Zum Inhalt springen

Die Gartenlaube (1868)/Heft 18

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1868
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[273]

No. 18.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Im Hause der Bonaparte.
Historische Erzählung von Max Ring.
(Fortsetzung.)


4.

Durch die berüchtigten pontinischen Sümpfe schleppten sich mühselig auf abgetriebenen Pferden zwei Reiter, von denen der ältere in seinen eingefallenen Wangen und fieberhaft glänzenden Augen ein krankhaftes Leiden verrieth. Mit seiner trüben Stimmung harmonirte der bleigraue Sciroccohimmel und die traurig öde Gegend.

Der wellenförmige Boden, von der Hitze des August ausgetrocknet und geborsten, wurde nur selten von einem fruchtbaren Weizenfelde oder einer kurzen Rasenstrecke unterbrochen. Zu beiden Seiten zeigte sich der gefürchtete Buschwald, ein dichtes Gestrüpp von Korkholz, Oleaster, Mastix, Schwarzdorn und Arbutus, von Schlingpflanzen und immergrünendem Epheu umsponnen.

Hier hausen der wilde Eber, das Stachelschwein, Schildkröten und giftige Schlangen, die tückischen Büffelheerden mit rückwärts gekrümmten Hörnern, welche von Zeit zu Zeit aus dem Dickicht hervorbrechen, um sich in die nahen Sümpfe zu stürzen, wo sie vor der brennenden Gluth Kühlung suchen. Wehe dem armen Wanderer, wenn er den schwarzen Ungeheuern in den Weg tritt! Mit eherner Stirn stürzen sie ihm entgegen, wenn er ihre leicht erregte Wuth reizt, und zerstampfen mit den plumpen Knieen ihm die Brust, bis er seinen Geist aufgiebt.

Noch gefährlichere Insassen birgt der niedere Wald der pontinischen Sümpfe, den habgierigen Banditen, den gesetzlosen Räuber, der aus sicherem Versteck den Reisenden überfällt.

Meilenweit keine Menschenspur, kein Dorf, kein Haus, nicht einmal eine elende Hütte, nur verfallenes Gemäuer, in denen der Falke oder der Habicht lauert, deren Nähe die blutig zerrauften Flügel und Federn des Moorhuhns verrathen, die Reste eines wilden Mahles.

Es dämmerte bereits und aus dem schwankenden Erdreich stiegen die Dünste des Moorgrundes, jene gelblich-weißen Nebel, empor, welche Krankheit, Fieber, Verderben und Tod auf ihren feuchten Schwingen tragen.

Schweigend ritten die Reiter neben einander her, nur begleitet von dem Klagegeschrei der beutegierigen Raubvögel, dem Stampfen und Brüllen der wilden Rinderheerden, bis der jüngere von beiden die lastende Stille unterbrach.

„Ich fürchte,“ sagte er, „daß wir uns verirrt haben. Die Nacht überrascht uns, und ich sehe nirgends ein Haus, wo wir bleiben und ausruhen könnten.“

„Was sagst Du?“ erwiderte der düstere Gefährte, aus seiner bisherigen Apathie erwachend.

„Ich meine, daß wir Unrecht gethan haben, den Weg durch diese Sümpfe zu nehmen. Du bist krank und elend, wir müssen sehen, ein Obdach zu finden, bevor es dunkel wird. Die Fieberluft kann Dir schaden und außerdem ist die Gegend nicht geheuer.“

„Was kann mich Schlimmeres treffen, als mich schon getroffen hat!“ entgegnete Robert, welcher der ältere der beiden Reiter war.

Der Maler hatte seit jener unglücklichen Entdeckung weder Ruhe noch Rast gefunden. Muthig rang er gegen die verzehrende Leidenschaft, die er selbst für verbrecherisch halten mußte. Liebe und Freundschaft, Pflicht und Neigung stürmten in seiner Brust und zerrissen ihm das Herz.

Die eigenthümliche Lage, in der er sich befand, erschwerte noch den unausbleiblichen Conflict. Er war der treue Freund des Prinzen, dessen Liebenswürdigkeit, Herzensgüte und geistige Begabung er kennen gelernt hatte. Er schätzte und verehrte ihn, außerdem fühlte er sich ihm zum größten Dank verpflichtet. Die Familie der Napoleoniden war ihm mit seltener Gastfreundschaft entgegengekommen; sie hatte dem damals noch unbekannten Künstler ihr Haus geöffnet, ihn wie Ihresgleichen mit der höchsten Zuvorkommenheit, ja mit fast verwandtschaftlicher Herzlichkeit aufgenommen. Seine Erfolge waren die ihrigen, und zum Theil durch ihren noch immer bedeutenden Einfluß erhöht und gesteigert worden.

Durfte, konnte er den besten Freund, den großmüthigen Beschützer, seinen Wohlthäter so schwer beleidigen, selbst wenn er so vermessen gewesen wäre, auf die Gegenliebe der Prinzessin zu hoffen?

Diese selbst aber war, wie er nur zu gut wußte, die reinste, edelste Frau, die pflichtgetreueste Gattin, zu der er, wie zu einer Gottheit, kaum emporzublicken wagte. Ihre fast schwesterliche Neigung für Robert, selbst ihre Vertraulichkeit waren mit so vieler Würde und maßvoller Zurückhaltung gepaart, so natürlich bei ihrer Herzensgüte, so erklärlich durch das künstlerische Interesse, daß blos die frechste Selbsttäuschung, der schwärzeste Undank auch nur den leisesten Verdacht schöpfen, die schwächste Hoffnung daran knüpfen konnte.

Doch selbst wenn das Betragen der Prinzessin ihn zu einer derartigen Annahme berechtigt hätte, so war Robert trotz seiner Leidenschaft eine zu sittlich-ernste und tiefe Natur, zu ehrenwerth in seinem Denken und Thun, um solch’ einen verabscheuungswürdigen Verrath an dem besten Freund, an dem edelsten Mann zu üben. Lieber wollte er schweigen, dulden und untergehen.

[274] Nur ein Ausweg aus diesem Labyrinth blieb ihm übrig: der Versuchung zu entfliehen, Rom zu verlassen, so schwer ihm auch ein solches Opfer fallen mußte. Er konnte den häufigen Verkehr mit dem liebenswürdigen Prinzen, mit der angebeteten Geliebten seines Herzens nicht aufgeben, ohne die Freunde zu beleidigen, ohne möglicher Weise ihren Verdacht zu erwecken. Und doch fühlte er, wie dies innige Zusammenleben, dies stete Wiedersehen die mühsam erstickte und niedergehaltene Flamme wieder anfachte, die kaum vernarbte Wunde immer von Neuem aufriß; er erkannte die Unmöglichkeit, seine frühere Unbefangenheit zu bewahren, das Geheimniß seiner Seele vor verrätherischen Blicken zu schützen, ein solches Leben in der Nähe des heißgeliebten Weibes zu ertragen, ohne sich gänzlich aufzureiben.

Eine Reise nach Neapel sollte ihn zugleich zerstreuen und der Gefahr entziehen. Durch neue Eindrücke und Studien, die er an Ort und Stelle für seine Kunst machen wollte, hoffte er, wenn auch nicht Genesung, doch wenigstens Linderung für sein krankes Herz zu finden.

Aber von Tag zu Tag zögerte er, den gefaßten Entschluß auszuführen, bis eine unerwartete, traurige Nachricht aus der Heimath, deren Ueberbringer sein jüngster Bruder Aurel war, seinem Schwanken und Zweifeln ein Ende machte. Tief erschüttert erfuhr er von ihm, daß sein zweiter Bruder Alfred in einem Anfall von Schwermuth, die in Robert’s Familie erblich schien, sich das Leben genommen hatte.

Es war zu viel, mehr als er zu ertragen vermochte. Mit dem Bilde der Geliebten vermischten sich die blutigen Züge des unglücklichen Bruders, mit der Qual der Leidenschaft die Trauer um den Verstorbenen, der Gedanke an den Schmerz einer tief betrübten Mutter.

Selbst die herzliche Theilnahme seiner Freunde, denen er seinen Verlust nicht verschweigen durfte, die sanften Worte der Prinzessin, mit denen sie ihm ihre innigste Theilnahme bekundete und ihn zu trösten suchte, vermehrten nur noch sein Leiden, indem sie seine Liebe noch steigerten.

Endlich riß er sich mit blutendem Herzen von ihr los, um in Neapel, begleitet von seinem Bruder Aurel, Vergessenheit für seinen doppelten Verlust zu suchen. Anfänglich schien auch an ihm die „Circe“ unter den Städten Italiens ihre unwiderstehliche Zauberkraft zu bewähren. Das entzückende Panorama, das blaue Meer mit seinen herrlichen Küsten, Vorgebirgen und Inseln, unter denen das romantische Capri gleich einer versteinerten, riesigen Sphinx aus den Wellen emporsteigt, der erhabene Vesuv mit seiner Krone von Rauch und Flammen und seinem Gürtel von schwarzen Wäldern und grünen Reben, der berauschende Duft der Orangen- und Citronenblüthen, der ewig heitere Himmel, der über diesem glücklichsten Fleck der ganzen Welt fortwährend lächelt, das fröhliche Treiben des sorglosen Volkes, der Gesang der Marinari zum Klang der Mandoline, das lustige Drängen, Jubeln und Jauchzen der rastlosen Menge, betäubten und zerstreuten ihn, so daß er wieder Antheil an dem ihn umwogenden Leben zu nehmen anfing. Bald suchte er seine alten Studien und Arbeiten wieder hervor, darunter das halb zerstörte Bild seiner „Corinna“, an deren Stelle er jetzt die Figur eines „neapolitanischen Improvisators“ setzte, um jede Spur von den verrätherischen Zügen der Prinzessin zu verwischen.

