinckrodt von Hiltrop trennten und ihn abfanden. Die beiden Compagnons gründeten dann noch ein Zweiggeschäft in Arnheim, das Mallinckrodt vertrat, bis Brockhaus später gleichfalls nach Arnheim ging.

Die Verbindung mit Hiltrop sollte Veranlassung zu langjährigen Streitigkeiten geben, deren Ende Brockhaus nicht einmal erlebte, sondern die erst nach seinem Tode durch Vergleich beendet wurden. Auch von Mallinckrodt trennte sich Brockhaus bald, indem er ihm ein größeres Capital auszahlte. Er zog im Winter von 1801 bis 1802 von Arnheim mit seiner Frau, mit der er sich im September 1796 vermählt hatte, und seinen zwei bis dahin ihm geborenen Kindern nach Amsterdam.

Amsterdam war der Boden, von dem aus Brockhaus endlich seinen eigentlichen Lebenslauf antrat. Zunächst führte er sein kaufmännisches Geschäft fort und trotzte mit seltener Geschäftsgewandtheit den ungünstigen politischen Verhältnissen, bis die von Napoleon angeordnete Continentalsperre die äußersten Erschwerungen [114] in jeden, so auch in seinen Geschäftsgang brachte. Nun dachte Brockhaus daran, neben seinem auf engere Grenzen beschränkten Geschäft ein ihm ganz neues Gebiet zu betreten, auf dem er aber gleichwohl mit der ihm eigenen Gestaltungskraft sich bald zurechtfand. Mit einem Worte, es war der Buchhandel, dem er sich nun mit ebenso viel Eifer wie Geschick zuwandte. Welche schweren Tage ihm beschieden waren, ehe er sich durch Nacht zum Licht hindurchrang, ahnte er freilich nicht.

Nachdem er, im Jahre 1805, einmal den Entschluß gefaßt, schritt er sofort zur Ausführung. Geschickt abgefaßte Circulare knüpften Verbindungen mit auswärts an, so namentlich mit Breitkopf und Härtel in Leipzig. Und mehr und mehr kam bei ihm das Verständniß dessen, was er erstrebte, gleichsam wie von selbst. Kaum hatte er sein Sortimentsgeschäft in Fluß gebracht, so ging er auch bereits zum Verlagsgeschäft über, und hier war es, wo seine Begabung in’s hellste Licht trat. Buch-, Musik- und Kunsthandel wurden von ihm gleichmäßig gepflegt.

Das erste Verlagsunternehmen war eine Zeitschrift „De Ster“ („Der Stern“), den er, als die napoleonische Gewaltherrschaft ihn unterdrückte, sofort durch das „Amsterdamsche Avond-Journal“ ersetzte, dem sich die „Individualitäten aus und über Paris“ von Friedrich Cramer anschlossen, einem Autor, von dem dann Brockhaus noch mehrere Werke in Verlag nahm. Auch eine Zeitschrift in französischer Sprache, der „Conservateur“, fällt in diese Zeit.

Von nun an häuften sich die Verlagsunternehmungen. Brockhaus trat mit damals namhaften Schriftstellern in Verbindung, so besonders mit Baggesen, mit dem er jedoch später in Zerwürfnisse gerieth, die der Dichter durch nur zu große Unzuverlässigkeit in Erfüllung eingegangener Verpflichtungen verschuldete. Wir nennen hier ferner seine Verbindung mit bedeutenden Schriftstellern auf historisch-politischem Gebiete, wie diejenigen mit Villers und Massenbach, deren Werke er in Verlag nahm.

Nicht gleichen Schritt hielt leider der pecuniäre Erfolg mit diesen und anderen zahlreichen Unternehmungen, und oft genug kam Brockhaus dadurch in Verlegenheiten.

Der härteste Schlag aber, der ihn in dieser Zeit traf, war der Tod seiner von ihm zärtlich geliebten Frau, die am 8. December 1809 starb. Hatte er schon vorher öfters daran gedacht, Amsterdam zu verlassen, wo das Verbleiben durch die Bedrückungen der französischen Herrschaft immer unerträglicher und schädigender für den Verkehr wurde, so gab dieser letzte, härteste Schlag endlich die Entscheidung.

Er richtete sein Auge auf Leipzig, wo für seine Thatkraft ihm ein umfassenderes Wirken geboten schien, und so verließ er 1810 Amsterdam, um in die Stadt an der Pleiße zu gehen. Erschwert wurde ihm dieser Schritt dadurch, daß er, der nun vereinzelt dastehende Mann, seine Kinder zunächst nicht mit dahin nehmen konnte. Er brachte sie nach Dortmund, wo sie von seinen Verwandten aufgenommen wurden, und ging dann nach Leipzig, sein Amsterdamer Geschäft bis zu dessen geeignetem Uebergange in andere Hände unter Aufsicht eines Vertreters lassend.

Doch auch in Leipzig gestalteten sich die Verhältnisse zunächst nicht so günstig, wie er hoffen zu dürfen geglaubt hatte. Nach viermonatlichem Aufenthalt ging er daher nach Altenburg, wo er bis Ostern 1817 blieb, zu welcher Zeit er erst seinen Wunsch in Erfüllung gehen sah. In diesem verhältnißmäßig kurzen Zeitraum waren dem schon so viel geprüften Manne abermals Schicksalsschläge aufbewahrt, wie sie unter Hunderten kaum Einer überwinden mag und wie sie nur diese rastlos schöpferische und thatkräftige Natur überstand. Nur ein Ereigniß warf für ihn ein Licht in die damals finstere Zeit: seine am 26. November 1812 erfolgte Vermählung mit Fräulein Jeannette von Zschock, welche Verbindung es auch ermöglichte, daß er alle seine Kinder wieder um sich versammeln konnte. So konnte er nun innerlich wieder ruhiger werden.

Die Verlagsthätigkeit während des weiteren Aufenthaltes in Altenburg wurde immer umfassender, namentlich war es das „Conversations-Lexikon“, das er als rohen Edelsten in die Hand nahm, die es aber zum glänzend geschliffenen Diamant zu gestalten wußte. Die Geschichte dieses Lexikons, das, fort und fort in bewährten Händen seitdem die zwölfte Auflage erlebt hat, ist eine höchst interessante.

Endlich genügte dem weitschauenden Manne Altenburg nicht mehr. Er suchte den Platz auf, wo – das fühlte er – seine Kraft erst zu ihrer vollen Entfaltung kommen könne, und so zog er denn Ostern 1817 nach Leipzig.

Unter den bereits in Altenburg gegründeten Zeitschriften sind besonders die „Deutschen Blätter“ zu erwähnen, die er noch vor dem Ausgang der Napoleon’schen Gewaltherrschaft in’s Leben rief und mit hohem patriotischem Muth und Geist leitete. Diesen Blättern war es auch vergönnt, die ersten authentischen Berichte über die Schlacht bei Leipzig zu bringen. Er schloß das Unternehmen, nachdem es seine Bestimmung erfüllt hatte, zu Anfang des Jahres 1816. Aus dieser Zeit sei noch erwähnt, daß Brockhaus sich in diesem Blatte entschieden gegen eine Theilung Sachsens aussprach, und ebenso, daß er schon damals die Wiedererwerbung von Elsaß-Lothringen für Deutschland warm befürwortete. Er war eben in Allem ein weitsichtiger Geist.

Fast zahllos ist die Menge von geschichtlichen, namentlich kriegsgeschichtlichen Broschüren und größeren Werken, die er in dieser Zeit in Verlag nahm. Sie alle waren getragen von ebenso liberaler wie patriotischer Gesinnung, und so konnte es nicht fehlen, daß er zu einer Zeit, wo die Censur in Blüthe stand, auch ohne Zeugnißzwang und Strafgesetznovellen oft genug mit derselben und in weiterer Folge mit den Behörden in ernste Conflicte kam. So z. B. wegen einer Schrift, durch die sich der preußische Minister Graf Hardenberg beleidigt fühlte, so wegen der „Deutschen Blätter“, so wegen eines Artikels im „Conversations-Lexikon“, welch letztere Angelegenheit ein sehr ungünstiges Licht auf die Art und Weise wirft, wie sächsische Behörden dabei verfuhren, während alle diese Processe uns in Brockhaus den Geist zeigen, der sich den Wahlspruch erkoren zu haben schien: „Nicht wanken und nicht weichen!“ Zum Glück liefen alle diese Angelegenheiten im Ganzen ohne schlimme Folgen für ihn ab, der theils selbst mit großem Geschick und mit Entschiedenheit handelnd dabei auftrat – wir haben meisterhaft geschriebene Vertheidigungen von ihm – theils von den tüchtigsten Berathern und Freunden unterstützt wurde, die gleich ihm das Herz auf dem rechten Flecke hatten.

Noch viel umfassender und bedeutender war Brockhaus’ Verlagsthätigkeit seit seiner Uebersiedelung nach Leipzig bis zu seinem Tode (1817 bis 1823). Neben dem „Conversations-Lexikon“, dessen Redaction er fortwährend führte, verlegte er mehrere Zeitschriften, die er meist erst in’s Leben rief und selbst leitete, so Oken’s „Isis“, die „Zeitgenossen“, den „Hermes“, das „Literarische Conversationsblatt“ (die jetzigen „Blätter für literarische Unterhaltung“). Außerdem aber umfaßte sein Verlag nach und nach fast alle Gebiete der Literatur.

In den letzten Jahren seines Lebens hatte Brockhaus noch schwerere Kämpfe zu bestehen als beim Beginn seines Wirkens. Die preußische Regierung ordnete 1820 eine Recensur seines gesammten neuen Verlags an und lähmte dadurch seine Thätigkeit auf das Empfindlichste. Die Kämpfe, die er darüber, sowie gegen den Nachdruck und für die Preßfreiheit (die in ihm stets einen kräftigen und furchtlosen Vertheidiger fand) zu bestehen hatte, in Verbindung mit literarischen Streitigkeiten, in die er verwickelt wurde, untergruben allmählich die Kraft und Gesundheit des thätigen Mannes.

Ausführlich ist das Alles in einem Werke dargelegt, das sein Enkel, Dr. Eduard Brockhaus, unter dem Titel: „Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Leben und Wirken nach Briefen und Aufzeichnungen geschildert“, herausgiebt; der erste Theil des Werkes erschien 1872, der zweite im Februar 1876 und der Schlußband ist unter der Presse. Wir dürfen hinzufügen, daß wir selten ein so reichhaltiges lebensgeschichtliches Werk gelesen, das zugleich mit voller Wahrhaftigkeit und Unparteilichkeit verfaßt ist und außerdem einen werthvollen Beitrag zur Geschichte des deutschen Buchhandels liefert.

