Geschichte der Pfarrei Sachsen bei Ansbach und der zugehörigen Orte/Die Reformation
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1. Die Zeitwende. Luther
Als man sich der Zeit um 1500 näherte, spürte man es überall im deutschen Lande, daß eine neue Zeit im Werden begriffen war. Die Städte, wie Nürnberg, Augsburg, Nördlingen, Rothenburg und viele andere, waren mächtig emporgewachsen und hatten neben den Fürsten, den Herzögen und all den anderen Gewaltigen im Reich ein entscheidendes Wort mitzureden. Das Rittertum, das früher die Schlachten schlug und die Siege gewann, lag im Sterben, da die Erfindung des Schießpulvers eine ganz neue Art der Kriegsführung eingeleitet hatte. Amerika war entdeckt worden und brachte neue Reichtümer, neuen Handelsverkehr in die alte Welt. Die Erfindung der Buchdruckerkunst ermöglichte es, die Weisheit der Gelehrtenstuben auch unter das Volk zu bringen und neue Gedanken, neue Lehren rasch überallhin zu verbreiten. Es regte sich allenthalben ein neuer Geist und strebte die alten Formen zu zerschlagen oder zu neuem Leben umzubilden. Der zu allen Zeiten rege, aber bis dahin stark zurückgedrängte Freiheitswille des deutschen Volkes erhob sich aufs neue und suchte Geltung zu gewinnen. In den Reichsstädten erhoben sich die Bürger und die Handwerker in ihren Zünften und verlangten Teilnahme am Stadtregiment, das fast ganz in den Händen weniger vornehmer Familien, der Patrizier, lag. Ebenso suchten fürstliche und bischöfliche Städte größere Macht und Selbständigkeit zu gewinnen gegenüber der Allgewalt der regierenden Herren. Auch im Bauernvolke gärte es und man begehrte auch da mehr Recht und mehr Freiheit. Es war so, wie es ein Kirchenhistoriker (Preuß) ausspricht: „Das Jahrhundert vor der Reformation war eine Zeit voll Spannung.“
Aber wie im politischen und wirtschaftlichen Leben, so hatte sich’s auch im religiösen und kirchlichen Wesen zu regen begonnen. Wir denken an die großen Kirchenversammlungen zu Pisa (1409), zu Konstanz (1414–1417) und zu Basel (1431), die alle zu dem Zweck einberufen worden waren, eine „Reform an Haupt und Gliedern“ in der Kirche herbeizuführen, ohne freilich in Wirklichkeit etwas zu erreichen. Wir denken an die frommen „Mystiker“ des Mittelalters mit ihrem Streben nach inniger Gottesgemeinschaft und nach reinem Leben. Wir erinnern uns der „Vorläufer der Reformation“: Petrus Waldus in Frankreich, Johann Wiclif in England, Johannes Hus in Böhmen, Hieronymus Savonarola in Italien. Ganz besonders aber ging durch das deutsche Volk um jene Zeit ein mächtiges Streben nach Frömmigkeit, ein Ringen um die Seligkeit. Man konnte sich nicht genug tun in guten Werken aller Art, in| Messen, Stiftungen, Kirchenbauten, Bruderschaften, Heiligenverehrung, Feiertagen, Rosenkränzen, Ablässen und all den anderen Frömmigkeitsübungen. So stiegen z. B. in der Stadt Köln täglich mehr als 1000 Messen zum Himmel empor. Wie es in der Pfarrei Sachsen stand, haben wir bereits gesehen. Freilich befriedigt fühlte sich dabei das Volk in Wahrheit nicht. Die Tiefe religiösen Empfindens, wie sie von Natur dem deutschen Volke eignet, konnte sich mit solch äußerem Tun nicht begnügen; sie strebte nach Besserem. Die deutsche Seele „dürstete nach Gott, dem lebendigen Gott“, wie es im 42. Psalm heißt; sie verlangte nach der „besseren