Mit diesen Arbeiten wechselten Ausflüge in die Umgegend von Neapel, nach dem herrlichen Sorrent, nach Procida und Ischia, von denen Robert, reich beladen mit neuen Schätzen, heimkehrte, wie die honigsammelnde Biene aus dem Blüthenmeer, so daß er kaum die empfangenen Eindrücke zu bewältigen, die sich ihm aufdrängenden Gestalten kaum flüchtig festzuhalten vermochte.

Wollte er sich aber einmal der immer wieder von Neuem auftauchenden Schwermuth überlassen, so stand ihm der treue aufmerksame Bruder zur Seite, um die schwarzen Geister zu verscheuchen. Gewaltsam entriß er ihn seinem düstern Brüten, indem er ihn mit sich fortführte zu den heiteren Festen, an denen es in Neapel niemals fehlt. Dort beobachtete Robert mit dem Auge des Künstlers das bunte Leben dieser Bevölkerung, welche, gleich dem Vesuv, in ewig schäumender Bewegung sich gefällt. Bald wohnte er zu diesem Zweck dem glänzenden Corso bei, bald dem berühmten Fest der „Madonna del Arco“, an dem ganz Neapel sich zu bethätigen pflegte.

Da sah er diese Schaaren geputzter Männer und Frauen in lichten, farbenglänzenden Kleidern, zu Fuß und zu Wagen, von Pferden, Mauleseln und breithörnigen Stieren gezogen, die Hände bewaffnet mit Thyrsusstäben, rings von Epheu und Blumen umwunden, die braune Stirn mit Weinlaub, Feigenblättern und Citronenzweigen bekränzt, an denen noch die goldenen Früchte hängen. Hier fesselte ihn das liebliche Gesicht eines Kindes einem antiken Amor gleich, dort die Gestalt eines Straßenjungen, das Modell des jungen Faun, oder ein tanzendes Mädchen, das beim Schall der Castagnetten und des Tambourin ihn mit ihren edlen, abgemessenen Bewegungen und ihrer naiven Schönheit unwillkürlich an die verschwundene Teresina erinnerte.

Alle die Freuden, die Lust, der Lärm zerstreuten schnell wieder die dunklen Schatten der Vergangenheit, welche vor den lachenden, rosigen Bildern der heiteren Gegenwart verschwinden mußten. Was der Künstler gesehen, gestaltete sich zu farbentrunkenen Gemälden, die seinen schnell erworbenen Ruhm befestigten und wo möglich noch vermehrten. Schon war sein Ruf über Rom hinaus nach Paris gedrungen, wo seine „Wallfahrt zur Madonna del Arco“ und sein „Improvisator“ auf der letzten Ausstellung im Louvre die größte Sensation erregten und ihn in die Reihe der ersten Maler stellten.

In der That schien die Kunst über Robert’s Liebe zu triumphiren, aber schon nach wenigen Monaten seines Aufenthaltes in Neapel verfiel er in seine frühere Melancholie; der Lärm der ewig brausenden Stadt widerte ihn an, er sehnte sich nach Ruhe und Einsamkeit, nach den Bergen seiner Heimath, nach dem Elternhause, wo er an dem Herzen einer geliebten Mutter Trost und Frieden zu finden hoffte.

Auf dem Rückwege wandelte Robert jedoch die Lust an, die pontinischen Sümpfe kennen zu lernen, deren wilde Poesie ihn anzog, obgleich der besorgte Bruder vor den Gefahren einer solchen Reise warnte. Aber mit der ihm eigenen Reizbarkeit beharrte Robert auf seinem Entschluß, so daß der jüngere Aurel sich wider Willen fügte.

Jetzt irrten sie schon seit mehreren Stunden auf unwegsamen Pfaden, ohne einem Menschen zu begegnen, erschöpft von der Hitze des Tages und der Anstrengung des weiten Rittes, in Gefahr, nicht einmal ein Obdach zu finden, da die Nacht bereits hereingebrochen war. Ihre Lage war um so peinlicher, da Robert auf der Reise krank geworden war und nur mit Mühe sich noch im Sattel hielt.

Vergebens strengte sich Aurel an, in der Dunkelheit ein Haus oder die Spur eines lebenden Wesens zu entdecken, nirgends zeigte sich in der öden verlassenen Gegend ein willkommenes Obdach. Zwar gestattete die milde Temperatur, die sich ein wenig abgekühlt hatte, den Aufenthalt im Freien, aber ein Nachtlager in diesen von den giftigen Dünsten der „Malaria“ geschwängerten Sümpfen konnte den Tod zur Folge haben, abgesehen von der Unsicherheit des verrufenen Buschwaldes.

Seine Verlegenheit war bereits auf das Höchste gestiegen, als das Gebell eines zottigen Wolfshundes an sein Ohr schlug und den gesunkenen Muth auf’s Neue belebte. Auf seinen Ruf antwortete ein alter Mann in der Tracht der dortigen Hirten und Landleute mit Vertrauen erweckender Stimme.

„Könnt Ihr uns,“ fragte Aurel, „die Nacht über beherbergen? Wir wollen es Euch reichlich lohnen.“

„Wollt Ihr mit meiner schlechten Hütte vorlieb nehmen, so sollt Ihr mir auch ohne Bezahlung von Herzen willkommen sein. Wenn wir auch arm sind, so haben wir doch niemals einen verschmachtenden Wanderer von unserer Thür gewiesen,“ versetzte der Greis mit patriarchalischer Würde.

Schon nach wenigen Minuten erreichten die Reisenden unter Führung des Alten das niedrige Haus, noch zur rechten Zeit, da Robert an der Schwelle bewußtlos niedersank. Ein plötzlicher Fieberanfall, wie er in den Sümpfen nicht selten vorzukommen pflegt, bedrohte sein Leben; wenige Stunden später lag er auf dem ärmlichen, aber reinen Lager von Maisstroh in wilden Phantasien.

Zum Glück fand der trostlose Bruder an seinem Wirth und dessen Familie den hilfreichsten Beistand und die innigste Theilnahme, indem die armen Leute Alles aufboten, was in ihren Kräften stand, um dem Kranken beizustehen. Besonders schien die Tochter des Hauses, ein junges, bleiches Mädchen von wunderbarer Schönheit, von dem Schicksal des Leidenden tief gerührt; sie [275] erklärte sich von freien Stücken sogleich bereit, mit Aurel an dem Bette des Kranken die Nacht über zu wachen, was jener nur mit Dank annahm.

Gleich der zärtlichsten Schwester erfrischte sie die fieberheißen Lippen des Bewußtlosen mit kühlem Wasser und netzte die brennenden Schläfen mit duftendem Essig, während sie jede seiner Bewegungen mit liebevoller Sorgfalt beobachtete, seine unverständlichen Wünsche zu errathen suchte.

Mit steigender Bewunderung beobachtete Aurel die sanfte Geduld, die rührende Opferfreudigkeit, das echt weibliche Mitgefühl des stillen, blassen Kindes, das ihm wie ein vom Himmel in der höchsten Noth gesandter Engel erschien. Fast unerklärlich und räthselhaft mußte ihm der schmerzliche Antheil vorkommen, den das seltsame Mädchen an dem kranken Robert nahm, da Aurel zu bemerken glaubte, daß zuweilen, wenn sie sich unbemerkt wähnte, Thränen ihre bleichen Wangen netzten, so daß er geneigt war, ihren Schmerz wie ihre Sympathie dem vor Kurzem erst erlittenen Verlust eines geliebten Todten zuzuschreiben.

Während Aurel, von unwillkürlichem Interesse gefesselt, diese Betrachtungen anstellte, saß sie selbst stillschweigend an dem Lager des Kranken und lauschte seinen wilden unheimlichen Fieberphantasien. In seiner bewußtlosen Verwirrung verrieth der abwesende Geist das tief verborgene Geheimniß des Herzens. Die brennenden Lippen murmelten und flüsterten den theuren Namen der Geliebten.

„Charlotte!“ rief er wiederholt im sinnbestrickenden Delirium, die abgezehrten Arme ausbreitend und nach dem wesenlosen Schatten mit zitternden Händen haschend.

Bei dem Klange dieses Namens zuckte das junge Mädchen zusammen, als ob es ein plötzlicher Schlag berührt hätte, und seine blassen Wangen wurden noch bleicher.

