ADB:Beuther, Michael

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Artikel „Beuther, Michael“ von Adalbert Horawitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 589–593, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Beuther,_Michael&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 17:23 Uhr UTC)
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Beuther: Michael B., geb. am 18. Oct. 1522 zu Karlstadt in Franken, wo sein Vater Michael würzburgischer Amtmann war, † 27. Oct. 1587 zu Straßburg. Seinen ersten Unterricht erhielt er in der Vaterstadt, in Würzburg und Coburg, dann zu Marburg bei dem Theologen Johannes Draconites, bei dem er Hebräisch lernte und dem er später noch eine treue Anhänglichkeit bewies. Auch zu Eoban Hesse, der den begabten Knaben wie einen Sohn liebte, trat er in ein näheres Verhältniß. Mit siebzehn Jahren ward er als Lehrer der alten Litteratur ins Kloster Saalmünster berufen. Daselbst blieb er aber nicht lange, sondern begab sich nach Wittenberg, wo er Luther, Melanchthon, Pommeranus, Cruciger, Justus Jonas, Hieronymus Schurf, Erasmus Reinhold hörte und vornehmlich Melanchthon einen bedeutenden Einfluß auf seine Anschauungen und Lebenspläne gewann. 1542, nachdem B. schon Magister geworden, diente er eine Zeitlang dem Kurfürsten Johann Friedrich als Fourier, kehrte dann wieder nach Wittenberg zurück, wo er juridische und mathematische Vorlesungen hörte. [590] 1544 trat B. mit zwei Büchern lateinischer Epigramme – im Nachlasse wird ein drittes Buch erwähnt – als Dichter auf (Epigramm. libri II apud Chr. Egenolphum, Franc. 1544), mit Gelegenheitsgedichten, die wol von geschickter Mache zeugen, an Gedanken aber ziemlich arm sind. B. widmete sie dem Grafen Michael v. Wertheim, dessen Familie er verherrlicht; er lobt Lehrer und Mitschüler, verspottet Feinde und ergeht sich dabei in classischen Reminiscenzen. Die Carmina sind vor Allem dadurch interessant, daß sie die Führer der Reformation und des Humanismus rückhaltlos feiern (vor Allem Hutten, Reuchlin und Erasmus) und Opposition gegen Rom athmen. An Selbstgefühl fehlt es schon in diesem Jugendwerke nicht. Größeren Beifall fand ein anderes Werk, das als zweiter Theil des Buches „Schimpff und Ernst“ von Johannes Pauli erschien (Frankfurt a. M., Cyriak Jacob 1544 und 1545). Es ist dies eine von B. verfaßte hochdeutsche Uebersetzung des Reinecke Vos, „die jedoch hinter dem lebendigen niederdeutschen Gedichte schattenhaft zurückbleibt“ (Goedeke, G. d. d. Dichtung 374). B. nennt sich nicht, weil er der „ganzen glosen erfindung kein Autor ist“. Natürlich hat das ganze Buch eine lehrhafte Tendenz. – 1546 wurde B. Professor der Geschichte, Poesie und Mathematik in Greifswald, wo er mit allgemeinem Beifall lehrte und Rector wurde. Von hier aus unternahm er auch einen Ausflug nach Kopenhagen (siehe seine „Bildnisse berühmter Kriegshelden“). – Dem Rathe von Greifswald bewies er noch später seine Verehrung durch Dedication der Uebersetzung des Sleidan (Editio von 1570). 