RE:Brygos

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Att. Töpfer
Band III,1 (1897) S. 922925
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Brygos, (früher fälschlich Brylos gelesen), attischer Töpfer, aber dem Namen nach thrakischer Abkunft, aus dem Anfang des 5. Jhdts., da im Perserschutt der Akropolis Fragmente einer Vase gefunden sind, die aus stilistischen Gründen trotz der mangelnden Signatur ihm zugesprochen werden müssen; vielleicht darf auch auf der derselben Fundstelle entstammenden Basis CIA IV 2 nr. 373, 185 das ΒΡΥ der ersten Zeile zu seinem Namen ergänzt werden; er hätte dann, wie Euphronios, Andokides und viele andere seiner Kunstgenossen, seine Schutzgöttin, die Athena Ergane auf der Burg, durch ein Weihgeschenk geehrt, das älter als 480 gewesen sein müsste. Da B. stets mit ἐποίησεν signiert, so liegt die entfernte Möglichkeit vor, dass der Zeichner ein anderer war, als der Töpfer; indessen ist die Wahrscheinlichkeit für diese Annahme äusserst gering. Auf die sehr charakteristische Handschrift des Meisters hat Hartwig Meistersch. 371 mit Recht hingewiesen. Wir besitzen sieben Schalen mit seiner Signatur, von denen sechs in den Wiener Vorlegebl. Ser. VIII 2–6 und C 7 zusammengestellt sind; vgl. Klein Vas. m. Meistersign.² 175; das dort als nr. 2 aufgezählte, nur durch eine flüchtige Notiz bei Gerhard A. Vasenb. I 217 bekannte Stück ist offenbar mit der Frankfurter Schale nr. 1 identisch. Dazu kommt weiter ein von der Akropolis stammender Henkel mit der Künstlersignatur, Hartwig a. a. O. 372. Fünf von diesen Schalen sind mit mythischen Darstellungen geschmückt. Die eine jetzt verschollene (Wien. Vorl. VIII 3. Mon. d. Inst. 1856, 4. Robert Bild u. Lied 53. 90. 339. Urlichs Vasenm. Brygos. Engelmann bei Roscher I 1968. Klein a. O. nr. 3) zeigt aussen das Urteil des Paris und seine Rückkehr in das Vaterhaus, also die für den Ausbruch des trojanischen Krieges massgebenden Vorgänge, innen die Schutzgötter Trojas, Apollon und Artemis. Die zweite, im Louvre (Wien. Vorl. VIII 4. Heydemann Iliupersis auf e. Schale d. B. Robert a. O. 61. 102. Urlichs Beiträge z. Künstlergesch. 62. Purgold Arch. Zeit. XLII 1884, 249. Klein Euphronios² 171; Vas. m. Meistersign.² nr. 4), enthält auf ihrer Aussenseite Scenen der Iliupersis, innen eine Credenzscene, Phoinix und Briseis. Die Darstellungen der dritten, die sich im Städelschen Museum zu Frankfurt befindet (Wien. Vorl. VIII 2. Gerhard Trinksch. u. Gef. Tf. A. B. Welcker Alt. Denkm. III T. 12 S. 93. Urlichs Brygos 3; Beitr. z. Kunstgesch. 71. Robert a. a. O. 51. 53. 88. Klein Meistersign.² nr. 1), sind der attischen Localsage entlehnt, aussen die Ausfahrt des Triptolemos und die von der Erichthoniosschlange verfolgten ungehorsamen Kekropstöchter, innen Poseidon und Aithra. Von der vierten Schale sind nur Fragmente erhalten, die sich jetzt im Cabinet des médailles in Paris befinden (Wien. Vorl. C 2; doch sind wie Klein gesehen hat, 2a und 2f als nicht zugehörig auszuscheiden; vgl. P. J. Meier Arch. Zeit. 1884, 245. Urlichs Beitr. z. Kstlgesch. 61). [923] Innen war eine Credenzscene, Nike einem sitzenden Gotte (Zeus oder Poseidon, vgl. Arch. Zeit. XXXIII 1875 Taf. 10) oder einem sterblichen Krieger (ebd. XL 1883 Taf. 1) einschenkend (2 b. 2 g) angebracht; aussen war auf der einen Seite der Raub der Helena (2 e. 2 h), auf der andern nach Kleins ansprechender Vermutung, die Wegführung der Briseis (2 b. 2 c. 2 d) dargestellt. Die fünfte, im britischen Museum befindliche Schale zeigt als Innenbild eine Credenzscene des täglichen Lebens, als Aussenbilder burleske Satyrscenen, Here und Iris von dem brünstigen Gefolge des Dionysos, der ergötzt dem Treiben zusieht, attakiert, während Hermes und Herakles ihrer bedrängten Stiefmutter zu Hülfe kommen; wahrscheinlich liegt ein Satyrspiel zu Grunde, dessen Scenen aber B. in freier Weise umgestaltet hat, da in jener Zeit nur zwei Schauspieler denkbar sind. Die Vase ist eines der ältesten Beispiele für den Einfluss des Dramas auf die bildende Kunst (C. Smith Cat. of Vas. III p. 87, E 65. Mon. d. Inst. IX 46. Wien. Vorl. VIII 6. Matz Ann. d. Inst. XLIV 1872, 294ff. Klein a. O. nr. 8. Robert a. a. O. 28. Dümmler Rh. Mus. XLIII 1888, 358. Bethe Prolog. z. Gesch. d. Theat. 76). Die beiden anderen Schalen enthalten Genrescenen; die erste, in Würzburg, einen Komos (Urlichs D. Vasenmaler Brygos. Wien. Vorl. VIII 5. Klein a. a. O. nr. 5), die zweite in Florenz eine obscöne Darstellung (Heydemann Dritt. Hall. Winckelmannsprogr. 94. Klein nr. 5).

