RE:Erichthonios 2

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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In Attika, sekundäre Nebenfigur zu Erechtheus
Band VI,1 (1907) S. 440446
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2) Der attische E. ist die sekundäre Nebenfigur zu Erechtheus. Der Dichter der Danais (frg. 2, ob attische Überlieferung?) erwähnte den E. als aus der Erde entstanden, ebenso Pindar frg. 253 (beide Fragmente bei Harpokration s. αὐτοχθόνες). Daß er aus der Erde, der saatbringenden Flur, erwachsen sei, wird auch von dem zu E. gewordenen Erechtheus, Il. II 547f. gesagt, und zwar, wie es scheint, mit Polemik gegen eine andere Version, die ihn in ein näheres Verhältnis zu Athena setzte, vgl. German. Arat. 158. Die gleiche Polemik ist ganz deutlich ausgedrückt bei Eur. Ion 270 (γηγενής 20. 100). Daraus ist zu schließen, daß E. auch als wirklicher leiblicher Sohn der Athena gegolten hat. Eines Vaters wird nicht Erwähnung getan. Die Bildwerke charakterisieren ihn durchaus als erdgeboren, indem sie die mit halbem Leib aus der Erde emporragende riesenhafte Ge das Kind der Athena übergeben lassen. Bezeichnenderweise sieht in einem Falle (Schale Berlin 2537) der greise Erechtheus dem Vorgange zu, während er bei Euripides bereits als Sohn und in der Folgezeit durchweg als Enkel aufgefaßt ist. Gattin des E. ist Praxithea (sonst Gattin des Erechtheus), sein Sohn Pandion, Apollod. III 190. Paus. I 5, 3. Schol. Stat. Theb. II 720. Marm. Par. E. Sohn [441] des Amphiktyon, Schol. Aristeid. XIII 189. Gatte der Athena, d. h. natürlich der Hephaistia, der Göttin der Unterstadt und Schutzpatronin der Töpfer, ist Hephaistos. Der Bau des Hephaisteions (Theseions), des Doppeltempels der beiden Gottheiten, war um 430 beendet, die Kultbilder wurden um 420 erstellt. Die Sage von der Liebesverbindung ist also älter. Eine attische Tontafel des 5. Jhdts. zeigt Athena und Hephaistos in Gegenwart des Eros, Furtwängler Vasenkat. Berlin 2759. Curtius Arch. Anz. 1894, 36f. Vgl. das Bildwerk Anth. Pal. IX 590. Als Sohn der beiden nennt Cic. de nat. deor. III 55. 57 den Apollon Patroos. v. Wilamowitz Gött. Nachr. 1895, 222. 289. Genauer kennen wir den Mythus von der Liebesverbindung des Hephaistos und der Athena nicht. Er ist allem Anschein nach aus Ionien nach Athen gelangt. So erscheint die Darstellung am Amyklaeischen Thron, Paus. III 18, 13. Verfolgung der Göttin durch Hephaistos auf einer ziemlich strengen rf. Amphora aus Bologna, Zannoni Scavi della Certosa Taf. 102, 6. Sauer Theseion 58. Gemälde: Luk. de domo 27. Pantomimus: Luk. de salt. 39. Ob schon in der ursprünglichen Fassung der Sage ein Sproß dieser Verbindung genannt war, oder ob erst in Athen der in der Zeit des Peisistratos umgewandelte Erechtheus unter dem aus dem Epos entnommenen Namen an diese Stelle trat, wissen wir nicht. Jedenfalls spiegelt sich in dem Mythus der Gegensatz der niederen Bevölkerung der Unterstadt zu dem regierenden Burgadel.