„Warum fliehst Du mich?“ stöhnte der Kranke mit geschlossenen Augen. „Ich verlange ja nichts weiter, als Dich zu sehn, zu hören. Zu Deinen Füßen will ich sitzen wie ein Kind, ohne Wunsch und Verlangen. Laß mich nur den Saum Deines Gewandes küssen. Nein, nein! Ich bin nicht würdig solchen Glückes. Zürne mir nicht, Corinna!“

Mit dieser Aufregung wechselte eine noch peinvollere Stille, wenn er schwieg, nur unterbrochen von den heftigen Athemzügen der gequälten Brust.

„Mein armer Bruder!“ klagte Aurel.

„Die heilige Madonna wird ihn beschützen,“ versetzte das Mädchen, mit gefalteten Händen zu dem Bilde der hülfreichen Gottesmutter betend, das über dem Bette des Leidenden hing, beleuchtet von dem schwachen Schimmer der darunter brennenden Lampe.

„Was willst Du, Teresina?“ flüsterte der Kranke von Neuem. „Armes Kind! Ich kenne Deine Schmerzen, die Qualen der unglücklichen Liebe. Wir müssen Beide elend sein. Wir können nicht vergessen und daran sterben wir.“

Ueberwältigt von ihrem Schmerz, schlich jetzt die treue Pflegerin leise aus dem niedrigen Zimmer, unter dem Vorwande, frisches Wasser zu holen. Als sie wiederkehrte, fand sie den Kranken ruhiger; eine wohlthätige Krisis, die bei solchen Fieberanfällen nicht selten plötzlich einzutreten pflegt, schien auch hier einen günstigen Ausgang erwarten zu lassen. Gegen Morgen war der Kranke in einen sanften Schlaf verfallen, der nach dem Ausspruche des erfahrenen Wirthes die Abnahme des verderblichen und öfters tödtlichen Fiebers verkündigte.

Zu der That erwachte Robert nach einem mehrstündigen, erquickenden Schlummer mit vollem Bewußtsein, wenn er sich auch noch so schwach und angegriffen fühlte, daß er sein Lager nicht verlassen konnte. Als er die Augen aufschlug, erkannte er seinen Bruder, dem er mit mattem, freundlichem Lächeln die Hand reichte. Zugleich fielen seine Blicke auf die Gestalt des jungen Mädchens, das, ohne seinen Dank abzuwarten, schnell durch die geöffnete Thüre sich entfernen wollte.

„Teresina!“ rief er mit lauter Stimme, so daß Aurel die Rückkehr der kaum geschwundenen Phantasien befürchtete.

Wie gebannt blieb sie stehen, das bleiche Gesicht mit den dunklen Augen nach dem Kranken unwillkürlich wendend.

„Nein, nein!“ sagte er beschwichtigend. „Ich träume nicht mehr, ich täusche mich nicht. Du bist es. Ich habe Dich wieder erkannt.“

„O! was thut Ihr, was wollt Ihr von mir?“ murmelte sie, sich wider Willen nähernd, als würde sie von einer geheimen magnetischen Gewalt angezogen.

„Welcher Zufall hat Dich hergeführt?“ fragte er verwundert.

„Ich glaubte, Du wärst nach Sonnino zurückgekehrt und längst die Gattin Caputi’s geworden.“

„Um seinen neuen Bewerbungen zu entfliehen, habe ich meinen Vater bewogen, die Heimath zu verlassen und zu meinem älteren Bruder zu ziehen, der sich schon vor einigen Jahren in den pontinischen Sümpfen angesiedelt und verheirathet hat. Während er und seine Frau draußen mit den Knechten die Ernte besorgen, hüten wir das Haus.“

„So habe ich Dir und Deinem Vater die Rettung meines Lebens zu verdanken?“

„Wir thun nur unsere Christenpflicht,“ erwiderte Teresina. „Der Himmel hat Eure Schritte wunderbar zu uns gelenkt, zu Euren alten Freunden.“

„Du hast Recht. Auch ich glaube an ein Wunder der waltenden Vorsehung,“ versetzte Robert, in Gedanken versinkend.

Trotzdem die Gewalt des Fiebers gebrochen war, fühlte sich der Kranke noch zu erschöpft, um seine Reise sogleich fortzusetzen, wogegen sich auch der besorgte Bruder entschieden erklärte. Er selbst war um so mehr mit diesem Entschluß einverstanden, da die Gegenwart Teresina’s ihn eher beruhigte, als aufregte, obgleich ihr Anblick ihn unwillkürlich an seine früheren Leiden erinnerte.

In dem ganzen Wesen des jungen Mädchens lag für ihn etwas Besänftigendes, eine wohlthuende Milde und sanfte Resignation, die ihn zugleich befremdeten und anzogen. Sie schien ihm wie verwandelt, ernster, tiefer und reifer geworden, so daß er nicht mehr jene geistige Beschränktheit an ihr zu tadeln fand. Der Ausdruck des schönen Gesichts kam ihm gleichsam veredelt und verklärt vor, auch in ihren Reden und Bewegungen glaubte er eine gewisse Feinheit und Gemessenheit zu entdecken, die er sonst an ihr vermißt hatte. Dazu kam noch, daß Aurel nicht müde wurde, die liebevolle Sorgfalt, die treue Pflege und innige Theilnahme Teresina’s in ihrer Abwesenheit ihm anzupreisen.

Deshalb war Robert um so mehr geneigt, noch einige Tage in ihrer Nähe zu verweilen, um sich erst vollständig von seiner Krankheit zu erholen. Gern nahm er die Gastfreundschaft des würdigen Vaters und Teresina’s an, die in ihn drangen, dem nahen Erntefest beizuwohnen, welches nächstens stattfinden sollte.

An einem heiteren klaren Abend, der mit seinem goldenen Licht selbst die öde Gegend zauberhaft verschönte, ging der genesene Maler in Begleitung Teresina’s und Aurel’s den heimkehrenden Schnittern entgegen. Bald erblickte er den reichbeladenen Erntewagen, gezogen von den prächtigen Stieren. Jetzt hielt das Gespann auf Befehl des Herrn, der Teresina’s Bruder war. Einer der Knechte sprang herab und hemmte mit kräftigem Ruck, gegen das Joch gestemmt, den Schritt der widerstrebenden Thiere, während ein Zweiter, bereit ihm beizustehen, in seinen Händen den eisernen Stachel gebieterisch wie ein König seinen Scepter schwang. Zur Seite schritten zwei gebräunte Mägde, in rhythmischer Bewegung zu den Tönen des Pisseraro tanzend, der die lustige Schalmei der Hirten ertönen ließ. Gleich einer Fürstin in ihrem goldenen Stuhl thronte die Frau des Hauses auf erhöhtem Sitz mit mütterlichem Stolz auf den Säugling an ihrer Brust niederblickend. Schnitter mit Sicheln bewaffnet und Arbeiterinnen mit goldenen Aehrengarben beladen schritten zu beiden Seiten des Wagens, gleich Priestern der fruchtbaren Erde. Die ganze Scene, vom Abendschimmer verklärt, athmete den wunderbaren Frieden der Natur, eine unaussprechlich sanfte Heiterkeit, indem sie zugleich an die patriarchalischen Zustände der Bibel, wie an das goldene Zeitalter der Menschheit erinnerte.

„Wer doch wie diese glücklichen Menschen leben könnte!“ flüsterte Robert seinem Bruder zu. „Eine angemessene Thätigkeit, ein holdes Weib, ein lächelndes Kind erscheinen mir als der Inbegriff aller erlaubten Wünsche. Was darüber geht, ist Thorheit und Verblendung, die sich früher oder später an uns rächt.“

Nach dem Abendbrod, wobei der Herr mit seinen Knechten an derselben langen Tafel saß und an dem auch Robert und sein Bruder sich betheiligten, erschallten von Neuem die Klänge des Pisseraro, zwei ländliche Tänze aufspielend. Der Hausherr mit seiner schönen Frau eröffnete den Reigen, dem sich die Schnitter [276] und Mägde anschlossen. Nur Teresina hielt sich fern von der steigenden Lust, indem sie zwischen den Tanzenden mit dem irdenen Henkelkruge gleich einer Hebe anmuthig schwebte, um die leeren Gläser zu füllen.

Sinnend verfolgte Robert die liebliche Erscheinung des holden Mädchens, nachdenklich über die wunderbare Fügung des Geschickes, welches ihm einen Ausweg aus dem verworrenen Widerstreit des Herzens, die rettende Hand aus dem schwindelnden Abgrund der Leidenschaft zu zeigen schien. Wenn er diese Mahnung der Vorsehung beachtete, wenn er durch einen kühnen Entschluß die gebotene Gelegenheit ergriff und dem Kampfe ein Ende machte: vielleicht war es noch möglich, glücklich zu werden und auch sie zu beglücken.

Eine Ahnung von der Größe ihrer Liebe erfüllte ihn, als er Teresina’s Hand ergriff und mit ihr die enge Stube verließ, wo bei dem Jubel des Festes ihre Abwesenheit nicht bemerkt wurde.

Auf der weiten Ebene ruhte eine tiefe, fast feierliche Stille, der Friede Gottes; am tief dunkelblauen Himmel leuchtete der sanfte Mond, hoch im reinen Aether glänzte mit hellem Schimmer der Stern der Liebe.