1548 berief Melchior Zobel, Bischof von Würzburg, B. als seinen Rath zu sich. Von da begab er sich 1549 nach Frankreich, wo er zu Orleans, Poitiers und Angers „jurisprudentiae studio notis urbibus“ (Ephemeris, Brief an P. Eber) neue Kenntnisse sammelte. Nachdem er von da im zweiten Jahre nach Paris zurückgekehrt, wo er „De annorum supputatione“ öffentlich lehrte, edirte er daselbst seine – wie er sagt – schon in Greifswald begonnene „Ephemeris historica“ (1556 auch in Basel bei Oporinus), eine Art historischen Kalenders, von dem Zeltner behauptet, es sei das Muster für P. Eber’s 1551 zu Wittenberg erschienenes Calendarium Historicum gewesen, während Struve annimmt, B. habe Eber’s Arbeit nachgeahmt. Allerdings fällt es auf, daß dies damals schon geglaubt wurde, und B. sich veranlaßt fühlte, in einem langen artigen Schreiben an Eber sich von diesem Vorwurfe zu reinigen, und daß endlich auch bei einer andern Edition Beuther’s eine ebenso merkwürdige Uebereinstimmung mit einem unlängst erschienenen Buche besteht. Uebrigens erfolgten damals ähnliche Publicationen in England von Adrian Junius, einem Arzte (London), auch der Rechtsgelehrte Fr. Balduinus und Joh. Richius, ein Freund Beuther’s, hatten Anläufe zu solchen Geschichtskalendern gemacht. Die Anregungen zu den deutschen Arbeiten lassen sich wol auf Melanchthon zurückführen. Aus Historien in verschiedenen Sprachen – B. legt auf seine Kenntniß des Hebräischen besonderen Werth – stellte B. seine Werke zusammen; neben Quellen des Alterthums sind auch Zeitgenossen (Cranz, Aventin, Hesse, Cuspinian, Gebwiler, S. Münster, Nauclerus, Sleidan etc.) benützt. B. führt sein Buch bis ins 16. Jahrhundert hinauf, er thut sich etwas zu Gute, immer Gewährsmänner aufzuführen, was freilich in oft sehr unzulänglicher Weise geschieht (z. B. „Chron. Germ.“, „Chron. Gall.“). Den kirchlichen Angelegenheiten wendet er keine besondere Sorgfalt zu „illas in peculiarem Ephemeriden relatas proponere decreuerim“. – Das Werk, das eine große Gelehrsamkeit entfaltet, ward dadurch wol – trotz seiner Trockenheit – von seinen Zeitgenossen als ein staunenswerthes betrachtet, von dem u. A. Einer rühmt, es werde auch von der spätern Nachwelt anerkannt werden. Es fand auch in Italien Eingang und Verbreitung. – Noch im J. 1551 erscheint B. wieder am würzburgischen [591] Hofe, von wo er 1552 zu den Passauer Verhandlungen, dann an den kaiserlichen Hof zu Innsbruck und Regensburg geschickt ward. 1553 treffen wir B. in Padua, wo er auf Melanchthon’s Rath unter G. Fullopius Medicin studirte, dann in Rom und andern italienischen Städten; zu Ferrara ist er Dr. juris geworden. Zu Padua schrieb er seine „Fasti Hebraeorum, Athenensium et Romanorum“ (Basel 1556 und 1563), durch die er ein sehr verdienstliches Werk zu leisten glaubte; mehr noch, als der Astrolog, zeige ja der Historiker die Zukunft! Namentlich an chronologischen Untersuchungen ist das Buch reich, es fehlt auch nicht an Excursen wie z. B. „De die passionis Christi“. Das erste Buch behandelt die Hebräer, das zweite die Griechen und Römer. Vor jedem Monat findet sich eine gelehrte Abhandlung, dann folgt der Kalender mit Aufzählung der wichtigsten Ereignisse und Namensangabe der Gewährsmänner. Im J. 1555 kehrte B. nach Würzburg zurück, der Bischof sandte ihn auf den Reichstag zu Augsburg (von hier aus ist sein Brief an Eber datirt), wo er seiner evangelischen Gesinnung wegen verdächtigt ward, wie er sich denn auch seiner Freundschaft zu Sleidan rühmte. Dennoch blieb er noch beim Bischofe und schrieb 1556 zu Würzburg sein „Calendarium Historicum“, das 1557 zu Frankfurt (D. Zephel) erschien. Auch hier wieder dasselbe Verfahren, wie in der Ephemeris: Werthschätzung der Chronologie, Angabe wichtiger Ereignisse in kalendarischer Ordnung. – Doch ist das Calendarium in deutscher Sprache, im Chronikenstil und mit recht sauberen Holzschnitten versehen. 