Berliner Kirchhöfe

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Autor: Max Ring
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Titel: Berliner Kirchhöfe
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 701-704
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Berliner Kirchhöfe.

Berlin besitzt keinen Kirchhof, wie den des Père-La-Chaise in Paris, diese große Gräberstadt, die versteinerte Geschichte der französischen Nation, der Mittelpunkt und Sammelplatz der berühmten Gestorbenen. Der Deutsche gehört zunächst seiner Familie und erst dann seinem Volke an; wir scheuen die Oeffentlichkeit – selbst im Tode. Der Mangel an Nationalsinn macht sich auch auf unseren Kirchhöfen bemerkbar, die zerstreut vor allen Thoren liegen. Dort müssen wir auch unsere großen Todten erst zusammensuchen und nur mit Mühe werden wir sie finden. Die Gräber einer Stadt sollten wie die Kirchen und öffentlichen Denkmäler zu [702] jeder Stunde geöffnet bleiben; was in Berlin keineswegs immer der Fall ist. Sie gehören, wie das Leben der großen Männer, welche darunter ruhen, weder einer Familie, noch einer bestimmten Gemeinde, sondern ihrem Volke, dem Vaterlands an. Viele Einwohner der Residenz haben keine Ahnung, welche Berühmtheiten vor den Thoren der Stadt schlummern.

Die milde Herbstsonne verlockte uns, diesen Gräbern einen Besuch abzustatten. Vor dem Oranienburger Thore liegt zunächst der Kirchhof der dorotheenstädtischen und werder’schen Gemeinde, welcher die ausgezeichnetsten Namen umschließt. In der Nähe der Einschlußmauer erhebt sich ein einfacher Granitblock mit der Inschrift: „Georg Wilhelm Friedrich Hegel, geb. den 28. August 1770, gest. den 14. November 1831.“ Es gab eine Zeit, wo dieser Gelehrte in Berlin als absoluter Herrscher auf dem Throne der modernen Philosophie saß; Staatsmänner, hohe Officiere, Leute aus allen Ständen lauschten zu seinen Füßen den Worten eines neuen Evangeliums. Eine Anzahl geistreicher Männer wurden seine begeisterten Apostel und übertrugen sein System auf alle übrigen Wissenschaften. Wie Alexander der Große hatte Hegel das Weltreich der „Idee“ begründet, das aber nach seinem Tode wieder in Nichts zerfiel. Die entarteten Epigonen versanken in eine Anarchie, welche mit ihrer gänzlichen Niederlage endete.

Die Hegel’sche Philosophie, deren mächtigen Einfluß wir nicht verkennen, liegt gegenwärtig begraben mit ihrem Schöpfer auf dem Kirchhofe vor dem Oranienburger Thor. In der Nähe des Meisters ruhen mehrere seiner Jünger, unter denen Eduard Gans besonders hervorragt. Der schlichte Grabstein trägt die Inschrift: „Eduard Gans, geb. am 22. März 1797, gest. den 5. Mai 1834.“ Er war ein geborner Berliner und gehörte einer angesehenen und wohlhabenden jüdischen Familie an. Sein Witz und die seiner Nation eigenthümliche geistige Beweglichkeit trugen nicht wenig dazu bei, die Hegel’sche Philosophie populär zu machen. Gans war der Apostel des Salons, der Jünger im Gesellschaftsfrack; er machte Progaganda bei einem Diner und predigte bei einer Tasse Thee. Trotz seiner Jovialität fehlte es ihm nicht an muthiger Streitlust. Er wendete seine Waffen hauptsächlich gegen den berühmten Rechtslehrer Savigny und die historische Schule, welche er mit vielem Glück und Geist angriff. Als Lehrer der Geschichte stand Gans in fortwährender Opposition gegen die Regierung. Seine Vortrage über die französische Revolution waren besonders stark besucht und das größte Auditorium der Berliner Universität faßte kaum die Zahl seiner Zuhörer. Gans war bei der akademischen Jugend außerordentlich beliebt und wurde fast von ihr vergöttert. Bei Tische traf ihn der Schlag mitten im kräftigsten Mannesalter; sein Tod wurde von der ganzen Stadt betrauert. Ein unübersehbarer Leichenzug bewegte sich längs der Linden. Alle Notabilitäten Berlins gaben ihm das letzte Geleit, darunter der hundertjährige Präsident von Grollmann und der vom Alter gebeugte Minister von Altenstein. Es war ein erschütternder Anblick, zu sehen, wie diese Greise den rüstigen Mann begraben halfen.

