BLKÖ:Pergen, Johann B. Anton Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 22 (1870), ab Seite: 1. (Quelle)
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Pergen, Johann B. Anton Graf (Staatsmann, geb. zu Wien 15. Februar 1725, gest. ebenda 12. Mai 1814). Entstammt einem alten, um die Mitte des 16. Jahrhunderts auftauchenden niederländischen Adelsgeschlechte, über welches die Quellen [S. 5] nähere Nachrichten enthalten. Graf Johann Anton ist der jüngste Sohn des geheimen Rathes und Reichs-Vicepräsidenten der niederösterreichischen Regierung in Justizsachen Johann Ferdinand Wilhelm aus dessen Ehe mit Maria Elisabeth Freiin Orlick von Lazizka. Nach Vollendung der juridischen Studien trat der damals 22jährige Graf bei der kaiserlichen Gesandtschaft am churmainzischen Hofe in den Staatsdienst. Im Jahre 1748 erhielt er von dem Staatskanzler Grafen von Ulefeld die Weisung, da Baron Wasner, der kaiserliche Gesandte am englischen Hofe, dem Könige von England nach Hannover folgen mußte, mit dem Legationssecretär des Ministers während dessen Abwesenheit die Geschäfte am englischen Hofe zu leiten. Als nach dem Aachener Friedensschlusse Baron Wasner auf seinen früheren Posten nach London zurückkehrte, übernahm Graf Pergen auf ausdrücklichen Wunsch des Grafen Cobenzl wieder seine frühere Stelle am churmainzischen Hofe. Im Jahre 1750 ward er dem Minister Richecourt zugetheilt, der dem Könige von England nach Deutschland folgte, um ihm über viele Angelegenheiten des deutschen Reichs, besonders aber über die bevorstehende Königswahl näheren Aufschluß zu geben. Im nämlichen Jahre berief ihn Graf Ulefeld nach Wien und die Kaiserin ernannte ihn im Jahre 1751 zum Kämmerer bei den Erzherzogen Karl und Leopold. Im Jahre 1752 erhielt Graf Cobenzl den Auftrag, im Reiche den Zwanziger Münzconventionsfuß einzuführen, und Pergen ward an seine Stelle als bevollmächtigter Minister an den Churhof zu Mainz beordert. Hierauf erhielt er den Auftrag, der Wahl eines obersten Burggrafen der kaiserlichen Burg Friedberg beizuwohnen, und daselbst gelang es ihm, manche Zwistigkeiten zwischen den Katholiken und Protestanten gütlich beizulegen und so den Keim von Spaltungen und inneren Unruhen zu beseitigen. Im Jahre 1756 ward er nach Elwangen zur Propstwahl als kaiserlicher Commissär geschickt und kehrte dann in ebendemselben Jahre nach Wien zurück; doch, als eben in diesem Jahre der siebenjährige Krieg zwischen Preußen und Oesterreich ausbrach, kam er abermals als bevollmächtigter Minister an den Churhof nach Mainz. Hierauf wurde ihm im Jahre 1757 die Verwaltung der im Reiche eroberten preußischen Provinzen zugetheilt, welches Geschäft er bis zum Hubertsburger Friedensschlusse (1763) verwaltete. Während dieser Zeit wurde er an mehreren deutschen Höfen als kaiserlicher Commissär verwendet. [2] Im Jahre 1763 erhielt er den Auftrag, die Wahl eines deutschen Königs zu Gunsten des Erzherzogs Joseph, nachherigen Kaisers, einzuleiten. Nach dem am 18. August 1765 erfolgten Tode des Kaisers Franz I. wurde dessen ältester Sohn Joseph am 23. September 1765 zum römisch-deutschen Kaiser und Mitregenten gewählt. Bei der römischen Königswahl Joseph’s II. war Graf Johann Anton königlich böhmischer Wahlbotschafter und nachher Bevollmächtigter bei