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ADB:Schwabe, Johann Joachim

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Artikel „Schwabe, Johann Joachim“ von Gustav Waniek in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 162–171, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwabe,_Johann_Joachim&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 19:00 Uhr UTC)
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Schwabe: Johann Joachim S. wurde am 29. September 1714 zu Magdeburg geboren, also an einem Orte, der schon außerhalb jenes deutschen Bezirkes lag, den Gottsched wegen der reinen hochdeutschen Sprache ausgezeichnet hatte, aber das Schicksal führte ihn an den Hauptsitz der sprachlichen „Reinigkeit“. Mit acht Groschen kam er auf die Universität Leipzig, wo er durch Ertheilen von Privatunterricht und später als Hofmeister mehrerer Häuser seinen Unterhalt fristete. In dem auf der Leipziger Universitätsbibliothek aufbewahrten Briefwechsel Gottsched’s findet sich der erste schülerhafte und schüchtern ergebene Brief Schwabe’s an seinen Lehrer und Meister, als dessen „getreuester Schildknappe“ er zu seinem litterarischen Namen gelangte, vom 18. Febr. 1734 datirt. Aber schon früher hatte er unter seiner Aufsicht gearbeitet. Es gehörte damals bereits zum guten Tone, daß sich jeder Theologe, der in der Redekunst etwas bedeuten wollte, nach dem „Grundriß einer vernunftmäßigen Redekunst“ in der Gottsched’schen Gesellschaft auch praktisch bethätige. So bewies denn auch S. in correcter und gewandter Sprache, aber mit unsäglich weitschichtiger Logik, „daß Gott die Uebertreter seiner Gesetze auch mit willkürlichen Strafen beleget“, und nach Anrufung der Güte und Gnade Gottes donnert er seinen Jugendgenossen zu: „Wollen sie die Güte nicht annehmen; verachten sie die Belohnungen; verschmähen sie ihre Glückseligkeit; stürzen sie sich muthwillig ins Verderben: Wehe ihnen!“

Kein einziger Zug des Herzens verräth inneren Beruf zum Priesterstand; er war der würdige Schüler seines der Theologie abtrünnigen Lehrers, daher erweckt ihm auch nur die sprachliche und formale Seite der Beredsamkeit einiges Interesse. Dies geht sowohl aus der Einladungsschrift zu einer Redeübung („Triumph der Beredsamkeit“, Leipzig 1733) hervor wie aus der Abschiedsrede, mit der er 1736 aus Gottsched’s Gesellschaft getreten war, und in welcher er unter Anwendung einer wenig witzreichen Ironie den bekannten Gottsched’schen Satz zu beleuchten sucht, daß die wahre Kunst natürlich sein und den Mustern der Alten folgen müsse. Inzwischen war er aber dem Bannkreise Gottsched’s [163] immer näher getreten. Unter dessen Aufsicht hatte er des Professors Lengnichs zu Danzig lateinische Ode: „Auf den Tod August II.“ ins Deutsche übersetzt (Leipzig[WS 1] 1733, 4° Folio) und trat nun in jenes Scribentenheer ein, welches Gottsched zum Zwecke der Hebung der deutschen Litteratur um seine Fahne organisirt hatte. Allgemeines Aufraffen aus litterarischer Versunkenheit war die Aufgabe der Zeit und methodisches Anlehnen an das fortgeschrittenere Ausland der Weg, den Gottsched zur Erreichung des Zieles gewiesen hatte. Das Uebersetzen aus fremden Sprachen in reines und fließendes Deutsch ergab sich daher für einen dienenden Geist, wie es S. war, als eine Lebensaufgabe von selbst. Gottsched’s „Critische Dichtkunst“ war bereits Gesetzbuch geworden, schon hatte man im „Sterbenden Cato“ ein deutsches Originaldrama, in den „Critischen Beiträgen“ ein in ganz Deutschland geachtetes Litteraturjournal, aber noch fehlte ein die deutschen Verhältnisse berücksichtigendes kritisches Werk. Das „rauschende Flittergold“, wie sich Günther ausdrückte, war noch immer nicht ganz verbannt, und zu wiederholten Malen hatte Gottsched als Mittel hiegegen eine gesunde Kritik empfohlen. Nun war schon von Georg Christian Wolf, einem Mitgliede der „Deutschen Gesellschaft“, Swift’s Schrift: „περὶ βάϑους“ übersetzt worden, allein die Arbeit blieb wirkungslos, da man den Beziehungen auf die englische Litteratur verständnißlos gegenüber stand. Gottsched rieth daher, die Swift’sche Satire für Deutschland zuzurichten. Mit Zugrundelegung einer französischen Uebersetzung (περὶ βάϑους, οὐ l’Anti-Sublime, c’est à dire, l’art de ramper en poésie par Martin Scribler) bearbeitete dann auch S. den „Anti-Longin, oder die Kunst, in der Poesie zu kriechen“ in der Weise, daß er überall statt der englischen Beispiele deutsche aufnahm. „Eos qui jam sunt mortui, nominabo“ sagt Cicero im Brutus, und nach diesem Grundsatze begnügte er sich mit Belegen aus Amthor, Wenzel, Neukirch, Morhof, Feind und Hofmannswaldau. Hinzugefügt war eine Uebersetzung von Swift’s „Staats-Lügenkunst“ und eine Abhandlung Gottsched’s „Von dem Bathos in den Opern“ (Leipzig, Breitkopf 1734).

