Rosen-Monate heiliger Frauen/Monika

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Rosen-Monate heiliger Frauen
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Sophia und ihre Töchter »
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XXII.
4. Mai.
Monika,
Wittwe.


 Der Name Monika gehört in der christlichen Kirche zu denjenigen, die von allen mit Verehrung und Liebe genannt werden; auch der Protestant, deßen Seele leicht vor jedem Namen zurückscheut, den ein Römischer mit Ehrerbietung nennt, läßt doch den Namen Monika gelten. Ist doch Monika die Mutter des großen Kirchenlehrers Augustinus, deßen Treue und Größe von allen Confessionen anerkannt wird, der durch seinen nachfolgenden Wandel und seine musterhafte Amtsführung allen ein Beweis ist, wie die Gnade Gottes aus einem Sünder ein Gotteskind, ja einen ausgezeichneten Diener Gottes zu bereiten vermag!

 Monika hatte das Unglück, sehr frühzeitig die Leitung der elterlichen Hände entbehren zu müßen. Ihre Eltern vertrauten sie und ihre Auferziehung einer| alten Magd an. Sie hatte aber auch das Glück, einer Person übergeben zu werden, welche verständiger und treuer mit ihr umgieng, als viele andere es gewollt und vermocht hätten. Doch blieb auch dies Kind so wenig als andere von den Versuchungen und Sünden des kindlichen Alters frei. Monika war sogar auf dem Wege, in früher Jugend ohne Wißen der Ihren und ihrer Pflegerin sich ein Laster anzugewöhnen, welches man häßlich an allen, häßlicher an Frauen, am häßlichsten aber an jungen Mädchen finden muß. Es war das Laster des unmäßigen Weintrinkens, das sie sich anfangs nur aus Muthwillen und wie im Gegensatz gegen ihre alte Pflegerin, welche die Kinder zur Enthaltsamkeit anhalten wollte, angewöhnte, dann aber mit Lust und Leidenschaft fest hielt, bis ihr eine Dienstmagd, vor deren Augen sie eine Zeit lang unbesprochen alle Tage im Keller beim Weinholen der Sünde fröhnte, einmal im Zorne den Titel einer Weinsäuferin gab und ihr so mit einem Male zu ihrem eigenen Schrecken die Gestalt ihrer Seele enthüllte. Der HErr gab Gnade zur Umkehr, und Monika erwuchs seitdem je mehr und mehr nach Seinem Sinn, bis sie von ihren Eltern an einen vornehmen| Mann, Patricius von Tagaste, der noch ein Heide war, vermählt wurde. In der gemischten Ehe, – ohne Zweifel einer schweren Aufgabe für jedes weibliche Gemüth, – erwies sie sich als eine echte Dienerin Gottes. Ihr Mann war gutmüthig, aber, wie es bei Gutmüthigen oft zu sein pflegt, auch jähzornig und im Zorne sehr heftig. Brach nun sein Zorn los, so schwieg Monika und ließ sich aus ihrer Sanftmuth durch keine Gewalttätigkeit des Mannes bringen. Erst wenn der Zorn verraucht war, sprach sie mit Patricius und wies ihn liebevoll zurecht. Da sie sich in diesem Verfahren durchaus gleich blieb; so wurde sie auch immer stärker und heiterer darinnen und gewann über das Gemüth ihres Mannes eine solche Gewalt, daß er sie je länger je mehr ehrte und bei aller seiner Heftigkeit am wenigsten ihr zu nahe trat. Im Besitz einer solchen Erfahrung konnte sie auf andere Frauen, welche über die ungerechte Behandlung ihrer jähzornigen oder lüderlichen Männer zu klagen hatten, oft großen Einfluß gewinnen. „Ihr seid selbst an eurem Unglück schuld, sagte sie, weil ihr eurer Zungen nicht Herr seid.“ Damit sprach sie beßer als mancher Pastor, wenn er Ehedissidien zu behandeln hat: denn es ist| ja so, an einem stillen sanften, in Stille und Sanftmuth geduldigen Weibe bricht sich am Ende der Zorn eines Mannes und seine Seele wird geheilt. Es geht alsdann dem Weibe, wie es von dem Manne geschrieben steht: Ein Geduldiger ist beßer denn ein Starker. Monika hatte auch die Freude zu ärnten, was sie gesäet hatte. Ihr Mann wendete sich gegen Ende seines Lebens zu Christo und wurde getauft. Da sie wie gegen ihn, auch gegen andere verfuhr und immer die Klugheit der geduldigen Liebe gegen jedermann bewies, so ärntete sie auch überall Liebe und Frieden, wie sie Liebe und Frieden säete, und ihr heiliger Wandel trug ohne Aufhören Frucht.