Ausser diesen signierten Werken hat man dem B. mit mehr oder weniger Sicherheit noch rund fünfzig Gefässe zugeschrieben, s. die Liste bei Hartwig Meisterschalen 687f., in der jedoch das Berliner Fragment nr. 17 zu streichen ist, vgl. Hauser Arch. Jahrb. X 1895, 162; dafür ist neuerdings ein Kantharos mit Liebesabenteuern des Zeus hinzugekommen, s. Archeol. Anzeiger 1896, 96 nr. 24. Unter den mythischen Darstellungen spielt wieder der troische Sagenkreis eine grosse Rolle. Fragmente einer zweiten Iliupersisschale hat P. J. Meier als dem B. gehörig erkannt (Luynes Vases pl. 42. P. J. Meier Bull. d. Inst. 1884, 45). Die in Hartwigs eigenem Besitz befindlichen und von ihm Arch.-epigr. Mitt. XVI 1893, 120f. veröffentlichten Schalenfragmente gehören zwar, wie dort richtig gesagt wird, auch dem B., stammen jedoch von keiner Iliupersis, sondern von einer Darstellung der Tötung des Aigisthos durch Orestes und sind wohl die älteste uns bekannte Illustration dieser Scene. Die von Dümmler Bonn. Stud. 76 dem B. zugeschriebene Londoner Schale zeigt den Streit um die Waffen des Achilleus (Archaeolog. XXXII pl. 11. Wien. Vorl. VI 2, vgl. Klein Euphronios² 238. Hartwig Meistersch. 359. Robert Bild und Lied 213, wo aber verkannt ist, dass in der Abstimmungsscene Athene die Achaeer zu Gunsten des Odysseus zu beeinflussen sucht). Den Zweikampf des Achilleus mit Memnon stellen mit unbedeutenden Variationen zwei Schalen in Corneto und London (E 67) dar, von denen die erste von Dümmler a. a. O. 73, die zweite von Hartwig a. a. O. 362 dem B. zugesprochen worden ist (Mon. d. Inst. XI 32. Wien. Vorlegebl. D 8. 1890/91, 8, 2. Gerhard Trinksch. und Gef. D. Robert Scenen der Ilias und Aithiopis 4); [924] die andere Seite zeigt bei der Cornetaner Schale die Abholung des Neoptolemos von Skyros (so Engelmann Arch. Zeit. XLII 1884, 72, anders Körte Ann. d. Inst. 1881, 168. Dümmler a. a. O. 73), bei der Londoner eine Credenzscene im Olymp. Als Innenbild ist in beiden Fällen eine Spendescene verwandt. Endlich ist auch der Wiener Skyphos mit Hektors Lösung gewiss richtig den Werken dieses Meisters zugezählt worden, Mon. d. Inst. VIII 27. Masner Vas. u. Terr. nr. 328. Furtwängler Aufs. f. E. Curtius 186. Arndt Stud. 115. Dümmler a. a. O. 75. Hartwig a. a. O. 363. Auf den im Eingange erwähnten Fragmenten aus dem Perserschutt wollen Winter Arch. Jahrb. II 1887, 229 und Hartwig Journ. Hell. Stud. 1891, 335 eine Darstellung des Mythos von Herakles und Eurytos erkennen, wogegen sich indessen vieles einwenden lässt; eine sichere Heraklesdarstellung enthält hingegen die von Klügmann Ann. d. Inst. 1878 tav. E publicierte Schale, die aber gewiss nicht das Abenteuer mit Nereus (Hartwig denkt an Komoedie oder Satyrspiel), sondern das mit Syleus darstellt (Robert Iliupersis d. Polygnot. 46). Auch an Darstellungen aus dem Kreis der Göttersage fehlt es nicht. Die vorzügliche Berliner Gigantenschale 2293 (Gerhard Trinksch. Taf. VIII 2. X. XI. Wien. Vorl. I 8) hat schon Furtwängler für B. in Anspruch genommen, und Hartwig hat ihr die Pariser Schale mit derselben Darstellung zugesellt (Luynes Vases 19. 20. Gerhard Trinksch. A. B). Die vaticanische Schale mit der köstlichen Schilderung des kleinen Hermes als Rinderdieb hat Dümmler a. a. O. 73 als dem B. gehörig erwiesen (Mus. Greg. 83, 1. Él. cér. III 86. Arch. Zeit. II 1844 Taf. 20). Zwei prächtige Schalen in Paris Cab. d. méd. (Hartwig Meistersch. Taf. XXXII. XXXIII) und München 332 (Thiersch Vas. Taf. 4), sowie eine Anzahl von Schalenfragmenten (Hartwig Taf. XXXIII 2 S. 318. Schoene Museo Bocchi di Adria III 1. 