Gerechtigkeit“, von der einst Christus geredet hat.So stand es um die Wende der Zeit, als der große Reformator kam, der seinen Deutschen das brachte, wonach sie sich in tiefster Seele sehnten. Luther erschien. Der 31. Oktober 1517 ist der Tag, an dem er in die Öffentlichkeit trat und mit dem Anschlag der 95 Streitsätze an die Schloßkirche zu Wittenberg das Werk der Reformation begann. Es kann hier nicht der Gang dieses Mannes und seines Werkes eingehend dargestellt werden; es muß genügen, hier auf seine vielen und großen reformatorischen Schriften hinzuweisen, auf seine Bibelübersetzung, auf seine Verantwortung vor Kaiser und Reich auf dem Reichstag zu Worms 1521, auf den Bau der evangelischen Kirche durch seine Predigten und Gottesdienstordnungen, durch Schaffung eines Gesangbuches, durch Herausgabe des Katechismus usw., dann auf die Verlesung der Augsburger Konfession auf dem Reichstag zu Augsburg 1530, auf die Mitarbeit seiner treuen Freunde, voran Philipp Melanchthons, auf die Mithilfe evangelisch gesinnter Fürsten usw. Betont muß nur immer das eine werden, daß Luther durchaus nichts Neues brachte, sondern daß er das deutsche Volk nur zu dem Urquell christlichen Glaubens zurückführen wollte, zu Gottes Offenbarung, wie sie durch Propheten und Apostel, vor allem aber durch den gottgesandten Erlöser geschah und wie sie in der Heiligen Schrift bezeugt ist. Alles, was darüber hinausging, alles was erst aus menschlichem Geiste herausgeboren und zu Gottes Wort hinzugetan worden war, lehnte er ab. Das alles mußte in der Kirche der Reformation abgetan werden. So mußten fallen Messe und Ablaß, Heiligendienst und Reliquienverehrung, Klostergelübde und Mönchswerk, Fegfeuer und Rosenkränze, die vielen Weihen und Opfer, die ganze Lehre von den guten Werken, von der Herrschaft des Papstes, von der Vielzahl der Sakramente und noch vieles andere. Der Weg zu Gott, wie er allein in Christo uns gegeben ist, wurde so wieder frei gemacht. Auf dem Grunde freien evangelischen Glaubens konnte sich nun im deutschen Volke wieder ein freies, allein in Gott und durch Gottes Wort gebundenes evangelisches, wahrhaft christliches Leben regen.
Als Luther seine Stimme im deutschen Land erhob, fand er ein lebhaftes Echo auch im Frankenlande. In Nürnberg trat sein Freund Wenzeslaus Link, der Prediger im dortigen Augustinerkloster, lebhaft für seine Lehre ein; ebenso der bekannte Stadtschreiber (erste Stadtbeamte) Lazarus Spengler, der nachmalige Dichter des Liedes Nr. 224 in unserem Gesangbuch. Hans Sachs, der vielgerühmte Dichter, stimmte sein Jubellied von der „Wittenbergischen Nachtigall“ an; der als Pfarrer an die Lorenzerkirche berufene Andreas Osiander, ein Schmiedssohn aus Gunzenhausen, predigte gewaltig und eindringlich von der neuen und doch in Wahrheit alten evangelischen Botschaft. Die ganze Stadt war bald für die Reformation gewonnen. Der „Rat der Stadt“ konnte zwar seine politischen Bedenken nicht zurückhalten und schwankte längere Zeit hin und her, aber schließlich mußte er dem Drängen der Bürger nachgeben. Ein von ihm im Rathaussaal veranstaltetes Religionsgespräch zwischen den lutherisch gesinnten Pfarrern der Stadt und den noch am Alten hangenden Klosterherren endete mit einem vollen Sieg des Evangeliums. Es war am 3. März 1525. Damit war die Reformation in Nürnberg entschieden.