„Teresina,“ sagte Robert, das Schweigen unterbrechend, „ich fühle, daß diese Stunde über mein Leben entscheidet!“

„Sagt, was Ihr von mir verlangt,“ versetzte sie voll banger Erwartung.

„Du hast mir von Neuem Deine große Liebe bewiesen, mich vom Tode gerettet, an meinem Lager gewacht und gebetet. In meiner größten Noth bist Du mir wie ein rettender Engel erschienen.“

„Ich that nur meine Pflicht. Ihr seid der Wohlthäter meiner Familie.“

„Und dennoch habe ich Dich schwer gekränkt, Deine treue Hingebung schlecht vergolten. Kannst Du mir verzeihen?“

„Ich habe Euch nie gezürnt, Euch längst vergeben. Was könnt Ihr dafür, daß ich ein so thörichtes Kind war?“

„Wir wollen Beide zu vergessen suchen. Die Zeit vermag auch die schwersten Wunden zu heilen. Mit Deiner Hülfe hoffe ich noch vollends zu genesen.“

„Mit meiner Hülfe?“ fragte sie verwundert. „Sprecht, was kann ich dazu thun?“

„Wenn Du mir folgen, mich nicht mehr verlassen willst,“ erwiderte Robert, indem er ihre Hand ergriff, die sie ihm widerstandslos überließ.

„Wie sollte das möglich sein?“

„Als mein angetrautes Weib, als die Gefährtin meines Lebens.“

„Euer Weib!“ rief sie freudig zusammenschauernd, während sie im nächsten Augenblick traurig das liebliche Gesicht mit beiden Händen bedeckte.

„Zu spät!“ murmelte sie, bleich wie der Tod. „Ich kann ebenso wenig Euer Weib werden, wie ich jemals einem andern Manne gehören darf.“

„Und warum willst Du meine Hand zurückstoßen?“ fragte Robert, schmerzlich bewegt.

„Weil ich Euch besser kenne, als Ihr selbst Euch kennt. Nur die Verzweiflung hat Euch diesen Entschluß eingegeben. Ihr liebt die Prinzessin noch immer mit derselben Leidenschaft wie früher.“

„Aber ich schwöre Dir –“

„Schwört nicht; Ihr würdet nur einen Meineid begehen. Ich habe im Fieber wider Willen Euch belauscht; nur ihr Name schwebte auf Euren Lippen, nur sie betet Ihr an, wie kein anderes Weib auf Erden.“

„Deine Nähe wird ihr Bild mit der Zeit verscheuchen, soll mir den gestörten Frieden wiedergeben.“

„Nein, nein! Ich weiß es besser, daß dies unmöglich ist. Wer einmal wahr geliebt, der hört nicht auf zu lieben bis in den Tod. Ihr könnt sie nicht vergessen und würdet mich noch elender machen, als ich ohnehin schon bin.“

„Du zweifelst an meiner Aufrichtigkeit, aber ich habe mich selbst geprüft und reiflich überlegt. Mein Entschluß ist nicht das Werk augenblicklicher Verzweiflung, kein thörichter Einfall eines unbesonnenen Knaben. Du weißt, Teresina, daß ich ein Mann bin, dem Du vertrauen darfst, wie Du sonst mir vertraut hast. Ich werde Dich achten und hochhalten als mein treues Weib, als meine beste Freundin. Du sollst den Schritt niemals zu bereuen haben, das gelobe ich Dir bei dem Andenken an meine Mutter.“

„Vergebens! Ich darf niemals, niemals Euer Weib werden!“ entgegnete Teresina entschlossen.

„Was kann Dich daran hindern? Glaubst Du nicht meinen Worten, meinen Schwüren? Liebst Du mich nicht wie früher, Teresina?“

„Fragt mich nicht!“ bat das junge Mädchen. „Dring nicht in mich. Ihr seht, wie ich leide.“

„Nein, nein! Ich will, ich muß den Grund Deiner Weigerung wissen.“

„Wohlan!“ sagte sie nach einem kurzen innern Kampf. „Ihr sollt ihn erfahren, damit Ihr mich nicht für zu schlecht oder treulos haltet. Als ich in jener Nacht an Eurem Krankenlager saß und an Eurer Rettung verzweifelte, da gelobte ich der heiligen Jungfrau, mich für immer ihrem Dienste zu weihen, wenn sie Euch vor dem sichern Tode retten würde. Die Gebenedeite erhörte erbarmungsvoll mein Gebet; ich sah, wie sie huldvoll mit dem gekrönten Haupte mir Gewährung nickte. Am nächsten Morgen waret Ihr durch ihre Hülfe genesen; ich aber bin durch mein Gelübde gebunden und werde schon in diesen Tagen als Novize in das Kloster der grauen Schwestern treten, um fortan die Kranken und Unglücklichen zu pflegen.“

„Teresina!“ rief Robert, tief ergriffen.

„Jetzt wißt Ihr,“ fuhr sie nach einer Pause mit bebender Stimme fort, „warum ich Euch nicht angehören kann, selbst wenn ich wollte. Und nun bitte ich Euch, mir den schweren Kampf nicht noch schwerer zu machen, da ich fest entschlossen bin, mein Gelübde zu erfüllen. Wir müssen scheiden für immer, auf ewig.“

„Auf ewig!“ seufzte Robert, indem er tief erschüttert das weinende Mädchen zum letzten Male in seine Arme schloß und einen Kuß auf ihre reinen Lippen drückte.

(Fortsetzung folgt.)




Die heiligen Hallen des Rheinweines und die Ruhestätte eines Volkskämpfers.

Unfern des Rheinstromes, in den Einsattlungen dreier Bergkegel, die Rabenköpfe genannt, umgeben von beschaulicher Waldeinsamkeit, liegt eines der interessantesten mittelalterlichen Gebäude des Rheingaus, das Kloster Eberbach. Vielleicht keine Gebäulichkeit am Rhein hat den Kreislauf der Zeiten und der Geschicke wechselvoller erfahren, als diese ehemalige Cisterzienser-Abtei, die schon im zwölften Jahrhundert, und zwar vom Stifter des Ordens selbst, dem heiligen Bernhard von Clairvaux, gegründet worden sein soll.

Bei der großen Zahl mönchischer Verpflegungsanstalten des Mittelalters, wie sie der Rhein allerwegen aufzuweisen hat, ist es ein wahrhaft erhebendes Gefühl, den frommen Herren von Eberbach ein aufrichtiges Loblied singen zu dürfen. Nach den übereinstimmenden Berichten aller rheinischen Schriftsteller, von der ältesten bis auf unsere Zeit, zeichneten sich die Eberbacher Mönche durch fromme, klösterliche Zucht und durch Gastfreundschaft gegen Fremde, reiche oder arme, in jeder Weise aus. Was ihnen aber ein unvergängliches Denkmal im Herzen jedes Rheingauers setzt, ist ihre Thätigkeit, nicht im Weinberge des Herrn, nein, im wirklichen Weinberge. Sie sind die Begründer des rheinischen Edel-Weinbaues, sie eröffneten dem Wein rheinauf und rheinab die Handelswege, sie rodeten (nur 1177) im Schweiße ihres Angesichts den weltberühmten Steinberg, den edelsten Flecken rheinischer Rebencultur, und waren ein leuchtendes Beispiel rührigen Fleißes und arbeitsamer Thätigkeit. Die benachbarten Klöster suchten den Eberbachern nachzustreben, sechszehn Nonnenklöster ordneten sich der Visitatur Eberbachs unter. Schenkungen aller Art brachten, neben der regen Thätigkeit, dem Kloster ungemessenen Reichthum und Ansehen. Wüste Plätze wurden durch die Anlage von Weinbergen und Klosterhöfen nutztragend, die landwirtschaftliche Bestellung ihrer Ländereien und ihrer Grundstücke, ihre Bewässerungsanstalten und [277] dergleichen wurden durch das ganze Mittelalter hindurch auf weite Entfernungen hin mustergültig. In politischer Beziehung waren die frommen Herren vorsichtig, und so blieben ihnen auch Privilegien und Zollbefreiungen nicht aus. Die Besitzungen des Klosters erstreckten sich über die Grenzen des Landes; es besaß Gehöfte im Rheingau, in Rheinhessen und Starkenburg.

Simrock, der bewährte Forscher rheinischer Geschichte, rühmt von den Eberbacher Mönchen, daß sie in vielen bürgerlichen Gewerben der ganzen Nachbarschaft Muster und Vorbild gewesen seien. „Den Weinbau lehrten sie zunächst gründlich; sie begnügten sich aber nicht mit der Erzeugung eines edlen Gewächses, sie wußten es auch zu Markt zu bringen. In Köln, wohin damals der Handelszug der Rheinweine ging, hatten sie ihre Niederlage, und die Stadt schenkte ihnen eine eigene Rheinpforte. Auch dem Gewinn der Schifffahrt wandten sie sich zu, bauten Fahrzeuge, nahmen Schiffleute unter ihre Laienbrüder auf, erwirkten sich von Kaisern und Fürsten Freiheit von allen Zöllen und ließen ihre eigenen Geschirre den Rhein auf- und niedergehen. Sie schickten auch das feine oberländische Mehl in’s Niederland, legten Mahl- und Walkmühlen an und richteten Gerbereien und Tuchmanufacturen ein.“

Kloster Eberbach.