Zu der Burgherrin paßte diese Liebesgeschichte nicht, ihre Jungfräulichkeit mußte gewahrt werden, und so entstand, mit mannigfacher Motivierung und Variierung, die häßliche Geschichte von der Entstehung des E. aus dem zur Erde gefallenen Samen des Hephaistos; ein Kompromiß zwischen Erdgeburt des E. und mütterlicher Pflege durch Athena einer-, und Eheverbindung zwischen Athena und Hephaistos anderseits. Zuerst kam sie in einem unbekannten Stücke des Euripides vor, Eur. frg. 917. Eratosth. cat. 13. Hyg. astr. II 13. Schol. Germ. Arat. 73, 6. Maass Comm. in Arat. 208f. Athena verbirgt sich vor der Verfolgung des Hephaistos an einem Orte Attikas (Marathon. Nonn. XXVII 317f.), der davon Hephaisteion heißt. Der Gott will sich ihrer bemächtigen, sie schlägt ihn aber mit dem Speer, und des Gottes Samen fällt zur Erde. Daraus entsteht E. (Etymologie ἔρις–χθών). Athena wird dem Hephaistos gegeben (Amelesagoras frg. 1 = Antig. hist. mir. 12), und zwar entweder als Dank für die Befreiung der Hera und auf Anstiften des Poseidon, wobei ihr Zeus rät, sich mit den Waffen zu verteidigen (Hyg. fab. 166), oder zum Dank für den dem Zeus gelieferten Blitz (Fulg. myth. II 11, 88f.). An den beiden letztern Stellen findet der Vorgang in einem Gemache statt, gemeint ist wohl das Haus des Gottes. Oder die Göttin kommt zu Hephaistos, um sich Waffen machen zu lassen, Apollod. III 188. Tzetz. Lyk. 111. Oder der Gott verfolgt, nachdem er dem Zeus das Haupt geöffnet, die neugeborne Athena, Etym. M. 371, 29. Kallimachos änderte die Erzählung in der Weise, daß er den Samen des Gottes an den Schenkel der Göttin gelangen und von dieser mit einem Wisch Zeug abgewischt [442] werden ließ. Daher die Etymologie ἔριον–χθών. Kallimachos Hekale frg. 61 (Schol. Il. II 547, andere Fragmente bei Gomperz Aus der Hekale des Kallim., 1893. Schol. Plat. Tim. 23 D. Tzetz. a. O.). Unter Bezugnahme auf die gleiche Geschichte, aber in weniger anstößiger Weise, wird E. als Sohn des Hephaistos und der Ge genannt, Isokr. XII 126. Paus. I 2, 6. Kallim. b. Gomperz a. O. 10 (Hephaistos u. Aia). Endlich verzeichnet Apollod. III 187 die Version, daß E. der Sohn der Atthis (sc. Ἀτθίς γή), der Tochter des Kranaos, gewesen sei. Andere Stellen über die Geburtsgeschichte: Anth. Pal. VII 210. Censorin. de die nat. 3. IG XIV 5 = Jahn Bilderchron. 8. 76 Taf. VI. Luk. philops. 3; de domo 27 (bildl. Darstellung); de salt. 39. Prokl. h. VII 9. Serv. Georg. I 205. E. betet als erster die Ge Kurotrophos an, Suid. s. κουροτρόφος.

