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ADB:Schober, Franz von

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Artikel „Schober, Franz von“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 202–206, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schober,_Franz_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:20 Uhr UTC)
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Schober: Franz v. S., Dichter und Kunstfreund. Derselbe erscheint hier weniger in Anbetracht seiner eigenen poetischen Erzeugnisse, sondern ob seiner Beziehungen zu Franz Schubert, Fr. Liszt, Moriz v. Schwind und vielen Andern seiner Zeitgenossen. Seine Wiege stand auf schwedischem Boden, obwol S. von deutschen Eltern stammte. Sein Vater bekleidete seit 1784 die Stelle eines Güteradministrators auf dem Edelsitze Torup bei Malmö, woselbst unser Poet am 17. Mai 1796 geboren wurde. Die Familie, welche mit der ursprünglichen Heimath immer in Fühlung blieb, wurde 1801 in den österreichischen Adelstand erhoben. Da der Vater schon 1802 starb, kehrte die Mutter, eine geborene Derffel aus Wien, mit ihren Kindern nach Deutschland zurück. In Hamburg sah der junge S. noch Klopstock und zu Altona den biederen Wandsbecker [203] Claudius. Vorerst kam S. auf kurze Zeit nach Schnepfenthal zu Salzmann und 1804 in das Benedictinerstift Kremsmünster. Die Verhältnisse der Familie waren indessen im starken Rückgang; die Mutter, welche nach Wien noch eine Summe von 600 000 Gulden in Silber mitgebracht hatte, erlitt in den Geldcalamitäten der folgenden Napoleon’schen Kriegsläufte so große Verluste, daß ihr kaum der fünfzehnte Theil verblieb. Der Kauf einer Herrschaft erwies sich gleichfalls als ein unglückliches Unternehmen. Der junge S. absolvirte indessen das Gymnasium und Lyceum zu Kremsmünster und bezog darauf zum Studium der Jurisprudenz die Universität Wien (1815), wo die rauschenden Feste des berühmten Congresses auf den kaum neunzehnjährigen Jüngling um so größere Anziehungskraft übten, da ein älterer Bruder, Axel S., in seiner Stellung als k. k. Oberlieutenant und Adjutant im Husarenregiment „König Friedrich Wilhelm“ dem jüngeren Franz überall Zutritt verschaffte (Axel v. S., geb. 1789, hatte den Feldzug von 1814 in Frankreich mitgemacht, ging 1815 abermals dahin, blieb bei der Executions-Armee, wurde augenleidend und starb am 5. Sept. 1817 nach der Rückreise zu Dillingen. Er galt als ein geschickter Blumenmaler. Vgl. Festschrift der Erziehungsanstalt Schnepfenthal 1884, S. 211). Eine längere Reise nach Schweden (1817) dürfte dem kaum ernstlich gewählten Berufe der Rechtswissenschaft wenig förderlich gewesen sein. Nach seiner Rückkehr dilettirte S. mit poetischen und künstlerischen Versuchen, malte, zeichnete und trieb sich als belebendes Element in einem Kreise von jungen, genialen Genossen umher, welche mit ungleichen Kräften und Erfolgen nach der Unsterblichkeit strebten, vorerst aber dieses irdische Jammerthal in vollen Zügen und fröhlichster Stimmung genossen. Dazu gehörten neben wahren Prachtexemplaren und Kraftgenies der damaligen goldenen Jugend in Wien Mayrhofer, Kenner, der arme, ganz unnöthigerweise vielverfolgte Tiroler Dichter Johannes Senn, ferner Franz Schubert, der Tondichter und Liedercomponist, der Dramatiker Eduard v. Bauernfeld, die Maler Leopold Kupelwieser, Moriz v. Schwind und viele Andere. S. hatte schon 1813 im Hause der Familie Spaun zu Linz einige Lieder Schubert’s, welche