S. hatte mit dieser Bearbeitung einen namentlich für seine spätere Wirksamkeit praktischen Gesichtspunkt gewonnen: er ward nicht allein Uebersetzer, sondern auch eine Art Zuschneider und wußte oft mit gutem Geschicke französische und englische Werke zu kürzen, zu erweitern, wie es das Bedürfniß des deutschen Volkes verlangte. Seine von der Noth geforderte Thätigkeit als Lehrer und Erzieher führte ihn mit Vorliebe auf pädagogisch-didaktische Schriften. Leider muß man auch von ihm sagen: er war nicht immer an die besten gerathen; gleichwohl ist es immerhin ein Verdienst, daß er durch die Herausgabe von C. Rollin’s „Anweisung, wie man die freyen Künste lehren und lernen soll“ (4 Thle. 1738) manche Fragen in Fluß brachte, daß er die ganze Einrichtung des französischen Werkes veränderte, die einzelnen Materien dem in den deutschen Schulen üblichen Lehrgange anpaßte und statt des Hauptstückes von Erlernung der französischen Sprache im IV. Theile eine Anweisung zur Erlernung des Deutschen ausarbeitete. Gottsched wurde denn auch nicht müde, den Lehrern der deutschen Sprache, bei welchen er großen Einfluß hatte, diese Bearbeitung angelegentlichst zu empfehlen (vgl. Critische Beiträge VIII, 528 und anderwärts). Durch den „Anti-Longin“, der mit einer Zuschrift an die deutsche Gesellschaft begleitet war, hatte S. jene „Geschicklichkeit“ an den Tag gelegt, welche Bedingung für die Aufnahme in die Zahl der „Unsterblichen“ Leipzigs war. Schon zum ersten Bande der „Critischen Beiträge“ hatte er einiges beigetragen; in der Folge lieferte er die meisten Artikel grammatischen Inhalts. Seine dichterische Muse gewann unter der Kritik der Gesellschaftsgenossen an Gewandtheit und Reinigkeit, ohne sich über die nüchterne Handwerksarbeit des Seniors irgendwie [164] zu erheben. Der von der Gesellschaft herausgegebene II. Band der „Oden und Cantaten“ (1738), sowie der III. Theil der „Eigenen Schriften und Uebersetzungen in gebundener und ungebundener Schreibart“ (1739, vgl. S. 17, 347) enthalten Proben seiner dichterischen Bethätigung, unter denen die Elegie auf den Tod des Prinzen Eugen, in welcher er die deutschen Dichter auffordert, aus des Verstorbenen Thaten ein Heldengedicht zu machen, das Beste ist. Wenn die Lyrik jener Tage den Dichtern mehr aus dem Herzen gedrungen wäre, könnte man versucht sein aus dem Umstande, daß S. in seinem Kreise als Elegiker galt, wie aus seiner Klage über Hypochondrie in einem Gedichte an die Gottschedin einen Schluß auf dessen Grundstimmung zu ziehen; allein es kam jenen Poeten wenig auf den eigentlich lyrischen Gehalt als auf die mehr oder minder geschickte Handhabung der poetischen Formen an. Auch als am 5. März 1738 der Prinz Friedrich Christian zum Namenstage von der Gesellschaft mit einer Sammlung von Lobschriften „unterthänigst verehret“ wurde (Leipzig, Breitkopf 1738) und die hervorragendsten Mitglieder mit Gedichten derjenigen Gattung auftraten, in welcher sie als Meister galten, lieferte S. die Elegie, während Schelhafer die Cantate, May die Lobrede, Gottsched die Ode, der Medicincr Morgenbesser das Lobgedicht besorgte.