Dem neugebornen E. gibt Athena zwei Tropfen vom Blute der Gorgo, einen heil- und einen todbringenden, die sich dann auf Erechtheus und Kreusa vererben, Eur. Ion 101f. Als Wächter gibt sie ihm ferner zwei Schlangen bei, woher es noch später in Athen Sitte war, den Kindern goldene Schlangen als Apotropaia beizugeben. Sie übergibt ihn in einem Korbe (im Text des Euripides wird ausdrücklich auf bildliche Darstellungen, vermutlich die Parthenonmetopen, hingewiesen) so daß er nicht gesehen wird, den Aglauriden in Hut. Diese aber öffnen den geheimnisvollen Korb, werden von Wahnsinn erfaßt und stürzen sich vom Felsen herunter, Eur. Ion 21f. 271f. 1427f. Zwei Schlangen erwähnt auch Amelesagoras (= Antig. hist. mir. 12), vgl. das V.-B. Annali 1879 Taf. F. Wenn Phylarch frg. 74 von zwei Schlangen spricht und auf einer attischen Münze (Müller-Wieseler Denkm. d. a. Kunst II 20, 219 b. Preller-Robert Griech. Myth. I4 199) zwei Schlangen neben Athena erscheinen, so sind dies entweder die erwähnten beiden Schlangen, oder es sind die beiden in Schlangen verwandelten Heroen E. und Erechtheus. Kallimachos hat in der Hekale die Szene weiter ausgestaltet. Athena verpflichtet die Kekropstöchter, den Korb nicht zu öffnen, bis sie selber wieder komme. Sie geht nach Pellene, einen Berg zu holen, um ihn als Bollwerk vor die Akropolis zu setzen, aber wie sie eben den Berg, den spätern Lykabettos, herzuträgt, berichtet ihr die Krähe, daß der Korb geöffnet und E. sichtbar sei. Da wirft sie den Berg hin, wo er jetzt ist, die Krähe aber verflucht sie ob der schlimmen Botschaft, daß sie sich der Akropolis nicht mehr nähern dürfe. Gomperz a. O. 7f. Amelesagoras a. O. Ovid. met. II 552f. Hyg. astr. II 13; fab. 166. Paus. I 18, 2. v. Wilamowitz Arist. u. Athen II 37. In dieser Version ist nur eine Schlange erwähnt, vgl. Lact. inst. div. I 17, 14. Fulg. myth. II 14. Von ihr werden die vorwitzigen Kekropstöchter verfolgt, Apollod. III 189. Brygosschale. Die Übergabe des Kästchens an die Kekropstöchter ist der mythische Reflex des Brauches der Arrhephoren an den Panathenaien. Nach Hyg. astr. II 13 kommt beim öffnen des Korbes eine Schlange zum Vorschein, die zu dem Schilde der Athena flieht und von dieser aufgezogen wird. E. ist also als völlig schlangengestaltig gedacht. Paus. I 24, 7 scheint anzudeuten, daß einige in der [443] Burgschlange den E. sahen. Ursprünglich gilt E. als durchaus menschlich gestaltet, später werden ihm auch Schlangenbeine oder halbe Schlangengestalt gegeben, Hyg. astr. II 13; fab. 166. Servius und Schol. Bern. Verg. Georg. III 113. Schol. Plat. Tim. 23 D. Verz. d. ant. Skulpt. in Berlin 19, 72. Analogien sind Zeus-Sosipolis und Kychreus. E. als Pflegling oder sonst in enger Verbindung mit Athena genannt: Ammian. Marc. XVI 1, 5. Apollod. III 190. Anth. Gr. Jacobs app. epigr. 50 (συνέστιος). Aristeid. II 12. Schol. Aristeid. XIII 107 (πάρεδρος). Serv. Aen. VII 761. Eustath. Il. 283, 1. Im Tempel der Athena zeigte man auch das Grab des E., Apollod. III 191. Clem. Al. protr. 29 B. Arnob. VI 6, Rohde Psyche 128. Furtwängler Meisterw. 199.