Ein spitzer Obelisk steigt wie das reine „Ich“ auf dem Grabe empor, unter welchem der berühmte Fichte ruht. Auf der einen Seite des Denkmals steht der Vers aus Daniel: „Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz und die, so Viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich!“ Ein Medaillon zeigt die bekannten, scharf ausgeprägten Züge dieses eben so großen Denkers als Charakters, dessen „Reden an die deutsche Nation“ zur Zeit der französischen Herrschaft in Berlin eine kühne That waren und den schlummernden Funken der Vaterlandsliebe und des Volksbewußtseins zur hellen Flamme anfachten.

Die Lyra und die richterlichen Fasces bezeichnen das Grab von Eduard Hitzig, der in der Criminaljustiz und in der deutschen Literatur sich einen bedeutenden Namen erworben hat. Jenes Kreuz von Eisen haben Freunde dem Dichter Langbein gesetzt, dem lustigen Poeten, dessen Schwänke und lustige Erzählungen unsere Väter erheiterten. Sein Grab ist vom Epheu so dicht überwuchert, daß man kaum seinen Namen findet. Bald wird es seinen Werken ähnlich gehen.

Ein antiker Genius mit einer klagenden Muse schmückt das Grab des Philologen Buttmann, dessen griechische Grammatik der Jugend so viel Kopfzerbrechen verursacht hat. Hier ruht der treffliche Solger, der Uebersetzer des Sophokles und fein gebildete Aesthetiker; ferner der Director des Werder’schen Gymnasiums Bernhardi, der Schwager und Freund Tieck’s, mit dem er gemeinschaftlich die geistreichen, satirisch tollen „Bambocciaden“ herausgab. Grau und nüchtern, wie er selber einst im Leben war, ist der Leichenstein des bekannten Biester, der mit Gedicke zusammen die „Berlinische Monatsschrift“ unternahm und für prosaische „Aufklärung“ schwärmte.

Mit dem Zirkel in der Hand grüßt uns die Statue des Bildhauers Schadow, auf seinem Grabe so lebenswahr und treu wie sein Talent. Auf Schinkel’s Grabstein, von seinen Freunden und Verehrern dem berühmten Architekten errichtet, lesen wir die Inschrift: „Was vom Himmel stammt, was uns zum Himmel erhebet, ist für den Tod zu groß, ist für die Erde zu rein.“ – Seine schönsten Denkmäler, die er sich selbst gesetzt, sind seine Bauten, das herrliche Schauspielhaus, das großartige Museum, die Bauakademie und unzählige Privathäuser im reinsten Styl.

Dieser große Sandstein bedeckt die Asche des Geheimen Rath Beuth, des genialen Schöpfers unserer Gewerbinstitute, des unermüdlichen Förderers aller industriellen Unternehmungen in Preußen. Nebenbei war der alte Beuth eine der originellsten Erscheinungen in Berlin. Mit der Militairmütze auf dem grauen Kopfe und in seinem blauen Rocke konnte man ihn zur bestimmten Stunde unter den Linden sehen, es mochte stürmen und regnen. So hat ihn auch der Hofmaler Krüger auf seinem großen bekannten Huldigungsbilde abgemalt.

Unter einem offenen Tempel, mit seiner Statue geschmückt, liegt der reiche Fabrikant Borsig, der sich durch Fleiß und Tüchtigkeit ein großes Vermögen und einen Namen in der deutschen Industrie erworben hat. Er kam als ein armer Tischler nach Berlin und starb als einer der reichsten und geachtetsten Besitzer. Viele hundert Dampfmaschinen sind aus seinen Werkstätten hervorgegangen und durchfliegen Deutschland nach allen Enden.

Ebenfalls in der Nähe des Oranienburger Thores befindet sich der alte Kirchhof der französischen Gemeinde.

