Rosen-Monate heiliger Frauen/Elisabeth

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LIV.
19. November.
Elisabeth,
Landgräfin von Thüringen und Hessen.


 Am 19. November 1231 starb Elisabeth, Wittwe des Landgrafen Ludwig von Thüringen und Hessen. Heute ist ihr Todestag, an welchem ihrer viel gedacht wird, weil das Gedächtnis des Gerechten im Segen bleibt. Elisabeth erreichte nur ein Alter von 24 Jahren, aber dieses kurze Leben reichte hin, ihren Namen in der Kirche Gottes unsterblich zu machen. Auch wir Protestanten, in deren Mitte der Geist der Abtödung, in welchem Conrad von Marburg, der Beichtvater Elisabeth’s, die fromme Magd des HErrn leitete, wenig Anerkennung findet und finden kann, freuen uns eines so strahlenden Christenlebens, wie das der heiligen Elisabeth war, und danken dem Geber aller guten Gaben, daß Er Seiner Kirche eine solche Elisabeth schenkte.

|  Sie war im Jahr 1207 zu Preßburg geboren. Ihr Vater war Andreas II., König von Ungarn, ihre Mutter Gertrud von Meran. Schon ihre ersten Lebensjahre waren an Zeugnissen ungewöhnlicher Gnaden und Gaben des heiligen Geistes so reich, daß die Angehörigen und die Umgebungen des Kindes von Huld und Liebe zu ihm übergiengen, Pilger und Wanderer das Gerücht von ihm in ferne Gegenden trugen. Es kam auch zu dem Landgrafen Hermann von Thüringen und Hessen, der ein junges Söhnlein Ludwig von 11 Jahren hatte, auf welches sein Fürstenthum übergehen sollte. Diesem, seinem Ludwig, so jung er auch war, wünschte er Elisabeth von Ungarn zum Weibe, welche, wenn auch erst vierjährig, doch in der Gabe und Gnade, die sie bereits empfangen hatte, die Bürgschaft eines heiligen und herrlichen Lebens zu besitzen schien. Der Landgraf warb für seinen Sohn bei dem König von Ungarn um die junge Tochter und erbat sich dieselbe sogleich zur Erziehung, und der König übergab auch wirklich das vierjährige Mädchen in einer silbernen Wiege dem Gesandten des Landgrafen, Walter von Varila. Als Elisabeth unter der treuen Obhut des letztern glücklich nach Thüringen gekommen| war, wurde sie mit dem elfjährigen Ludwig, sie, die vierjährige, feierlich verlobt, und war von da an seine Braut. Man suchte edle, gleichaltrige Mädchen im Lande, denen der Landgraf seine eigne Tochter Agnes beigesellte, und mit diesen sollte Elisabeth erzogen werden. Eine von diesen, Guda, blieb ihre Genossin bis fast zu ihrem Tode und bezeugte nach dem Tode Elisabeth’s die Jugenderinnerungen, welche sie von ihr hatte.

 Fünf Jahre hernach starb Landgraf Hermann und sein Sohn Ludwig wurde nun, 16 Jahre alt, Nachfolger seines Vaters im Regiment. An eine Verheiratung mit Elisabeth, welche erst 9 Jahre alt war, konnte er nicht denken. Er wartete, bis er selbst 20 Jahre, Elisabeth aber 13 Jahre alt war und dann führte er sie heim.