In den Jahren 1819 und 1820 traten Friedrich und Heinrich Brockhaus, die beiden ältesten Söhne unseres Friedrich Arnold, in’s Geschäft und widmeten sich demselben – ersterer der Buchdruckerei, letzterer dem Buchhandel – mit so viel Eifer und Geschick, daß sie alsbald dem Vater die wesentlichsten Dienste leisteten und ihm so Bürgen waren für den sicheren Fort- und Ausbau des von ihm gegründeten Werkes. Leider durfte sich der Vater nur wenige Jahre des Wirkens seiner [115] Söhne erfreuen. Denn schon am 20. August 1823 schloß der Tod die Augen eines Mannes, der mit gerechtem Stolze auf ein reiches Leben zurückblicken konnte, Alles in Allem ein Mann, von dem ein anderer Enkel, Pastor Dr. Clemens Brockhaus in Leipzig, mit vollem Rechte am Grabe des Verewigten sagen durfte: „Unvergeßlich bleibt uns dein Andenken, du theurer Mann! Uns Allen stehst du vor Augen als das Bild des echt deutschen Mannes von urdeutscher rother Erde, voll Wagelust und Kraft, voll Schwung und Begeisterung, voll Weichheit und Tiefe des Gemüths, ebenso bewährt im Sturm der Geschäfte wie in der Stille des Hauses.“

Wie unter den Händen seiner Söhne und Enkel die schöne Schöpfung so mächtig wuchs und gedieh, daß sie zu den ersten von Deutschland zählt, das zu schildern ist nicht unsere Aufgabe. Für ihre Bedeutung zeugen dreitausend Werke, welche der Verlagskatalog der Firma enthält, und die verschiedenen Geschäftszweige, welche dieselbe umfaßt: die Verlagshandlung, das Commissions- und Sortimentsgeschäft für deutsche und ausländische Literatur nebst Antiquariat, die trefflich ausgestattete Buchdruckerei, die Schriftschneiderei und Schriftgießerei, die Graviranstalt, die Stereotypengießerei und galvanoplastische Anstalt, die geographisch-artistische Anstalt mit Stahl- und Kupferdruckerei, xylographischer und lithographischer Anstalt, die mechanische Werkstätte für Letterngießerei und Maschinen für Schriftgießerei, die Stereotypie und Buchdruckerei, die Buchbinderei, Tischlerei, Schlosserei, im Ganzen ein Personal von gegen sechshundert Arbeitern beschäftigend. Und zu dem nunmehr schon siebenzig Jahre bestehenden Geschäft, das alle diese Anstalten umfaßt, hat Friedrich Arnold Brockhaus den Grund gelegt; es ist nur so ausgebaut worden, wie er es sich gedacht hatte.




Ein Wahrzeichen Karlsbads.


Der „Elephant“ war ein Wahrzeichen Karlsbads. Er beschilderte das älteste und berühmteste Kaffeehaus daselbst, und trotz der seit Jahren erwachsenen und hart bedrängenden Concurrenz blieben ihm bis heute, wo es niedergerissen wird, seine Stammgäste, die Aristokratie, die Diplomatie, die Literatur und die Kunst, treu und ließen sich von den luftig hohen Räumen, dem weitaus größeren Comfort und den freundlichen Gartenanlagen anderer Etablissements nicht weglocken aus diesem dumpfen, kleinen, rauchgeschwärzten Zimmer und von den zierlichen weißgedeckten Tischen unter dem grünen Dache der Kastanienbäume der „alten Wiese“.

Der „Elephant“ war aber nicht nur ein Wahrzeichen der Sprudelstadt; seine Gesellschaft, wie sie sich im Wechsel der Zeiten da zusammenfand und gruppirte, gab ein gesättigtes Bild der jeweiligen politischen Strömung.

In der patriarchalischen Zeit vor 1848, als noch der Adel ausschließlich das Terrain beherrschte, die Russen mit Küche, Keller, Gestüt und Leibeigenen herankamen, die österreichische Aristokratie mit der an der Newa an Luxus, Pracht und Verschwendung wetteiferte, welch’ erlesene Gesellschaft fand sich da beim „Elephant“ zusammen, und wie lustig und bunt ging es da her! Die Woronzoffs und Tatischeffs, die Galizins und Trubetzkois baten hier die „Brunnenmädchen“ in ihren rothen Jacken und kurzen, grünen Röcken zum Frühstücke, beschenkten nach gethaner Arbeit ein Jedes mit einem Silberzwanziger und führten sie dann zum Conditor, den sie ausplündern durften; der Fürst Bebutow spendete jeder Brunnenhebe gar noch einen neuen Anzug, aber Fürst Paul Esterhazy, der österreichische Botschafter in London, übertrumpfte sie Alle. Da fand Jedes in seiner Semmel einen goldigglänzenden Kremnitzer Ducaten eingebacken; die Musik spielte auf, und die höchste Aristokratie zweier Kaiserreiche führte die Kleinen unter freiem Himmel zum Reigen. Stolz lächelnd sieht der allmächtige Staatskanzler drein, der von seinem nahen Schlosse Königswart herbeikommt, stets im blauen Frack mit den goldenen Knöpfen, taubengrauen Beinkleidern und hoher weißer Cravatte, an seiner Seite die noch jugendliche Gemahlin. Auf ihrer Schulter wiegt sich ein grüner Papagei, und der Fürst Rohan flüstert ihr ein galantes Wort zu.

Die Baronessen Kotz, zwei alte Fräuleins, durch ihre brutale Häßlichkeit berühmt, durch ihre schriftstellerische Thätigkeit berüchtigt, wegen ihres Reichthums und ihrer Wohlthätigkeit bekannt, wegen ihrer rücksichtslosen Toilette gemieden und wegen ihrer feinen Bildung gesucht, gehörten Ende der vierziger Jahre zu den stereotypen Figuren des Kaffeehauses. Sie blieben den ganzen Sommer über in Karlsbad und den ganzen Tag über im „Elephanten“. Sie nahmen hier ihr Frühstück, ihr Diner und ihre Abendsprudelsuppe ein, besorgten ihre weitausgesponnene Correspondenz, empfingen ihre Freunde und die Vorstellung vornehmer Fremden und ließen sich in deren Gegenwart nicht selten ein Paar Schuhe anmessen. Der witzige heinisirende Eremit von Gaudy war meist ihr chevalier servant. Auch die Kotz gaben Frühstücke, aber den „Eselsbuben“. Da erschienen zuerst jene von ihnen gedichteten „Riesenkipfeln“, welche sich zu den dermaligen stellen, wie der Ichthyosaurus zur Eidechse, und zwischen je zwei Tassen Kaffee credenzten die Fräuleins eigenhändig den mit der Führung der städtischen Esel betrauten Jünglingen Becherischen Schnaps in großen Gläsern und freuten sich baß der fröhlichen Wirkung. An ihrem Tische fanden sich regelmäßig der Erzbischof Ladislaus Pyrker, der Dichter der „Tunisias“ und „Rudolphiade“, welcher einer kaiserlich königlichen Verordnung zufolge auf den österreichischen Schulen zu den deutschen Classikern gezählt wurde, der Graf Alexander Fredro, der polnische Molière, Graf Schlick, der kühne Reitergeneral, der weitaus populärste Mann der Armee, eine kräftige Mannesgestalt in den besten Jahren. Die schwarze Binde verdeckt die seit Leipzig leere linke Augenhöhle, während das rechte Auge treuherzig dreinblickt; er kräuselt ununterbrochen den schwarzen, buschigen Schnauzbart und erzählt mit breitem Lachen stallduftige Anekdoten. Daneben sehen wir den Fürsten Alfred Windischgrätz, einen Mann von zugeknöpftem, kaltstolzem Wesen, der soeben den Fundamentalsatz seiner Schöpfungstheorie aufgestellt hat: „Der Mensch fängt erst beim Baron an“. Der „Herr von“ ist nur ein Uebergangsstadium vom Thier zum Menschen.

Jetzt tritt ein junger Mann mit soldatischer Tournüre, ernsten kalten Zügen und kühnen Blicken heran. Die Baronessen reichen ihm freundlich die Hände. Schlick legt die seine militärisch grüßend an die Krempe des hohen Cylinders, nur Windischgrätz würdigt seinen Gruß keines Dankes. Kann er es doch nicht fassen, daß man den Säbel mit der Retorte vertauscht, wie es der junge Mann erst kürzlich gethan, der aus der Armee in die Schülerzahl des Prager Chemikers Bedtenbacher trat. Der Fürst verläßt mißmuthig den Tisch – beschleicht ihn eine trübe Ahnung?! Bald wird der Jüngling wieder zum Kriegshandwerk zurückkehren. Er tritt an die Spitze einer Nation in Waffen; seine Bravour, sein strategisches Genie, sein großes Feldherrntalent werden die Welt erfüllen und den kurzen Ruhm des Fürsten Windischgrätz, der aus den Feuergarben dreier eingeäscherter Städte aufleuchtete, verdunkeln, und doch wird ihm selbst im rechten Augenblick der Muth im Herzen und die Kugel im Laufe fehlen: Arthur Görgey.

Das Jahr 1848 war den Curorten nicht günstig. Auch Karlsbad stand leer. Die Russen bekamen keine Pässe, damit die bösen Beispiele nicht ihre guten Sitten verdürben. Die ungarische und polnische Aristokratie ist daheim bei der Arbeit, die böhmische schaart sich in Olmütz um den Kaiser oder in Prag oder Wien um Windischgrätz oder sitzt angsterfüllt auf ihren Schlössern. Das große Publicum hat keine Zeit, krank zu sein, noch weniger sich zu curiren, nur die Engländer sind gekommen und haben die Höhen besetzt, den Schloßberg und den „neuen Weg“. Daneben rotten sich etliche Gutgesinnte, welche sich in erhebend patriotisch-dynastischer Treue für Kaiser und Reich fürchten … um einen ausgepeitschten Magistratsrath und einen pensionirten Steuereinnehmer.

Erst die blutigen Prager Pfingsttage bringen Gäste. Der gesprengte Slavencongreß sammelt sich hier, und sein Hauptquartier ist der – „Elephant“. Da präsidirt Palazky, der landständische Geschichtsschreiber und „Vater der czechischen Nation“, [116] steif und pedantisch das Urbild des deutschen Professors, auf dessen Freiheitssinn fingerdick der Staub der Archive lag. Er springt jetzt rasch auf und begrüßt mit tiefen Bücklingen den Grafen Stadion, der unter seiner Anleitung die „ruthenische Nation“ zur Bekämpfung der Polen erfindet und angeblich erst als Minister wahnsinnig wurde. Auch Riger, der „Schwiegersohn der Nation“, ist da. Ferner zeigt sich uns Hawliczek, der größte Journalist der Nation, den sie aber dann so schmählich verleugnete und den die Regierung durch die Internirung nach Tirol kalt stellte. Liebelt ist unter der Gesellschaft, der Pole, welcher seine Landsleute mit der deutschen Philosophie und in einem prächtigen Essay mit Hegel bekannt machte und der stets weiter rückt, wenn sich der Renegat, der getaufte und czechisirte deutsche Jude Gabler herandrängte, der das Wesen der deutschen Philosophie leugnete, Belisar für einen Czechen erklärte und dafür von der dankbaren Nation mit dem nationalen r (rsch) in seinem Namen belohnt wurde. Im Eingange des Kaffeehauses sitzt ein untersetzter Mann mit dunkelgelbem Teint, einem Plantagenbesitzer nicht unähnlich, in einem bunten großgeblümten Kottonschlafrocke, von einem riesigen Calabreser überschattet, auf dem zum Aerger der Slaven eine kolossale schwarz-roth-goldene Cocarde baumelt: Heinrich Laube, der hier seine Wahl in’s Parlament von dem Karlsbader Landbezirke erwartet. Die Karlsbader Nationalgarde, ein Regiment theils steifbeiniger Schneidergesellen, theils spitzbäuchiger Bäcker, geführt von einem jubilirten wildbeschnurrbarteten Steuereinnehmer, defilirt im Sturmschritte vorüber. Auch Volkstribunen treten auf. Begeisterte Reden für die Abschaffung der Steuern und Erhöhung der Curtaxe werden gehalten. „Nieder mit den Steuern! Hoch die Curtaxe!“ heißt der Schlachtruf, dem das Echo der Wälder seine starken Lungen leiht.