Im Markgrafentum Ansbach regierten damals die beiden Brüder Kasimir und Georg. Ersterer war durchaus Staatsmann, weltlich und politisch gerichtet, und hatte für den neuen Geist, der aus der reformatorischen Bewegung sprach, nicht viel übrig; doch verhielt er sich nicht ablehnend. Anders sein Bruder Georg, der später den Beinamen „der Fromme“ erhielt; er war innerlich aufgeschlossen für das Evangelium und wurde bald ein freudiger Anhänger Luthers. Ganz in seinem Sinne betätigte sich der markgräfliche Kanzler Georg Vogler. Die Bürgerschaft Ansbachs las sehr eifrig Luthers Schriften und auch der Adel des Landes stellte sich evangelisch ein. Der starken evangelischen Bewegung konnte sich auch der Markgraf Kasimir nicht länger entziehen, zumal nach den Erfahrungen des Bauernkrieges. Er berief darum seinen ganz evangelisch gesinnten Hofprediger Johannes Rurer zum Stadtpfarrer von Ansbach, entgegen dem Willen des Gumbertusstiftes, dessen Chorherren noch sehr am alten Kirchenwesen hingen. Am Palmsonntag (9. April) 1525 hielt Rurer den ersten evangelischen Gottesdienst in der Pfarrkirche (St. Johannis) und führte damit die Reformation in der Stadt ein. Aber auch für das übrige Land gestattete ein gemeinsamer Erlaß der beiden Markgrafen am 24. August 1525 die Annahme frommer, gelehrter, christlicher Prediger, denen ein „kurzer Unterricht“ an die Hand gegeben werden sollte, damit sie wüßten,| wie fernerhin „von rechtem wahren Glauben und rechter wahrer christlicher Freiheit des Geistes gepredigt werden solle“. Diese Anweisung erfolgte vor allem im Hinblick auf die Bauernunruhen, die zum guten Teil aus „ungeschickten und gottlosen Predigten entstanden seien“. Allerdings erließ Kasimir im Jahr darauf wieder einschränkende Bestimmungen, so daß Rurer sich veranlaßt sah, die Stadt zu verlassen. Aber 1527 starb Kasimir, und sein Bruder, der nun die Alleinherrschaft ausübte, ließ keinen Zweifel daran, daß er die reine evangelische Predigt wünsche, und gestattete die Abschaffung aller der Heiligen Schrift zuwiderlaufenden Gebräuche. Die Reformation kam daraufhin rasch zum Durchbruch in der ganzen Markgrafschaft. Das Jahr 1528 darf hier als das Reformationsjahr betrachtet werden.Im weiteren ging der Markgraf gemeinsam mit der Stadt Nürnberg vor. Man trat an die Ausarbeitung bestimmter Lehrartikel und an die Aufstellung einer evangelischen Kirchenordnung heran. Hier ist vor allem der Schwabacher Konvent zu nennen, wo hervorragende Geistliche aus den beiderseitigen Gebieten am 11. Juni 1528 zur Beratung zusammentraten. Zugleich wurden 23 Visitationsartikel und 30 Fragepunkte zusammengestellt als Grundlage für eine allgemeine Kirchenvisitation. Sie erstreckte sich nur auf die Geistlichen, die an bestimmten Orten zusammengerufen wurden, um über ihre Lehre befragt, bei mangelhaften Antworten zu weiterem Studium aufgefordert oder auch bei gänzlichem Versagen „abgeschafft“ zu werden. Die in Schwabach verfaßte Kirchenordnung wurde erst noch überarbeitet und dann 1533 herausgegeben. Sie wies in der Vorrede auf die Augsburger Konfession hin und brachte dann nähere Ausführungen über die evangelische Lehre, über die kirchlichen Handlungen, wie die Gottesdienstordnung, Taufe, Abendmahlsfeier usw. Im zweiten Teile enthielt sie Katechismuspredigten zum Gebrauch in Nebengottesdiensten und als Grundlage für den Unterricht der Jugend wie auch der Erwachsenen. Diese Kirchenordnung galt fortan im Ansbacher wie Nürnberger Gebiet nahe an 300 Jahre.