In der That, es sprechen heute noch, nicht in den alten Gebäulichkeiten an Ort und Stelle allein, es sprechen auch anderwärts beredte Zeugen für den Fleiß der Eberbacher Mönche. Während in dem sogenannten Geisgarten, einem Hofe hinter dem Kloster, Woll- und Leinwebereien betrieben wurden, war am unfernen Ufer des Rheins, in Reinhardshausen, ein vollständiger Stapelplatz für das Ausfuhrgeschäft etablirt, und der Eberbacher Lagerhof mit gewaltigem Zollthurm erzählt am Rheinufer in Köln noch heute von der Geschäftskenntniß der geistlichen Handelsherren. Leider blieb aber in der Folgezeit auch das Wohlleben nicht aus; wo guter Wein wächst, pflegt man nicht gern schlechten zu trinken. Die Strenge der Ordensvorschriften verlor sich und Genußsucht trat an die Stelle der klösterlichen Enthaltsamkeit. Die Brüder wurden berühmt ob ihrer feinen Weinzunge. Sie unterschieden als erprobte Kenner jede Sorte und jeden Jahrgang rheinischen Gewächses mit untrüglicher Sicherheit, und die Ueberlieferung erzählt noch heute, wie sich zwei Eberbacher Mönche bei einem Fasse Steinberger wegen eines Beigeschmackes des Weines gestritten. Der eine der frommen Herren behauptete, das Faß schmecke schwach nach Leder, der andere meinte, es sei ein Beigeschmack von Eisen, der dem Wein schade. Und siehe, sie tranken in einer lustigen Nacht das ganze Faß zur Neige, und auf dem Boden fand sich – ein kleiner Eisenschlüssel an einem Lederriemchen. Auch ein großes Faß besaß das Kloster, ähnlich dem bekannten Heidelberger welches vierhundert Ohm zu fassen vermochte. Sein Inhalt, nebst achtzig Stück Wein, wurde im Jahre 1525 von den aufrührerischen Bauern, als diese auf dem Wachholder lagerten, in wenigen Tagen geleert. Dem Kloster begegnete gleichzeitig das für jene Zeiten bedenkliche Unglück, daß einer seiner Mönche, Pater Ludwig, nebst vier anderen Brudern aus dem Orden trat, um der protestantischen Lehre zu huldigen.

Im Jahre 1803 wurde das Kloster aufgehoben und herzoglich nassauische Domäne, 1811 Besserungs- und Strafanstalt und Irrenhaus. Später ward ein besonderes Irrenhaus auf dem nahegelegenen Eichberg erbaut, der ersteren Bestimmung aber dienen die Räume Eberbachs noch heute.

Von dem am Rheine liegenden Dörfchen Erbach, urkundlich eigentlich auch Eberbach, oder dem weinberühmten Ort Hattenheim gelangt man in kaum einer Stunde zum Kloster. Die Rheinreisenden pflegen Eberbach selten zu berühren; auch ist das Kloster bei der Stromfahrt nicht sichtbar. Nach wenigen Schritten auf der Landstraße erscheint seitwärts das langgestreckte Gebäude der erwähnten Irrenheilanstalt Eichberg, einer der ausgedehntesten Anstalten dieser Art in Deutschland, mit reizenden Anlagen und entzückender Aussicht. Rechts, auf sanft anstrebendem Hügel, steigt [278] der Steinberg an, umschlossen von einer stattlichen Ringmauer und gekrönt von einigen Lusthäuschen; er hat ungefähr achtzig Morgen Flächenraum und erzielt den besten Rheinwein. Seine einzelnen Lagen führen von Alters her die poetischen Namen: goldener Becher und Rosengarten. Wenige Schritte weiter, und vor uns liegt das Kloster mit seinen umfassenden Gebäulichkeiten, ein Bild, das der nebenstehende Holzschnitt wiedergiebt. Ein breiter Fahrweg führt unmittelbar auf das eigentliche Kirchengebäude zu und durch die Kirche mit ihren Pfeilerreihen hindurch. Ueber drei Fuß hoch hat sich der Schutt über den eigentlichen Boden des Kirchengebäudes gelagert. Eine Mauer neuerer Entstehung, zum Theil aus zerstörten Grabmonumenten errichtet, scheidet einen Theil des Mittelschiffes und der beiden Nebenschiffe ab. Landwirtschaftlichen Zwecken dient die so geschaffene Sonderabtheilung. Südlich zeigen noch Reste der durchbrochenen Fenster prächtiges und reiches Steinwerk, doch Staub und Verfall haben die herrlichen Pfeiler und die Kreuzgewölbe ihrer malerischen Umrisse zum größten Theile beraubt. Der Altarraum, ein Stück des Langhauses und das Querschiff sind durch eine neue Mauer besonders abgeschlossen und dienen jetzt wieder als Kirche – für die Gefangenen des Correctionshauses. Hat auch hier die Zeit ihr zerstörendes Werk in vollem Maße ausgeübt, so prangen doch darin noch für Kunst und Geschichte gleich wichtige, prächtige Steindenkmale als Zeugnisse früheren Glanzes. Geistliche Würdenträger und kräftige Rittergestalten treten auf den Monumenten hervor.

Langgestreckt erscheinen die Flügelbauten, welche nunmehr die Correctionäre der Strafanstalt und die weiblichen Züchtlinge (zusammen wohl dreihundert Gefangene) des vormaligen Herzogthums Nassau, des jetzigen Regierungsbezirks Wiesbaden, beherbergen. Ein Theil der Gebäude ist zu Beamtenwohnungen eingerichtet. Ein Muster mittelalterlichen Bauwerkes ist der leidlich erhaltene Schlafsaal der frommen Brüder, im oberen Stock eines Nebengebäudes, welches an den nördlichen Querflügel der Kirche stößt. Das Dormitorium ist mit seinem zweireihigen Säulen-Kreuzgewölbe und dem laubverzierten Säulenwerk auch noch heute, eine Perle für Kenner und Freunde interessanter mittelalterlicher Bauten. In dem genannten Nebengebäude befinden sich, und zwar im unteren Stockwerke, die ehemalige Sacristei und der Capitelsaal des Klosters. Letzterer, jetzt eine Holzremise, ruht auf einer einzigen Mittelsäule. Der Kreuzgang ist leider fast ganz zerstört.

Vor allen Dingen sei aber des weltberühmten Cabinetskellers gedacht, der, wenn auch nicht für die Alterthumsforscher, so doch für Jedermann, welcher den goldperlenden Wein des deutschesten Stromes zu achten gelernt hat, besonderes Interesse bietet. Hier lagern vom Jahre 1706 an alle besten Jahrgänge, die edelsten Berglagen rheinischen Rebensaftes, die in den benachbarten ehemals herzoglichen, jetzt königlichen Domainen-Weinbergen gezogen werden. Hier träumen die Steinberger, Marcobrunner, Hochheimer, Gräfenberger, Hattenheimer, Rüdesheimer von Rhein und Liebe, von toller Lust und munteren Liedern. Es sind in Wahrheit „heilige Hallen“, die nur dem Eingeweihten zu betreten gestattet ist, und wahrhaft feierlich stellt das Innere dieses merkwürdigen Ortes sich dar. Doppelte Mauern und beschattendes Buschwerk umgeben die Cabinetskeller, die für ihre Zwecke vielleicht vortrefflichsten, welche überhaupt existiren. Um einen gewaltigen Pfeiler in der Mitte des Kellers zieht sich ein runder steinerner Tisch, groß genug, um einem tanzenden Paare genügenden Raum zu bieten. Auch an einer Nische für die Musik fehlt es nicht. Ein laufender Brunnen im Keller selbst dient zur Reinigung und Abkühlung zugleich. In großer Zahl reihen sich an den Mauern hin Fässer an Fässer, sämmtlich in eirunder Form, mit Nummern und hellblinkenden Messingkrahnen versehen.

Gottvolle Fässer, ritterlich Geschlecht!
Ihr hauchet Wonne, Lust und Lebenslust,
Ihr strömt wie helle Flammen durch die Glieder;
Es jauchzet, lag er trüb in tiefer Gruft,
Der Geist bei Euch, durch Scherz, Humor und Lieder!

Einer Eigenthümlichkeit sei hier noch gedacht. Von Zeit zu Zeit versammeln großartige Weinversteigerungen hier die Weinhändler des ganzen Rheinstroms und wohl auch Agenten fürstlicher Höfe zur Probe und zum Kauf. Die erzielten Preise sind häufig so bedeutend, daß an einem solchen Versteigerungstage. Hunderttausende gelöst werden; kein Wunder, daß bei dieser Gelegenheit nicht berücksichtigt wird, wie viele Wanderer sich an der Probe betheiligen, die nicht im Entferntesten in der Absicht kommen zu kaufen. Diese Versteigerungen waren bisher stets eine Art Volksfest für das Rheingau.