Der Tag von Vilagos ist blutig aufgegangen. Ungarn liegt zu den Füßen des Czaren, und seine besten Söhne hängen an den Debrecziner Galgen. Die Verfassungen sind alle revidirt oder aufgehoben; Schleswig-Holstein wird in Olmütz den Dänen ausgeliefert, und der alte Bundestag ist wieder eröffnet. Säbel und Krummstab herrschen. Der Staat ist auf die Spitze der Bajonnette gestellt und von Baldachinen überdacht. Mit dunklen Kutten und breiten Jesuitenhüten werden die Fenster des Staates verhangen, damit kein heller Lichtstrahl hineinfalle. Der Weihrauchgestank verpestet den frischen Lufthauch. Drüben herrschten Polizei-Ordonnanzen und die strengste Kirchenzucht, und Stahl’s geflügeltes Wort von der Umkehr der Wissenschaft wird zum Feldgeschrei; hier regieren Bach, Grünne und Leo Thun. Im „Elephant“ obenan sitzt jetzt der Commandant des Militärbadehauses, welches die Karlsbader als Sühne für ihre „Revolution im Sprudelbecher“ gebaut haben, der sich aber als Commandant von Karlsbad gerirt. Er commandirt die Gäste der Kaffeehäuser und die des „Hôtel Schild“, wo er speist, die Tänzer auf den Reunionen und die Trinker an den Brunnen, an denen er allein mit der Pfeife im Munde erscheint. Neben der alten gefürchteten „Hofdame“ Csibeni sehen wir die Wittwe des auf der Ofener Brücke ermordeten Grafen Lamberg und die fromme, noch immer schöne Fürstin Lichnowski. Ein junger feiner Domherr tritt jetzt mit graziösem, tändelndem Schritte heran und bietet den Damen Rosen an – es ist der galante Domherr, jetzt Cardinal Schwarzenberg; am Tische nebenan sehen wir in Trauergewändern zwei hohe fesselnde Frauengestalten mit verklärten Schmerzenszügen: die Wittwe des erhängten Batthyani, und die Mutter des im Exile weilenden Andrassy, dann erscheint auch ihr steter Begleiter, der tiefgebeugte alte Nadasdy, der vier Söhne im ungarischen Kriege verlor, zwei unter den kaiserlichen Fahnen, zwei unter dem weiß-grün-rothem Banner. Es herrscht eine gedrückte Stimmung; man spricht leise und vorsichtig. Nur von dem kleinen Tische am Eingange des Kaffeehauses klingt ein lautes fröhliches Geplauder, und wenn die dichten Rauchwolken, welche den mächtigen Tschibuks entströmen, zerfließen, wird der hübsche Kopf des Grafen Grünne sichtbar, des „kaiserlichen Generaladjutanten ohne Portefeuille“. Sein Partner, der untersetzte kurzhalsige Mann mit dem bläulich schimmernden Rothweinteint, dem buschigen bis zu den Augen aufgedrehten Schnurrbarte und dem martialischen Paradebaß, ist der künftige Befreier Italiens – Graf Tulai. Im äußersten Winkel, einsam in sein Journal vertieft, sitzt ein vollkräftiger Mann mit schwarzem Barte und tiefwallendem Schwarzgelock, einen mächtigen Sturmhut auf dem Haupte, eine schwarzrothgoldene Cravatte um den Hals geschlungen – Georg Herwegh.

Die Schlacht von Solferino ist geschlagen. Victor Emanuel zog in Mailand ein, der Großherzog von Toscana in Schloß Schlackenwerth (bei Karlsbad). Grünne ist „Stallmeister ohne Portefeuille“, und Bach barfüßelt in Rom. Leo Thun sitzt im Herrenhause auf den Trümmern des alten Oesterreich, schaart die Czechen um sich, die ihn Anno 1848 in Prag gefangen hielten, und ruft sein Wehe über die neue Ordnung. Schmerling regiert in Wien, der vormärzliche Liberale, der politische Schöngeist, und wählt Baco de Verulam’s „Wissenschaft ist Macht“ zu seinem Wahrspruche, ohne ihn aber wahr zu machen. Der Commandant Pfrenger kann sich aber in die neue Ordnung noch immer nicht finden – ihm fehlt der Glaube an ihre Dauer, und er will sie nur gelten lassen, wenn die Armee in rothen Hosen steckt, denn die rothen Hosen der Franzosen haben allein gesiegt, ist seine Ueberzeugung. Er verschimpfisirt den Re Galantuomo und verdammt Preußen, weil es Oesterreich im Stiche gelassen.

Im Jahre 1865 erscheint aber der König von Preußen selbst am Sprudel und im „Elephanten“, nimmt freundlich lächelnd die Krankheitsberichte ihm bekannter Persönlichkeiten entgegen und hat für Jeden ein liebenswürdiges Wort. Bismarck, stets im Zwillichrocke und stark strapazirtem Calabreser, Grammont, immer mit hohem Cylinder, und Rouher, schon des Morgens mit der Ordensrosette im Knopfloche, Graf Rechberg, der eine frappante Aehnlichkeit mit dem von den „Fliegenden Blättern“ bereits längst pensionirten Mentor des Herrn Baron Beisele hat, nehmen ihren Frühkaffee am Tische der Marquise Liadière ein, einer bereits abgeblühten Dame, welche nahe Beziehungen zu Napoleon unterhält. Gegenüber ist das Künstlerviertel: Auerbach im Tirolergewand, Beckmann, der immer tausend Schnurren und Schnacken bereit hat, Dr. Kalisch, welcher, meistens schweigsam und melancholisch, nur hier und da ein malitiöses Lächeln über seine feinen Lippen gleiten läßt oder ein feines Wort in die Unterhaltung wirft, Dawison an der Seite von Charlotte Birch-Pfeiffer, die in ihrem Rollwägelchen spazieren sitzt, Löwe Calbe, der verdrossen und mißmuthig zu Bismarck hinübersieht.

Das Jahr 1865 ist der Glanz- und Höhepunkt der preußischen Gesellschaft in Karlsbad. Dann aber folgt das Jahr 1866. Eine schlechte Saison – der „Elephant“ steht verwaist. Der Commandant Pfrenger beruhigt barsch die ängstlichen Gemüther. Er ist des Sieges gewiß, denn die österreichische Armee hat jetzt rothe Hosen und die preußische Landwehr besteht nur aus uniformirten Schneidergesellen. Als die Nachricht von der Schlacht bei Königgrätz eintrifft, legt er seinen Militärhauscommandostab traurig hin und ruft wie Hebel’s Meister Anton: „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“ Im Herbst ist der „Elephant“ wieder bevölkert. Er ist der Lagerplatz der preußischen Officiere, die hier durchziehen, darunter gar viele altbekannte Gesichter, traute Stammgäste wie die Generale Rauch, Alvensleben, Mülbe, Baier, die hier seit Jahren jedes Kind als tapfere Sprudeltrinker kannte. Anstatt des friedlichen Bechers hängt jetzt das Schwert an ihrer Seite.

Jetzt gewinnen die anderen Cafés an gesellschaftlicher Bedeutung. Die Welfen und die Süddeutschen verlassen den „Elephanten“ und siedeln zur Krone über, wohin ihnen auch die Mehrzahl der österreichischen Aristokratie folgt. Der Kern des norddeutschen Bundes und die Russen bleiben dem „Elephanten“ treu, bis der Tag von Sedan wieder Alle daselbst vereinigt.

Von der unter dem Schlagwort „Volkswirthschaftlicher Aufschwung“ von der zeitgenössischen Geschichte gebuchten Schwindelepoche blieb der „Elephant“ unberührt. Er behielt seine alten Gäste. Die Ritter der Börse, die Fürsten der Hausse, der protzige, dünkelhafte „Neue Adel“ mit seinen Frauen, Maitressen und Töchtern bezogen die neuen Cafés. Bis zur letzten Stunde – wenn diese Zeilen vor dem Leser erscheinen, existirt der „Elephant“ nicht mehr – also ein halbes Jahrhundert hindurch, war der „Elephant“ der Vereinigungspunkt der Karlsbader „Gesellschaft“, ein offener Salon, in welchem sich Adel und Schönheit, Geist und Wissen, Kunst und Literatur aller Völker und Zonen bei dem besten Kaffee traulich zusammenfanden.

Julius Walter.


[117]
Bühnen-Erinnerungen.


4. In den „böhmischen Wäldern“.


In einem schönen Sommer durchwanderte ich das an landschaftlichen Schönheiten reiche Nordböhmen. Die von Theodor Körner besungene Burgruine Schreckenstein war an einem heißen Nachmittage mein nächstes Ziel. Die Ruine, dem fürstlichen Hause Lobkowitz gehörig und von ihm erhalten, lohnt reichlich die Mühen einer Besteigung. Auf einer Felsenmasse gelegen, die keck in die Elbe vorspringt, bietet sie dem Wanderer einen herrlichen Tiefblick zum schönen Strom hinab.

Beim Durchblättern des Fremdenbuches fielen meine Augen auf eine höchst fragwürdige Gestalt, welche an einem etwas entfernten Tische Platz genommen hatte. Der Mann, der etwas Affenartiges hatte, begrüßte mich mit komisch-grinsender Freundlichkeit.

„Servus!“ –

Ich hatte eigentlich die Absicht, dem Grüßenden den Rücken zuzudrehen. Aber ein forschender Blick, den ich über ihn gleiten ließ, hielt mich davon ab. Ich war immer ein Freund von seltenen „Charaktermasken“. Das war eine.

„Servus!“ wiederholte der Mann nochmals freundlich grüßend und nickend. Ich antwortete ihm kühl:

„Guten Tag!“

„G’fallt’s Ihnen da heroben?“

„O ja!“

Meine neue Bekanntschaft zog ein nichts weniger als sauberes Papier aus der Tasche eines wenigstens dreißig Jahre alten schwarzen Frackes und entfaltete den Inhalt, Brod und Käse, auf seinem Schooße, der durch das enge Zusammendrängen von zwei mageren Beinen gebildet wurde. Diese Beine steckten in schottisch carrirten Pantalons. Ich wähle mit Absicht dieses Fremdwort, denn es bezeichnet einen schon längst aus der Mode gekommenen Beinkleiderschnitt. Nachdem der Mann, mir fortwährend freundlich zugrinsend, seinen Tisch arrangirt hatte, zog er eine sonderbare Mütze mit auffallend breitem Schirm vom Haupte und lüftete ein wenig das alte, schwarze Tuch, welches er um den Hals trug.

„Guten Appetit!“ rief ich ihm zu.

„Ich dank’.“ – Stöhnend fügte der Mann hinzu: „Wann ma jetzt a Pilsener hätt’, bei derer Hitz’!“

Ich rief den Wirth und bestellte „zwei Bier“.

Der schwarze Frack und die schottisch Carrirten erhoben sich und das Gorilla-Antlitz ihres Trägers verzog sich unsagbar komisch. Das Original fuhr mit seiner breiten, braunen, knochigen Hand durch den schwarzgrauen Haarwald, welcher sich bis in den Nacken erstreckte, strich sich dann wohlgefällig das blauschwarze, unrasirte Gesicht, in welchem eine platte Nase saß, und sprach:

„O, i bitt’ Ihnen.“

Dann begann der Kauz Brod und Käse zu vertilgen. Der Wirth brachte das Bier.

„Prosit!“

„G’seg’n’s God!“

Ich beneidete den Mann um die Kehle. Als ob sich das von selbst verstünde, rief er den Castellan zurück und übergab ihm das geleerte Glas zu neuer Füllung, indem er mit freundlichem Gesichterschneiden auf mich zeigte.

„Euer Gnoden san ka Oestreicher?“

„Nein!“

„Aber a Deitscher san Euer Gnoden?“

„Ja!“

„Hm, hm!“ nickte er und nahm einen manierlichen Schluck. Nach einer kleinen Pause, die das Geräusch seiner langsam zermalmenden Kinnladen ausfüllte, fragte er plötzlich: „Euer Gnoden verzeih’n – was san denn Euer Gnoden?“

„Reisender.“

„Hm! – Sunst nix?“ – Die Sache fing an mir Spaß zu machen.