Bei Nonnos ist der hier ebenfalls Erechtheus genannte E. der Vater des am Zuge gegen die Inder teilnehmenden Erechtheus. Er ist der Sohn des Hephaistos und der Athena, bezw. der Ge, in Marathon gezeugt, von Athena in einem Kästchen geborgen und heimlich auferzogen, Nonn. XIII 172f. XXVII 114f. 517f. XXXIX 206. XII 63f. Vorgänger des E. in der Königswürde ist Amphiktyon, Marm. Par. E. vertreibt ihn nach zwölfjähriger Herrschaft, mit Hülfe derer, die sich mit ihm empörten, Apollod. III 187. 190. Paus. I 2, 6. Über die Bildwerke s. u. Nach anderer Überlieferung (Isokr. XII 126) übergibt Kekrops, der keine männlichen Nachkommen hat, dem E. Haus und Herrschaft. Die Namen der Phylen unter E. sind Dias, Athenais, Poseidonias, Hephaistias, Poll. VIII 109. Zur Zeit des E. kommen Danaos und seine 50 Töchter aus Ägypten nach Griechenland, und stiften fünf der Danaiden ein Heiligtum der Athena in Lindos. Bei der ersten Feier der Panathenaien schirrt E. zum erstenmale Rosse an einen Wagen, führt den Agon ein und nennt die Bürger Athener. Zu des E. Zeit endlich erschien das vom Himmel gesandte Bild der Göttermutter und übte der Phryger Hyagnis seine Kunst. So das Marm. Par. Als Stifter der Panathenaien erscheint E. schon im 5. Jhdt., Hellanikos frg. 65 und die Darstellung auf den Metopen XVII–XXI der Südseite des Parthenon, Pernice Arch. Jahrb. X 1895, 98ff. Vgl, ferner Philochoros frg. 26. Androtion frg. 1. Apollod. III 190. Eratosth. cat. 13. Hyg. astr. II 13. Apostol. XIV 6. Schol. Plat. Parm. 127 A. Die Panathenaien sind das Il. II 547f. genannte Fest, mit dem der dort Erechtheus genannte Pflegling der Athena in Verbindung gebracht ist. Nach Schol. Aristeid. XIII 189 werden unter E. die kleinen Panathenaien eingeführt, bei Anlaß der Tötung des Giganten Asterios. Von besonderen Bräuchen an dem Feste werden auf E. zurückgeführt die Sitte der Kanephoren, Philochoros frg. 25, die Thallophoren, Philochoros frg. 26. E. stiftete das erste Holzbild der Athena, Apollod. III 190. vielleicht nach Philochoros, s. Pfuhl De Ath. pomp. sacr. 28. Pernice a. O. 93f. E. errichtet der Göttin eben Tempel, Hyg. astr. II 13. Ganz besonders aber wird hervorgehoben, wie E. an den ersten Panathenaien die Kunst des Rosseanschirrens und des Fahrens mit dem Wagen erfunden oder von Athena gelernt habe. Er galt auch als der am Himmel glänzende ,Fuhrmann’, Eratosth. cat. 13. Hyg. astr. II 13. Germ. Arat. [444] 157f. Verg. Georg. III 113. Varro bei Philargyrius, Gaudentius im Schol. Bern. Serv. z. d. St. (vgl. I 205). Plin. n. h. VII 202. Avien. Arat. 409f. Aelian. v. h. III 38. Aristeid. II 12. XIII 107 und Schol. 187. Im Schol. Aristeid. XIII 107 wird ein Bildwerk im Erechtheion erwähnt, das den E. (Erechtheus) als Wagenlenker darstellte. Kaum damit in Verbindung zu bringen ist ein auf der Akropolis gefundenes archaisches Relief, ein Wagenlenker mit zurückgewandtem Kopf, Παρνασσός 1883, 281. Auf den Wagenlenker E. bezieht Six Num. chron. 1895, 182 die athenischen Münzen mit dem Rad. Über die Deutung des ,Fuhrmanns’ auf E. s. v. Wilamowitz Eur. Hipp. 31. Vielleicht ist der rosseschirrende E. in dem Zeuxippos der attischen und sikyonischen Sage zu erkennen, v. Wilamowitz Aus Kydathen 147; Arist. u. Athen II 130. Der von E. gestiftete Agon wird erwähnt Apollod. III 190. Marm. Par. Schol. Plat. Parm. 127 A. Endlich erscheint E. als der, der zuerst das Silber eingeführt oder die Münzprägung erfunden habe, Hyg. fab. 274. Poll. IX 83. Plin. n. h. VII 197. E. gründet Tarsos nach Genesios p. 66.