Mittlerweile war S. auch Gottsched’s Hause näher gerückt. Kurze Zeit nachdem die liebenswürdige Luise Adelgunde Kulmus aus Danzig als junge Frau Professorin im Mai 1735 in Leipzig eingezogen war, nahm sie bei ihm Unterricht im Latein und es scheint, daß hierbei auch andere Gespräche als die über Cäsar und Cicero mit auf der Tagesordnung waren: so die Vorgänge in der deutschen Gesellschaft, die Beziehungen der Mitglieder zu dem Hause der Marianne Ziegler und Aehnliches, denn Frau Gottsched ist von allem wohl unterrichtet und mit manchen Vorgängen nicht zufrieden, weshalb sie denn auch nach der Ehre gar nicht geizt, in die deutsche Gesellschaft aufgenommen zu werden; ihrem Lehrer aber, der sie an ihren Geburtstagen mit Prosaaufsätzen und Gedichten begrüßte, bewahrte sie immer treue Anhänglichkeit und suchte sein Fortkommen zu fördern. Und ein Act großen Vertrauens war es doch, daß der Meister dem Schüler die Sammlung und Herausgabe seiner „Gedichte“ (Leipzig, Breitkopf 1736) anvertraute. Er ordnet sie nach der in der „Critischen Dichtkunst“ beobachteten Eintheilung und schreibt eine Vorrede, in der er weder loben noch wie andere Herausgeber die Sprache der Supplicanten reden will, die den Leser erst lange um Verzeihung bitten; beides scheint ihm „der majestätischen Hoheit der Dichtkunst gänzlich zuwider zu seyn“, und nur kleine Geister wären dazu fähig. Die Gedichte sollen für sich selbst sprechen. Die Hochachtung für dieselben bestimmt ihn sogar, eine Abhandlung über die verblümten Redensarten, welche für die Vorrede einer solchen Sammlung bestimmt war, zu unterdrücken. Bei den Bemerkungen, die er über die einzelnen Dichtungsarten macht, tritt der Gottsched’sche Standpunkt stellenweise noch einseitiger zu Tage. Alles Weichliche und Wollüstige wird, weil unnütz und schädlich, von der Poesie ausgeschlossen, womit natürlich auch die eigentliche Gefühlslyrik gerichtet ist.

Eine bemerkenswerthe Consequenz zieht er aus Gottsched’s Lehre von den Schäfergedichten. Nach der „Critischen Dichtkunst“ bestehen dieselben in der „Nachahmung des unschuldigen, ruhigen und ungekünstelten Schäferlebens, welches vorzeiten in der Welt geführet worden“ oder in einer „Abschilderung des güldenen Weltalters, auf christliche Art zu reden: in einer „Vorstellung des Standes der Unschuld oder doch wenigstens der patriarchalischen Zeiten vor und nach der Sündfluth“. Obwohl nun Gottsched dadurch, daß er in den beiden ersten Ausgaben „Eklogen“ seiner Erfindung als Muster beibringt, für welche dann in der dritten Auflage Beispiele aus Neukirch treten, der Phantasie offenbar das Recht [165] einräumen mußte, sich in jene Zeiten zu versetzen, motivirte S. das Fehlen von Hirtengedichten in einer Weise, daß hiemit geradezu die Verurtheilung der ganzen Gattung ausgesprochen war: „Du weißt“, apostrophirt er den Leser, „daß ein Dichter die Natur zum Vorbilde hat und nur deren Schönheiten nachzuahmen sucht. Wo zeigt aber itzt die Natur das alte Schäferleben? Wo herrscht die Unschuld, die darin vorkommen soll? Wo ist die güldene Freyheit, die reine Liebe und die tugendhafte Einfalt, die das Wesen derselben sind? Wie kann nun ein Dichter das wieder vorstellen, was er nirgends mehr erblickt? Gebt uns erst das alles wieder, dann wollen wir euch Schäferlieder genug singen“. Gewiß hat sich Gottsched bei seiner Flüchtigkeit die eigentliche Schlußfolge dieser Worte vor dem Drucke nicht klar gemacht. – In naiver Weise wird der Mangel an Epigrammen damit motivirt, es sei leicht zu vermuthen, daß derjenige, der sich in großen Dingen zeige, auch in kleinen fortkommen könne. Vor den Satiren hat der Elegiker S. einen heillosen Respect: „Ach, geliebter Leser“, ruft er aus, „fürchtest du dich nicht, daß du dich nach solchen umsiehst? Das bloße Wort klingt uns ja schon so schrecklich, daß man es kaum aussprechen hören kann“. Dagegen thut er sich auf eine eigene Erfindung etwas zugute: Er glaubt eine Abart der Odendichtung in den „Gesängen“ entdeckt zu haben, wenigstens ist er der erste in Deutschland, der Gedichte in „gemäßigterer Schreibart“, welche, strophisch gegliedert, aus längeren Zeilen bestehen als die der gewöhnlichen Oden, nach dem Vorgange der Italiener (Canto) „Gesänge“ genannt hat.

Bald nach dieser Sammlung gibt S. durch die „Proben der Beredsamkeit, welche in einer Gesellschaft guter Freunde unter der Aufsicht Sr. Hochedlen Herrn Professor Gottsched’s sind abgelegt worden“ (Leipzig Breitkopf 1738) eine Anschauung von dessen Wirksamkeit auf dem oratorischen Gebiete. Es sind sämmtlich Schülerarbeiten, welche Gottsched früher selbst herauszugeben versprochen hatte. Außer Kästner und S., von dem sich zwei unbedeutende Reden darin befinden, begegnen uns nur wenig bekannte Namen, aber die Vorrede verkündet wieder laut Gottsched’s Verdienste auf diesem Gebiete. Lehre und Exempel habe er vereinigt, um das wüste und gothische Wesen auszutilgen, worunter die deutsche Redekunst begraben lag. „Und mich dünkt“, fährt er fort, „man habe rechtmäßige Ursache, von dieser Zeit an einen ganz neuen Absatz in der Geschichte der deutschen Beredsamkeit zu machen“.