„Sonst? Nicht viel! Es ist zwar keine Schande, aber schön ist’s auch nicht von mir.“

„Wie meinen Euer Gnoden?“

„Ich bin Schauspieler.“

Mit affenartiger Geschwindigkeit schoß das Original in die Höhe und saß dann plötzlich dicht neben mir auf der Bank. Der komische Kauz streckte mir seine Hand entgegen, und als ich diese, wegen der daran haftenden Mahlzeitreste, mißtrauisch beobachtete, rief er freudig:

„Schlagen’s ein! Ich hob’ mir gleich so was denkt. Ich bin der Theaterdirector Pospischil.

Alle Achtung! – Ich hatte schon viel gehört von den böhmischen „Schmierendirectoren“ und von dem Treiben der böhmischen „Schmieren“ überhaupt. Auf diese Wirklichkeit war ich indessen doch nicht gefaßt. Diese Wirklichkeit verwirrte mir die Sinne, und mit befangener Verwirrung schlug ich ein in die dargebotene Rechte des Mannes und sprach halblaut und mechanisch:

„Sehr angenehm, Herr Director!“

Das freudestrahlende Ungethüm hielt meine Hand fest zwischen seinen breiten, braunen „Bratzen“, wie man dort zu Lande sagt.

„Ah, schau’n S’ – dös g’freut mich. Schau, schau! Ein Herr Collega von der Kunst! Hab’ mir’s glei’ denkt. Unserans kennt sich aus als alter Director. Hab’s glei’ g’wittert – die Schminken, die Schminken!“

Es war so viel Herzlichkeit in der naiven Art des böhmischen Schmierendirectors. Mein Unwille gab sich ihr gefangen. Ich befreite meine Hand nach einem freundschaftlichen Drucke aus der gefahrdrohenden Umklammerung des Naturmenschen. Saß doch da vor mir eine der Gestalten der Ur-Hygieine, welche die „Fliegenden Blätter“ mit so köstlichem Humor gezeichnet haben. Freundlich fragte ich, nachdem ich noch weiteres Bier bestellt hatte:

„Wo spielen Sie denn gegenwärtig, Herr Director?“

„Gar net weit von hier. In Schönprießen bei Aussig. Ich sag’ Ihnen – ein feiner Ort!“

„Haben Sie heute Vorstellung?“

Wissen S’, Herr Collega, bei derer Hitz’ und dem schönen Wetter spüll’n ma nur mehr drei Mal in der Wochen. Morg’n wird g’spüllt. Morg’n san ‚Die Raiber’.“

„‚Die Räuber‘?!“

„Ja. Die Schillerischen. Kummen S’ doch aussi zu uns, Herr Collega, morg’n Abend! Ich sag’ Ihnen, es wird beim alten Pospischil a guete Kumedi g’spüllt. Und g’rad’ jetzt mit mei’m Gast!“

„Wer gastirt denn bei Ihnen?“

Herr Director Pospischil zog ein merkwürdiges Gesicht und wiegte nachdenklich den Riesenschädel.

„Ja, schau’n S’, Herr Collega, wer mei’ Gast eigentlich is, weiß ich so genau selber net. Er is vor fünf Täg’ zug’reist und hat bei mir ang’fragt, ob ich ihn net spüll’n lassen wollt’. Unter uns – er schaut eigentlich nicht aus wie a ‚Gast‘; er hält halt nix auf’s Aeußere; er is sehr desolat.“

Daraufhin mußte ich mir das Costüm Pospischil’s doch noch einmal genauer ansehen. Dieser begriff instinctiv, was ich mit meinem fragenden Blicke sagen wollte, und sprach mit einer Art Verschämtheit:

„O, Herr Collega, mich dürfen’s so genau nit darauf anschau’n. Ich bin an alter Kerl, an die Sechszig, und seit dreißig Jahrl’n Director. Ich bin a gueter Kerl, und wann meine Leut’ schlechte Zeiten haben, siecht ma’s z’erst an mir. Und dann hab’ ich auf meine alten Täg’ eine Dummheit begang’n, daß ich alle Stund’ a paar Mal mei paladatschetes G’fries mit Watschen regalir’n möcht’.“

„So?“

„J–a!“ seufzte Pospischil in langgezogenem Tone. „Schaun’s, Herr Collega, so an alter Dalk, wie ich war. Kummt da vor zwei Jahr’n a erschte Liebhaberin zu mir, das heißt – eigentlich war’s damals nur a Kindermädchen aus Dresden, was die Herrschaft in Karlsbad davongejagt hatte – also die kam zu mir. Ich sag’ Ihnen, Herr Collega, eine famose Schauspielerin! Was soll ich lang’ reden; ich wollt’ sie mir festmachen und hab’s geheirath’t.“

„Ah!“

[118] „J–a!“ seufzte Pospischil wiederum mit Nachdruck. „Wissen’s, Herr Collega, es war a dalketer Streich. Vierzehn Täg’ nach der Hochzeit fängt der Liebhaber an, um mei braves Weib herum zu manövriren. A bildsauberer Bub’ is’s – dös mueß i’ sag’n. Er war ehnder Tubabläser in einer Regimentsbanda. Aber was z’ vüll is, is z’ vüll. Mei braves Weib läßt sich fangen und wendet Alles an ihn. Vor vier Wochen hat’s mir alle acht Oellampen verkauft und hat ihm für den Erlös a paar Kravatteln zum Präsent g’macht. Ich hab’ keine Ahnung davon, und als ich Abends die Lampen richten will zur Kumedi – san’s alle pritsch, und ich mußt’ die Leut’ eingetretener Hindernisse wegen wegschicken.“

Ich mußte lachen. Pospischil war ein höflicher Mann. Er lachte mit.

„Aber Ihr Gast?“ fragte ich dann.

„Ich komm’ schon d’rauf. Vor fünf Täg’ ungefähr mach’ ich a kurze Permissionsreis’n in a Dorf, was vier Stunden entfernt ist. Ich komm’ nach Haus – und was glauben der Herr Collega? Ich tret’ in meine Stub’n – steht, mei erster Liebhaber d’rin und küßt mei braves Weib. ‚Herr,‘ schrei’ ich, ‚das is Mißachtung der Direction; das kost’t einen halben Gulden Straf’‘ – da thut sich die Zimmerthür auf und herein tritt der Mensch.“

„Wer? – Ihr Gast?“

„Ja. Er lacht unbändig über mei wüthendes G’fries und declamirt was. Was’s war, hab’ i’ nöt verstand’n. Dann fragt er, ob ich ihn nöt möcht’ gastir’n lassen. Ich schau’ ihn von oben bis unten an und gieb ihm zu verstehen, er schien’ mir auch der rechte ‚Gast‘ zu sein. Da wird er grob, und meint’, ich solle mit einem Hofschauspieler anders umgehen. Ergo: ich lass’ ihn vorgestern spüll’n – den Holtei’schen Hansjürgel. Ich sag’ Ihnen, Herr Collega, der Kerl hat den Teufel im Leib’. So was von Kumedi hab’ ich noch nicht gesehen. Aber – unter uns –“

„Nun?“

„Ich glaub’ –“

„Was?“

„Er sauft.

„So?“

„Ja. Aber a Capitalkerl is er. Morg’n Abend spielt er den Franz. Schau’ sich der Herr Collega morg’n Abend mei’m Gast an! Er spüllt a ganz sonderbare Kumedi.“

Der „Gast“ begann mich zu interessiren. Ich sagte zu.

„Geh’n der Herr Collega mit nach Aussig z’ruck?“

„Ich bleibe noch ein Stündchen hier. Auf Wiedersehen, Herr Director!“

„B’hüet’s God derweil!“

Director Pospischil schüttelte mir sehr herzlich die Hand und ging. Ich suchte mir ein bequemes Plätzchen. Der Vollmond stand schon lange als blasse Scheibe am Himmel. Die Abendschatten wurden tiefer und tiefer, der Mond heller und heller. In der jäh abfallenden Tiefe glänzte, mild beleuchtet, der Strom; die Sterne zweiter und dritter Größe wurden sichtbar; kein Lüftchen regte sich; unten verfolgte ein verspäteter Dampfer seine Bahn; war es ein Wunder, daß meine Gedanken ganz der herrlichen Natur gehörten und nur dann und wann Pospischil’s „Gast“ sich als lösenswerthes Räthsel in den Genuß drängte?

Die späteren Abendstunden des folgenden Tages fanden mich auf der Landstraße, welche von dem Städtchen Aussig nach dem nahen Dorfe Schönprießen führt. Mit Absicht hatte ich die späte Stunde gewählt. Es lag mir zunächst nichts daran, Pospischil’s Bekanntschaft zu erneuern oder die seiner Mitglieder zu machen. Ich rechnete darauf, daß die „Kumedi“ schon begonnen habe. Ich hatte mich nicht getäuscht. Als ich in den kleinen engen Saal des Dorfwirthshauses trat, wurde bereits „gemimt“. Ich drückte mich still in eine Ecke; denn ich habe es noch nicht gelernt, die Entwürdigung der Kunst heiter hinzunehmen. Der gerade bei meinem Eintritte gefallene Vorhang hob sich unter Schwierigkeiten wieder. Die Wirthshausscene des ersten Actes begann. Karl Moor trat auf und leistete in Bezug auf Verständnißlosigkeit und Gebrüll etwas, wie ich es nur noch einmal in gleicher Güte an einem großen Hoftheater gesehen habe. Uebrigens war Karl Moor wirklich „a bildsauberer Bub’“, höchst wahrscheinlich der vielgeliebte frühere Tubabläser. Der Rest ist Schweigen. Ich hätte mich gern schon jetzt entfernt. Der noch zu erwartende „Gast“ fesselte mich indessen.

Der schwermüthige Vorhang hob sich. Der zweite Act begann. Franz saß, den Kopf in die Hand gestützt, am Tische. Der berühmte Monolog vom „Arsenal des Todes“ begann.

Es ist ein eigenes Ding um die Wechselwirkung zwischen Darsteller und Zuschauer. Wer erklärt die ungeheure Macht des genialen Menschendarstellers? Der Franz da oben war ein Genie. Man vergaß die überreife Persönlichkeit; man vergaß das etwas mitgenommene Organ. Man empfand so manche Sonderbarkeit nicht – es war eben eine geniale Darstellungsweise. Ich mußte den Schauspieler, der dort auf dem „Nudelbrett“, wie die Komödianten eine sehr kleine Bühne nennen, agirte, schon irgendwo gesehen, ja bewundert haben. Vor Jahren allerdings. Ich suchte und suchte in meinem Gedächtniß. Endlich hatte ich’s. Der Schauspieler, der da oben mit allen Zeichen eines Rausches Komödie spielte, war der geniale Wilhelm Kl… – Die mir gewordene Klarheit hatte etwas Entsetzliches für mich. Ich hatte keinen Sinn mehr für die Vorstellung. Der elende Unsinn der Darsteller berührte mich nicht. Ich sehnte mich nach dem Ende, denn ich mußte den „Gast“ sprechen. Als der Vorhang, besser das Leichentuch, über dem nichtswürdig zerfetzten und umgebrachten Stücke gefallen war, drang ich hinter die Coulissen. Ich rannte den freundlich grinsenden Pospischil fast über den Haufen, kümmerte mich nicht im Geringsten um die boshaften Bemerkungen der Komödianten, welche mich in allen Dialecten umschwirrten – ich suchte nur den „Gast“ und nahm ihn in Beschlag. Wie ich es fertig brachte, nach so kurzer Zeit mit Wilhelm Kl… in einem Privatstübchen des Wirthes bei einer guten Flasche zu sitzen, weiß ich heute noch nicht. Genug, wir saßen bei einander, und mein sonderbares energisches Vorgehen hatte wenigstens ein Gutes bewirkt: es hatte den erstaunten „Gast“ so ziemlich ernüchtert.

„Mensch, wie kommen Sie hierher?“ fragte ich etwas ungestüm.

