RE:Gargilius 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Martialis, Q. römischer Schriftsteller des 3. Jh. n. Chr.
Band VII,1 (1910) S. 760762
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Gargilius. 1) Q. Gargilius Martialis, römischer Schriftsteller des 3. Jhdts. n. Chr. Von einem landwirtschaftlichen Schriftsteller G. M. berichtet Cassiod. inst. div. litt. 28 und Servius zu Verg. Georg. IV 147; als Biographen des Kaisers Alexander Severus nennt einen ,G. eius temporis scriptor‘ Hist. Aug. Alex. Sev. 37, 9 (I p. 275 Peter); vgl. Hist. Aug. Prob. 2, 7 (II p. 202 P.). Inschriftlich erwähnt wird ein G. M. in einer Grabschrift, welche dem Q. Gargilio Q. filio Quirina Martiali, equiti Romano praefecto cohortis I Astyrum provinciae Britanniae ... ordo coloniae Auziensis insidiis Bavavum decepto pecunia publica fecit (vgl. Ephem. epigr. V 1300, Denkstein für die Eltern). Diese Inschrift ist datiert vom 26. März 260 n. Chr. Da dies sich mit den oben gegebenen Daten gut vereinen läßt und G. den Galenos [† ca. 201] und die fratres Quintilii (coss. 151) zitiert, selbst aber von dem um 370 schreibenden Palladius stark benützt und zitiert wird, so hat man mit großer Wahrscheinlichkeit diese drei Träger eines seltenen Gentilnamens identifiziert und ist so auf genauere Zeitbestimmung gekommen. Das landwirtschaftliche Werk selbst fand neben Columella noch der Humanist Petrus Victorius in jener seitdem verschollenen alten Handschrift der Markusbibliothek zu Florenz, welche auch die einzige Quelle unserer Überlieferung für Catos und Varros landwirtschaftliche Schriften ist. Wir haben nur mehr Auszüge: Der umfangreichste sind I) die Medicinae ex oleribus et pomis (Plini [761] secundi quae fertur una cum Gargilii Martialis medicina, ed. Rose, Lipsiae 1875, p. 129–288). Darin werden aus dem Abschnitte de hortis jenes großen Werkes 39 (45) Kräuter oder Stauden und 20 (27) Bäume bezw. deren Früchte in Hinsicht ihrer medizinischen Verwendung geschildert. Hauptquelle ist Plinius (Plinius noster Rose a. O. 156, 2. Anecd. graecolat. p. 129, 16), aus diesen stammen auch die meisten Zitate griechischer Ärzte, wie Asklepiades, Chrysippos, Demokritos, Diocles u. a., vgl. Rose 221), dann folgen Dioskurides, Galenos, Heras Cappadox in tono suo (Rose 135, 9), Melitius (Rose 169), letztere wohl auch nur entlehnt. Der Autor tritt hie und da persönlich hervor (136, 4) quantum haec potio valeat, utinam nulla calamitas coegisset, ut experimento meo nossem. 200, 19 vehemens hoc esse etiam domesticis in uxore servata experimentis probavi. 141, 6 didicimus ab expertis. 150, 3 non praeteribo, quod ... legisse me memini (bei Plin). 169, 4 apud Galenum invenio. 171, 4 nobis expertum est usw. Trotz all des überlieferten und meist getreu nachgeschriebenen Aberglaubens ist doch ein Streben nach wissenschaftlicher Erkenntnis, ein Abwägen der Autoritäten und Ansätze zu einer Kritik unverkennbar. Der Verfasser verfügte eben über viel mehr Sachkenntnisse und hatte infolge dessen ein richtigeres Urteil als Plinius. Diese Auszüge, über die Rose Herm. VIII (1874) 224ff. und besonders Anecdota graeco-latina II 215 eingehend berichtet, kennen wir:

1) aus dem 4. Buch der sog. Medicina Plinii, einer früh mittelalterlichen Kompilation, die uns in zwei vielfach von einander abweichenden Überlieferungen erhalten ist;
2) aus den vatikanischen Exzerpten de pomis martialis, welche A. Mai Class. auct. III 418 aus einer solchen Kompilation nach 2 Vaticani (saec. X und XII) zuerst herausgegeben hat;
3) aus einem medizinischen Sammelwerk des cod. Sangallensis 762 saec. IX, wo es heißt (Anecd. grl. II p. 136, 15 de oleribus marciales und p. 143, 32 incipit de pomis martialis;
4) aus einem Neapler Palimpsest (Bobiensis), das vier Kapitel enthielt: de cydoneis, persicis, amygdalis, castaneis), herausgegeben von A. Mai Class. auct. I 387, deren erstes identisch ist mit Rose Plini secundi usw. 185. Als Quellen werden zitiert: Celsus, Columella, Curtius Iustus, Iulius Attikus, Iulius Frontinus und die Quintilii;
5) aus einem cod. Berolinensis lat. qu. 198 saec. XII abgedruckt Anecd. grl. II p. 157. Weitere Reste bietet Rose Anecd. grl. II p. 128ff. (vgl. Plin. sec. p. 209).