 Die Zeit des Brautstandes beider Kinder war eine heilige. Elisabeth leuchtete von innerem Leben, Ludwig aber faßte das Leben seiner Braut und hielt an ihr mit Treuen, so schwer man es ihm machte. Die kindliche, jugendliche Braut erweckt die Liebe vieler, aber ihr entschieden christlicher und geistlicher Wandel stieß auch viele am Hofe und brachte ihr Haß. Ihre eigene| Schwiegermutter Sophia und ihre Schwägerin Agnes waren anderen Sinnes. Als sie einst alle drei zusammen, Kronen auf den Häuptern, zur Kirche giengen, legte die junge Elisabeth die ihrige nieder und bekannte auf Befragen, daß sie da keine Fürstenkrone tragen möge, wo das Gedächtnis des HErrn wohne, der hienieden eine Dornenkrone trug. Eine solche Gesinnung war vor den Augen der beiden andern eitel Schwärmerei. Man lehrte sie tanzen, sie tanzte auch ein Mal, das Vergnügen sprach sie an; dennoch aber war ihr erster Tanz zugleich ihr letzter, denn sie beschloß zu Jesu Ehren für immer, auch diese weltliche Freude aufzugeben und nur Ihm zu Gefallen zu leben. In diesem Sinne wendete sie sich immer mehr den Armen und Leidenden zu und übte ihre jungen Kräfte fleißig im selbstverläugnenden Dienste anderer. Das war kein Leben, wie es an die Höfe paßte. So lebte man auch am Hofe zu Thüringen nicht, wohl aber wurde man durch ein solches Leben innerlich angegriffen, gereizt, gestoßen und beleidigt. Darum sprachen die Höflinge oftmals dem Bräutigam Ludwig zu, die Braut nach Ungarn heimzuschicken und eine andere zu freien. Sie paße beßer in ein Kloster, als auf einen| Thron. Der Bräutigam aber wankte nicht. Er wies einmal auf einen Berg und sagte, wenn man ihm einen solchen Berg von Gold biete, wolle er doch den Goldberg missen und Elisabeth behalten.
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 Eben so wenig ließ sich Ludwig gegen Elisabeth aufregen, als sie seine Gemahlin war und die Lästerzunge auch dann nicht ruhte, sondern keck genug war, auch gegen die fromme Fürstin sich zu regen. Immer sollte das, was Ludwig an seiner Gemahlin am höchsten schätzte, nämlich ihr heiliger Liebessinn zu JEsu und Seinen Elenden in der Welt, ihr zum Verbrechen gestempelt werden. Sie gab den Höflingen zu viel aus für die Elenden und entbehrte andererseits selbst zu viel; sie gieng so gar nicht den Weg anderer Leute und so ganz den Weg JEsu, daß die Gewohnheitsmenschen des Tages nicht zufrieden werden konnten. Dazu wandelte sie selbst so viel unter den Elenden und befaßte sich persönlich so viel mit ihnen, diente ihnen so hingebend, so gar wie eine Magd, daß es nicht begreiflich gewesen wäre, wie die Menschen mit sich hätten zufrieden sein können, wenn sie mit einer solchen Fürstin zufrieden gewesen wären. Sie speiste täglich 900 Arme: sie arbeitete eigenhändig für die Armen, machte ihnen| Kleider, spann und nähte ohne Rast und pflegte die Kranken mit eigner Hand, es war ihr kein Uebel zu groß, zu scheußlich, und wäre es der Aussatz gewesen. Der Gegensatz, welchen auf solchen Wegen die fromme Fürstin fand, hat sich in zwei Sagen ausgesprochen, die schön und werth sind, gemerkt zu werden; es spricht sich in den Sagen auch die himmlische Lösung aus, welche der Gegensatz immer fand. Einmal sei nemlich, so erzählt die Sage, Elisabeth ihrem Ludwig begegnet; sie hatte das Tuch voll Gaben für Arme, er das Herz voll von den Lästerreden ihrer Feinde; jetzt gerade hätte er die Stimmung gehabt, die Gemahlin zu tadeln. Er griff nach dem Tuch, es zu enthüllen, – sie seufzte zu Dem, der aus Verlegenheit hilft, – und siehe, was ereignet sich? Ludwig sah im vollen Tuche nicht Speisen, nicht Almosen und Gaben, sondern blühende duftende Rosen, deren Geruch all seinen keimenden Unmuth vertrieb. Ein anderes Mal sei, so spricht wieder die Sage, Ludwig heimgekommen; seine Mutter selbst, eine Gegnerin Elisabeth’s, habe ihm entgegengerufen, sein Weib habe so eben einen Aussätzigen in’s Ehebette legen laßen, ihn zu pflegen; sie werde den Gemahl anstecken. Aergerlich| geworden, habe Ludwig die Decken gelüftet und was gesehen? Statt des Aussätzigen, der im Bette lag, die Gestalt des Gekreuzigten. Da habe er Gott gelobt, die Gemahlin aber freudenvoll ermahnt, ihm nur recht oft einen solchen Gast in die Betten zu legen. Der HErr war mit Elisabeth, so lange ihr Ehegemahl lebte und machte sie dem frommen Gatten je länger je lieber. Sie hieng aber auch dem Gemahle mit einer Ergebenheit und Treue, mit einer Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit an, welche sie zu einem leuchtenden Vorbild für Ehefrauen macht. Wenn er daheim war, war immer Hochzeit, sie gieng dann dem Gemahle zu Gefallen in fürstlichem Gewande. War er verreist, dann war ihr Herz verwittwet und verwaist für diese Welt, und sie trug das Gewand der Wittwen.
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 In ihrem 17. Jahre gebar sie ihren Sohn Hermann, dann folgten zwei Töchter Sophie und Gertrud. Als sie das vierte Kind, gleichfalls eine Tochter, unter dem Herzen trug, erfuhr sie, was ihr eine Weile sorgfältig verheimlicht war, daß ihr Gemahl den Entschluß gefaßt hatte, mit Kaiser Friedrich II. den Kreuzzug in das heilige Land zu unternehmen. Das war ihr, ach welch ein tiefer Schmerz. Aber das Wort| des frommen Gemahls: „es geschieht ja um Christi willen“, fand ihr Herz. Sie beruhigte sich, sie ergab sich in die Trennung, so schwer sie ihr wurde, und so manche trübe und bange Ahnung sie noch schmerzlicher machen wollte, als sie ohnehin schon war. Als Ludwig wegzog, begleitete sie ihn, begleitete ihn weiter und weiter, einen Tag um den andern, bis er sich losriß, – und sie nun heimkehren mußte, die Wittwenkleider anzuziehen. Ludwig zog nach Italien. Ehe die Kreuzfahrer wegkamen, in Otranto, wurde er von einem bösen Fieber überfallen, nahm das Sacrament aus der Hand des Patriarchen von Jerusalem und starb am 11. September 1227.
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 Damit starb der Wittwe die ganze Welt ab, ihre Feinde konnten nun freier hervortreten, und ihr Schwager Heinrich, der sich mit Unrecht des Landes und Regimentes bemächtigte, vertrieb sie sammt ihren Kindern Anfangs des Jahres 1228, im Winter; wie sie gieng und stand, mußte sie – und zwar bei Nacht – das Fürstenhaus verlaßen, und überdies wurde den Unterthanen verboten, sich ihrer anzunehmen. Das war die Rache, welche die Menschen an der Heiligen nahmen, weil sie so viel Almosen gegeben, so viel| Geld und Gut verschenkt hatte. Dafür sollte sie die Bitterkeit der Armuth schmecken. Ein bitterer Kelch? Aber sie trank ihn, sie gieng in die von ihr gegründete Franziscanerkirche und bat die Geistlichen, in tiefer Nacht dem Gott ein Tedeum zu singen, der zuließ, daß man ihr alles nahm. Sie irrte nun mit ihren Kindern, mit ihren Dienerinnen Guda und Ysentrud von Haus zu Haus. Niemand nahm sie auf, bis endlich einer ihr einen (neuen) Schweinstall öffnete. Dahinein lernte sie ihre Kinder betten, weil ja Christus, der HErr, auch in einem Stall gelegen war. Sie war eine Wohlthäterin des Landes, und das ganze Land wandte sich von ihr. Eine von den Bettlerinnen, deren sie so viele Tausende gespeist und gekleidet hatte, gieng so weit, einmal, da die Fürstin in der Nähe eines schmutzigen Grabens gieng und den Weg darüber suchte, ihr einen Stoß zu versetzen, daß sie der Länge nach hineinfiel. Sie half sich heraus und wusch die Kleider am nächsten Brunnen. Das Elend war zu groß, als daß es hätte lange dauern können. Die Aebtissin von Kitzingen, ihre Muhme, öffnete ihr die Pforte und ihr Oheim, der Bischof zu Bamberg, nahm sie mit ihren Kindern auf und behandelte die treue Dulderin nach Stand und Würden.
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|  Zu dieser Zeit kam der Leichenzug des verstorbenen Landgrafen Ludwig von Otranto her, der Heimat zu, nach Bamberg. Walter von Varila und andere edle Herren kamen mit. Sie sahen die jugendliche Wittwe, die man werth geachtet hatte, Kaiser Friedrichs II. Gemahlin zu werden, sahen ihre Treue, Liebe und Leid, hörten alle Unbilden, die sie erduldet, und wurden bald ihre Anwälte und ihres Schwagers Heinrich Seelenretter. Ihren Ermahnungen wich die Härte Heinrichs. Hermann, Ludwigs und Elisabeth’s Sohn bekam das Anrecht auf sein Erbe, Elisabeth selbst aber bekam fürstlichen Aufenthalt zu Marburg.