Hatte sich S. bisher nur als Sammler und Uebersetzer bethätigt, so machte er nun einen Versuch, zu litterarischer Selbständigkeit zu gelangen. Auch er wollte mit einer moralischen Zeitschrift beginnen. Das Haus Gottsched’s, welches durch Manteufel’s Verkehr ein Sammelplatz für die den Geist religiöser Aufklärung fördernden Bestrebungen der Gesellschaft der Alethophilen geworden war, beeinflußte entschieden seine ganze Geistesrichtung, und bezeichnend ist, daß die Zeitschrift, welche er seit dem Beginne des Jahres 1738 redigirte, und an der auch Gottsched Theil nahm, den Titel „der Freymäurer“ (Leipzig Breitkopf 1739) führte. Die Lehren sollten „Witz und Weisheit“ verbinden, aber mit dem Witze wollte es nicht recht vorwärts, und trotzdem die Widmung an keinen Geringern als an Sokrates, der für einen alten Freimaurer ausgegeben wurde, gerichtet war, brachte es die Zeitschrift nicht über den ersten Jahrgang, wie denn auch das Versprechen des Herausgebers, in dieser Art Arbeiten fortzufahren, unerfüllt blieb, weil größere und wichtigere Arbeiten bevorstanden. Auch S. mußte am 25. Juni 1738 jenes Schreiben unterzeichnen, mit welchem Gottsched, allerdings auf sein Ansuchen, aus dem Verbande der deutschen Gesellschaft für immer entlassen wurde. Die Unterschrift ist ihm gewiß sehr schwer gefallen, war er ja doch selbst, wenn auch „tecto nomine“ an dem Streite mit dem schlesischen Arzte Steinbach betheiligt, welcher endlich zum Zerwürfnisse mit der ganzen Gesellschaft [166] führte, denn die abträgliche Recension des „vollständigen deutschen Wörterbuches“ von Steinbach (Breslau 1734) rührte nicht von Gottsched, wie der Angegriffene meinte, sondern von S. her. Neben lobender Anerkennung hatte er das Lückenhafte der ganzen Arbeit nachgewiesen und namentlich die aufgenommenen schlesischen Idiotismen hart getadelt (Critische Beiträge IV, 190 ff.). Die durch den Austritt aus der Gesellschaft beginnende Vereinzelung Gottsched’s, das erneuerte Auftreten der Schweizer, die erhobenen Zweifel an dem rechten Erfolge des Leipziger Litteraturtreibens drängten dazu, dem gebildeten Deutschland eine Gesammtanschauung von den bisher errungenen Erfolgen auf litterarischem Gebiete zu geben. Gottsched, der in Bezug auf dramatische Dichtung ein fast unbestrittenes Ansehen genoß, gründete seine deutsche Schaubühne (1740–1745), an deren erstem Bande S. mit einer Alexandriner-Uebersetzung von Voltaire’s „Zaire“ theilnahm. Man hoffte mit diesem Stücke, wie der Herausgeber sagt, selbst diejenigen Feinde der Schaubühne zu gewinnen, die ihr sonst der alten heidnischen Fabeln halber gram gewesen waren.

Allein es galt auch einen Sammelplatz für die kleineren Gattungen zu schaffen, denn neben den Zweifeln von deutscher Seite forderten die Angriffe über die Geist- und Witzlosigkeit der deutschen Litteratur seitens der Franzosen, namentlich der Hohn Mauvillon’s, zur Abwehr auf. Dieser hatte in seinen „Lettres francaises et germaniques“ (1740) neben anderen Schmähungen die Unverschämtheit gehabt auszurufen: „Que manque-t-il donc à l’Allemagne pour produire de grands Poëtes? rien, que l’esprit!“ Nun wollte man beweisen, was der deutsche Geist vermochte. S. unterhandelte mit der jüngeren Dichtergeneration, zu der damals El. Schlegel, Rabener, Kästner, Straube und Gellert gehörten, und begründete die bekannte Zeitschrift: „Belustigungen des Verstandes und Witzes“ (Leipzig, Breitkopf 1741–1745). Auch hiezu mußte das Ausland Muster bieten; schon der Titel war den „Nouveaux amusements de l’esprit et du coeur“ (1737) nachgebildet; in der Einrichtung folgte man dem Mercure galant und Mercure français. Politische Fragen entfielen natürlich; das Verhältniß zu den „critischen Beiträgen“ und den „Nachrichten und Anmerkungen“, welche die deutsche Gesellschaft nach Gottsched’s Austritt herausgab, wurde in der Weise bestimmt, daß, während jene ihr Augenmerk mehr auf die Regeln gerichtet hätten, es den „Belustigungen“ hauptsächlich auf eine Sammlung von Mustern in Prosa und Poesie ankomme; nur Räthsel, Endreime, Sonette, Rondeaux, Virelays, Vaudevilles, Rebus und „andere französische Lappereien“ sollten ausgeschlossen bleiben, wie man denn auch grundsätzlich keine Uebersetzungen aufnahm, denn der deutsche Geist sollte sich endlich freimachen und sich in seiner schöpferischen Kraft offenbaren.