Kl… warf mir einen aus Hohn und Wehmuth gemischten Blick zu und meinte:

„Es ist allerdings eine etwas sonderbare Umgebung für einen ehemaligen Hofschauspieler. Indessen,“ er fuhr sich mit der Hand über die Stirn und that einen tiefen Zug aus dem Glase, „es wird ja überall mit Wasser gekocht.“

„Allerdings. Aber kann Ihnen dieses schauerliche Trostwort der Mittelmäßigkeit genügen?“

„Was wollen Sie? Doch lassen wir das! Erklären Sie mir lieber, wie es kommt, daß so viele geistig gut ausgestattete Menschen dem Fatalismus zuneigen. Ich bin – vielleicht leider! – immer Fatalist gewesen.“

Sonderbar! Der Mann litt noch an den Folgen seines Rausches und sprach doch klar und vernünftig. Er fuhr fort:

„Die Umgebung wäre noch das Wenigste. Erbärmlichkeit und Dummheit finden Sie zur Genüge auch an den ersten Bühnen.“

„Leider. Aber –“

„Hören Sie mich zu Ende! Hier, in diesen Verhältnissen, weiß man doch, daß man es mit der nackten Dummheit zu thun hat. Aber oben, bei den ‚großen‘ Bühnen ist die noch hassenswerthere überfirnißte Dummheit zu finden. Hier hat man es mit der meist gutherzigen Rohheit, dort mit der katzbuckelnden, kriechenden Gemeinheit zu thun. Hier fehlt das Geld, um das äußerlich Erträgliche herzustellen; dort rinnen die Tausende durch hundert Hände, die auch nichts Gescheidtes zu Stande bringen.“

„O, o!“

„Gewiß!“ fuhr er heftig fort. „Ich kenne das genau. Hier freuen sich die armen Komödianten wie das Kind auf’s Weihnachtsfest, wenn ihr Director einmal ein neues Stück ergattert; dort ist der Schlendrian in Permanenz. Dem rohen Karl Moor pocht hier das Herz bei seiner urwüchsigen Komödie; dort wird Ihnen Beamtenkomödie vorgespielt, und wenn Sie ein genauer Kenner sind, können Sie dem Betreffenden an der Art seiner Darstellung gleich ansehen, wie viel Tausende er Gage hat. Hier ist das Kammerkätzchen froh, wenn es ein [119] nettes und reines Kattunkleid tragen darf, dort zieht sich das einfachste Bürgermädchen im Laufe des Abends sechs Mal um, nur um die neuen Stoffkleider zu zeigen. Hier ist die allmächtige Reclame, hier ist die bezahlte Claque eine unbekannte Größe; dort –“

Er schwieg mit einer letzten spöttischen Bemerkung und that einen zweiten starken Zug. Seine Augen blickten hell und geistvoll. Es that ihm sichtlich wohl, in dieser Unterhaltung einmal das ihn umgebende Elend zu vergessen. Vielleicht suchte er auch mit den dramaturgischen Spitzfindigkeiten, die er nun vor mir entwickelte, sich vor sich selbst zu entschuldigen, daß er sich hier befinde. Eine geistvolle, wenn auch allzu schwarz gemalte Schilderung der gegenwärtigen Theaterverhältnisse schloß er mit den Worten: „Schlendrian, Dummheit, Frivolität und Reclameschwindel, das sind die hervorragenden Eigenschaften des gegenwärtigen deutschen Theaters. Hier wie dort – es wird überall mit Wasser gekocht.“

Kl…’s Hände führten wiederum das Glas zum Munde. Seine Absicht, sich gewissermaßen zu rechtfertigen, erreichte er nicht bei mir. Ich empfand nach dem Gehörten noch viel tiefer das entsetzliche Gefühl, einen solchen Menschen in solcher Lage zu sehen.

„Sie gewinnen mich nicht!“ sagte ich ihm. „Um der Scylla des Parquets zu entgehen, wirft man sich nicht in die Charybdis der Pfütze.“

Er antwortete nicht. Wir schwiegen eine Weile. Dann fragte ich: „Lieber Kl…, Sie können doch ein offenes Wort ertragen?“

„Ich denke.“

„Wissen Sie, wem Sie gleichen?“

„Nun?“

„Dem Fuchse in der Fabel von den sauren Trauben.“

Er sah mich scharf und unwillig an. Ich hielt den Blick ruhig aus und fuhr fort:

„Erzählen Sie mir, was Sie wollen! Sie sind doch unglücklich, hier zu sein. Sie empfinden den Zwiespalt, ein großes Talent, vielleicht gar ein Genie, aber niemals ein Charakter gewesen zu sein, doch recht drückend. Ich habe mich immer bemüht, für meine Mitmenschen ein entschuldigendes Verständniß zu haben – dieser Zwiespalt ist Ihr ganzes Unglück.“

Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und stützte dann den Kopf in beide Hände. Ohne mich anzusehen, murmelte er halblaut:

„Um mich haben ein Dämon und ein Engel gekämpft. Der Engel – mein Weib – unterlag im Kampfe. Seit dem Tode meines Weibes bin ich ein schwankendes Rohr im Winde, ein meiner Leidenschaft willenlos hingegebener Mensch. Es ist zu spät zu Besserungsversuchen. Die Sache wird ja bald das übliche Ende haben. Meinen Sie nicht, daß mir der wohlbekannte Platz hinter dem Zaune aufgehoben bleibt für alle Fälle?“

Ich brachte kein Wort über die Lippen.

„Mein armes Weib!“ rief er plötzlich mit tiefem, innigem Gefühl, indem er die thränenvollen Augen mir zuwandte. „Wäre sie mir geblieben! Ihr milder Zuruf hätte mir bis an’s Ende bleiben sollen, dann –“

Er trank hastig.

„Haben Sie eine Ahnung davon, wie’s kommen kann, daß ein Weib eine solche Macht gewinnt über einen so leidenschaftlichen Menschen, wie ich es bin? – Ich will Ihnen ein Nachtstück in Callot’s Manier erzählen.“

„Da ist ein Mann,“ fuhr er nach einer Pause fort, „der sein Weib, die Mutter seiner Kinder, herzlich liebt. Das geliebte Weib duldet und schweigt, bleibt immer die aufopfernde, sorglich mahnende Gattin. Die unedle Leidenschaft des Gatten erpreßt ihr in einsamer Nachtstunde manche Thräne. Sie verbirgt ihre Thränen, soviel wie möglich, vor dem reizbaren Gatten. Da stirbt dem Paare ein Kind. Noth herrscht im Hause. Verzweiflung und Reue treiben den Vater, wie so oft, zur Flasche. In später Nachtstunde kehrt er berauscht heim. Schwankenden Ganges betritt er das Zimmer, während im anstoßenden Gemache die trostlose Mutter einsame Thränen dem geschiedenen Lieblinge nachweint. Da – ein Fall – ein Krach – ein Schrei – die entsetzte Mutter eilt mit der brennenden Lampe herbei und sieht – den Vater ihres Kindes, sinnlos berauscht, auf dem offenen, kleinen Sarge liegen, der die sterblichen Reste enthält und den der Unselige in bewußtlosem Falle mit sich niedergerissen hatte.“ –

Lange Zeit herrschte tiefe Stille zwischen uns. Mit erstickter Stimme sprach Kl… dann:

„Seit dieser Nacht lenkte mich mein engelgleiches Weib mit einem Worte. Begreifen Sie nun, was ich ohne sie geworden bin?“

Er leerte das Glas.

„Gute Nacht!“

Er reichte mir die Hand und bat mich, zu bleiben. „Ich wohne in der Nähe und –“ mit eigenthümlicher Betonung schloß er – „ich brauche heute Abend keine Begleitung.“ –

Tief erschüttert kehrte ich in früher Morgenstunde nach Aussig zurück. Den braven Pospischil habe ich nicht wieder gesehen. Kl… ist vor nicht langer Zeit im Krankenhause einer kleinen norddeutschen Residenz gestorben. Ein genialer Schauspieler, ein tüchtiger Lustspieldichter ist mit ihm dahingegangen. Schlummere friedlich, Du vom Dämon Gejagter!

Arno Hempel.




Deutschlands große Werkstätten.


Kleinstaatliche Industrie am Teutoburger Walde.


Das Fürstenthum Lippe, zu dessen Hauptstadt, dem anmuthig gelegenen Detmold, im verflossenen Sommer so viele Tausende von nah und fern zogen, um das Fest der Vollendung des National-Denkmals auf dem Teutberge zu begehen, ist in mancher Beziehung in seiner wirthschaftlichen Entwickelung zurückgeblieben. Obwohl das Ländchen ringsum von Eisenbahnen umgeben ist, fehlt ihm doch bis zu diesem Augenblicke jeder Anschluß an das große vielmaschige eiserne Netz, welches sich heutzutage verkehrerschließend und belebend über Deutschland spannt, und die Lippeschen Landstraßen, mit ihren Postjournalièren und von keuchenden Pferden gezogenen Lastwagen, gewähren noch immer denselben Anblick, wie vor fünfzig Jahren die Chaussee zwischen Dresden und Leipzig, da die „gelbe Kutsche“ das Hauptverkehrsmittel bildete.

So schlummern hier noch manche Kräfte, die wie durch einen Zauberschlag erwachen werden, sobald die Locomotive ihren schrillen Pfiff in den anmuthigen Bergen und Thalweitungen des Teutoburger Waldes ertönen lassen wird.

Um so anziehender war es mir, der Einladung folgen zu können, welche unser lieber Gastfreund in Detmold an den trefflichen Zeichner der Gartenlaube, Herrn Knut Ekwall, und mich ergehen ließ: mit ihm die einzige große Fabrik des Fürstenthums zu besichtigen, welche, unweit Detmold an der Straße nach Herford gelegen, sich die Herstellung eines Artikels zur Aufgabe gemacht hat, der, auf den ersten Blick unscheinbar und für den Laien unbedeutend, zunächst durch seine Verwendung in der Hauswirthschaft, sodann in mannigfacher Weise zu industriellen Zwecken, wohl auch einmal Beachtung und Betrachtung seitens des großen Publicums verdient. –

Obgleich Rohstoff und Fabrikat der Stärkefabrik von E. Hoffmann u. Comp. bei Salzuflen mittelst eines von der Fabrik unterhaltenen umfassenden Fuhrwerkparks von und nach der Bahn transportirt werden muß, obgleich gerade im Lipper Lande, der Heimath des wanderlustigen Zieglers und Hollandsgängers, die Beschaffung und Erhaltung eines tüchtigen Arbeiterstammes eine besondere Schwierigkeit bildet – trotz alledem und mancher anderer Ungunst der Verhältnisse besteht und blüht die Fabrik. Sie verdankt diese Blüthe der Ausnutzung kleiner und großer technischer und ökonomischer Vortheile, wesentlich aber auch dem glücklichen Umstande, daß sich auf ihrem Grundstück dicht neben einander salziges, hartes und ganz weiches krystallklares, nahezu chemisch reines Wasser vorfindet. Ersteres wirkt in überraschender

[120]

Die Stärkefabrik in Salzuflen bei Detmold. Nach der Natur aufgenommen von Knut Ekwall.
1. Das Mahlen des Reises. – 2., 3. und 4. Mehrmaliges Waschen und Ausscheiden der Stärkesorten. – 5. und 6. Die verschiedenen Trocknungsvorrichtungen. – 7. Die Knetmaschine und Stengelstärkemaschinen. – 8. Das Verpacken der Stärke.

[121] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [122] Weise auf die Trennung des Klebers von der Stärke, und es wird so eine unübertreffliche Weiße der Stärke erzielt, während durch das weiche Wasser die letztere absolut geschmackfrei wird.