Gegner der Reformation waren im allgemeinen nur die Klöster und Chorherrnstifte und weiter hinaus die Bischöfe von Würzburg und Eichstätt. Doch war z. B. der Abt Schopper vom Kloster Heilsbronn freundlich gesinnt, und selbst in Ansbach wünschten verschiedene Chorherren die Abschaffung „päpstischer Mißbräuche“, wobei sie freilich ihre Pfründe behalten und darauf heiraten wollten. Die Markgrafen hüteten sich, mit Gewaltmaßnahmen gegen die Klöster und Stifte vorzugehen; sie ließen die Insassen unbehelligt weiter darin leben und duldeten nur keine neuen Aufnahmen mehr, so daß die Stifte und Klöster nach und nach von selbst ausstarben. Das Chorherrnstift in Ansbach bestand noch bis 1563 fort, das Kloster| Heilsbronn sogar bis 1578. Auch dann wurden sie nicht einfach aufgehoben, sondern das vorhandene Vermögen wurde in weltliche Verwaltung genommen, wozu in Ansbach für das dortige Gumbertusstift ein eigenes „Stiftsamt“ eingerichtet wurde. Die Einkünfte aus den Stiften und Klöstern wurden für Schulen, wie die Heilsbronner Fürstenschule, verwendet, auch zur Linderung öffentlicher Notstände und zur Tilgung staatlicher Schulden, für Beamtengehälter u. a. Erst die preußische Regierung hat hernach i. J. 1797 alles für den Staat eingezogen („säkularisiert“).Eine nicht zu billigende Maßnahme des Markgrafen Georg war es, daß er 1529 alle Kirchenkleinodien (Kelche, Hostienteller, Monstranzen usw.), soweit sie nicht für den evangelischen Gottesdienst gebraucht wurden, einziehen und verkaufen ließ. Wenn er auch mit dem Erlös einen Teil der großen Staatsschulden tilgte, so war es doch eine Beraubung der unter seinem Schutze stehenden Kirchen.
3. Die Reformation in der Pfarrei Sachsen
Bei der großen Kirchenvisitation von 1528 hat Jakob Hofmann wohl bestanden; er erhielt die Benotung „bene“, d. h. „gut“, was besagen will, daß er als ein im evangelischen Glauben tüchtiger Geistlicher befunden wurde, im Gegensatz zu vielen anderen, die als „mäßig“ oder „schlecht“ bezeichnet werden mußten oder überhaupt nicht anerkannt werden konnten. Die Gemeinde hat es ihm jedenfalls gedankt, daß er sich so um sie annahm, denn er blieb bis an sein Lebensende (1561) in Sachsen, obwohl er die meiste Zeit noch „Vikar“ sein mußte. Doch ist anzunehmen, daß sein Pfarrer Paulus Keller veranlaßt wurde, ihn besser zu versorgen, als es für die früheren Vikare geschah. Leider ist uns aus seinem Leben nichts weiter bekannt, nicht einmal, ob er verheiratet war.
Die Einführung der Reformation brachte naturgemäß im Kirchenwesen allerlei Änderungen. Das erste war die Abschaffung der Messe und ihre Ersetzung durch einen evangelischen Gottesdienst, wozu Luther selbst in seinem Büchlein von der „deutschen Messe“ Anregung und Anweisung gegeben hatte. Den Mittelpunkt des Gottesdienstes bildete nunmehr die Predigt des göttlichen Wortes, geschöpft aus der Heiligen Schrift, wie sie durch Luthers Übersetzung in die deutsche Sprache dem ganzen Volke zugänglich gemacht worden war. Wohl war auch früher oft gepredigt worden, aber die Predigt bildete dann neben der Messe nur einen unwichtigen Bestandteil des Gottesdienstes und ihr Inhalt bestand mehr aus Heiligengeschichten, Legenden und dergleichen als aus biblischen Wahrheiten. Da auch die Gemeinde sich am Gottesdienst nicht bloß hörend, sondern auch redend und singend beteiligen sollte, gab Luther schon 1523 das erste evangelische Gesangbuch heraus. Außer dem Hauptgottesdienst wurde regelmäßig an allen Sonn- und Feiertagen ein Nachmittagsgottesdienst gehalten, die „Vesper“ oder wie sie bald hieß, die „Christenlehre“; denn da sollte vor allem Luthers Katechismus „gelehrt“ werden, und zwar nicht nur für die Jugend, sondern ganz besonders auch für die Erwachsenen, für die „Christen“ insgemein. Bei der Kirchenvisitation i. J. 1561| bezeugte es Pfarrer Kißling ausdrücklich, daß er an den Sonntagen nachmittags den Katechismus Luthers vornehme; und die vorhandenen Visitationsprotokolle lassen klar erkennen, daß bei den Visitationen neben der Jugend stets auch die Erwachsenen in den christlichen Wahrheiten befragt und geprüft wurden. Daneben gab es noch Wochengottesdienste, in Sachsen jeden Dienstag und Freitag, anfangs auch in Neukirchen einmal wöchentlich.Das heilige Abendmahl wurde jetzt in beiderlei Gestalt gefeiert, d. h. nicht mehr nur mit der Spendung der Hostie, sondern auch mit der Darreichung des Kelches. Taufe und Abendmahl wurden allein noch als Sakramente beibehalten, während die übrigen fünf Sakramente der bisherigen Kirche teils fallen gelassen wurden, wie die Letzte Ölung, teils nur noch als heilige Handlungen beibehalten und in evangelischem Sinne umgestaltet wurden. Letzteres geschah vor allem mit der Ohrenbeichte, die fortan nur noch als Einzelbeichte oder auch als Privatbeichte fortbestand.