Der große Kurfürst und seine Nachfolger öffneten nach Aufhebung des Edicts von Nantes den Refugié’s aus Frankreich gastlich ihre Länder und tausend fleißige, geistig begabte Einwanderer fanden in Berlin und in der Mark eine neue Heimath. Diese Flüchtlinge brachten eine höhere Bildung, feinere Sitten und einen bereits weitfortgeschrittenen Sinn für Industrie und Kunst aus ihrem alten Vaterlande mit. Sie vergalten die ihnen erzeigten Wohlthaten durch Verbreitung nützlicher Kenntnisse und Anlegung von Fabriken. Die bedeutende Seidenweberei in der Mark ist einzig und allein ihr Werk, so wie der feinere gesellschaftliche Ton ihr Verdienst. Aus ihrer Mitte ist eine Reihe hervorragender und berühmter Männer hervorgegangen, welche keinen geringen Einfluß auf die Entwickelung des preußischen Staates ausübten. Noch heute bilden die Nachkommen dieser Refugié’s eine besondere Colonie mit ihrem eigenen Gottesdienst, Schulen und Kirchhöfen.

Auf diesem fällt uns zunächst das große Denkmal in die Augen, welches der König Friedrich Wilhelm der Vierte seinem Lehrer, dem Minister Jean Pierre Frederic Antillon setzen ließ. Auf der vorderen Seite des mächtigen Würfels erscheint das geistreiche Gesicht des Staatsmannes, der zugleich als Schriftsteller durch seine historischen und philosophischen Werke sich einen bedeutenden Namen gemacht hat.

Dicht daneben ruht ein berühmter Gestorbener, der in einem ganz andern Wirkungskreise und auf einem verschiedenen Schauplatze das Größte geleistet hat. Heute ein König, war er morgen ein Bettler, bald der arme Poet Kindlein mit dem weichen Gemüth, bald der furchtbare Franz Moor, der heimtückische Shylok. Sein Reich waren jene Breter, die die Welt bedeuten, seine Unterthanen die Herzen seiner Zuhörer, welche er durch seine Kunst unbeschränkt beherrschte, in allen Fibern beben und erzittern ließ; in einem Augenblick Lachen oder Weinen erregend, wann und wie er wollte. Der Leichenstein trägt die Inschrift: „Ludwig Devrient, geb. den 15. December 1784, gest. den 30. December 1832, von seinen Kunstgenossen.“ Die Masken der heiteren und ernsten Muse deuten auf seinen Stand. – Ludwig Devrient war zum Schauspieler geboren wie Rafael zum Maler, Shakespear zum Dichter. Er gehörte nicht zu den sogenannten denkenden Künstlern unserer Tage, welche den Mangel an Darstellungskraft und Beruf durch erkünsteltes Studium und ängstliche Kleinmalerei kümmerlich zu ersetzen suchen. Nach den Berichten seiner Zeitgenossen schuf der geniale Künstler aus dem Ganzen und [703] Vollen, begabt mit dem göttlichen Prometheusfunken und einer an das Dämonische grenzenden Darstellungskraft. Unzählige Anekdoten und Geschichten werden von ihm und dem eben so eigenthümlich begabten und mit ihm innig verbundenen Dichter E. T. A. Hoffmann erzählt. In der Weinhandlung bei Lutter, an der Ecke des Gensdarmenmarktes, verkehrten die beiden Freunde bis spät nach Mitternacht, beim schäumenden Champagner sitzend, umgeben von einem Kreise staunender Hörer und begeisterter Bewunderer. Während der Wein im Glase feine Perlen warf, ließen sie gleich ihm ihren Geist emporsteigen und entluden in gegenseitiger Berührung die elektrischen Funken ihres wunderbaren Wesens. Dort in einer Ecke der Weinstube, welche noch heut’ mit seinem wohlgelungenen Bilde geziert ist, saß der geniale Künstler mit dem scharf gezeichneten Gesicht, das in seiner dunklen Färbung und in seinem kühnen Schnitt den südlichen Franzosen nicht verkennen ließ. Mit den dunkel blitzenden Augen hing er an den nervös zuckenden Lippen Hoffmanns, der irgend ein keckes Capriccio seiner Erfindung oder einen scurrilen Einfall zum Besten gab. Dann ließ Devrient aus der tiefen Brust sein hohles Lachen erklingen, oder er warf eine kühne Bemerkung dazwischen, schneidend wie ein greller Blitz. Arm in Arm schritten die Freunde, wenn der Morgen bereits dämmerte, durch die einsamen Straßen, wo Hoffmann’s überreizte Phantasie jene Spukgestalten träumte, an welche er zuletzt mit offenen Augen glaubte, während Devrient über die fieberhafte Gluth klagte, die sein Leben so schnell verzehrte. Im Leben unzertrennlich hat der Tod sie erst geschieden, da Beide auf verschiedenen Kirchhöfen begraben sind.