Joseph Spaun von Wien mitbrachte, kennen gelernt, machte aber erst um 1820 die persönliche Bekanntschaft des damals in drückenden Verhältnissen lebenden Componisten; er nahm denselben mit Einwilligung der Mutter in sein Haus auf und brachte ihn dann auch in die Sommerfrische nach Ochsenburg, einem unweit St. Pölten gelegenen, dem damaligen Bischofe dieser Stadt, Herrn v. Dankensreithner (einem nahen Verwandten Schober’s) gehörigen Schlosse, wo Schubert einen Theil der von S. gedichteten dreiactigen Oper „Alfonso und Estrella“ (1821) componirte. Lange kann jedoch der intime Verkehr der Beiden nicht gedauert haben, da S. um 1823 nach Breslau ging. Hier verkehrte S. mit dem Lustspieldichter Karl Schall, v. Holtei, Karl Witte, H. Steffens u. s. w. S. soll, überhaupt eine Art „Wilhelm Meister“, damals große Erwartungen auf seine Befähigung zur Bühne gesetzt; aber nicht reüssirt haben. Nach seiner Rückkehr kaufte S. das vom Grafen v. Palffy in Wien 1817 begründete „Lithographische Institut“, für welches Moriz v. Schwind viele seiner frühesten Compositionen zeichnete: die ganze Reihe der „Ungarischen Könige“ und das prachtvolle Porträt des Kaisers Franz in ganzer Figur, wozu der mit dem Krönungsornat bekleidete S. seinem Freunde als Modell stand; ferner den heiteren Cyclus der „Verlegenheiten“ (wobei auch Danhauser mitarbeitete) und das aus sechs Blättern bestehende fröhliche Lustspiel einer „Landpartie auf den Leopoldsberg“ – wahre Incunabeln von Schwind’s Muse und heutzutage schon seltene Fundstücke für alle Sammler. Wie eine wahre Novelle zeigt uns das nach Schober’s Zeichnung von Moriz Schwind und Samuel Mohn radirte „Atzenbrucker Bild“ das Dolce far niénte der Freunde, welche zeitweise auf das an der Straße [204] von Wien nach St. Pölten gelegene, damals dem Stift Klosterneuburg gehörige, unter der Verwaltung von Schober’s Oheim befindliche Landgut Atzenbruck hinausfuhren und daselbst mit Ballspiel und Reigentanz einige Tage verbrachten; auch die schönen Freundinnen der treuen Genossen nahmen dabei fleißigen Antheil: es gab lebende Bilder, Charaden und allerlei Tollheiten – zwei Scenen dieser Art verewigte Leopold Kupelwieser in eigenen, sorgsam durchgeführten Aquarellen. Schwind hat später noch einige dieser Erinnerungen in Bildern wiedergegeben, wobei die Porträts der Freunde in ganzer, unverkennbarer Figur beibehalten sind, z. B. auf einer sehr selten gewordenen Steinzeichnung, wo Schwind mit gepacktem Ränzchen, im Begriffe eine Stadt zu verlassen, ahnungslos von Damen beobachtet, unter einer Gartenmauer rastet, indeß im fernen Hintergrunde S. und Schubert mit etlichen Anderen durch das Stadtthor vom Geleite des Freundes zurückkehren. Auch auf Schwind’s Bilde von „Ritter Curt’s Brautfahrt“ (gestochen von Julius Thäter) treffen wir in einer Ecke die ganze Gesellschaft beisammen: da sitzt vor einer Bücherkiste der tief in Gedanken und alten Historienkram versunkene Lenau, während der Bühnendichter Bauernfeld hellen Auges in die auf dem Marktplatze sich abspielende Komödie blickt und S. nebenan aufmerksam das Programm studirt, hinter ihnen Anastasius Grün und Frhr. v. Feuchtersleben, der gewiegte Diätetiker der Seele, dessen berühmt gewordenes „Es ist bestimmt in Gottes Rath“ zuerst bei einem zu Schober’s Ehren gehaltenen Abschiedsfeste gesungen wurde. – Schubert componirte mehrere Lieder Schober’s, darunter auch den „Hochzeitsbraten“, welcher indessen erst nach Schubert’s, schon am 19. November 