der Huldigung zu Frankfurt am Main. Der Kaiserin wurden um diese Zeit vielerfahrene Staatsmänner, die Stützen ihrer Regierung, durch den Tod entrissen. Es starb am 11. September 1765 der leitende Staatsminister Graf Haugwitz und am 5. Februar 1766 der Hofkriegsraths-Präsident Feldmarschall Leopold Graf Daun. Zum dirigirenden Staatsminister wurde nun Fürst Georg Adam von Starhemberg, der Nachfolger des Fürsten Kaunitz auf dem Gesandtschaftsposten zu Paris, berufen und ihm als zweiter Staatsminister Graf Pergen am 2. September 1766 beigesellt. Graf Pergen erhielt die Direction der Staatskanzlei, jedoch ohne Titel eines Kanzleidirectors und in Allem gemeinschaftlich mit dem Staatsreferendar Freiherrn Binder von Kriegelstein, dem vertrauten Rathe des Staatskanzlers Kaunitz, der in Hauptdingen immer die Feder führte. Da Binder mit der inneren Angelegenheit zu wenig vertraut war, so wurde der ernannte Staatsrath Baron Gebler, bis dahin Rath der vereinten Hofkanzlei, ein Freund und Förderer der Reformbestrebungen Kaiser Joseph’s, für diese Angelegenheiten verwendet. Im Staatsrathe trat im August 1770 Minister Graf Pergen mit seinem kühnen Plane der Reform der Studien hervor; alle Geistlichen und jedenfalls alle Ordensgeistlichen sollten von der Leitung und Mitwirkung im Lehramte entfernt, die meisten Fächer deutsch gelehrt, ein alle Stufen und Fächer des Unterrichts umfassender Lehrplan und ein Verzeichniß der zu benutzenden Bücher ausgearbeitet, ein Lehrerseminar errichtet werden. Die Kaiserin ging in mehrere Gedanken Pergen’s ein; als Versuch, ob dieselben in der Praxis sich bewähren würden, sollte die orientalische Akademie nach ihnen eingerichtet werden, auch sollte Pergen laut kais. Entschließung vom 16. April 1771 sich äußern, durch welche Mittel sein Plan auszuführen und namentlich die durch die Bestellung weltlicher Lehrer erwachsenden Kosten – sie wurden auf mehr als eine Million Gulden geschätzt – aufzubringen seien. Am 16. Juli 1771 erstattete Pergen seine Aeußerung, sie wurde vom Staatsrathe gutgeheißen und auch von dem kais. Leibarzte van Swieten auf das Wärmste unterstützt. Die Errichtung des Studienrathes wurde beschlossen, Pergen sollte die Mitglieder vorschlagen und die näheren Details bestimmen. Pergen nannte van Swieten, Müller Prälaten von St. Dorothea, Martini, und meinte, daß in den Rath auch einige berühmte Gelehrte des Auslandes (er wies auf Ramler, Weiße, Büsching, Sulzer, Ernesti, Semmler) berufen werden sollten. Hofsecretär Birkenstock, der sich gerade in Eichsfeld befand, sollte mit diesen Männern verhandeln. Der Staatsrath befürwortete alle diese Vorschläge, nur daß er an Stelle des allzubejahrten Weiße den Professor Riedel in Erfurt nannte, auch auf die Berufung des Abtes Felbiger in Sagan und auf die Ernennung Pergen’s zum [3] Präsidenten des neuen Rathes drang. Am 8. November 1771 erfolgte die genehmigende Entschließung der Kaiserin. Allein Pergen hatte in seinem Vortrage wiederholt auf der Entfernung der Ordensgeistlichen vom öffentlichen Unterrichte bestanden, die Kaiserin aber war darauf nicht eingegangen. Die Frage solle bis nach gänzlich zu Stande gebrachter Schuleinrichtung auf sich beruhen und „werde sie sodann ihre hiefalls hegende Willensmeinung zu erkennen geben“. Pergen