1558 gab er eine deutsche Uebersetzung des Sleidan heraus (Frankf. a. M. Zephel, spätere Auflagen: 1559, 1561, 1563, 1568 mit einer Vita Sleidani, 1580, 1589 etc. Näheres über die Ausgaben Th. Paur, Sleidan’s Commentare, Leipzig 1843. S. 130 ff.). Durch seine zahlreichen Uebersetzungen, in denen er die „Teutsche eygenliche Art dermassen in achtung gehabt zu haben“ behauptet, daß es jeder Kenner loben werde, wie durch seine freilich sehr trockenen Ergänzungen dazu, die Delius latinisirte (1568 u. ö.), vor Allem aber durch seine Vita des großen Geschichtsschreibers, die neben Pantaleon und Schadäus fast die einzige Quelle für Sleidan’s Biographie ist, hat sich B. um das Andenken dieses Historikers ein wesentliches Verdienst erworben. Seine Uebersetzung ward denn auch, wie z. B. Schadäus sagt, für die beste gehalten; B. selbst äußert, er hätte sie Sleidan zu Lieb unternommen, weil dieser über die schlechten, sein Werk herabsetzenden Uebersetzungen erbittert gewesen sei (cf. die Vorrede des Sleidan). Aber auch des B. Arbeit fand ihre Verfälscher; um 1583 klagt er, daß man sich an seiner Fortsetzung derlei Interpolationen erlaubt habe, daß ihm bei kaiserl. Maj. sogar Gefahr daraus hätte entstehen können; es sei ihm jetzt schon an Höfen viel Schimpf daraus zu Theil geworden, er bittet (in der Ausgabe zu Frankfurt 1583, Feyerabend) die Leser, das, was man von 1566–1584 dem Sleidan unter seinem Namen angefügt, ihm nicht anzurechnen, das, was er jetzt gebe von 1555–1584, sei das Echte! – Um 1559 verließ B. den Dienst des Bischofs von Würzburg und folgte dem Rufe des Kurfürsten Otto Heinrich von der Pfalz als Bibliothekar und Kirchenrath. Nach dessen Tode zog sich B. von allen politischen Geschäften zurück, hielt sich zu Heidelberg und Oppenheim auf, schlug mehrere Anträge nach Wien aus, reiste 1561 nach Greifswald, heirathete 1562, unternahm sodann Forschungsreisen durch Sachsen und erhielt endlich 1565 die Stelle eines Professors der Geschichte etc. in Straßburg. Als solcher hatte er durch seine mannigfachen gelehrten Kenntnisse einen sehr guten Ruf; er soll auch in den meisten europäischen Sprachen bewandert gewesen sein. Außer seinen Bemühungen um die Ausgaben des Sleidan ließ B. 1576 in Leipzig, dann in Reiner Reineccius „Von der Meißner anfanglichen Herkommen“ S. 127 ff. in deutscher Sprache) eine kleine Schrift „De origine Marchionum Misnensium“ erscheinen, in der außer Sagen auch [592] Widukind und die „meißnische Chronika“ benutzt sind, dann 1582 zu Basel (Perna) ein Buch unter dem Titel: „Bildnisse viler zum theyle von uralten zum theyle von Newlichen Zeiten her kriegs- und anderer weltlicher Hänndel halben bei Christen und Unchristen gewesener berühmter Keyser, Könige, Fürsten, Grauen und Edeln, in massen dieselbige Paulus Jovius vor weilen Bischof von Nocera durch allerley gelegenheit zusammengebracht und in seiner Bibliotheca oder Librareje zu Newen Como abgemalt hinterlassen.