Vor Allem beachtenswerth aber in den ausgedehnten Baulichkeiten ist das ehemalige Refectorium des Klosters, das, aus dem zwölften Jahrhundert stammend, zu den auserlesensten mittelalterlichen Bauten zählt, welche der Rhein, ja welche Deutschland überhaupt ausweisen kann. Es hat vierzehn Säulen mit trefflichen Capitalen, die ein zwei Reihen drei überwölbte Schiffe bilden. Jedes Capitäl ist in der Ausführung von den andern verschieden. Schon um 1617 wurde ein großes Einfahrtsthor nach dem Klosterhofe zu in das Refectorium gebrochen, und seitdem dient dasselbe als – Kelterhaus bis auf unsere Zeit. Liebhaber von Gegensätzen finden hier reichen Stoff der Betrachtung. Der ehrwürdige Bau ist angefüllt mit sechszehn Weinkeltern, die sich an dieselben Wände lehnen, wo früher die Altäre prangten, daneben Bütten, Kübel und Bottiche, Weindrestern und Stangen, Faßdauben und Küfergeräth! Dicht neben das Refectorium erbaute die nassauische Verwaltung einen neuen Gährkeller, welcher mit dem Kelterhaus in directer Verbindung steht. –

Ganz in der Nähe dieses Weinklosters erhebt sich auf malerischem Hügel ein lustiges Winzerdorf, welches hell durch das ganze Rheingau hinüberleuchtet. Auch hier bieten sich uns Erinnerungen an einen fleißigen Arbeiter im Weinberge des Herrn. Denn in Hallgarten – so heißt das anmuthige Dörfchen – beschloß Adam von Itzstein, einer der edelsten Kämpfer für des deutschen Volkes Rechte, seine Lebenstage. Es ist gerade in unseren Tagen, ein Act der Pietät, sich eines Mannes zu erinnern, der sein Leben und seine ganze geistige und körperliche Kraft einsetzte für jene Ziele, welche uns – wenn auch’ auf anderen Wegen – durch das ereignißvolle Jahr 1866 näher gerückt worden sind. Bei der bis heute immerhin noch zweifelhaften Stellung, welche der größere Theil unserer süddeutschen Brüder dem Nordbunde gegenüber festhält, ist es eine Pflicht darauf hinzuweisen, wie eigentlich der deutsche Süden es war, der von 1815 an und vornehmlich unter Itzstein’s Leitung von 1822 bis 1846 das nationale Banner hochhielt; daß der deutsche Süden es war, der die Fahne der Bürgerfreiheit schwang und vertheidigte gegen alle einseitigen und reactionären Maßnahmen und Bedrückungen jener Zeit, und es ist eine Sache der Gerechtigkeit, daß sich die gesammte Nation gerade jetzt wieder jener leitenden Männer erinnert, die auf noch kleinem Gebiet und mit noch sehr beschränkten Mitteln den Kampf muthig geführt für die Ideen und Ziele, die nunmehr eine offenere Bahn im deutschen Vaterland gefunden. Bei näherer Betrachtung gewinnen die Bestrebungen des deutschen Südens, vornehmlich der badischen Kammern in den Zeiten der Wirksamkeit Itzstein’s, eine hochwichtige Bedeutung, und der Süddeutsche darf sie mit Recht gegenüber der häufig zu Tage tretenden Ueberschwänglichkeit „nordischer Verdienste“ zu seinen Gunsten betonen. Itzstein war in Wahrheit ein heldenmüthiger Vorkämpfer deutscher Einheits- und Freiheitsbestrebungen, geliebt und verehrt von Alt und Jung, soweit deutsches Wesen und Sitte heimisch, und mit Recht sang Johann Deeg von ihm:

Denn nicht allein die Badner Lande,
Ihn nannte Deutschland allzumal,
Vom Pregel bis zum Rheinesstrande,
Der Freiheit muth’gen General.

Hier oben auf dem bescheidenen Kirchhof des Dorfes Hallgarten hat jetzt Itzstein seine Grabstätte gefunden. Hier ruht er, müde von den Kämpfen seines thatenreichen Lebens, unter den Bürgern der Gemeinde, in deren Mitte er seine letzten Jahre verlebte, „Unter dem Volke muß man ihn sehen,“ schrieb F. Hecker, sein Mitkämpfer, von ihm, „dort giebt er dem Beobachter das Bild eines Volksmannes im besten Sinne. Leicht bewegt er sich unter Leuten jeder Art von Bildung und der verschiedensten Berufsart.“, Als Volksmann wie als Freund, stets versöhnend, stets begütigend, war er den Hallgartnern ein Vater und Rathgeber in jeder Weise, und selten ist wohl Jemand häufiger für milde und allgemeine menschliche Zwecke in Anspruch genommen worden, als Adam von Itzstein. Hieß er doch, in Folge seiner Bemühungen für wohlthätige Zwecke aller Art, so für die vielgenannten sieben Göttinger Professoren, denen er eintausendzweihundert Gulden, für Professor Jordan’s Familie, welcher er über zehntausend Gulden [279] für Dr. Seidensticker in Hannover, dem er zweitausendfünfhundert Gulden als Baarunterstützung zusammenschrieb und trieb, der „deutsche Säckelmeister“, der „vaterländische Großalmosenier“ – und seine Hallgartner nannten ihn den „Vater der Unglücklichen“. – Ein kurzer Weg führt uns durch Weinberge und am Fuße der eintausendsiebenhundertsiebenundachtzig Fuß hohen Hallgarter Zange hin, von Eberbach aus, zunächst zu Itzstein’s letzter Ruhestätte. Man hätte den Kirchhof, der Itzstein’s Grab umschließt, wohl pietätvoller behandeln dürfen; er ist seit einiger Zeit seines früheren grünen Schmuckes leider ganz entkleidet, Bäume und Sträuche sind entfernt, und kahl und einförmig erscheint die ehedem malerische Stätte des Friedens.

Das Grabmal selbst, ein stattliches Monument in Sandstein, zeigt in der Mitte ein trefflich gelungenes Medaillonportrait Itzstein’s, nach einem Entwurf Eduard’s von der Lannitz in Frankfurt, Schöpfers des bekannten Frankfurter Gutenbergmonumentes. Ueber demselben schwebt ein goldener Stern. Der Stein trägt am Fuße die Inschrift: „Adam von Itzstein, geboren zu Mainz, gestorben den 14. September 1855, 80 Jahre alt.“ Auf der Rückseite des Steines finden sich die wahrhaft entsprechenden Worte: „Müde von den Jugendkämpfen deutscher Freiheit ruhet hier ein muthig Herz.“ Das Monument ist zu beiden Seiten eingeschlossen von den Gräbern der Frau und der Schwägerin Itzstein’s. Ueber dem Grabhügel wächst zu kräftigem Stamm heran und sproßt und grünt üppig ein Erinnerungszeichen unverbrüchlicher Freundschaft, eine Liebesgabe des „alten Mohr“ von Ingelheim, des Mitstreiters Itzstein’s in der badischen Kammer, der kurz nach der Bestattung eine junge Paulownia, einen Lieblingsbaum des alten Herrn, von Ingelheim zum Grabschmucke herübersandte.

Neben dem freundlichen Herrenhause des Gutes, welches ein vortreffliches Gewächs ergiebt, erhebt sich ein Nebengebäude, die Wohnung des Verwalters, und im Weingarten selbst bildet ein freundlicher Gartensaal, geschmückt mit den Ahnenbildern der Familie Itzstein’s, den Portraits des Vaters und des Großvaters, den Mittelpunkt. Hier tagten und beriethen im Jahre 1847 Bassermann, Gervinus, Mohr von Ingelheim, Itzstein und andere Gesinnungsgenossen, hier wurde die Idee eines „deutschen Parlaments“ angeregt und reiflich erwogen. Auch Hoffmann von Fallersleben kennt diese Räumlichkeiten, denn mehr als einmal – im Jahre 1844, 1847 – führte den fahrenden Dichter die Einladung des gastlichen Hausherrn hierher. Hoffmann erwähnt des deutschen „Säckelmeisters“ in „Mein Leben“ zu verschiedenen Malen in aufrichtigster Verehrung, da ihm durch Itzstein’s Vermittelung in den Tagen der Heimathlosigkeit die Germania in Christiania und die Lahrer Bürger Ehrenspenden übersandten.

Das Itzstein-Lied Hoffmann’s ist bekannt, ebenso das Gedicht:

„Der Mann, der in guten und bösen Tagen
Das Banner der Freiheit hat hoch getragen,“ etc.

welches Hoffmann am 23. Mai 1847, als am Jahrestage der Ausweisung Itzstein’s und Hecker’s aus Berlin, veröffentlichte. Es wurde in dem erwähnten Garten-Pavillon beim Glase Maiwein von Hoffmann zuerst gesprochen.