In der That bieten die Belustigungen ein buntes Vielerlei: Erörterungen tieferen metaphysischen Inhaltes neben einfältigen Angriffen auf den Aberglauben, daneben Mylius’ Vertheidigung der Vivisection und Betrachtungen über Kometen; Elias Schlegel übt in Form eines Todtengespräches Kritik an Regnard’s Democrit, Kästner vertheidigt die christlichen Tragödien und nimmt die in derselben Zeitschrift angegriffenen Reime in Schutz, die Renommisterei in der Schriftstellerwelt wird durch Gärtner’s „Autor“, die der Studenten durch Zachariä’s „Renommist“ verspottet; dazwischen anakreontische und sapphische Oden, poetische Erzählungen, religiöse Lieder von J. A. Cramer, J. A. Schlegel, K. A. Schmid, Lehrgedichte von Zernitz und einer Reihe von Dichterlingen, Uzens „Lobgesang des Frühlings“, Schäfergedichte von Straube und Gellert und Fabeln vom Herausgeber selbst (z. B. 1743 S. 385): ein Gemisch von Geistlosem und Witzigem, Plattem und Phantasiereichem, Schlechtem und Gutem.

Die Belustigungen sind das wichtigste litterarhistorische Denkmal für das [167] erste Aufstreben der entbundenen Kräfte aus dem Banne platter Nüchternheit, für den beginnenden Kampf der Phantasie um die ihr vorenthaltene bevorzugte Stellung in der Dichtung. Während sich aber Gottsched, anfangs noch ohne Ahnung davon, daß die schaffende Jugend Leipzigs über ihn hinauswächst, immer schroffer in den engen Grenzen seiner Anschauungen über Poesie und Litteratur hält, scheint S. durch den steten Umgang mit der revolutionären Dichterjugend wenigstens die Berechtigung des entgegengesetzten Standpunktes zugestanden zu haben: er nimmt Stücke im englischen Geschmacke auf, er läßt Fragen zu über die Grenzen der dichterischen Phantasie, ja es war gewiß nicht im Sinne des Meisters gesprochen, wenn er sich in der Vorrede zum dritten Bande in dem Bestreben, eine Vermittelung zwischen der „leichten und fließenden“ und der „schweren und körnigten“ Schreibart herbeizuführen, zu dem Satze versteigt: „Indessen können sie doch alle beide wahrhafte Liebhaber des guten Geschmackes sein und ein jeder in seiner Art wirkliche und große Schönheiten haben“. Die Kunstrichter, setzt er später auseinander, seien auch noch uneins, welche Schreibart das meiste Lob verdiene, und die Zeitschrift wäre kein Werk einer besonderen und geschlossenen Gesellschaft, welche zu einer gewissen Fahne geschworen hätte. Allein einerseits war S. viel zu eng an die Person Gottsched’s und an die Interessen des Breitkopf’schen Verlages gebunden, andererseits war er geistig nicht vermögend genug, um sich mit den jüngeren Kräften, welche durch die Begründung der „Bremer Beiträge“ eine völlige Loslösung von Gottsched herbeigeführt hatten, zu aufstrebender That verbinden zu können. Ein Genosse nach dem andern fiel endlich von ihm ab, bis er sich genöthigt sah, die Zeitschrift, welche inzwischen auf acht Bände herangewachsen war, im Juni 1745 zu schließen.

Neben jenem idealen Ziele hatte jedoch diese Monatsschrift wenigstens anfangs auch die Aufgabe, in dem ausgebrochenen Litteraturstreite ein gewichtiges Wort zu reden. Hier erschienen gleich im ersten Bande Gottsched’s „Deutscher Dichterkrieg“, Pitschel’s „Anmerkungen über das Ergänzungsstück zur Vorrede von dem Trillerischen neuen Fabelwerke“, eine „Nachricht von einem geretteten deutschen Heldengedichte“, alles satirische Ausfälle wider die Schweizer, welche im Zusammenhange mit den versteckteren Anzüglichkeiten und den maßlosen Lobeshymnen auf Gottsched die Zeitschrift bald in den Augen der Gegner als Parteiorgan und selbst als eigentliches Kampfobject erscheinen ließen.