Diese Auszüge waren im Mittelalter sehr verbreitet, sie dienten u. a. zur Ergänzung des alphabetischen lateinischen Dioskurides der Salernitaner (Dyaskorides vgl. Rose Anecdot. grl. 113. H. Stadler Allg. Med. Central-Zeitung 1900 nr. 14/15) sowie als eine Hauptquelle des sog. Macer Floridas (Ende des 11. Jhdts.). II. Aus einer Leidner Abschrift (saec. XVI) eines alten Corbeiensis von Veget. mulomed. wurden Curae boum ex corpore Gargilii Martialis veröffentlicht von J. M. Gesner und J. G. Schneider Script. rer. rust. IV 1, 168 vgl. IV 2, 73). Herausgegeben weiterhin von C. Th. Schuch Progr. von Donaueschingen 1857 und neuerdings von E. Lommatzsch als Anhang zu seiner Vegetius-Ausgabe [762] (Vegeti Renati digestorum artis mulomedicinae libri, Leipzig 1910).

Daß G. M. von Palladius benützt wurde, ist längst bekannt, zitiert dieser doch seinen großen Vorgänger dreizehnmal namentlich (II 15. 16. 19. IV 9, 9 (haec omnia G. M. adseruit). 10, 5 (6), 16, 34. V 3, 4. VI 6. VII 5, 3. XI 12, 5 (zweimal), 7. XIII 4, 1). Gemoll hatte (Berliner Stud. f. klass. Philol. I [1884]) diese offenkundige Beziehung geleugnet und wollte als Quellen des Palladius nur Anatolios und Columella anerkennen; das hat schon M. Sirch (Die Quellen des Palladius in seinem Werke über die Landwirtschaft, Freising 1904) widerlegt und auf die Bedeutung des Martialis als Palladiusquelle gebührend hingewiesen. Nun hat neuestens M. Wellmann Herm. XLIII (1908) diese Frage wieder aufgenommen und in meiner Ansicht nach einwandfreier Beweisführung dargetan, daß bei Palladius das meiste Exzerpt sei aus der großen landwirtschaftlichen Kompilation des G. M., deren weitschichtiges Material der Verfasser ganz geschickt zu exzerpieren und in die von ihm gewählte Form der Behandlung nach Monaten umzugießen verstanden hat. Palladius ist also im Grunde weiter nichts als ein verwässerter G. M.: er steht zu ihm in demselben Verhältnis wie etwa Faventinus zu Vitruv. Palladius gestattet sich erhebliche Kürzungen seiner Vorlage, wobei Ungenauigkeiten nicht zu vermeiden waren, hat aber daneben bisweilen in treuer Wörtlichkeit abgeschrieben. Den Columella kennt Palladius nur durch Vermittlung des G. M.; gleichfalls aus diesem übernommen sind die unbestimmten Quellangaben (alii, aliqui, plurimi, Graeci) sowie diejenigen Partien, welche Übereinstimmung mit den Geoponici aufweisen. Weiterhin gehören G. M. alle diejenigen Kapitel, in denen die Medizin mit der Landwirtschaft verquickt erscheint, vor allem die, in denen Plinius, Dioskurides oder Galenos für diese Zwecke benützt sind. Wo dagegen Martialis-Palladius einerseits und Columella andererseits in ihren Berichten übereinstimmen, liegt Diophanes als gemeinsame Quelle vor. G. M. ist aber auch eine Quelle Isidors in dessen Abschnitt über die Holzarten (orig. XVII 7, 42ff.). Dagegen gehört die wichtige Stelle des Palladios über die Kultur der Zitronenbäume (IV 10, 11ff.) nicht dem Martialis, sondern erst einer späteren Zeit an. Teuffel-Schwabe Gesch. der Röm. Literatur5 § 380 M. Schanz Gesch. der Röm. Litteratur III2 § 634/35. E. Meyer Gesch. der Botanik II 228ff.