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 Sie hatte zwei Söhne, Navigius und Augustinus, und eine Tochter, deren Namen wir nicht kennen. Augustinus wurde schon in seiner Kindheit unter die Zahl der Catechumenen aufgenommen, aber er brachte es nicht bis zur Taufe. Die Heftigkeit seines Charakters riß ihn in Sünden dahin, um deren willen man ihn nicht für reif zur Taufe halten konnte. Einmal wurde er todtkrank, und man bereitete sich schon zu seiner Taufe; als aber die Lebensgefahr zurücktrat, ließ man es auch mit der Taufe wieder anstehen. So leidenschaftlich| der junge Augustinus war, eine so unmäßige Sucht hatte er auch, ein großer Gelehrter zu werden, und obwohl das für seine Seele nicht minder gefährlich war, als seine übrigen Sünden, so sahen doch seine Eltern, wenn schon ein jedes aus anderen Gründen, gnädiger dazu. Als Augustin 17 Jahre alt war, starb sein Vater, er aber setzte seine Studien zu Carthago fort und wurde bald eine Beute der Manichäer und eben damit eine schwere drückende Sorgenlast seiner Mutter Monika. Sie, ein Beispiel der Frömmigkeit und des christlichen Wandels, alle Zeit andächtig, barmherzig, aufopfernd, aber auch treu in ihren Mutterpflichten, mußte den Jammer sehen, daß ihr hochbegabter Sohn ganz andere, die schlechtesten Wege wählte. Sie hörte nicht auf zu flehen und zu beten, aber es däuchte ihr die Erhörung sehr lange auszubleiben. Sie erlaubte ihrem Sohne nicht mehr an ihrem Tische zu speisen und in ihrem Hause zu wohnen, bis sie ungefähr neun lange Jahre vor Augustinus Bekehrung einen tröstenden Traum hatte und von da an die Hoffnung nicht mehr aufgab, daß mit ihrem Sohne noch alles herrlich werden würde. In dieser Zuversicht ließ sie ihn wieder an ihren Tisch und in ihr Haus. Es hatte ihr| nämlich geträumt, sie stehe auf einem langen Richtscheite, neben ihr aber ein strahlender Jüngling, der von ihr die Ursache ihres Kummers erforschte und alsdann sprach: „Wo du stehst, steht dein Sohn auch.“ Der übermüthige Sohn versuchte es zwar, der Mutter den Trost dadurch zu nehmen, daß er sagte, es könnte ja auch die Mutter werden wie er, dann ständen sie auch beisammen auf Einem Richtscheit; aber Monika wußte ihm zu entgegnen. „Nein, nein, sagte sie, es hieß nicht, wo du stehest, stehe auch ich, sondern wo ich, da stehest auch du.“ Solch gute Hoffnung haben die Eltern oftmals von Kindern, über welche andere bereits den Stab gebrochen und das Herz von ihnen abgewendet haben, und es ist in solcher Hoffnung sehr oft keineswegs elterliche Schwachheit, sondern eine Art göttlicher Anregung und göttlichen Trostes, denn die Eltern behalten oftmals gegenüber der ganzen Welt und ihrer falschen Deutung Recht. Jedoch wurde es Monika schwer genug, die Verkehrtheit ihres Sohnes noch neun Jahre lang mit anzusehen. Es gieng nicht ohne viel Seufzer und Thränen ab, und sie sprach viele Christen und berühmte Beter unabläßig um die Fürbitte für ihr Kind an. Ein Bischof, der, früherhin| selbst Manichäer, die Gefahren der üblen Sekte kannte, und des Anlaufs und Drangs der angstvollen Mutter nicht los werden konnte, obwohl er die Hoffnung ausgesprochen hatte, daß auch für Augustinus die Wendung kommen werde, entließ sie endlich mit den Worten: „Geh hin, weine und bete wie bisher, ein Sohn so vieler Thränen kann nicht verloren gehen,“ und diese Worte übten denn nach Gottes Willen eine Kraft, wie wenn sie vom Himmel gefallen wären.