Die Verehrung der Heiligen, ihre Anrufung um Fürbitte, die Opfer und Stiftungen für sie, die Feier ihrer Gedenktage kamen ebenfalls in Wegfall. Beibehalten wurden die eigentlich christlichen Feste, wie wir sie jetzt noch haben, dazu aber noch das Epiphaniasfest (6. Jan., der „Obersttag“ oder „Erscheinungstag Christi“). Der Neujahrstag galt als „Beschneidungstag Jesu“. Daneben blieben aber auch die Apostel- und Marientage bestehen: Mariae Reinigung (2. Febr., Lichtmeß), Mariae Verkündigung (25. März), Mariae Himmelfahrt (15. August, nicht in katholischem Sinne, sondern als Mariae „Heimgang“), die Tage der Apostel Matthias (24. Febr.), Philippus und Jakobus des Jüngeren (1. Mai), Petrus und Paulus (29. Juni), Jakobus des Älteren(25. Juli), Bartholomäus (24. Aug.), Matthäus (21. Sept.), Simon und Judas (28. Okt.), Andreas (30. Nov.) und Thomas (21. Dez.). Der Tag des Apostels Johannes (27. Dez.) galt wohl als miteingeschlossen in die beiden vorangehenden Weihnachtsfeiertage, wobei der zweite (26. Dez.) noch besonders dem Gedanken an den ersten Märtyrer Stephanus gewidmet sein sollte. Gefeiert wurde auch noch der Tag Johannis des Täufers (24. Juni). Am jeweils nächstliegenden Sonntag vor oder nach Michaelis (29. Sept.) wurde das Engel- oder Michaelisfest gefeiert; am Sonntag vor oder nach Martini sollte Luthers als des großen Reformators gedacht werden. Es waren noch reichlich viele Feiertage, die so aus der alten Zeit übernommen wurden; aber man glaubte sie doch beibehalten zu sollen, nicht zum letzten auch als besondere Ruhetage für das Volk.