Wenn wir die Bestrebungen, welche darauf ausgehen, die deutsche Industrie wie eine Treibhauspflanze durch künstliche Mittel, namentlich Schutzzölle, welche die fremdländische Concurrenz fernhalten, zu heben, von dem allein richtigen Standpunkte der großen Mehrheit, nämlich der Consumenten, verurtheilen, so dürfen wir andererseits nur um so unbefangener die Leistungen der deutschen Industrie anerkennen, wenn sie nicht blos auf dem heimischen Markte das auswärtige Fabrikat schlägt, sondern ihre Erzeugnisse auch die Schutzzolllinien anderer Länder durchdringen und auf den dortigen Märkten zahlreiche Kunden gewinnen und sich erhalten.

Die unserer Schilderung beigegebene Abbildung führt uns in dem Mittelbilde den ganzen Complex der Fabrikgebäude mit dem vierundzwanzig und einen halben Meter hohen Schornsteine und den zahlreichen Nebenbauten vor. Die umgebenden kleineren Bilder zeigen uns einzelne Stadien der Fabrikation der Stärke von dem Schälen des Reises bis zur Verpackung des fertigen Fabrikates. Diesem Bilde wird sich unsere Schilderung anschließen und nach einigen allgemeinen Bemerkungen die dargestellten Fabrikationsstadien erläutern.

Die Fabrik entstand vor nunmehr fünfundzwanzig Jahren aus kleinen Anfängen. Das zum Theil sehr fruchtbare lippesche Land producirt ziemlich bedeutende Mengen von Weizen, und dieser bildete in der ersten Zeit ausschließlich den Rohstoff der Fabrik, welche damals wöchentlich achtzig Centner dieses Getreides zu Stärke verarbeitete. Der Betrieb nahm stetig seinen Fortgang und ist nach und nach auf einen wöchentlichen Verbrauch von zweitausendvierhundert Centnern Weizen und Roggen gestiegen.

Inzwischen brachte die Ausdehnung des Seehandels Englands mit Indien, insbesondere die Eröffnung einer Reihe von Häfen Hinterindiens, das Brod Asiens, den Reis, in bis dahin nicht gekannten Mengen und zu so niedrigen Preisen auf den englischen Markt, daß er nicht blos auch bei uns ein Nahrungsstoff für die Massen, sondern in fabrikmäßigem Betriebe zur Gewinnung von Stärke und zwar in solchem Maßstabe verwendet werden konnte, daß erhebliche Quantitäten Reisstärke aus England und Belgien nach Deutschland eingeführt wurden. Dem Bestreben, die deutsche Industrie auf diesem Felde an der auf solche Weise sich vollziehenden Umgestaltung Theil nehmen zu lassen, kam der Aufschwung der Rhedereien der deutschen Seestädte entgegen.

Schon längere Zeit hatte die deutsche Handelsmarine mit einer größeren Zahl von Schiffen an den Fahrten nach Hinterindien Theil genommen. Die Bremer und die Hamburger Flagge – eine deutsche hatten wir damals ja nicht – waren in Akyab, Rangoon, Bassein und Moulmein wohl bekannt. Deutsche Kaufmannshäuser etablirten sich in jenen an den Mündungen der hinterindischen Ströme gelegenen Handelsniederlassungen. Wie bedeutend die Reiseinfuhr aus ostindischen Häfen nach Europa sich gehoben hat, geht aus der Thatsache hervor, daß die Einfuhr im Jahre 1859 143,000 Tons, im Jahre 1874 558,000 Tons betrug.

Unter den nöthigen Controlmaßregeln gestatteten die Behörden des deutschen Zollvereins die zollfreie Einfuhr von Reis zum Zweck der Stärkefabrikation. Letztere begann in Salzuflen im Jahre 1869 mit einem Verbrauch von 200 Centner, der allmählich bis auf 4000 Centner die Woche stieg, und sich noch weiter heben wird, sobald die erschwerten Verkehrsverhältnisse durch Anschluß an eine Eisenbahn beseitigt sein werden. Das Mittelbild zeigt uns die Hauptgebäude der Fabrik: drei fünf bis sechs Stockwerk hohe, vierundsiebenzig Meter lange Bauten. Kessel- und Maschinenhaus enthalten vier Carlist-Dampfmaschinen von zusammen zweihundertachtzig Pferdekraft und die sechs Dampfkessel, welche, nach verschiedenen Systemen angelegt, vierhundertdreißig Pferdekraft repräsentiren. (Im Jahre 1850 genügte eine Maschine von acht Pferdekraft.) Die Gebäude vor dem Maschinenhause und rechts von der Fabrik enthalten den Lagerraum, sowie Localitäten für das Trocknen und Verpacken. Der Complex von Gebäuden zur Linken umfaßt die Comptoire, das Laboratorium, die Maschinenreparatur-Werkstätten, sowie die Holzschneiderei, Böttcherei und Kistenfabrikation. Weiter links erblicken wir Arbeiterwohnungen und im Vorgrunde rechts die Wohnung des Fabrikanten.

Wir gedenken nun in Kürze der Fabrikationsmethode.

Unser Bild führt uns acht verschiedene Stadien derselben vor:

1), Das Mahlen des Reises.
2), 3) und 4) Mehrmaliges Waschen und Ausscheiden der Stärkesorten.
5), und 6) Die verschiedenen Trocknungsvorrichtungen.
7) Die Knetmaschine und Stengelstärkemaschinen.
8), Das Verpacken der Stärke.

Weizen und Roggen werden einige Tage eingeweicht, dann gequetscht und einer sechs- bis achttägigen Gährung unterworfen, welche die Lösung des Klebers von der Stärke bezweckt. Die letztere wird dann auf passenden Waschmaschinen unter Zulauf von Wasser von den Hülsen getrennt, durch wiederholtes langsames Laufen über zwanzig Meter lange und sechszig Centimeter breite Rinnen, ferner durch Centrifugiren und Passiren ganz feiner seidener Siebe von allen Klebertheilen und Unreinigkeiten befreit, darauf mittelst Trockencentrifugen und Luftpumpen in eine feste Form gebracht und endlich auf dem Boden an freier Luft oder in den zweiundvierzig durch Dampf erwärmten gewölbten Kammern fertig gestellt, um danach als Stücken- oder Strahlenstärke, in gemahlenem Zustande als Kraftmehl, oder nach dem Brennen in Oelbädern als Dextrin Verwendung zu finden.

Der Abfall, welcher aus Hülsen und stark kleberhaltiger Stärke besteht, liefert ein vorzügliches Viehfutter und das bei der Fabrikation ablaufende Wasser ein ausgezeichnetes Düngemittel.

Die Reisstärkefabrikation ist anderer Art. Nachdem der Reis geschält und von Hülsen befreit ist, wird er etwa zwölf Stunden in Sodalauge eingeweicht, um den Kleber zu lösen. Der so geweichte Reis wird unter Zulauf von Sodalauge, deren richtiges Mischungsverhältniß für die Güte des Fabrikats entscheidend ist, ganz weich gemahlen. Die weiße Stärke wird unter mehrfachem Aufrühren und Absetzen von der ordinären kleberhaltigen geschieden und in große Bassins gepumpt. Das Wasser kann nach dreitägiger Ruhe abgezogen werden, und die dickflüssige Stärke wird alsdann nach wiederholtem Waschen und einer eigenthümlichen Siebung, welche Geheimniß der Fabrik ist, in mit Leinen ausgelegte Kasten gebracht, um danach in verschiedener Weise, ganz ähnlich wie die Weizenstärke, getrocknet zu werden.

Zur Ausführung der an sich einfachen Arbeiten, die aber die allergrößte Accuratesse erfordern, bedarf es der verschiedenartigsten maschinellen Einrichtungen, deren Beschreibung hier zu weit führen würde.

Die Art der industriellen Verwendung der Stärke ist eine sehr mannigfache. Sie dient den verschiedenartigen Gewerben, Appretur, Kattundruck, Färberei und Bleicherei, Papierfabrikation, Hefebereitung etc. Die Reisstärke wurde bis dahin nur für den Hausbedarf angewandt, doch findet sie auch als Ersatz der Weizenstärke immer ausgedehntere Beachtung für die obenerwähnten technischen Zwecke.

Gleichzeitig mit der Einrichtung für Production der Reisstärke, nämlich im Jahre 1869, wurde eine Holzschneiderei erbaut, welche aus dem Teutoburger Walde gelieferte Buchenblöcke zu Brettern und Stäben verarbeitet und das Material für die Kistenfabrik und Böttcherei liefert. Eine größere Reparaturwerkstätte mit Drehbänken und verschiedenen Hülfsmaschinen, eine Kupferschmiede und eine ziemlich umfangreiche Tischlerei besorgen die bei dem großen Betriebe vorkommenden Reparaturen und stellen auch nicht unbedeutende neue Sachen her, während eine eigene Gasanstalt den Beleuchtungsstoff für circa siebenhundertvierzig Flammen der Fabrik liefert. Die Natur des Betriebes der Fabrik erlaubt nicht ein Stillstehen während der Nacht, und so ist denn ein Tages- und Nachtdienst eingerichtet.

Beschäftigt werden einschließlich der Werkstätten im Ganzen dreihundertachtzig Männer und Mädchen, letztere vorzugsweise beim Verpacken und Trocknen der Stärke; die Zahl der Angestellten ist vierunddreißig.

Wie bereits im Eingange erwähnt, bietet neben der Sorge für die Beschaffung geeigneter Arbeitskräfte der Mangel einer [123] Eisenbahn eine wesentliche Erschwerung des Betriebes. Diese Lücke im mitteldeutschen Verkehrssystem wurde noch kürzlich beim Hermannsfeste in den weitesten Kreisen fühlbar.

Schon aus dem Anfange der fünfziger Jahre datiren die Bestrebungen für eine Eisenbahn durch das Lippesche. Erst jetzt, nach zahllosen Enttäuschungen und Beseitigung kaum glaublicher Schwierigkeiten, läßt eine mit der mächtigen Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft getroffene Vereinbarung hoffen, daß zunächst wenigstens eine Bahn von Herford bis Detmold geführt wird.

Da die Fabrik innerhalb der Zollgrenzen Deutschlands die erste und meines Wissens bis jetzt auch die einzige combinirte Weizen- und Reisstärkefabrik ist, so hat sie ihr Absatzfeld naturgemäß hauptsächlich in Deutschland, aber auch in’s Ausland sendet sie ihre Erzeugnisse; so findet in den Niederlanden, Oesterreich, Italien und neuerdings sogar auch in Rußland die Hoffmann’sche Stärke immer mehr Beachtung und vermag dort den besten englischen Fabrikaten die Spitze zu bieten.

Es mag hierbei noch des Vorurtheils erwähnt werden, daß das deutsche Publicum vielfach auch bei diesem Artikel von seiner Vorliebe für ausländisches Fabrikat noch immer nicht ablassen will und auch die Salzufler Fabrik, nachdem sie sich lange trotz materieller Einbuße gesträubt hat, doch genöthigt wurde, einen Theil ihres Fabrikats mit ihren Etiquetten in englischer Sprache zu versehen. Wir wollen hoffen, daß das mit der Zeit gründlich anders wird.

Wenn die vorstehende Skizze zu den häufigen Darstellungen der „Gartenlaube“ aus dem Bereiche der deutschen Industrie einen Beitrag liefert, der sowohl in Rücksicht auf den wenig bekannten Gegenstand, wie auch wegen der noch weniger bekannten Oertlichkeit hoffentlich einiges Interesse gewährt, so darf ich mit dem Wunsche schließen, daß wenigstens die Verkehrsmisère des kleinen politisch zerfahrenen Fürstenthums bald ein Ende nehmen und ein Schienenweg das Ländchen seiner Isolirung entreißen werde. Sicher werden dann die schlummernden Kräfte, von denen ich im Eingange sprach, erwachen, und die Salzufler Fabrik würde dann der Pionier für manche Nachfolger, die dereinst für den deutschen Gewerbefleiß ein gleich rühmliches Zeugniß ablegen werden.




Blätter und Blüthen.