Bildwerke. Als älteste Darstellung der Geburt des E. (1. Hälfte des 5. Jhdts.) hat ein attisches Tonrelief zu gelten, Arch. Ztg. 1872 Taf. 63. Friedrichs-Wolters Bausteine² 120. Sauer 58. Die riesige Ge, nur mit den Schultern auftauchend, überreicht der Athena den kleinen E., der von seiner Pflegerin bereits erfaßt ist und die Händchen zu ihr aufstreckt. Gegenstück zu Athena ist der schlangenleibige Kekrops. Der streng schöne Stamnos der Münchner Sammlung (Jahn 345. Mon. d. Inst. 110. 11. Sauer 58) zeigt E., Ge, Athena in derselben Situation, ein dabei stehender Mann wird von Sauer als Hephai-stos, von andern auf Kekrops gedeutet. Eine besondere Stellung nimmt die Hydria von Vulci (Gerhard A. V. 151. Sauer 591) ein, indem hier neben den drei Hauptpersonen, von denen E. ein Amulett trägt. Zeus steht, der dem Kinde den Blitz gewissermaßen hinreicht, und von rechts Nike herbeieilt, den E. zu bekränzen. Hinter Zeus steht ein Mädchen Oinanthe. Revers: Zeus und Nike. Ganz entschieden ist hier eine uns sonst nicht näher bekannte Beziehung des E. zu Zeus ausgedrückt, die sich vielleicht auch auf dem Theseionfries (s. u.) und auf einem Rhyton aus Capua im Brit. Mus. (Journ. Hell. Stud. 1887 Taf. 72/3. Sauer 139) findet. Der herangewachsene E. im Kreise der Kekropstöchter und deren Vater, dem Nike aus einer Schale einzugießen im Begriffe steht. Die Geburt, in Gegenwart des Kekrops und eines bärtigen Mannes (Hephaistos?) findet sich ferner auf einem Vasenfragment im Besitze Hausers (Arch. Jahrb. XI 1896, 189. Sauer 61). Die figurenreichste Darstellung, etwa gleichzeitig mit dem Bau des Hephaistostempels, ist eine rf. Schale in Berlin (nr. 2537. Mon. d. Inst. X 39.. Sauer 611). Während die Hauptszene in der üblichen Weise gebildet ist, finden sich als Nebenpersonen außer Kekrops auch dessen drei Töchter, ferner Hephaistos (dies die erste sichere Darstellung), Aigeus, Pallas und Erechtheus. Aus dem Ende des 5. Jhdts. stammt der Krater von Chiusi (Mon. d. Inst. III 30. Sauer 63), der die Hauptszene [445] mit dem schlangenleibigen Kekrops und daneben, deutlich nicht zur ursprünglichen Komposition gehörig, Hephaistos zeigt. Zwei Niken mit Kranz in der Hand fliegen auf Hephaistos und E. zu. Abweichend von all diesen Darstellungen war die Gruppe im Ostgiebel des Hephaistostempels (Sauer 80f.): Athena in der Mitte sitzend, umgeben von zwei Kekropiden, links Ge, mit ganzem Leibe auf der Erde ruhend (nicht emportauchend) und der Göttin den kleinen E. entgegenhaltend. Ihr Gegenstück der schlangenleibige Kekrops, Hephaistos fehlt. Sicher ist er überhaupt nur auf zweien der genannten Monumente vorhanden, auf dem zweiten überdies offenkundig von dem Maler seiner Vorlage hinzugefügt. Bemerkenswert dagegen ist, daß Kekrops in einer sehr engen Beziehung zu dem Vorgange zu stehen scheint, in einem viel engeren Verhältnisse, als man nach der Rolle, die seine Töchter in der Sage spielen, erwarten würde. Die Vermutung Jane Harrisons (Class. rev. IX 1895, 85f.), daß Kekrops der ursprüngliche Gemahl der Athena und somit Vater des E. sei, scheint mir jedoch nicht ausreichend begründet.