Vor allem fahren die Schweizer mit theilweise niedriger und unwürdiger Weise in ihrer „Sammlung critischer, poetischer und andrer geistvollen Schriften“ auf den „großen Wahrsager und Zeichendeuter S.“ los, der das Aufnehmen der deutschen Musen mit der Ausbreitung des Breitkopf’schen Verlages geschickt zu verbinden gewußt habe. In dem „Complot der herrschenden Poeten“ tritt S. als der muthige Jüngling „Waschbe“ für Gottsched ein. Unter den Gegnern in Deutschland bewahren die Göttingischen Zeitungen die maßvollste Haltung; schärfer werden Rost im Vorwort zu König’s Gedichten, namentlich aber Pyra und Liscow. Der erstere schrieb über die „Gottschedianische Secte“ welche den Geschmack verderbe, zwei Broschüren, in denen S. als der „Pflegevater so vieler Verse“ verhöhnt wird, und geradezu vernichtend sind Liscow’s Ausfälle in der Vorrede zu Heineken’s Longin: An den Belustigungen habe kein rechtschaffen gelehrter, kluger und angesehener Mann in Deutschland Antheil; sie seien bloß das Werk einiger jungen und unbekannten Magister und Studenten aus der Gottsched’schen Schule. Freilich scheuen sie sich nicht Leute, die mit ihnen nichts zu thun haben, in den Verdacht zu bringen, als wären sie von ihrer Bande. Es wären „kindische, schülerhafte, possierliche, platte und manchmal abenteuerliche Aufsätze“, die der Welt als Proben des deutschen Witzes vorgelegt [168] würden. S. vertheidigt sich oft gar nicht, häufig mit recht schwachen Ausflüchten. Ja, er nimmt nicht nur Stücke auf, die den Lehren Gottsched’s geradezu widersprechen, sondern auch solche, in denen die schalkhaften Belustiger den Dichtermonarchen auf versteckte Weise satirisch angehen. Pyra, dem er noch am meisten in die Einzelheiten folgt, bietet er einen Platz in den „Belustigungen“ an, damit er selbst zur Verbesserung des Geschmackes oder zur Verbreitung desselben beitrage. Aus einem Briefe Ebert’s an Hagedorn geht hervor, daß S. mit Gottsched’s Haltung in dem Litteraturstreite durchaus nicht einverstanden war. Mit Unrecht schreibt ihm daher auch die Litteraturgeschichte noch bis auf den heutigen Tag auf ältere Vermuthungen hin das zweifelhafte Verdienst der Abfassung zweier Pasquille zu: „Neuer critischer Sack-, Schreib- und Taschenalmanach auf 1744“ und „Volleingeschanktes Tintenfäßl“ (Kufstein 1745). Schon der eine Umstand, daß S. als Magdeburger die Tiroler Mundart gewiß nicht in dem Grade beherrschte, um sich derselben in Streitschriften mit Geschick bedienen zu können, macht jene Annahme unwahrscheinlich. Für die Autorschaft des im niederdeutschen Dialecte abgefaßten dritten Stückes des „Tintenfäßl“: „Standrede up T. P. Herrn Emanuel Pyra, Kanzler von Germanien“ etc. liegt jedoch im Gottschedschen Briefwechsel ein klarer urkundlicher Beleg vom 27. November 1744 vor; hiernach hat kein andrer „der erwürgten Excellenz von Germanien“ die Leichenrede gehalten, als „Denso aus Stargard, der früher Mitglied der deutschen Gesellschaft war“. Für den Verfasser des Taschenalmanach und der übrigen Stücke des Tintenfäßl hielt Bodmer, der durch seine Spione von dem Treiben der Leipziger gewöhnlich gut unterrichtet war, den Uebersetzer von Virgil’s Aeneis, Christoph Schwarz aus Regensburg. S. war endlich auch eine durch die Verhältnisse viel zu gedrückte und zaghafte Natur, als daß er es gewagt hätte, mit derartigen Brandschriften hervorzutreten.

Mit der Auflassung der „Belustigungen“ hört sein thätiges Eingreifen in die Litteraturbewegung auf. Er hatte einen bescheidenen Theil an des Meisters zweifelhaftem Ruhme, aber er folgte ihm nicht in Schmach und Verachtung. Nichtsdestoweniger bleibt er ein treuer Freund und Mitarbeiter desselben. Er hatte sich an der Uebersetzung des von Frau Gottsched herausgegebenen Steele’schen und Addison’schen „Zuschauer“ (1739–43) betheiligt, dessen neunter Theil ganz von ihm herrührt; in den übrigen Bänden übersetzte er jene Stücke, die bei dem unterzeichneten Buchstaben nur einen Punkt haben. Zur Uebersetzung des Bayle’schen historisch-kritischen Wörterbuches (1741–1744) lieferte er dessen Leben von Desmaizeaux, dann die ersten Artikel sowie die Anmerkungen des Croze aus der Bibliothèque français; er nahm ferner Theil an der deutschen Ausgabe des Lucian (1745), an dem Wörterbuche der schönen Wissenschaften und freien Künste (1760) und lieferte für den Gottsched’schen „Büchersaal“ sowie für das „Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit“ jene Anzeigen, welche bestimmt waren, den im Breitkopf’schen Verlage erschienenen Werken Empfehlungen mitzugeben.