 Als Augustinus 29 Jahre alt war, reiste er nach Rom, um dort die Redekunst zu lehren. Seiner Mutter war diese Reise schrecklich. Um sie zu verhindern, oder, wenn es nicht anders wäre, mit ihm zu reisen, begleitete sie ihn bis zum Ufer. Da sagte Augustinus, um ihrer los zu werden, trüglich, er wolle nicht zu Schiff gehen, so daß nun Monika in eine nahe Kapelle des heiligen Cyprianus gieng und da die Nacht zubrachte. Als sie aber am Morgen wieder ans Ufer kam, ihren Sohn zu suchen, hatte sie den Jammer, zu hören, daß er ihre Abwesenheit benützt habe, um davon zu fahren. Es blieb ihr nun nichts übrig, als sich in die Trennung zu ergeben und ihr Beten und Seufzen fortzusetzen.

|  Der HErr aber vollbrachte ohne sie, was sie begehrte, und mehr. Den Sohn züchtigte er in Rom durch Krankheit und führte ihn im Jahre 384 in derselben Absicht, in welcher er nach Rom gegangen war, nemlich um Rhetorik zu lehren, nach Mailand, woselbst er in Ambrosius seinen Meister fand. Monika aber lernte durch die Entfernung von ihrem Sohne dasjenige ertödten, was in ihrer Liebe zu ihm dem HErrn misfällig war. Sie wurde gereinigt, und auch er wurde auf dem Richtscheite vorwärts geführt, um zum Standpunkte seiner Mutter zu gelangen. Es ist allewege Weisheit in den Wegen des HErrn, und wer Geduld hat, der erfährt es.
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 Als Monika hörte, daß Augustin in Mailand sei, bestieg sie ein Schiff, um zu ihm zu eilen. Sie hatte aber eine langwierige, stürmische, höchst beschwerliche Fahrt, während welcher sie jedoch die muthigste unter allen war und auf Grund einer gehabten verheißenden Erscheinung den zagenden Matrosen Freudigkeit und Zuversicht einsprach. In Mailand angekommen, hatte sie die Freude, aus dem eigenen Munde ihres Sohnes zu vernehmen, daß er die Sekte der Manichäer auf die von Ambrosius empfangene Belehrung verlaßen| habe. Hatte er sich nun gleich bei seinem unbeständigen Sinn der Wahrheit damit noch nicht angeschloßen, so konnte Monika doch schon darin eine Erhörung erkennen und setzte desto zuversichtlicher ihre Bitten und Gebete fort. Im Jahre 386 geschah es, daß der HErr, der barmherzige Gott, Augustins wankenden Sinn durch die Wunder Seiner Hand überwältigte, und demselben durch Seinen heiligen Geist diejenige Festigkeit und Stärke gab, welche ihn neben seinen übrigen Gaben zum einflußreichsten Kirchenlehrer machte und zu einer Säule der Wahrheit. Da hatte denn Monika die große Aufgabe ihres irdischen Lebens vollendet. Sie hatte ausgebetet, sie war erhört und fand auf dem noch kurzen übrigen Lebenswege nur noch Ursache zu Dank und Freude. Die gute Mutter suchte nun den neubekehrten Sohn in seinen Vorsätzen dadurch fester zu machen, daß sie ihm eine christliche Lebensgefährtin zuführen wollte; allein nachdem Augustinus seinen HErrn gefunden hatte, bedurfte er dieses Mittels nicht mehr, sondern er erklärte seiner Mutter seinen Entschluß, sein übriges Leben ehelos zuzubringen. Am Osterfeste 387 wurde Augustin mit einigen seiner Freunde aus Afrika von Ambrosius getauft. Monika,| die schon vorher mit Augustin auf einem Landhause gelebt