1828 erfolgten Ableben im Druck erschien: „Der Hochzeitsbraten von Franz v. Schober, Terzett für Sopran, Tenor und Baß mit Begleitung des Pianoforte in Musik gesetzt von Franz Schubert, 104. Werk“, Wien (1829) bei Ant. Diabelli & Comp. (mit einer Vignette von Moriz v. Schwind). S. ging – Schwind war kurz vorher nach München übergesiedelt – bei Schubert’s Leichenfeier, auf besonderen Wunsch der Verwandten, unter den Leidtragenden, dichtete dem unvergeßlichen Freunde ein warmes Leichencarmen und entwarf die unter Beirath des Architekten Förster ausgeführte Zeichnung zum Grabdenkmal dieses Tondichters. Dann wendete sich S. nach Ungarn, wo er mit den Familien des Grafen Festetics und Uermenyi als Hofmeister, Erzieher und Gesellschafter in Verbindung trat und ihre Hochachtung und Dankbarkeit zeitlebens erwarb. Nach dem 1833 erfolgten Tode seiner Mutter kehrte S. nach Wien zurück und übernahm die Verwaltung seines bei Tuln gelegenen Gutes Chorherrn, welches er schließlich an den Feldmarschall Grafen Bellegarde verkaufte, um ungehindert seiner Reiselust zu genügen. Er durchzog Italien, Frankreich und Belgien, wo er überall landschaftliche Ansichten zeichnete, welche indessen, gleich seinen zahlreichen Porträtskizzen, ein sehr dilettantisches Gepräge trugen. Später weilte S. wieder bei Graf Leo Festetics in Preßburg, als Franz Liszt nach Ungarn kam (1839); er dichtete zum Empfang des großen Virtuosen einen (von Grill componirten) „Begrüßungs-Chor“ und war Zeuge jener phrenetischen Triumphe Liszt’s, welche S. in einer eigenen Schrift „Briefe über Fr. Liszt’s Aufenthalt in Ungarn“ (Berlin 1843 bei Schlesinger) schilderte. So entstand zwischen Beiden eine lebhafte Freundschaft und S. begleitete den Meister durch den ganzen Saus und Braus seiner Virtuosen-Periode von 1841–47 auf allen Reisen als Secretär und Factotum. Das schöne Einvernehmen wurde durch einen Vorfall mit einem der Musiker Franz Liszt’s schnöde gesprengt. Mit Liszt kam S. auch nach Weimar, wo er mit dem dortigen Hofe, insbesondere mit dem Erbgroßherzoge Karl Alexander, in sehr intime Beziehungen trat, ohne jedoch eine dienstliche Stellung anzunehmen. S. lenkte die Aufmerksamkeit des Thronfolgers, als derselbe die Restauration der Wartburg durch [205] Herrn v. Ritgen beschloß, auf Moriz v. Schwind, welcher die Ausschmückung der Wartburg durch den so berühmt gewordenen Fresken-Cyclus nach dem Regierungsantritt des Großherzogs vollführte. Während der einleitenden Verhandlungen, welche von Seiten des hohen Auftraggebers Herrn v. S. übertragen waren, geriethen die beiden Freunde, welche schon früher einmal hart an- und auseinander gerathen waren, in einen neuen Streit. Die Ausführung des schönen Werkes, welches heute noch einen besonderen Anziehungspunkt für die Wartburg bildet, ward indessen dadurch nicht gefährdet. Eine vielfach versuchte persönliche Aussöhnung der strittigen Freunde mißlang. Doch blieb S. immerdar ein begeisterter Lobredner und Bewunderer von Schwind’s Schöpfungen; aber auch Meister Schwind gedachte seines ehemaligen Freundes in Treuen und setzte dessen Haupt mit voller Umschrift des Namens in die am Fries der „Sieben Raben“ angebrachte Porträt-Galerie seiner mitstrebenden Zeitgenossen. Nach einem zwölfjährigen Aufenthalte zu Weimar übersiedelte S., inzwischen durch die Ernennung zum Legationsrath und Verleihung des Weißen Falkenordens ausgezeichnet, nach Dresden und schloß 1856 daselbst mit der bekannten