Bei dieser umfangreichen und vielseitigen Thätigkeit ist es nicht zu wundern, daß S. gründlicheren Studien eigentlich niemals oblag. Er war Dilettant in der Wissenschaft wie in der Poesie. Seit dem Abgange Steinwehr’s von Leipzig hatte er (1739–1742) ganz allein die neuen Zeitungen von gelehrten Sachen redigirt, aber wie es scheint, war man gerade mit der wissenschaftlichen Haltung des Blattes nicht zufrieden, weil sich Otto Menke veranlaßt sah, zur Fortsetzung desselben eine eigene Commission von sechs Fachmännern zu berufen. Seine am 31. März 1742 mit Johann Christian Götze abgehaltene Disputation („Unitas dei ex principiis philosophicis“) erhebt sich nicht über die in jener Zeit gangbaren logischen Spiegelfechtereien. Auch als Mitglied der von Gottsched 1752 gegründeten [169] Gesellschaft der freien Künste trägt er außer einem werthlosen Aufsatze ironischen Inhalts zur beabsichtigten Hebung der deutschen Wissenschaft nichts weiter bei als eine Abhandlung von den Ritterorden des chursächsischen Hauses. (Sammlung ausgesuchter Stücke, 1756 Band III S. 264.). Seine akademische Laufbahn war daher auch nur von geringen Erfolgen begleitet. Im Jahre 1736 war er Magister geworden, bei der Wahl für die 1745 erledigte Collegiatur des großen Fürstencollegiums innerhalb der sächsischen Nation wurde ihm auf Verwendung Manteufel’s Professor Winkler, welcher der polnischen Nation angehörte, vorgezogen, wiewohl sich gerade S. um die Verherrlichung der Person Manteufel’s durch Herausgabe der „Beschreibung der akademischen Jubelfeyer“ (1743) Verdienste erworben hatte. Ob ihm wirklich eine Lehrstelle für deutsche Sprache an dem neu gegründeten Theresianum in Wien direct angeboten wurde, und ob er dieselbe wegen Unterordnung unter die Geistlichkeit und des unvermeidlichen Confessionswechsels in der That ausgeschlagen hat, geht aus Gottsched’s Briefwechsel durchaus nicht, wie Danzel behauptet, unzweifelhaft hervor. Die betreffende Stelle des Briefes von S. an Gottsched, der sich damals in Karlsbad befand, lautet im Gegentheile (23. August 1749): „Es läßt sich daraus ziemlich muthmaßen, warum vielleicht der Herr Baron von Spaun in dieser Sache nicht an mich geschrieben hat. Er ist einer von denjenigen vernünftigen Katholiken, welchen es ein Greuel ist, daß die Herrn Geistlichen überall die Aufsicht und Regierung haben wollen und wird daher leicht eingesehen haben, daß die Einrichtung dieser neuen Stiftung so beschaffen ist oder sein wird, daß er seinem protestantischen Freunde nicht einmal die Eröffnung thun mögen, daß man dabei einige Absicht mit auf ihn gemacht habe. Sollte mir indessen noch künftig davon ein Antrag geschehen, so ist mein Entschluß bereits gefaßt, und ich werde mich kurz und gut dafür bedanken.“

Erst im nächsten Jahre erhielt S. die Stelle eines Custos an der Universitätsbibliothek in Leipzig und damit auch aus dem Procuraturamte ein Stipendium von 30 Thalern als jährliche Besoldung; 1759 ward er Collegiat des kleinen, 1762 des großen Fürstencollegiums, 1765 endlich außerordentlicher Professor der Philosophie. Bei seinem geringen Einkommen ist es begreif1ich, daß seine schriftstellerische Wirksamkeit immer mehr dem Brote nachging und darum auch eines inneren Zusammenhanges ermangelte. Auf ein „Verzeichnis der Bücher, welche bei A. B. Martini zu haben sind“ (1745), das er mit einigen litterarischen Anmerkungen versah, folgte die Uebersetzung: „Lehren der Weisheit bei den Fehlern der Menschen“ (1746), dann die „Neue Staatshistorie“ (1746 und 1747) u. A. Die Herausgabe von Morhof’s: „Polyhistor, sive de notitia auctorum et rerum commentarii“, des ersten Grundrisses einer allgemeinen Litteraturwissenschaft (Editio quarta, Lubec. 1747), scheint noch auf die in der Deutschen Gesellschaft erhaltenen Anregungen unmittelbar zurückzugehen. Mit der Uebersetzung des 10. Theiles der Predigten Saurin’s, der im Gottsched’schen Kreise als der französische Cicero galt, wollte er seinen Beitrag zur Hebung der deutschen Beredsamkeit leisten. Andere Prosaschriften, wie Joh. Ad. Hoffmann’s „Politische Anmerkungen von der wahren und falschen Staatskunst“, welche er in dritter Auflage herausgab (1762), sowie dessen „Zwei Bücher von der Zufriedenheit“ (1760) gehören zu jenen Schriften, welche von Gottsched nach ihrer Verbesserung, als in musterhaftem Deutsch geschrieben, angepriesen wurden. Und noch einmal mußte damals der treue Schildknappe für seinen Ritter in den Kampf. Die Gottsched’sche „Sprachkunst“ hatte neben anderen Flugschriften auch den Rector zu Lüneburg Johann Michael Heinze zum Widerspruch erweckt, worauf denn S., der grammatische Beirath, unter dem Namen Kunze (Ch. Kunzens Beleuchtung einiger Anmerkungen über Herrn [170] Professor Gottscheds teutsche Sprachlehre von J. M. Heinze. Brandenburg 1760) mit einer wenig glücklichen Entgegnung in die Schranken trat.