Daß die Fasttage verschwanden, ergab sich von selbst. Die sogenannte Fastenzeit vor Ostern wandelte sich von selbst in eine Passionszeit| um. Doch kamen eigentliche Passionspredigten erst später auf, wie auch die Feier des Karfreitags mit seinem besonderen evangelischen Gepräge eine Einrichtung späterer Zeit ist, etwa seit dem Jahre 1700. Abkommen mußten auch die üblichen Weihen von Wasser, Kerzen, Brot, Früchten und dergleichen, ebenso die alten Bittgänge, Flurumritte und anderes. Dagegen behielt man gern bei, was dem evangelischen Geiste nicht widersprach, wie das Brennen von Kerzen auf dem Altar oder die Bekleidung des Altars mit Gewändern in den althergebrachten kirchlichen Farben. Auch die Bekleidung der Geistlichen in den Gottesdiensten blieb zunächst unverändert. Das frühere Meßgewand wurde noch bei der Feier des heiligen Abendmahls verwendet, wie es Pfarrer Kißling i. J. 1561 ausdrücklich berichtet. Erst allmählich verschwand es, wohl weil man die nicht geringen Kosten für eine Neubeschaffung scheute. Dagegen wurde das sonst in den Gottesdiensten übliche „weiße Chorhemd“ noch bis 1798 allgemein getragen. Erst der preußischen Regierung war es vorbehalten, diese Hemden abzuschaffen, um, wie sie sagte, den Gotteshäusern „Wäscherlohn zu ersparen“.Dem maßvollen, allem Radikalismus abholden Sinn jener Zeit entsprach es auch, daß man die alten Altäre mit ihren Zieraten und Heiligenbildern in den Kirchen stehen ließ. Sachsen behielt seine fünf Altäre weiter. Dienten sie auch nicht mehr wie vordem der Heiligenverehrung, so konnten sie doch der Erbauung der Gläubigen und dem Schmuck der Kirche dienen. Leider ließ man in Sachsen die Altäre nach und nach verkommen, so daß schließlich einer nach dem andern beseitigt werden mußte. Doch waren bis 1804 immer noch der große Hauptaltar und ein Seitenaltar vorhanden, bis in diesem Jahre bei dem großen Kirchenumbau auch sie dem verständnislosen Rationalismus (Vernunftglauben) jener Zeit zum Opfer fielen. Auch die Kunigundenkapelle und die Leonhardskapelle ließ man so verfallen. Die Sebastiansbruderschaft, die nun zwecklos geworden war, löste sich 1529 auf. Am St. Veitstag (15. Juni) kamen die „Brüder“ zum letztenmal zusammen und beschlossen, das Geld, das man bisher für Messen ausgegeben, künftig „armen Leuten“ zuzuwenden. Hierüber, wie über das Schicksal der Sebastianskirche und der Krypta wird später berichtet werden.
4. Der Bauernkrieg
Der Bauernkrieg hatte ganz andere Ursachen, wie schon die Tatsache beweist, daß es längst vor der Reformation Bauernaufstände gab, wie 1476 in Niklashausen (Württemberg), 1491 bei Kempten, 1493 im Badischen (der sog. „Bundschuh“), 1502 im Elsaß, und sonst noch. In Wirklichkeit war es so, wie in dem Abschnitt von der Zeitwende gesagt wurde, daß damals eine allgemeine Unruhe durch das deutsche Volk ging, durch die Bürger in den Städten, durch den Adel auf seinen Burgen, und so auch durch die Bauern auf dem Lande. Es war eben eine neue Zeit im Werden begriffen, neue Anschauungen drangen in das Volk herein, der Wunsch nach größerer Freiheit und nach mehr Recht glühte überall. Ein gewisser revolutionärer Geist war mit dem allgemeinen Umschwung der Zeit und mit dem Aufkommen neuer Verhältnisse verbunden.
Man hat gesagt, die Bauern seien damals fast erdrückt worden von der Unmenge ihrer Abgaben und Lasten, und man zählte nun die lange Reihe der Groß- und Kleinzehnten, der Getreidegülten und Geldzinsen, der Handlöhne und Frondienste usw. auf, daneben noch die öffentlichen Abgaben, wie Steuern, Gemeiner Pfennig, Umgeld usf. Aber man hat dabei nicht bedacht, daß nicht sämtliche aufgezählte Lasten ohne weiteres auf jedem Bauerngute lagen, sondern daß es immer nur einzelne Lasten für den einzelnen Hof waren, hier diese, dort jene Abgaben, und daß der einzelne Hof im Durchschnitt gar nicht übermäßig belastet war. Nicht wenige Bauerngüter waren sogar sehr gut daran, manche freilich waren im Verhältnis stärker mit Abgaben bedacht. Aber ein erträgliches Maß war es im Grunde überall, wie schon wiederholt durch genaue Nachprüfung festgestellt wurde. Das gilt ganz besonders auch von unserer Gegend. Man gewinnt bei näherer Einsicht in die Verhältnisse den gleichen Eindruck, wie ihn ein Geschichtskenner ausgesprochen hat in den| Worten: „Der große Bauernkrieg 1525 war nicht Explosion einer wirtschaftlichen Not; die Bauern hatten ihr Auskommen; was sie kränkte und immer wieder empörte, das war vielmehr ihre Rechtlosigkeit.