Jugendschriftstellerin Thekla v. Gumpert (geb. 20. Juli 1810 zu Kalisch) eine auf frühe Jugendfreundschaft basirte Ehe, welche jedoch nach wenigen Jahren mit beiderseitiger Zustimmung wieder getrennt wurde. Dann zog S. mit seinem sehr complicirten Hausrathe und den nach seinen Zeichnungen gefertigten Möbeln, mit seinen Bildern, Kupferstichen und Büchern, nebst einer Anzahl von anderen Quincaillerien, daran der Besitzer hing wie ein Kind, da jedes Stück seine eigene Geschichte und Erinnerung hatte, nach Pest, übersiedelte wieder mit dem ganzen Schatz 1869 nach München und 1874 abermals nach Dresden, wo er am 13. August 1882 hochbetagt, weltmüde und durch seine Schwerhörigkeit fast ganz vereinsamt, sein langes Leben beschloß. – Als Dichter machte sich S. zuerst bekannt durch die „Palingenesien aus den heiligen Büchern des alten Bundes“ (Breslau 1826 bei Jos. Max & Comp.), welche in die spätere Sammlung seiner „Gedichte“ (Stuttgart 1842 bei Cotta, in zweiter, unveränderter Auflage in Leipzig 1865 bei Weber) übergingen. H. Kurz rühmte von Schober’s Gedichten, daß sie gedankenreich, doch nicht das starre Ergebniß der kalten Reflexion seien: „Sie strömen aus dem vollen Herzen“. Ob S. „die Natur, die Liebe, die Kunst oder die Freundschaft besingt, immer sind seine Gedichte Ergüsse wahrer und reiner Empfindung“. Die Hälfte der Sammlung besteht aus Sonetten, sie bilden „nebst der reizenden Erzählung „Isfendiar“, der schönen Allegorie „Die Heilquelle“, welcher die Erinnerung an „Mahomet’s Gesang“ von Goethe keinen Eintrag thut, und einigen anderen Gedichten, die Blüthe der Sammlung“. Der Dichter hat die Form „vollständig in der Gewalt; er weiß den bedeutendsten Inhalt in die engen Grenzen zu ziehen, ohne daß er an Klarheit und der Ausdruck an Kraft und Schönheit verliere“. Die „Accorde“ enthalten tiefgedachte Sprüche, aus den „Sonetten“ spricht „ein edler, männlich gereifter Geist und eine milde, harmonische Lebensanschauung“; in den theilweise sehr witzigen „Schattenrissen“ sind „deutsche und fremde Dichter mit großem Glück charakterisirt“. – Dem Drängen einiger Bekannten, seine Erinnerungen und Begegnungen mit den vorzüglichsten Zeitgenossen in Schrift zu bringen und der Nachwelt zu überliefern, setzte er immer seine Abneigung gegen das Schreiben entgegen. Nach Schwind’s Tode wurde der Unterzeichnete zufällig mit S. bekannt, welcher mir aus seinen Autographenschätzen bereitwillig alles auf diesen Künstler bezüglichen Material zur Benutzung anbot; mit Geduld, Ausdauer und Zeit gelang mir trotz Schober’s Schwerhörigkeit vieles zu erfragen, was in dem nachstehend verzeichneten Buch nach sorgfältigster Prüfung verarbeitet wurde. Ueber das Schicksal seines Nachlasses, insbesondere der Schwind-Briefe ist mir nichts bekannt geworden, ein [206] geringer Theil (die wenigen Autographen Schubert’s) wurden durch Alexander Danz in einer Auction am 28. April 1886 zu Leipzig versteigert.

Vgl. die Werke von H. Kreißle (1865) u. Reißmann (1873) über Franz Schubert, und H. Kurz, Deutsch. Litt. 1868, IV, 217. – Mein Buch über Moriz v. Schwind, sein Leben und seine Werke. Aus des Künstlers eigenen Briefen und den Erinnerungen seiner Freunde, Stuttgart 1873 bei P. Neff. – Wurzbach 1876, XXXI, 62 ff. – Nekrolog in Beil. der Allgem. Zeitung vom 22. September 1882. – Seltsamer Weise ist S. in L. Ramann’s umfangreicher Arbeit über Franz Liszt, Leipzig 1887, II. Bd., 1. Abtheilung (S. 24 ff.), nur kurz und vorübergehend erwähnt.