4) führen den bacchischen Thiasos in kühnen und phantasievollen Gruppen vor. Auch die von Hartwig 443, 1 dem ,Meister mit dem Kahlkopf‘ zugeschriebene Londoner Schale mit einem dionysischen Symposion (E 66. C. Smith Cat. III pl. 4) gehört nach Furtwänglers richtiger Bemerkung dem B. Unter den Genredarstellungen verdient zunächst die von Hartwig 331 dem Meister zugeteilte, einstmals Branteghemsche Schale wegen ihrer verblüffenden Übereinstimmung mit der signirten Würzburger Komosvase genannt zu werden. Ähnliche Darstellungen finden sich auf einer Vase in Orvieto (Hartwig Taf. XXXVI), einer verschollenen (Hartwig 351) und mehreren Fragmenten. Scenen des Symposions enthält vor allem eine schöne Londoner Schale (E 68. Hartwig Taf. XXXIV. XXXV), denen sich eine vaticanische (Mus. Greg. II 81), zwei weitere Londoner (E 70. 64. Mon. d. Inst. III 12), vielleicht eine Berliner (2298) und zahlreiche Fragmente anschliessen. Erotische Scenen, zum Teil stark obscön, zeigen eine Schale in Corneto bei Bruschi (Hartwig 343), drei weitere ebendort im Museo Tarquiniese, eine in Kopenhagen (112. Gerhard A. V. 281) und zahlreiche Fragmente, unter denen besonders die Branteghemschen (Hartwig Taf. XXXVI 4. 5) durch Schönheit der Zeichnung hervorragen. [925] Endlich wird auch die berühmte, unter den Fundamenten des Parthenon gefundene Rosssche Scherbe (Ross Arch. Aufs. Taf. 10) von Dümmler a. a. O. 74 und Hartwig 338 dem B. zugeschrieben.

Seiner kunstgeschichtlichen Stellung nach schliesst sich B. an Peithinos und Hieron an, während er sich von der Richtung des Euphronios wesentlich unterscheidet. Er geht aber über seine Muster weit hinaus. Voll feurigen Temperaments und lebhafter Phantasie weiss er, auch wenn er alte Typen reproduciert, wie bei dem Parisurteil, der Iliupersis, dem Waffenstreit, ihnen geschickt neue Seiten abzugewinnen. Höchst glücklich ist z. B. die Einfügung der Athene in die Abstimmungsscene. Vorzüglich versteht er die Affecte wiederzugeben; man vergleiche die Kassandra auf den Paris- und Iliupersisschalen und auch die Polyxena auf letzterer oder den Hermes und Herakles auf der Satyrschale. Seine mythischen Darstellungen tragen einen im besten Sinn dramatischen Charakter, wie er sich nur noch bei Euphronios in dessen letzter Periode, seltener bei Duris findet. Seine aus scharfer Beobachtung des Lebens geflossenen Genredarstellungen zeigen einen übersprudelnden, häufig derben Humor. In der Charakteristik der Situation wie der Figuren nimmt er unter den sog. grossen Schalenmalern wohl den ersten Platz ein, während er in der auf genauer Naturbeobachtung beruhenden Wiedergabe des menschlichen Körpers unmittelbar auf Euphronios folgt, vielleicht ihm gleichsteht. Charakteristisch für seine Compositionsweise ist das Einfügen einzelner landschaftlicher und architektonischer Elemente, Säulen, Thüren, Felsen und Bäume, wie er überhaupt auf die Ausführung des Beiwerks grosse Sorgfalt verwendet. In der Tierbildung steht er hinter Euphronios zurück. Merkwürdig ist, dass alle seine erhaltenen Werke ungefähr auf derselben Stufe des künstlerischen Könnens stehen, so dass eine chronologische Anordnung derselben noch nicht hat gelingen wollen. Urlichs Der Vasenmaler Brygos, Würzburg 1875. Klein Griechische Vasen mit Meistersignaturen 175ff. P. J. Meier Bull. d. Inst. 1889, 75. Dümmler Bonn. Stud. 73. Hartwig Meisterschalen 307.