“ Hier lag in der Tat ein wunder Punkt. Wenn die Fürsten Krieg führten, so war es zunächst immer der Bauer, der darunter leiden mußte, weil sein Hof geplündert und nicht selten niedergebrannt wurde. Wenn die Herren große Schulden machten, so mußte auch der Bauer die Schulden mit tilgen helfen. Vor allem aber hatte der Bauer zu klagen über den großen Schaden, den das sorgsam gehegte Wild des Jagdherrn anrichtete, wenn die Hirsche und Wildschweine in seine Felder einbrachen, die Saaten verwüsteten oder sonst übel hausten, ohne daß der Bauer die Möglichkeit hatte, sich dagegen zu wehren, das Wild zu verjagen oder sonst sich zu schützen, weil eben die Fürsten, die alleinigen Jagdherren, ein unbeschränktes Jagdrecht in Anspruch nahmen. Freilich so berechtigt hier die Beschwerden waren, sie allein hätten noch lange nicht zu einem Aufstand und Krieg geführt, wenn nicht die allgemeine Zeitstimmung und Zeiterregung vorhanden gewesen wäre. Gerade daß auch Städte mit den Bauern gingen, beweist die Allgemeinheit dieser Zeitunruhe.Um den Hesselberg hatte der Schmalzmüller Thomas die Führung der Aufständischen übernommen, Thomas, der selbst Freibauer war und darum am wenigsten über Lasten zu klagen hatte. Er sammelte aus den Orten Röckingen, Gerolfingen, Aufkirchen, Beyerberg, Lentersheim und anderen einen großen Haufen, zog damit vor Wassertrüdingen, das mit ihm gemeinsame Sache machte, nahm das Kloster Auhausen ein und wollte nun nach Heidenheim ziehen, um das dortige Kloster zu plündern. Aber da traten dem inzwischen auf 8–10000 Mann angewachsenen Haufen markgräfliche Truppen entgegen. Es entspann sich ein wilder Kampf, bei dem viele Bauern fielen, die meisten aber schließlich flohen. Die Überlebenden nahmen willig die unter bestimmten Bedingungen angebotene Gnade an. Selbst der Schmalzmüller kam mit Gefängnis und schwerer Vermögensstrafe davon.
Aus der Pfarrei Sachsen hatte sich offensichtlich niemand an den Bauernunruhen beteiligt. Die nähere Umgebung von Ansbach und weiterhin das Nürnberger Gebiet war ruhig geblieben.
So sehr uns die damals gegen die Bauern und noch mehr gegen die Städte verübten Grausamkeiten abstoßen, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß es sich um einen Aufruhr gegen Staat und Obrigkeit, also um Hochverrat handelte, und daß auch von seiten der Aufständischen teilweise größte Grausamkeiten verübt worden waren.
5. Fortgang der Reformation
Das alles läßt uns erkennen, daß man das Erbe der Reformation nicht so treu bewahrte, wie es hätte geschehen sollen. Man ließ sich wohl den evangelischen „Glauben“ gerne gefallen, machte aber zu wenig Ernst mit dem aus solchem Glauben fließenden evangelischen „Leben“. Es fehlte weithin an der nötigen Glaubenszucht und an dem notwendigen Glaubensgehorsam. Erst als die Wetter des Dreißigjährigen Krieges heraufzogen, besann man sich eines Besseren. Der Sohn des vorhin genannten Pfarrers Löscher, der seinem Vater im Amte nachfolgte, berichtete i. J. 1627, er „wüßte von keinem ungehorsamen Pfarrkind“, es gehe „männiglich gern in die Kirche“, nur „zur Vesper (Nachmittagsgottesdienst) gehe es schlecht her“. Dieses günstige Urteil dürfte damals richtig gewesen sein, da die Leute unter dem Druck des nahenden Kriegs-Unheils standen; es ist aber nicht richtig für die vorhergehende Zeit. Das Gottesgericht des Dreißigjährigen Krieges brach nicht unverdient über die Gemeinden herein.
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