Ebenfalls vor dem Oranienburger Thore, auf dem neuen katholischen Kirchhofe in der Liesenstraße ruht ein Kunstgenosse Devrients, Karl Seydelmann. Der rothe Grabstein zeigt die Inschrift: „Die Spuren dieses Lebens sind eingezeichnet in den Sand der Wüste und der Geist dessen, der sie zu ziehen gesendet war, ruft uns liebend und kräftig zu: tretet nach, achtet mein Erbe, indem ihr es nützt.“

Seydelmann’s Natur unterschied sich wesentlich von der seines großen Kunstgenossen. Wie dieser, auf sein Genie und auf die Inspiration des Moments gestützt, fast unbewußt schuf und die Zuhörer mit sich fortriß, so erzwang sich Seydelmann Achtung und Anerkennung durch tiefes Studium, sorgsame Aufführung und stets selbstbewußte Erfassung seiner Aufgabe. Er war ein durch und durch gebildeter Schauspieler, von einem seltenen Fleiße beseelt, und mit den gediegensten Kenntnissen ausgerüstet. Er suchte vorzugsweise den Umgang mit bedeutenden Gelehrten, nicht aus Eitelkeit, sondern um sein Wissen zu bereichern. Mit seiner Kunst nahm er es höchst gewissenhaft und ernst; seine Rollen behandelte er mit einem Studium und einem Fleiße, wie sie nur noch selten bei seinen Kunstgenossen angetroffen werden. Dadurch erhielten seine geschichtlichen Charaktere, wie Cromwell, Karl der Zwölfte von Schweden etc. einen Anspruch auf geschichtliche Wahrheit, da er zu diesem Zwecke ganze Bibliotheken durchwühlte. Seine Masken waren historische Portraits, bis in die kleinsten Züge wahr, treu und vollendet. Sein Geist besaß eine seltene Klarheit und kritische Schärfe, die sich öfters in satirischen Ausfällen gegen das gewöhnliche Komödiantenwesen Luft machte. Er liebte seine Kunst über Alles und ihr sichtbarer Verfall ging ihm zu Herzen. Seydelmann war, was man bei seinen Standesgenossen so selten findet, ein abgeschlossener Charakter im guten wie im schlechten Sinne. Von ihm gilt der Spruch des großen Dichters: Nehmt Alles in Allem, – er war ein Mann.

An dem entgegengesetzten Ende der Stadt vor dem Hallischen Thore liegen zunächst vier große Kirchhöfe, nur durch eine Mauer oder Zaun getrennt. Eine kurze Allee von bereits herbstlich gefärbten und entblätterten Bäumen führt zu dem Eingange. Ein einfaches Monument bezeichnet die Stätte, wo der berühmte Theolog Neander ruht, an seiner Seite die treue Schwester, die erst vor Kurzem dem Bruder gefolgt ist. Beide waren ein Bild der rührendsten Geschwisterliebe, und welcher Berliner erinnert sich nicht des treuen Paares, dem wir so häufig unter den Linden begegnet sind, dem kleinen Mann im braunen Rocke, der oft durch sein Denken zerstreut, sich von der Schwester leiten ließ. Unzählige Anekdoten von der Zerstreutheit und Herzensgüte des berühmten Professors sind hinlänglich bekannt, doch vor Allem verdient seine Toleranz hervorgehoben zu werden, mit der er, trotz seiner eigenen strengen Gläubigkeit, das beabsichtigte Verbot gegen „das Leben Jesu“ von Strauß abwendete, indem er sich energisch für die freie Forschung auch auf dem Gebiete der Theologie aussprach. –

In seiner Nähe hat auch der Reisende und Naturforscher Pallas Ruhe von seinen weiten Wanderungen durch alle Theile Europa’s und Asiens gefunden.

Auf dem nächsten, verschlossenen Kirchhofe liegt unter dem grauen, verwitterten Denksteine der Schauspieler Johann Ferdinand Fleck, den Tieck für den ersten darstellenden Künstler seiner Zeit erklärte. Die charakteristische Inschrift lautet:

J. F. Fleck, erwachte zum Leben zu Breslau den 10. Jan. 1759 und ging zu schlafen den langen Schlaf den 20. Dec. 1801 zu Berlin. Wahr, edel, groß auf der Bühne und im Leben biederherziger Freund, zärtlicher Gatte und Vater ging er, droben Großes zu schaun, was er hinieden ahnend empfand.