Itzstein’s Haus war eine immer offene Herberge. Damit es den häufig hier verkehrenden Gästen an Unterhaltung bei ungünstiger Witterung nicht fehle, mangelte es auch an einem Billardzimmer nicht. Ein Vogelhäuschen ziert, neben den anderen Baulichkeiten und Lauben, den Garten. Die befiederten Insassen des ersteren erfreuten sich der besonderen Pflege des alten Herrn. – Gar häufig erschollen frische, kräftige Lieder beim trefflichen Hallgarter aus dem Gartensaal hinunter zum Rhein. Die Aussicht ist entzückend und besonders nach der Richtung von Bingen hin im höchsten Grade malerisch. In der Nähe thront der Johannisberg. Und doch pflegte der alte Herr nicht die sonnigen, freundlichen Zimmer nach dem Rheine zu, welche ihm diese Aussicht boten, sondern ein nach der Nordseite liegendes unfreundliches Gemach zu bewohnen. Es war dicht an der Straße gelegen und die Leute hatten so einen „bequemeren Anlauf“. Nur bei feierlichen Gelegenheiten, das heißt an seinem Geburtstage, oder an Tagen besonderer Erinnerungen aus seinem Leben, verweilte Itzstein während seiner letzten Jahre im Salon. Er schloß sich dann ab von der Außenwelt und frischte das Andenken an seine Erlebnisse auf, indem er alle jene Ehrengeschenke der verschiedenen Städte und Wahlbezirke Badens im Staatszimmer aufstellen ließ. Dann durchschritt er den Raum und lebte noch einmal durch, was ihn bisher erfreut und bewegt. Der jetzige Besitzer und Erbe des Gutes, Dr. Eisenlohr in Heidelberg, Itzstein’s Enkel, bewahrt noch heute in Hallgarten mit anerkennungswerther Pietät alle jene Ehrengeschenke, welche dem alten Herrn einst von deutschen Bürgern übersendet worden sind.

Da findet sich noch das Ehrenbürgerdiplom der Stadt Mannheim, ausgestellt von dem Bürgermeister Hutten am 15. März 1835; ein Ehrenpocal, den der einunddreißigste badische Wahlbezirk seinem Abgeordneten 1831 überreichte; der Ehrenbecher der Stadt Lahr von 1831; eine prachtvolle silberne Bürgerkrone, welche die freien Männer des einunddreißigsten Wahlbezirks (Schwetzingen) dem „Nestor deutscher Freiheit“ übersandten. Die Bürger von Mainz widmeten „ihrem Itzstein, dem deutschen Volksfreund“ einen großen Silberpocal, der die Inschrift trägt: „Was er für Badens Wohl gethan, bringt Heil dem deutschen Vaterland.“ Die Stadt Rastatt sandte 1831 einen Goldpocal „dem beharrlichen Itzstein für sein kräftiges Wirken am Landtag“. Zur „Feier der Wiederherstellung der Verfassung“ kam am 26. März 1831 ein Pocal von den Einwohnern des Amtsbezirks Müllheim, der die Worte Itzstein’s als Inschrift trägt: „Nur die unverletzte Verfassung macht ein Volk stark und glücklich.“ Nicht weniger interessant ist die goldene Ehrenmünze, welche die Stadt Mannheim am 22. September 1844 zu Ehren A.’s von Itzstein, „des Vertreters der Volksrechte“, prägen ließ. Die dazu gehörende Denkschrift schmückt die Räume des Wohnhauses, ebenso wie die Abbildung jenes Schiffes, welches der Rheder A. Völtz in Uckermünde dem Volksmann zu Ehren „Adam von Itzstein“ taufte. Die zahlreichen Adressen und Denkschriften, die an Itzstein einliefen, bilden eine kleine Bibliothek. Da finden wir Tausende von Unterschriften unter den Zusendungen aus Schwetzingen, Rastatt, Constanz, Lörrach, Schopfheim, Eberbach, Freiburg, Rüdesheim, Chemnitz, von den Bewohnern des Renchthales u. s. f.

Ein ereignisreiches Leben schloß sich mit Itzstein’s Tode. Von der Regierung durch Versetzung und Pensionirung schon 1819 und 1823 gemaßregelt, von dem Volke wie ein Vater verehrt und vom Jahre 1822 bis 1846 Vertreter desselben in der badischen Kammer, 1845 mit Hecker aus Berlin aus heute noch nicht bekannten Gründen ausgewiesen, erhielt er ein Jahr später in Baden sogar eine Ministerstelle angeboten, die er kluger Weise ausschlug. Das Jahr 1849 findet ihn auf der Flucht über den Rhein, zu der ihn eine Warnung der nassauischen Regierung gemahnt haben soll, während sein Freund Mohr in Ingelheim ihm die Pferde durch die Pfalz bereitstellt, und im selben Jahre lernt er auch die Entbehrungen des Exils kennen, denn während seines Aufenthaltes im Elsaß (Straßburg) und in Interlaken mußte er sich wahrhaft kümmerlich durchschlagen.

Auch die Zuschriften aus allen Theilen des deutschen Vaterlandes nach der erwähnten Ausweisung aus Berlin sind eine, merkwürdige Sammlung geschichtlicher Schriftstücke für die Bewegungen jener Zeit; es finden sich deren, außer den zahlreichen badischen, aus Mecklenburg, Dresden, Leipzig, Crimmitzschau, Glauchau, Tharand, Köln, Coblenz, Königsberg, Saarbrücken, Crefeld, Düsseldorf, Berlin, Breslau etc., und Anastasius Grün erfreute in jenen Tagen Itzstein durch eine poetische Zusendung, in welcher er singt:

„Ich sah dich einst im Kampfe – ein Held im Silberhaar,
Dein Bild ist mir geblieben durch manch’ entflohen Jahr!“

Und siehe da! der Sänger kämpft jetzt selbst im österreichischen Herrenhause, ein Held im Silberhaar!

Wenn der Einsiedler von Hallgarten in seinen letzten Jahren bei guter Laune war, die leider gegen sein Lebensende hin mehr und mehr von ihm wich, so erinnerte er sich mit besonderer Vorliebe einzelner Erlebnisse, welche er dann in heiterer Weise zum Besten gab. Einen tiefen Eindruck machte auf ihn eine Scene in Altripp bei Mannheim. Durch Zufall wurde er in eine Prügelei junger Leute verwickelt und ein kräftiger Bursche griff ihn bedrohlich an. Da ertönt der Ruf: „Um Gotteswille, Hannes, des ischt ja der Itzstein!“ und wie vom Blitz getroffen, fällt der Angreifer ihm zu Füßen und bittet demüthigst um Verzeihung. Der Auftritt hatte einen tiefen, unverlöschlichen Eindruck auf Itzstein gemacht.

Mit schallendem Gelächter erzählte auch der alte Herr ein Erlebniß, das sich bei dem sogenannten Urlaubstreit, der im Jahre [280] 1841 begann, in der badischen Kammer ereignete. Die badische Regierung verlangte damals als ein Recht, daß kein Staatsdiener ohne ihre besondere Erlaubniß in die Kammer trete, und verweigerte in Folge dessen den Abgeordneten Aschbach und Peter den Urlaub. Itzstein war in der ganzen Frage der größte Gegner der Regierung und brachte in einer Commissionssitzung durch seine unüberwindliche Ruhe und seine schlagenden Reden den damaligen Staatsminister Freiherrn von Blittersdorff so in die Hitze, daß Letzterer mit – der Papierscheere auf ihn eindrang. Itzstein bemerkte dem erregten Gegner ganz lakonisch: „Herr Staatsminister, ich finde diese Beweisführung durchaus nicht parlamentarisch.“ Die Erinnerung an diesen Sitzungskampf hat dem alten Herrn später manche Thräne der Heiterkeit gekostet.

Itzstein, der wackere Vorkämpfer für die Ziele deutscher Einheit und Größe, wird für alle Zeiten ein leuchtendes Vorbild eines deutschen Volksvertreters bleiben, und mit vollem Rechte heißt es im Lied auf den Einsiedler von Hallgarten:

Er hat am freudigsten gestritten,
Je stärker stets sein Gegner war;
Er hat geopfert und gelitten
Und blieb sich treu, unwandelbar!

Ferdinand Heyl.




Pariser Bider und Geschichten.

Der Herr von Paris.

Vor einigen Jahren wurde ich von einem alten reichen Hagestolzen zum Frühstück eingeladen. Wir waren unser Neun bei Tische, eine Zahl, die bekanntlich bei einer classischen Tafel nicht überstiegen werden darf. Die Gesellschaft bestand übrigens aus hochgebildeten Männern, aus Künstlern, Schriftstellern und Magistratspersonen, so daß die Unterhaltung keinen Augenblick stockte. Die trefflichen Weine, auf die unser Amphitryo mit Recht stolz war, trugen nicht wenig dazu bei, die Unterhaltung zu beleben und durch manches geistreiche Wort zu würzen.

Nach beendigter Tafel begaben wir uns in den Rauchsaal, wo wir den duftigsten Mokka schlürften und eine reiche Auswahl der vorzüglichsten Havanna-Cigarren fanden. Die Fenster dieses Saales gingen auf die Elyseischen Felder, und da die Frühlingssonne am unumwölkten Himmel strahlte und eine frische stärkende Luft durch die grünen Wipfel der Ulmen wehte, so rollten die glänzenden Equipagen nach dem Boulogner Gehölz und waren die breiten Trottoirs von unzähligen Spaziergängern belebt. Berühmtheiten der Kunst und Literatur, der Wissenschaft und der Diplomatie drängten sich durch die Menge, ohne von dieser beachtet zu werden.