Die amerikanische Wildkatze. In den südlichen Theilen der Vereinigten Staaten, besonders in Louisiana, findet sich die Wildkatze in großer Anzahl. Die dicht bewachsenen Sümpfe, welche sich längs des Mississippi hinziehen, verhindern die Vertilgung dieses schädlichen Wildes und fördern seine Vermehrung, und obgleich jedes Jahr nicht unbedeutende Mengen desselben geschossen werden, merkt man doch kaum eine Abnahme. Die Wildkatze sucht das abgelegenste Versteck auf, um ihre Jungen zu werfen, und findet in den natürlichen Höhlungen des Bodens oder in hohlen Bäumen für sich selbst und ihre Nachkommenschaft hinreichend Schutz vor den Verfolgungen des Menschen. Sie jagt selten bei Tage; nur bei Nacht oder am frühen Morgen wagt sie sich hinaus und schleicht umher auf dem dürren Laube, um das Frühmahl zu erspähen. Kein Baum ist dabei zu hoch, keine Erdhöhle zu tief, die undurchforscht bliebe. Selbst der Hühnerhof und die Schafheerde des Pflanzers sind ihr tributpflichtig. Das Kaninchen, der Rackoon (Waschbär) und das Opossum (Beutelthier), verfallen in gleicher Weise ihren Krallen. Sie springt mit ebenso viel Gewandtheit von dem höchsten Baumwipfel auf den schlafenden Truthahn herab, wie sie geräuschlos und leicht wie eine Feder mit der Beute im Maule blitzesschnell herabsteigt. Alles ist Leben in dem Thiere, und nichts kann mit der Anmuth ihrer Bewegungen verglichen werden, wenn sie ein Wild verfolgt oder jagend mit ihm spielt. Kein Sprung ist ihr dabei zu gewaltig, nichts in ihrer Haltung ungefällig.

Ihre Natur ist gänzlich unbezähmbar; in gleicher Weise unempfänglich für Güte und Strenge, ist ihr Charakter eine Mischung von Bösartigkeit und Tücke, die keine Empfindung für irgend ein Geschöpf kennt, nicht einmal für ihre eigene Art. Vielleicht wird sie schon deshalb so unnachsichtlich verfolgt, und weil ihre Pfote sich gegen Alles wendet, so ist Jedermanns Hund, Stock oder Gewehr gegen sie gerichtet. Bringt man die Hunde auf einer Fuchsjagd auf die Spur einer Wildkatze, so lassen sie den Reinecke laufen und stürzen der letzteren nach, und wehe ihr, wenn sie ihnen unter die Zähne kommt.

An Aufregung läßt eine Jagd auf Wildkatzen nichts zu wünschen übrig. Mit Hülfe guter Hunde ist eine Spur leicht gefunden, und das Thier, aufgescheucht, eilt in mächtigen Sätzen der kläffenden Meute voran. Nach Katzenart sucht es zuerst, um der Verfolgung zu entgehen, einen Baum zu gewinnen, und diese Gewohnheit gestattet dem Jäger, sich mit ihm auf ganz vertrauten Fuß zu stellen. Ist der Baum hoch, so sucht die Katze hinter den Aesten Sicherheit und findet in der Entfernung ihren größten Schutz. Hat ihr böser Stern sie aber auf einen astlosen oder dürren Baum geführt, so daß man ihren Kopf sehen kann, aus dem zwei lebendige Feueraugen Blitze auf die unter ihr tobende wilde Schaar schleudern, so giebt es keine Rettung für sie. Trotz der grimmig in das Holz eingeschlagenen Klauen und des schäumenden Maules, trotz der in blinder Wuth gesträubten Haare bringt eine gute Schrotladung sie herunter aus ihrer luftigen Höhe, aber selten, um sie gleich zu tödten. Dieses Recht nehmen meistens die Hunde für sich in Anspruch, die ihr wie besessene Teufel folgen, sobald sie den Boden berührt.

Aber das „Bäumen“ ist nur einer der Kunstgriffe der Wildkatze, wenn auch vielleicht ihr bester. In Ermangelung dieses Schutzmittels nimmt sie auch ihre Zuflucht zu Erdhöhlungen und verschwindet plötzlich vor den Augen der Meute wie ein Geist. Aber diese haben die Witterung nicht verloren, und jetzt wird um jeden Zollbreit Erde gekämpft. Der erste Hundekopf, der sich in den Schlupfwinkel der Katze eindrängt, hat einen warmen Empfang zu gewärtigen. Klauen und Zähne thun jetzt ihre Schuldigkeit. Aber der gute Spürhund schreckt nicht davor zurück; entweder packt er sein Opfer und bringt es an’s Tageslicht, oder er läßt die Katze sich an ihm festbeißen und schleppt sie so heraus. Sobald sich aber der Kopf der letzteren außerhalb der Oeffnung zeigt, sitzen auch so viele Zahnreihen an ihr, wie Hunde auf dem Platze sind, und ihnen muß das „neunfache“ Katzenleben, trotz seiner Zähigkeit, weichen.

Auf einer Treibjagd, die mein Hinterwäldler Freund, Bob Nixon, mir zu Ehren mit einigen seiner Nachbaren oberhalb Baton Rouge in Scene setzte, stießen wir nach heißem Tagewerk noch auf eine Katze, stärker, als ich sie je gesehen hatte, und müde wie die Hunde waren, gab es doch kein Halten, sobald sie die Spur bekommen hatten. Unser Wild nahm Zuflucht in einem Loche unter einer mächtigen Eiche, und an eine unmittelbare Erweiterung der engen Oeffnung, war nicht zu denken. Ein kleiner, verbutteter, aber ausgezeichneter Dachshund bestand darauf, sich in die Höhle einzudrängen, und kaum war er darin, so belehrte uns auch sein schwacher Aufschrei, daß er „Anbiß“ hatte. „Jetzt laßt mich hin!“ rief Bob, indem er die Anderen bei Seite stieß und vor der Oeffnung niederkniete, aber nicht um ein Paternoster für die arme Hundeseele zu beten, sondern um den wüthenden kleinen Kerl weiter hinein zu schieben, bis er fühlen konnte, daß die Katze denselben mit ihren Klauen umfaßt, und seinen Kopf in ihrem Rachen hatte. So vereint, wurde das frohe Paar herausgezogen. Aber kaum sahen die anderen Hunde die gefährliche Lage des kleinen Teufels, als sie ihm auch zu Hülfe eilten, und erst als die Katze die scharfen Bisse seiner Freunde fühlte, ließ sie ihr Opfer los und dachte an die Vertheidigung. Obgleich nun über und über mit Blut bedeckt, war doch der Dachs nicht der Letzte im Angriffe und half seinen Cameraden recht weidlich in ihrer harten Arbeit. –

Der Jäger, welcher den wilden Truthahn durch Nachahmung der Stimme des Weibchens lockt, pflegt manchmal durch das Heranschleichen einer Wildkatze in seinem Jagdvergnügen gestört zu werden. Aber sie hat dann den Zorn des Schützen nicht umsonst aufgeweckt; sie fühlt denselben aber nicht, ehe es Zeit ist. Unverwandten Auges, bewegungslos bleibt er hinter dem ihn deckenden Baumstamme liegen, während sie sich wie eine Schlange heranpürscht zur Stelle, von wo sie den Lockton hörte. Kaum hat er aber Visir und Korn genommen, so widerhallt auch der Wald außer von dem Knalle seiner sicher treffenden Büchse noch von einem gewaltigen Fluch auf das ganze elende Katzengeschlecht, das ihm die Aussicht auf ein gutes Mittagsmahl verdorben hat.

Die Wildheit und Unbändigkeit der Wildkatze ist bei dem westlichen Jäger sprüchwörtlich geworden, und wenn er im Uebermaß von Prahlerei seine Ueberlegenheit über einen Gegner ausdrücken will, sagt er wohl, „er könne sein Gewicht in Wildkatzen schlagen“. Dies sagt Alles, denn es steht fest, daß diese Katzenart in Anbetracht ihrer Größe, die schärfsten Zähne, die wüthendsten Klauen und das zäheste Leben hat. „Ich bin wie ein tobendes Erdbeben im Zweikampfe,“ sagte einer jener halbwilden alligatorähnlichen Unholde, die, dem Gesetze im Norden entronnen, zu Hunderten Zuflucht in den Wildnissen des Südens gesucht haben, „ich kann härter draufschlagen wie der vierfache Blitz und es aushalten wie eine Wildkatze.“

Diese Lobsprüche auf die ausdauernde Streitbarkeit der Wildkatze kennt jeder Hinterwäldler. Neben derselben besitzt sie die Unersättlichkeit eines Pfandleihers, die Gefühllosigkeit eines Wucherers, die Hinterlist eines Winkeladvocaten und die Unempfindlichkeit der Schildkröte gegen Schmerz: mit einem Worte, sie kann, wie Mirza Schaffy’s Zuleika, nur mit sich selbst verglichen werden.

In ihrem tückischen giftigen Auge hat die wilde Katze eine auffallende Aehnlichkeit mit dem der Klapperschlange, und dennoch begegnen sich wohl nie zwei lebende Geschöpfe mit größerer Wildheit und tödlicherem Hasse, als diese beiden. Wenn die Katze, wie es wohl vorkommt, auf ihren Schleichwegen auf eine Klapperschlange stößt, so muß eine oder es müssen beide auf dem Platze bleiben. Zischend von der einen Seite, schnaubend von der andern, stürzen sie auf einander und zeigen in ihrem Kampfe ein schreckliches Bild von der Gewalt unbezähmbarer Leidenschaften.

Die Indianer, welche in ihrer Redeweise sehr bilderreich sind, sagen von der Klapperschlange, daß sie zu ihrer Existenz die giftige Luft der Sümpfe und der Ausdünstungen verwester Stoffe bedürfe, während die wilde Katze das Attribut für alle bösartigen Leidenschaften streitsüchtiger Personen geworden ist; „in jenem Wigwam werden Wildkatzen gezogen,“ sagen sie.

Fr. von Wickede.




Berichtigung. In der Levin Schücking’schen Novelle Der Doppelgänger ist in Nr. 4, S. 74, zweite Spalte, Zeile 26 von oben statt: „Fast erbleichend“ zu lesen: „Erst erbleichend etc.“

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Für ein Fröbel-Institut in Italien.

Nachdem die „Gartenlaube“ für die Angelegenheiten des eigenen Vaterlandes ihre Werkthätigkeit stets erwiesen, darf sie wohl einmal die nationalen Schranken verlassen, um für die wichtigste Sorge eines endlich uns befreundeten Nachbarvolkes die allgemeine Theilnahme auch bei uns zu erwecken.

Italien, Jahrhunderte lang Deutschlands armer Leidensgenosse in Ohnmacht und innerer Zerrissenheit durch Großmächte und Kleinstaaten und in opferreichen Kämpfen nach staatlicher Einheit, Unabhängigkeit und Achtung, Italien hat fast gleichzeitig mit uns und zum Theil durch uns dasselbe Ziel nationaler Würde erreicht, und Alles, was in der alten und neuen Welt nach Bildung und Freiheit strebt, jubelte der neuen Zeit eines Landes zu, das in alter Zeit für die europäische Cultur die Verwalterin der edelsten Schätze der Wissenschaften und Künste war und in manchen Beziehungen noch heute ist.

Es war weder die Schuld des deutschen noch des italienischen Volkes, daß so lange der Racheruf „Tod den Deutschen!“ von Sicilien bis zu den Alpen gehört werden konnte; – war es doch Deutschlands eigenes Unglück, daß seine Kaiser ihre Macht im Süden anstatt daheim suchten; – aber beider Völker Verdienst war es, daß wir einen Tag erlebten, an welchem in reiner, freier Begeisterung aus italienischem Volksmunde der Ruf erscholl: „Es lebe der deutsche Kaiser!“

An diese Erinnerungen knüpfen wir eine Bitte an, die wir den Wohlhabenden in Deutschland recht warm an das Herz legen möchten.