machte darum am 22. November 1771 eine neuerliche Vorstellung: eine Studienverbesserung sei ohne jene Vorbedingung undenkbar. Der Staatsrath, den Fürsten Kaunitz mitbegriffen, erklärte einstimmig, was Pergen wolle, sei vor der Hand unausführbar, es fehle an weltlichen Lehrern, diese müssen erst herangebildet werden. Franz Freiherr Kressel von Gualtenberg arbeitete eine ausführliche Denkschrift über die Frage aus, die er dem Grafen Pergen mitzutheilen bat und worin er concurrirende weltliche und geistliche Schulen und die Errichtung von Lehrkanzeln der Pädagogik an den Universitäten zu Wien und Prag vorschlug. Nur wenn sich die Ordensgeistlichen dem auszuarbeitenden neuen Plane nicht fügen wollten, seien sie vom Lehramte gänzlich zu entfernen. Graf Pergen machte am 31. Jänner 1772 zwei ganz neue Vorstellungen: seine Pläne seien mit der ferneren Belassung der Ordensgeistlichen im Lehrfache unvereinbar, er bitte, falls die Kaiserin auf diesen Gedanken nicht eingehe, ihre Entschließung über den Studienrath und die ihm zugedachte Stellung in demselben nicht auszuführen, seine Bemühungen würden fruchtlos bleiben. Der Staatsrath vermochte nicht diese Vorstellungen zu unterstützen. Pergen wurde zu einer diplomatischen Mission nach Mainz berufen, die ihm zugedachte Stelle im Studienrathe übernahm aber Freiherr von Kressel. Mit ihm trat eine der Gesinnung der Kaiserin, den Vorurtheilen der Zeit und den thatsächlichen Verhältnissen sich mehr anbequemende Stimmung ein. Ueber Vorschlag Joseph’s II. wurde der dirigirende Staatsminister Fürst Starhemberg am 30. November 1771 aus dem Staatsrathe entfernt und an seiner Statt der Hofkammer-Präsident Graf Hatzfeld zum dirigirenden Staatsminister ernannt. Graf Pergen hatte am 27. September 1771 das ungarische Indigenat erlangt und wurde am 20. October 1772 als bevollmächtiger Commissär und Gubernator der bei der Theilung Polens neu erworbenen Königreiche Galizien und Lodomerien zur Organisation des Landes gesendet, in welcher Eigenschaft er in Galizien bis zum Jahre 1774 verblieb und hierauf abermals nach Wien zurückberufen wurde. Im Jahre 1775 trat Graf von Pergen als Staatsminister mit Beibehaltung seines Gehalts die Stelle eines niederösterreichischen Landmarschalls an. Nach dem im Jahre 1782 erfolgten Tode der Kaiserin Maria Theresia führte Kaiser Joseph, ihr Thronfolger, viele Reformen in der Staatsverwaltung ein. Er verordnete unter anderem, daß die Stelle des Regierungspräsidenten mit jener des Landmarschalls, sowie das verordnete Collegium, welches auf zwei Individuen, eines aus dem Herren- und eines aus dem Ritterstande beschränkt war, mit der Regierung vereinigt werden sollte, und so übernahm Pergen das Präsidium bei der Landesregierung. Zugleich wurde er von Kaiser Joseph beauftragt, die Polizei- und Sicherheitsanstalten in der Haupt- und Residenzstadt [4] Wien zu leiten, sowie auch eine systematische Staatspolizei in allen Provinzen der österreichischen Monarchie einzuführen und die Straf- und Correctionshäuser in bessere und zweckmäßigere Ordnung zu bringen. Um diese Zeit dürfte er auch die anonym erschienene Schrift: „Animadversiones in revolutionem novumque sic dictum systema democraticum in Gallia“ (Viennae 1791, 8°.), die gleichfalls in deutscher Sprache: „Betrachtungen über die Revolution und das sogenannte demokratische System in Frankreich“ (ebd., im näml. Jahre) erschienen ist, herausgegeben haben, wenn dieselbe nicht gar eine Dissertationsschrift seines Sohnes Joseph ist. Anstrengung in Geschäften schwächte dem Staatsmanne das Augenlicht so sehr, daß er nicht mehr wie bisher den Geschäften obliegen konnte, und P. wurde von Kaiser Leopold auf sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt. Eine glückliche Operation hob das Uebel (1793) und Graf Pergen genas völlig von seiner Augenkrankheit. Kaiser Franz berief ihn nun aus seiner Ruhe und übergab ihm den Auftrag, bei dem Ausbruche der französischen Revolution für die innere Ruhe der Haupt- und Residenzstadt, sowie auch aller Provinzen der österreichischen Monarchie zu sorgen. Graf Pergen leitete als Polizeiminister, indem ihm Graf Franz Saurau adjungirt wurde, die ihm anvertrauten Geschäfte bis zum Jahre 1804, wo er auf sein dringendes Bitten aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand versetzt, jedoch zum Conferenzminister erwählt wurde. Graf P. hatte durch 63 Jahre seine Dienste dem Staate gewidmet. Für seine ausgezeichnete Verwendung erhielt er das Großkreuz des kön. ungarischen St. Stephan-Ordens; mit Diplom ddo. Wien 23. Juni 1788, nachdem er schon im Jahre 1775 zum Oberstlandmarschall in Niederösterreich berufen worden, das durch Felonie erledigte Obersterbland-Münzmeisteramt in Oesterreich unter der Enns mit Vermehrung seines Wappens. Graf Johann ist der Stifter der noch blühenden Linie zu Thomasberg; er vermälte sich am 19. Juli 1762 mit Philippine Gabriele Johanna Sophie Freiin von Groschlag, Tochter des Kammergerichtspräsidenten Philipp Karl Anton Freiherrn von Groschlag zu Dieburg, welche ihm drei Töchter und einen Sohn Joseph gebar, der, am 5. Juli 1766 geboren, als k. k. Kämmerer, geheimer Rath und Vicepräsident der Hofkammer am 3. Mai 1830 starb.

Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien, A. Strauß, 4°.) Jahrg. 1814, S. 257. – Vehse (Eduard Dr.), Geschichte des österreichischen Hofs und Adels und der österreichischen Diplomatie (Hamburg, Hoffmann u. Campe, kl. 8°.) Bd. IX, S. 31. – Oesterreichs Pantheon. Gallerie alles Guten und Nützlichen im Vaterlande (Wien 1830, M. Chr. Adolph, 8°.) Bd. II, S. 50. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 177 [nach dieser geb. am 15. Februar 1735, was offenbar ein Irrthum, da der Graf bereits im Jahre 1748 im Staatsdienste sich befand, in welchem er sich im Alter von 13 Jahren doch nicht befinden konnte]. – Oesterreichische Biedermanns-Chronik. Ein Gegenstück zum Fantasten- und Prediger-Almanach (Freiheitsburg [Akademie in Linz] 1785, kl. 8°.) I. (u. einziger) Theil, S. 132. – Wolf (Adam), Aus dem Hofleben Maria Theresia’s. Nach den Memoiren des Fürsten Khevenhüller (Wien 1858, Gerold’s Sohn, 8°.) S. 328. – Hock (Karl Freih.), Der österreichische Staatsrath unter Maria Theresia (Wien 1868, Braumüller, 8°.). – Wiener Zeitung (4°.) 1860, Nr. 141. – Helfert, Geschichte des österreichischen Volksschulwesens u. s. w. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. vom 23. April, im Leitartikel: „Eine Reminiscenz“. – Porträte. [5] 1) J. E. Mansfeld fec. (8°.); – 2) M. Schmidt p., F. John sc. (Fol.).