hatte, und ihm in den seligen Gesprächen, welche sie so reichlich mit einander führten, solche Beweise eines nicht blos frommen, sondern auch hohen und reichen Geistes gegeben hatte, daß er es nie vergaß, sondern in seinen Schriften rühmt, war nun wie eine Mutter aller der Neugetauften und zugleich wie ihre demüthigste Magd. Dies Zusammenleben war ihre Lebenshöhe. Die ganze Schaar dachte nun aber auf nichts mehr, als nach Afrika zurückzukehren, und Monika sollte mitgenommen werden. Allein diese war satt und bedurfte für diese Welt nichts mehr. „Mein Sohn, sagte sie zu Augustinus, für mich hat nichts auf Erden mehr einen Reiz. Eines war es, weshalb ich noch eine Weile zu leben verlangte, nemlich deine Bekehrung zu erleben. Das hat mir nun Gott über all mein Hoffen gewährt, was soll ich nun ferner hienieden?“ Im Hafen zu Ostia wurde Monika krank, ohne Hoffnung auf Genesung. „Hier begrabt ihr eure Mutter,“ sprach sie zu ihren Söhnen, als sie von einer tiefen Ohnmacht erwachte. Navigius sprach den Wunsch aus, daß sie leben möchte, um mit nach Afrika zu gehen und dort ihr Grab zu finden. Sie| aber versetzte: „Kümmert euch nicht um meinen Leib, aber gedenket meiner am Altare des HErrn, wo ihr auch sein möget.“ Sie starb in ihrem 55ten Lebensjahre. Augustin, der 33 Jahre alt war, drückte ihr die Augen zu. Seine Seele war von Schmerz zerrißen, aber er weinte nicht und verbot es auch seinem Sohne Adeodatus: „es sei unschicklich, den Heimgang einer solchen Christin und Mutter zu beweinen.“ Als er freilich in die Einsamkeit kam, ließ er selbst den Thränen so freien Lauf, daß er sich hernach darüber glaubte rechtfertigen zu müßen. Er gedachte auch allezeit seiner Mutter und rühmte und pries bei jeder Gelegenheit ihren Glauben und ihren Wandel. Er hatte dazu die gerechteste Ursache. Monika ist ohne Zweifel ein herrliches Beispiel für Gattinnen und Mütter, besonders für solche, die mit ihr in ähnlichen Verhältnissen zu leben haben. Sie ist aber auch ein herrliches Beispiel für Frauenfrömmigkeit überhaupt, und wir wollen dies kurze Gedächtnis ihres Lebens nicht beschließen, ohne noch hinzugefügt zu haben, was für ein demüthiges und gehorsames Pfarrkind sie, die hochbegabte und einsichtsvolle Christin, gewesen ist. Es ist rührend, ihr kirchliches Verhalten in Mailand wahrzunehmen.| Es war da so viel anders im kirchlichen Leben, als in Afrika, ja auch in Rom, daß die kirchliche, dem Leben der Gemeinschaft völlig offene, alle kirchliche Sitte hoch ehrende Frau viele Bedenken bekommen mußte. Allein sie folgte dem Lichte des Ambrosius und lernte an seiner Hand echte Freiheit der Kinder Gottes, so daß sie die Einigkeit des Glaubens von dem äußeren Leben scheiden und ungeirrt durch die Verschiedenheiten sie viel mehr achten und als mancherlei Mittel zu Einem Zwecke brauchen lernte. Indem sie dann in Carthago, in Rom und in Mailand zu leben wußte, konnte sie an allen diesen Orten ihren Glauben pflegen, allenthalben wachsen und zunehmen im innern Leben. Allen allerlei werdend, suchte und fand sie ihre und ihres Sohnes Seligkeit.




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