“ B. gibt auf dem Titelblatte an, daß er theilweise aus Jovius (Viri bellica virtute illustres), theilweise aus andern Lateinern, Italienern, Franzosen, Spaniern und Deutschen geschöpft. Das Buch ist Friedrich II. von Dänemark gewidmet, dem B., durch Heinrich von Ranzau dazu aufgefordert, verspricht, nächstens eine Probe dänischer Geschichte zu senden. Diese Arbeit gelangte erst nach Beuther’s Tode zum Drucke, als Anfang der Ausgabe der „Bildnisse“ von 1588 (Basel, Waldkirch) unter dem Titel: „Vom Leben und Wesen der durchlauchtigsten großmächtigen Könige zu Dänemark“ etc. Eine Monographie über die von Ranzaw schließt sich daran und das Versprechen, „wils Gott“ auch über die letzten Jahre Friedrichs II. etwas Gründliches zu liefern. Diese Arbeiten und die, welche sein Sohn Joh. Michael unter dem Titel: „Animadversionum sive disceptationum tam Historicarum quam Chronographicarum Liber singularis“ (Straßburg, Jobin 1593) edirte, fallen in die letzte Zeit seines Lebens. Die „Animadveriones“ enthalten recht interessante Abhandlungen über die Vandalen, Slaven, das Papstthum Petri, das ionische Meer, die Rheinmündungen und die Spree, die alten Sitze der Boier, Ursprung und Abstammung der Franken, die Eroberung Constantinopels, die Benennung der Celten, die alten Einwohner des Elsaß etc. Eine Abhandlung daraus: „De septemviratu“ (auch erschienen in dem Werke „Inauguratio … Imperatorum“) bemüht sich, die Ansicht – die er schon mit 17 Jahren durch historische Studien gewonnen – daß nemlich die sieben Kurfürsten unter Karl IV. aufgekommen wären, zu beweisen. Ebenfalls sein Sohn Joh. Michael gab das Buch „Fastorum antiquitatis Romanae opus absolutum“ (Speier, B. Albin 1600) heraus, das bis zur julianischen Kalenderreform führt und römische Alterthümer ohne systematische Anordnung behandelt. Meist folgt er Gewährsmännern, z. B. Valla; hie und da hat man aber auch den Eindruck, als ob er Selbstgeschautes bespräche. Beuther’s Commentare zu Tacitus’ Germania (Straßburg 1594), seine Uebersetzung von Carion’s Chronik, seine „Praxis rerum criminalium“, seine Schriften „De globo astronomico et circulis“, sein „Chronicon generale“, seine „Argumenta in singula sacrorum Bibliorum Capita“, die „Descriptio rerum quarundam memorabilium sub imperio Caroli V. in Europa gestarum“, die „Descriptio historica elationis et coronationis Maximiliani II. Imp.“ habe ich nicht selbst einsehen können. Außerdem schrieb B. auch die Vorrede zu Hedio’s deutscher Uebersetzung des Phil. Cominaeus de rebus gestis Ludovici XI. Die Commentare zum Sallust, Livius, Cäsar und Vellejus Paterculus, von denen Beuther’s Sohn Johann Michael in der bei Adami V. Phil. 328 ff. abgedruckten Biographie des Vaters spricht, sind wol kaum erschienen; über den sonstigen litterarischen Nachlaß siehe daselbst S. 335. B. hinterließ drei Söhne: den Professor der Jurisprudenz zu Straßburg, Johann Michael, den Zweibrückner Superintendenten Michael Philipp, und Jakob Ludwig. – Es ist eine lange Reihe von Männern, die Johann Michael B. in jener Biographie als Freunde seines Vaters nennt; berühmte Namen darunter, wie z. B. der des Joachim I. Camerarius. Und wirklich genoß B. seiner Gelehrsamkeit wegen unter den Zeitgenossen ein hohes Ansehen; Georg Calaminus nennt ihn z. B. „magnum Germaniae lumen“ – uns Späteren erscheint er als einer von den Uebergangsmenschen, die aus der gewaltigen werdelustigen Zeit der Reformation [593] und des Humanismus in die trockne, staubige Polyhistorie einer späteren inhaltsleereren Epoche hinüberführen.