Der Leidenschaften Flamme, des Hochsinns Adel, der Tugend Göttergestalt prägte er mit des Genius Schwunge staunenden Hörern in’s Herz und das Laster bebte. Dem hartsinnigen Alten, dem bespotteten Sonderling, dem höchsten Schmeichlervolk hielt er den Spiegel vor und die Thoren errötheten.“

Dicht an der Mauer ruht sein Kunstgenosse, der nicht minder berühmte Iffland, der zugleich als dramatischer Schriftsteller seiner Zeit eine bedeutende Stellung einnahm und noch heute als ein Muster feiner Durchführung und psychologischer Malerei im bürgerlichen Schauspiel und Familienstücken gelten darf. Das Denkmal ist von den Mitgliedes des königlichen Theaters im Jahre 1846 renovirt worden.

Zwei große Aerzte ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Unter einem prachtvollen Monument in Form eines griechischen Tempels mit der Büste des Verstorbenen geschmückt, schläft von Gräfe, der berühmte Chirurg und Vater des berühmten Augenarztes, und in seiner Nähe der alte Heim. Der Letztere war wohl der beliebteste Arzt, den Berlin besessen hat, bekannt durch seinen außerordentlichen Scharfblick, durch sein unübertroffenes diagnostisches Talent, womit er die Krankheiten oft bei einem flüchtigen Anblick, zuweilen durch den bloßen Geruch erkannte; so wie durch die Originalität seiner ganzen Erscheinung und die Eigenthümlichkeit seines Geistes. Wie viele charakteristische Züge werden noch heute von seiner Herzensgüte, seinem Humor und seinem überraschenden Talent erzählt, bald wie er an dem Pulse eines Kindes gleich erkannt, daß die Amme desselben sich berauscht hatte, bald wie er zu Pferde durch die Straßen Berlins ritt, um seine Patienten zu besuchen; gekannt und gegrüßt von Jedermann, angehalten von Armen und Hülfsbedürftigen, die er mit gleicher Liebe und Aufmerksamkeit behandelte, wie seine reichsten Patienten, darunter selbst Fürsten und Mitglieder der königlichen Familie waren. Alle diese vereinzelten Züge hat sein Schwiegersohn in seinem trefflichen Lebensbilde „Ernst Ludwig Heim“ gesammelt. Das Buch verdient ein Volksbuch zu sein, so wie der alte Heim im eigentlichsten Sinne ein Mann des Volkes war.

Hier finden wir auch das Grab des liebenswürdigen Chamisso, des Dichters und Weltumseglers, der von Geburt Franzose, von Herzen und im Geist ein Deutscher war. In seinen Gedichten und besonders in dem reizenden Märchen „Peter Schlemihl“ spiegelt sich der Genius seines zweiten Vaterlandes wieder. Auch die bekannte Rahel, die Gattin Varnhagens, ruht auf demselben Kirchhofe. Sie war lange Zeit der geistige Mittelpunkt eines Kreises ausgezeichneter Männer und Frauen, der sich damals in Berlin zusammenfand. Jüdin von Geburt vereinte sie den scharfen Witz ihres Volkes mit echt weiblicher Feinheit und Milde; sie war die eigentliche Schöpferin einer höheren Geselligkeit und in ihrem Hause erschienen die verschiedensten Elemente zu einer seltenen Harmonie verschmolzen. Zu ihren Freunden zählte sie den genialen Prinzen Louis Ferdinand, den edlen von der Marwitz, den geistreichen Gentz, Brinkmann, Gualtieri, später den Fürsten Pückler, den damals noch unbekannten, jungen Heine, eine Gallerie bedeutender Persönlichkeiten, welche die Meisterhand Varnhagens gezeichnet hat. Ihr „Briefwechsel,“ von ihrem Gatten herausgegeben, ist, abgesehen von seinem tiefen Inhalt, ein höchst interessanter Beitrag zur Geschichte jener Zeit. Mit echt weiblicher Hingebung wandte sie sich wie die Sonnenblume dem großen Tagesgestirn Goethe zu. Der Cultus dieses Genius ging für Berlin zunächst von ihr und dem sie umgebenden Kreise aus.