Die Öffnung des Korbes, in dem der kleine E. geborgen war, durch die Kekropstöchter, ist auf zwei Vasen und auf den Südmetopen des Parthenon dargestellt. Auf den Vasen (Annali 1879 Taf. F. Hauser Arch. Jahrb. XI 1896, 190) steht der Korb auf einer felsigen Erhöhung, auf den Metopen dagegen (XVII–XXI. Pernice Arch. Jahrb. X 1895, 96f.) trägt eine der Kekropiden den Korb in der Hand und blickt mit Entsetzen darauf. Auf der Brygosschale (Wiener Vorlegebl. VIII Taf. 2. Klein Meistersign. 179. Robert Bild u. Lied 88f. Pernice a. O.) fliehen die Mädchen vor der mächtigen sie verfolgenden Schlange. Die Geburt des E., annähernd nach Art der Vasenbilder, zeigen zwei Reliefs im Louvre und im Vatikan (Friederichs-Wolters Bausteine² 1861. Helbig Führer² 119. Sauer 65f.), Nebenfiguren sind zwei männliche Gestalten (Kekrops und Hephaistos ?). Die Reliefs sind spätestens im 4. Jhdt. entstanden. Auf eine Erfindung des 4. Jhdts. geht ferner ein Relieffragment aus Ostia, im Vatikan, zurück: Ge, Hephaistos und eine der Kekropstöchter, die sich zum Zeichen des tiefen Geheimnisses mit dem Gewande den Mund verhüllt. Auf Athena mit dem kleinen E. deutet Lechat Mon. Piot III 5f. das Relief der sog. trauernden Athena, die einen Gegenstand, der auf dem vor ihr stehenden Pfeiler gemalt war, aufmerksam betrachtet. Die Deutung wird bestritten von Sauer 65. Athena mit dem kleinen E., Kopie einer athenischen Statue des 5. Jhdts., Jamot Mon. grecs II 1893/4 Taf. XII; vgl. Denkm. d. a. Kunst II 236. Mem. d. Inst, II Taf. 9. Die Gruppe ist abgeleitet von der Eirene mit Plutos des Kephisodot, Overbeck Ber. d. Sächs. Ges. d. Wiss. 1893, 49. Sehr unwahrscheinlich ist die Deutung von zwei Gruppen des Erechtheionfrieses, eines gallopierenden Viergespannes und einer Frau mit einem Knaben auf dem Schoß, auf Szenen der E.-Sage, Overbeck Gesch. d. griech. Plastik I⁴ 478. Collignon-Baumgarten Gesch. d. griech. Plastik II 102. Sicher dagegen erscheint die Deutung des Ostfrieses des Hephaistostempels (Theseion) auf den [446] Kampf des E. gegen Amphiktyon und, was ein bisher unbekannter, aber nicht unwahrscheinlicher Sagenzug ist, die mit ihm verbündeten Pelasger. Zuschauer sind Zeus, Poseidon, Hephaistos, Hera, Athena, Amphitrite. Ganz besonders wichtig wäre es, wenn sich die ansprechende Vermutung Sauers, daß E. den Blitz als Waffe führe, sicher beweisen ließe. Wir hätten dann einen eigentlichen Beweis für die durch mancherlei Momente (s. Erechtheus Nr. 2) wahrscheinlich gemachte nahe Verbindung des E. mit Zeus. Den gleichen Kampf gegen Amphiktyon sieht Pernice a. O. 106 in den Metopen XV–XVI der Südseite des Parthenon dargestellt. Die E.-Sage ist in der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. erst recht fixiert und gleichzeitig an den zwei hervorragendsten Bauwerken, Parthenon und Hephaisteion, zu monumentaler Anschauung gebracht worden. Literatur: Sauer Das sogenannte Theseion und sein plastischer Schmuck.

[Escher. ]