 Hier verlebte sie ihre drei letzten Jahre unter der Hand eines gestrengen Seelenführers, dem sie sich ergeben, Konrad’s von Marburg, in beständiger Casteiung und Abtödung, im Dienst der Armen und Elenden, öffentlich in den Orden des Franciscus von Assisi aufgenommen, den sie je und je verehrt und bewundert, der ihr eines Tages seinen alten Mantel verehrt und zugesandt hatte. Sie rang nach einer Freiheit der Seele von allem Irdischen, nach einer Vollendung und alleinigen Hingebung an den HErrn, die, selbst wo man sie für eine Irrfahrt erkennen muß, doch auch als Fehler für Leute unserer Tage zu groß ist.

|  Ein holdseliges Kind, – eine edle, gottverlobte Braut, – eine Gattin von ungewohnter Treue gegen ihren Gatten und gegen ihren Gott, – eine Wittwe, die, bei großer Jugend, einsam war und Tag und Nacht im Gebet, – eine stille, sanfte Dulderin, welche die Worte mehr scheute, als wog, auch wenn sie von ihren Freunden sprach, – eine ringende, betende, flehende Braut JEsu, des Hochgelobten, – eine Diaconissin, welche sich von Kindesbeinen an, wie das Haus Stephane, selbst verordnet hatte zum Dienste der Heiligen, – eine Sterbende, die ihr Ende voraus wußte und mit heiliger Bereitung demselben entgegen gieng: das war Elisabeth. Vierundzwanzig Jahre alt starb sie – und was hatte sie von Jugend auf erfahren! Und wie war – so muß sagen, wer die Zeiten unterscheidet und würdigt – Gottes Gabe und Gnade bei ihr angelegt! Die Ledigen, die Bräute, die Frauen, die Wittwen, die Lebenden, die Sterbenden – was können sie aus diesem 24jährigen Leben lernen, wenn sie auch nicht jede Dornenstraße und nicht jeden gottesdienstlichen Weg betreten können und dürfen, auf dem Elisabeth von Thüringen gieng.




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