Es ist allbekannt, daß in der italienischen „guten alten Zeit“ nicht nur der Kirchenstaat, sondern wo möglich noch weit mehr das Königreich beider Sicilien ein Paradies der unbegrenzten Priestermacht war. Nur das Walten einer solchen konnte es möglich machen, daß ein Jahr nach der Befreiung Süditaliens durch Garibaldi nach dem Berichte des nunmehr königlich italienischen Generalinspectors der öffentlichen Schulen in der Provinz Neapel von 6,500,000 Seelen nur 67,431, also etwa 1 von 96, Schulunterricht erhielten.

Sind nun auch die seitdem verflossenen vierzehn Jahre von der italienischen Regierung redlich benutzt worden, um der öffentlichen Volksschule nach ihren Mitteln aufzuhelfen, so ist doch die Verwahrlosung des niederen Volkes, die schlimme Erbschaft, welche die Bourbonen auch dort hinterlassen haben, namentlich in Neapel weit größer und für die Zukunft gefahrdrohender, als wir dies uns denken.

In einem Briefe des neapolitanischen Professors P. Villari lesen wir unter Anderem: „Wir haben in Neapel eine sehr große Anzahl von Menschen, deren Lebensweise für Alle ein Räthsel ist. Sie erhielten früher Almosen von der neapolitanischen Regierung, von den Klöstern und von milden Stiftungen. Der gegenwärtige Zustand Italiens hat natürlich diese Almosen verringert und somit das Elend gesteigert, weil es ihnen an Arbeit und Gewohnheit der Arbeit fehlt.“ Damit ist sogleich angedeutet, was Neapel vor Allem bedarf. „Was uns hauptsächlich fehlt,“ fährt Villari fort, „das ist jene Art von Gewerkschulen, welche Bettler und Landstreicher in Arbeiter umzuwandeln vermögen. Wird das vorläufig nur bei hundert Männern und Frauen in’s Werk gesetzt, dann werden diesen viele Tausende folgen; denn das ist eine Angelegenheit, welche die Theilnahme des ganzen Landes erregen wird, und Jedermann ist jetzt überzeugt, daß unsere zahlreichen milden Anstalten nothwendig einer Umwandlung bedürfen, um nicht nur Almosen und Brod, sondern auch Arbeit und Unterricht zu gewähren.“

„Die Hülfe,“ sagt Villari schließlich, „die uns andere Länder nicht nur an Geld, sondern auch durch Rath und moralischen Beistand leisten, würde von großer Wichtigkeit für Diejenigen sein, die als Förderer dieser Angelegenheit in Süditalien viele Kämpfe zu bestehen und viele Hindernisse zu überwinden haben. Hier, in Italien, wie überall, findet man leicht Hülfe und Geldunterstützung, wenn es sich um Politik oder Sectirerei handelt; das Gegentheil findet bei Verfolgung rein humanitärer Zwecke statt. Der Rath und die Hülfe, die wir für unsere Zwecke und unsern Kampf bedürfen, muß frei von allem Sectengeiste sein.“

Dieses Wort des italienischen Patrioten wird jeder deutsche Volksfreund mit unterschreiben, und wenn die ausgesprochene schwere Sorge um die Zukunft dieser armen italienischen Bevölkerung bereits die Theilnahme unserer Leser gefunden, so freut es uns umsomehr, berichten zu können, daß das auswärtige Hülfswerk für Italien bereits begonnen und daß es durch eine Frau begründet ist, welche durch Geburt und Familie Deutschland und England zugleich angehört.

Frau Julie Salis Schwabe aus London, jetzt in Neapel, wurde 1861 von einem Turiner Frauen-Comité aufgefordert, eine Vertretung desselben in England zu übernehmen; der thatkräftigen Dame gelang es, noch in demselben Jahre zweitausend Pfund Sterling zu sammeln und damit eine Mädchenschule in Neapel zu eröffnen. Die Anstalt gedieh und sollte eben durch Hinzufügung einer Gewerbeschule ihre Kosten selbst decken, als 1865 die Cholera dem Leben der trefflichen Lehrerin und der Schule zugleich ein Ende machte. Erst 1873 erhielt die Sache wieder festen Boden, als der damalige Cultusminister Scialoja Frau Schwabe zu ihrer Schulgründung ein großes Regierungsgebäude, das Ex-Collegio-Medico, und vierundzwanzigtausend Franken für die Einrichtung desselben zur Verfügung stellte. Noch im September desselben Jahres eröffnete sie den Kindergarten und im December die Elementarclasse in einem wahren Musterschullocale. Während der langen Unterbrechung des Unterrichts mußte der Widerstand des urtheilslosen armen Volkes gegen die „fremde“ Einrichtung gewachsen sein, denn in den ersten vier Monaten beschränkte die Zahl der Zöglinge im Kindergarten sich auf vierzehn und in der Elementarclasse auf neun. Aber das Gute siegte auch hier von selbst, denn im Januar dieses Jahres zählten beide Schulen mehr als dreihundert Kinder, und über hundert mußten aus Mangel an Lehrkräften und Mitteln von der Aufnahme in die Räume, die für fünfhundert eingerichtet sind, zurückgewiesen werden.

Nach dem Plan der Frau Julie Salis Schwabe ist es zur Vervollständigung der Mustererziehungsanstalt in Neapel jetzt nöthig, eine Normalschule zur Ausbildung von Lehrerinnen zu errichten, sowie dem Kindergarten und den Elementarschulen Gewerbeschulen anzureihen. Für diesen Zweck stehen ihr noch zwei Drittel des Gebäudes (leider noch unausgebaute leere Klostermauern und ruinenhafte Hallen) zur Verfügung.

Es ist nun der „große Wunsch“ der Frau Schwabe: in Deutschland die Mittel zu finden, um ein deutsches Fröbel-Institut zur Heranbildung von Lehrerinnen in dem einen Theil des Gebäudes einzurichten und in dem anderen Theile durch den Beistand Englands und Frankreichs Gewerbeschulen zu eröffnen. „Indem auf diese Weise“ – das sind die Worte der edlen Frau – „die menschenfreundlichen, aufgeklärten und ernsten Denker der verschiedenen Nationen sich vereinen, einen Zustand der tiefsten menschlichen Versunkenheit zu verbessern, wage ich zu hoffen, daß das Institut in Neapel auch die erste Grundlage eines Bündnisses edler Menschen werde, die ohne Unterschied der Nationalität und des Glaubens sich vereinigen, jenen unheilvollen Mächten entgegenzuwirken, die statt des Reiches Gottes und alles Guten und Wahren auf Erden nur ihre eigene Macht und Herrschaft durch Unwissenheit der Massen zu begründen suchen.“


Mit Hinweisung auf die obige Darstellung, die zumeist den gedruckten Mittheilungen der Frau Schwabe und des Professors P. Villari entnommen ist, bitten die Unterzeichneten hiermit ihre verehrten deutschen Landsleute um einmalige Beiträge zur Begründung eines Fröbel-Instituts in Italien; sie können dem Obigen sogar die Benachrichtigung hinzufügen, daß, sobald durch die deutschen Beiträge das Fröbel-Institut hergestellt ist, dasselbe für immer, ohne weitere Beihülfe von uns zu bedürfen, festbegründet dastehen wird. Der Unterhalt desselben ist gesichert durch Fundirung von 100,000 Francs, die Frau Schwabe bereits zur Verfügung stehen, ferner durch den Ertrag einer zu London stattfindenden Kunstausstellung und durch jährliche Zuschüsse der italienischen Regierung und des Municipio (Stadtraths) von Neapel. Die „Gartenlaube“ ist in den Stand gesetzt, eine erste Quittung über bereits Empfangenes diesem Aufrufe sofort beigeben zu können.

Fräulein Archer, Vorsteherin des Victoria-Lyceums in Berlin. Geheimrath Baum in Düsseldorf. H. Beckmann, königl. italienischer Consul in Leipzig. Dr. Eduard Brockhaus in Leipzig, Reichstags-Abgeordneter. Dr. Georg von Bunsen in Berlin. Fräulein Louise Büchner in Darmstadt. Madame la Marquise Al. Centurione, Consulat d’Italie à Francfort s. M. Frau Lilla Deichmann-Schaafhausen, Mehlemer Aue, Rheinpreußen. Eberty, Stadtgerichtsrath und Reichstags-Abgeordneter in Berlin. J. Gerson, königl. sächsischer Generalconsul in Frankfurt a. M. Dr. Otto Gildemeister, Bürgermeister in Bremen und Mitglied des Deutschen Bundesraths. Gutmann, königl. italienischer Consul und Chef der Dresdener Bank in Dresden. Dr. Paul Heyse in München. Professor Director H. Hettner in Dresden. Baron F. von Hirsch, Banquier in München. Professor Dr. Franz von Holtzendorff in München. Ernst Keil in Leipzig. A. Lammers in Bremen. Dr. Lippert-Dähne in Leipzig. Fräulein Louise Löbbecke in Braunschweig. N. Mohr, Redacteur der „Weser-Zeitung“ in Bremen. A. G. Mosle in Bremen, Reichstags-Abgeordneter. Commerzienrath Albert Oppenheimer in Braunschweig. Dr. Eduard Pfeiffer in Stuttgart. Cav. Raffo, königl. italienischer Generalconsul in Hamburg. Schrader, Eisenbahn-Director in Berlin. Freiherr von Tauchnitz, königl. großbritannischer Generalconsul in Leipzig. Dr. Varrentrapp in Frankfurt a. M.


Erste Quittung.

Frau Hermann Samson in Leipzig 100 Mk.; Frau Bertha Oppenheimer das. 70 Mk., Frau Fanny Oppenheimer das. 30 Mk.; Frau Geheimrath Ritschel das. 20 Mk.; N. N. das. 100 Mk.; eine Freundin von Frau Wüstenfeld das. 25 Mk.; Herr Beyersdorff in Breslau 60 Mk.; Frau Senator Pauli in Bremen 20 Mk.; Prof. Conrad in Halle 30 Mk.; Geh. Commerzienrath Jaques Reiß in Frankfurt a. M. 100 Mk.; Commerzienrath E. Reiß das. 80 Mk.; Frau Trier-Strauß das. 200 Mk.; Frau Dr. Reiß das. 40 Mk.; Frau Dr. Getz das. 20 Mk.; Dr. G. Varrentrapp das. 20 Mk.; Frau Theodor Stern das. 50 Mk.; Frau Dora Ellissen das. 40 Mk.; Graf Arthur von Dyhrn in Rohlau (West-Preußen) 20 Mk.; Frau J. Königswarter in Frankfurt a. M. 200 Mk.; Frau Philipp Speyer das. 200 Mk.; Herr Dr. Gustav Getz das. 20 Mk.; Frau Peter Koch von St. Georges das. 100 Mk.; Herr Philipp Ellissen das. 20 Mk.; Frau Sophie Hohenemser das. 40 Mk.; Herr J. Rütten das. 20 Mk.; Mad. Marquise Al. Centurione das. 20 Mk.; Herr Eduard Flersheim das. 50 Mk.; Herr Dr. Paul Heyse in München 20 Mk.; Frau Carl Ladenburg in Mannheim 40 Mk.; Herr Rittergutsbesitzer Maercker in Rohlau (West-Preußen) 10 Mk.; George Baker 6 Mk.; Comtesse Arco-Valley in München 40 Mk.; R. B. D. Morier, königlich großbritannischer Geschäftsträger das. 40 Mk.; Freifrau J. von Hirsch das. 50 Mk.; Mecklenburg in Wiesbaden 10 Mk.; Pauline Heinemann in Hannover 20 Mk.; Redaction der „Gartenlaube“ 100 Mk. Die Redaction der Gartenlaube.     



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.