Nach Gottsched’s Tode (1766) leitete S. mit Ludovici die Gesellschaft der freien Künste. Allein dieselbe ging immer mehr ein. S. hatte weder das Ansehen noch den Eifer des früheren Präsidenten. Nach einigen Jahren wurde die Gesellschaft aufgelöst, ihre Bücher und einige seltene altdeutsche Handschriften kamen in die königliche Bibliothek zu Dresden. Die Herausgabe anderer fremder Schriften und namentlich die zahlreichen Uebersetzungen stehen meist außerhalb der litterarischen Bestrebungen jener Zeit. Die pädagogische Litteratur nimmt allerdings auch jetzt noch, wie vordem, sein Hauptinteresse in Anspruch: Außer mehreren französischen, für Deutschland zugerichteten Arbeiten, besonders denen der Frau Maria le prince de Beaumont, übersetzte er Rousseau’s „Aemile“ (IV Theile 1762) sowie Locke’s „Gedanken von der Erziehung“ (1761) und begleitete beide Werke mit Anmerkungen. Das „junge“, sowie das „wohlerzogene“ Frauenzimmer erhalten „nöthige Unterweisungen“, der Kaufmann „Anleitungen zum Briefwechsel“ und eine Reihe rein mercantiler Schriften. Unter den geschichtlichen und politischen Werken erlangte wohl die Uebersetzung von Bielfeld’s „Staatskunst“, an deren ersten beiden Theilen auch Gottsched einen Antheil hatte, den größten Leserkreis. Ferner gab er Benj. Hederich’s mythologisches (1770) und deutsch-lateinisches Wörterbuch (1775) heraus, dann Joh. Jacob Schatzens Lehrbücher der Geographie sowie dessen erläuterten Homannschen Atlas (III Theile 1763) und übersetzte den größten Theil der Sammlung aller Reisebeschreibungen, die zu Leipzig in 21 Quartbänden (1747–1774) erschienen. Nimmt man noch die Uebersetzungen der naturwissenschaftlichen Lehrbücher (Rollin 1768), der Abhandlungen Perrault’s, Charas’ und Dodart’s (3 Bände 1757) hinzu, sowie seinen Antheil an der Uebersetzung von Buffon’s Naturgeschichte, so ergibt sich ein Bild reichster und mannigfaltigster Thätigkeit, der eine Anerkennung nicht versagt werden kann. Gewiß war die ursprüngliche Triebfeder dieses Schaffens in dem idealen Streben zu suchen, welches die Gottsched’schen Kreise beherrschte, dem deutschen Volke auf den verschiedensten Bildungsstufen Kenntnisse des praktischen Lebens und Ergebnisse der Wissenschaften in deutscher Sprache zugänglich zu machen und auf diese Weise zur geistigen Befreiung der Nation von dem Auslande beizutragen; und in der Reinheit und formalen Handhabung der Sprache hat S. für seine Zeit in der That Achtungswerthes geleistet. Allein in späteren Jahren trat jenes ideale Motiv vor der Berechnung immer mehr zurück, und S. sank zu einem Factotum des Breitkopf’schen Verlages herab. Er galt als knauserig und geizig, und als er am 12. April 1784 starb, hatte er der deutschen Gesellschaft die für jene Zeit namhafte Summe von 800 Thalern vermacht. Es ist, als ob er mit diesem Vermächtnisse eine Sühne beabsichtigt hätte. Der Mammon sollte in den Dienst jener idealen Sache gestellt werden, von welcher er ihn entrückt hatte. Aber das Bußgeld war falsch verwendet, die Gesellschaft hatte sich überlebt, und das Vermächtniß beweist nur, daß S., dessen Zeitschrift einst zeigen sollte, was deutscher Geist vermag, dem siegreichen Fortschreiten der deutschen Litteratur kein Verständniß mehr entgegen bringen konnte.

Gewiß lassen sich von jenen Männern, welche den Stab des viel verspotteten Geschmacksdictators Gottsched bildeten, keine geistigen Großthaten erzählen; aber durchdrungen von der Idee einer geistigen Erhebung des deutschen Volkes haben sie mit dem vollen Einsatze ihrer beschränkten Mittel eine Summe von Einzelleistungen zustande gebracht, deren Bedeutung für den unmittelbar folgenden Aufschwung der deutschen Litteratur heute nicht mehr verkannt wird. Und S. ist der Eifrigsten und Ausdauerndsten einer. Aber sein Leben ist gewissermaßen auch ein Bild im Kleinen für die ohnmächtige Abhängigkeit des geistigen Lebens [171] seiner Zeit. Er war keine selbstständige Natur, und unter der Ungunst äußerer Verhältnisse mußten sich die angeborenen Schranken seines geistigen Wesens noch immer mehr verengen. So war er denn frühzeitig unter die Herrschaft einer zweifelhaften geistigen Größe gerathen, die ihm Richtung und Ziel gab, und deren Einfluß er sich nie ganz entwinden konnte.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Leizig