Wir sahen dem Treiben plaudernd zu, als einer unserer Tischgenossen – ich will ihn aus Discretion Duval nennen – uns auf einen athletisch gewachsenen, schwarz gekleideten Mann aufmerksam machte, der würdevollen Schrittes vom Concordienplatz herbeikam und just unter unserem Fenster stehen blieb, um einigen Mädchen, die mit ihren Eltern von der entgegengesetzten Richtung kamen, mehr Raum zu gönnen. Die Familie verneigte sich dankend vor ihm und setzte ihren Weg fort.

„Wissen Sie, wer der schwarz gekleidete Herr ist, der eben so artig gewesen?“ fragte Duval.

Wir schüttelten verneinend den Kopf.

„Es ist Monsieur de Paris!“ sagte Jener.

„Der Scharfrichter!“ riefen wir Alle.

„Kein Anderer!“ sagte Herr Duval, der, ein berühmter Priester der Themis, in der Lage war, den furchtbaren Rächer der beleidigten Justiz genau zu kennen. „Sieht er nicht aus wie ein Rentier, der sich von den Geschäften zurückgezogen?“ fuhr er fort. „Glücklicher Weise nimmt ihn auch sein Geschäft nur höchst selten in Anspruch, so daß er ruhig von seinem Gehalt leben kann, welches mit den Nebeneinkünften ziemlich bedeutend ist. Wahrscheinlich kommt er in diesem Augenblick von seiner schönen Wohnung auf einem der Boulevards und geht nach Courcelles, wo er ein hübsches, von Blumen und Zierpflanzen umgebenes Landhaus bewohnt, um welches ihn gar Mancher beneidet; denn so furchtbar das Amt dieses Mannes ist, so haben sich doch bei der im Jahre 1847 erfolgten Entlassung seines Vorgängers Sanson an dreißig Personen darum beworben, und unter diesen Bewerbern waren sogar mehrere Aerzte. Der Mensch will leben, und ein fixer Jahresgehalt von sechstausend Franken und eben so viel für Reisespesen hat doch etwas Verlockendes.“

Man fragte, welche Reisen der Nachrichter zu unternehmen habe.

„Es giebt in Frankreich achtundzwanzig kaiserliche Gerichtshöfe,“ antwortete Jener. „Jeder Gerichtshof hat seine Guillotine und seinen Scharfrichter. Wenn nun eine Hinrichtung außerhalb der Hauptstadt eines Gerichtsbezirkes stattfindet, muß natürlich der Scharfrichter, von der entsetzlichen Maschine begleitet, sich an den Ort der Hinrichtung begeben. Die Maschine, die vor der Reise auseinander gelegt und in eine Kiste gepackt worden, wird dort ausgepackt, um Mitternacht aufgerichtet, unmittelbar nach dem furchtbaren Acte wieder auseinander gelegt und wohl verpackt in ihre Wohnung zurückgebracht. In Paris ist sie in der Rue Folie-Regnault, Nummer 42, einquartiert und zahlt einen jährlichen Miethzins von sechshundert Franken. Was nun den jetzigen Pariser Nachrichter betrifft, so ist er ein sanfter stiller Mann. Er ist ein Südfranzose; sein Name läßt indessen auf einen holländischen Ursprung schließen. Er heißt nämlich Heidenrix.“

Es entstand eine Pause, welche durch die Bemerkung unterbrochen wurde, wie gräßlich es sein müßte, einen Menschen zu tödten, von dem man kein Unrecht erlitten, ja den man früher niemals gesehen.

„Ich bin weit entfernt, dem zu widersprechen,“ sagte Jener, „indessen macht man sich doch einen ganz falschen Begriff von der Thätigkeit des Scharfrichters. Derselbe sieht den Verurtheilten kaum einige Minuten, und dieser wird von ihm niemals berührt. Die Hinrichtungen finden am frühen Morgen statt. Beim Beginn der Morgendämmerung begiebt sich der Scharfrichter in das Gefängniß und unterzeichnet in der Schreibstube den Schein, in welchem er für das ihm anzuvertrauende Individuum haftet. Hierauf tritt er in das sogenannte Toilettenzimmer, ein dunkles enges Gemach, in welches bald der Delinquent, von dem Priester begleitet, geführt wird. Zwei Gehülfen setzen ihn auf einen Stuhl, und sobald ihm der Hemdkragen abgerissen, das Haar rings um den Nacken abgeschnitten und die Bande an Händen und Füßen befestigt sind, erscheint der Nachrichter, der sich bisher mit dem Gerichtsschreiber und den Gefängnißwärtern in einem Winkel gehalten, und faßt den Delinquenten vermittels der Band-Enden, während der Priester ihn am rechten Arme faßt. Der Scharfrichter ist schwarz gekleidet und trägt schwarze Handschuhe. Die zwanzig Schritte zum Schaffot, wohin inzwischen die zwei Gehülfen geeilt sind, werden in einigen Augenblicken zurückgelegt. Dort angelangt, wird durch eine leichte Handbewegung der Delinquent auf das verhängnißvolle Brett gelegt; der Scharfrichter drückt auf den Knopf, das Beil fällt und – das schauervolle Drama ist zu Ende.“

„Man darf indessen nicht glauben,“ fuhr er fort, „daß die Ausübung seines Amtes dem Scharfrichter keine Gemüthsbewegung verursache. Monsieur de Paris ist immer leichenblaß, wenn er das Urtheil der Justiz ausführen soll, und er verlangt unmittelbar nach der Ausführung ein Glas Wasser, um seine aufgeregten Nerven zu beruhigen. Dies mag davon herkommen, daß er einst von einem Verurtheilten, der aus Versehen nicht in die gehörige Lage gebracht worden, in die Hand gebissen wurde.“

„Wie kann man nur ein so blutiges Amt übernehmen!“ riefen Mehrere.

„Das ist nicht immer ein Act der freien Wahl,“ antwortete Jener. „Das Nachrichteramt erbt sich in der Familie von Vater auf Sohn fort, wie dies bei den Sanson geschehen ist, in deren Familie es sich länger als zwei Jahrhunderte hindurch fortgeerbt hat. Der Großvater des vor mehreren Jahren entlassenen Sanson ist mit Verzweiflung im Herzen seinem eigenen Vater in’s Amt gefolgt. Er war in Rouen geboren. Sein Vater wollte ihm eine gute Schulbildung geben lassen, der arme Junge wurde aber aus jeder Schule fortgeschickt, weil die Eltern der Schüler den [281] Sohn eines Scharfrichters nicht unter ihren Söhnen dulden wollten, bis endlich ein armer Geistlicher sich des Knaben annahm und ihn erzog. Dieser Sanson ist auch später, als er das Amt seines Vaters übernahm, ein sehr sanfter und frommer Mann geblieben. Ihm war die Hinrichtung Ludwig’s des Sechszehnten vorbehalten. Er sträubte sich lange, dieselbe zu vollziehen, er setzte auch nicht selbst das Beil in Bewegung, und als der Kopf des Königs gefallen, fiel er in eine schwere Krankheit, die ihn nach sechs Monaten hinraffte. Zu seinem Testamente bestimmte er, daß alljährlich am 21. Januar eine Sühnungsmesse gelesen würde. Sein Sohn war weniger heikel. Er hatte während der Schreckenszeit viel zu thun. Er richtete Marie Antoinette, den Herzog von Orleans, Malesherbes und viele Andere hin, was ihn, den ‚Citoyen exécuteur des jugements criminels‘, nicht hinderte, ein großer Musikfreund zu sein und jede Woche eine musikalische Soirée zu geben, in welcher sich die berühmtesten Künstler hören ließen. Dieser Sanson genoß einer gewissen Popularität. Er besuchte gern die Baudevillen-Theater, wo er durch seinen hohen Wuchs und seine Glatze auffiel. Nicht selten wurde er von angesehenen Männern des In- und Auslandes besucht, die sehr erstaunt waren, in seiner Wohnung eine Reihe religiöser Bilder und seine zwei hübschen, wohlerzogenen Töchter am Clavier zu sehen. Eines schönen Tages, es war im Jahre 1835, ließen sich Lord Durham und Bowring bei ihm anmelden. Die beiden berühmten Männer waren begierig, ihn und – die Guillotine kennen zu lernen. Diesen Gästen zu Ehren wurde die Guillotine frisch gemalt. Lord Durham wollte einen Hammel kaufen und denselben köpfen lassen, er begnügte sich jedoch damit, als Sanson vor ihm und den übrigen Gästen – denn es hatten sich noch mehrere Engländer eingefunden – das furchtbare Beil auf einige Heubündel fallen ließ. Der berüchtigte Vidocq half dem Scharfrichter bei diesem Experimente, von dem Lord Durham und Bowring so sehr entzückt waren, daß sie Sanson und seinen Sohn zu einem Diner einluden. Außer diesen beiden Letzteren waren noch Alexandre Dumas, Balzac, Fourier, Victor Confidérant und viele Andere eingeladen. Ich selbst war unter den Gästen, und ich erinnere mich nicht, jemals eine lautere Gesellschaft gesehen zu haben; Balzac und Dumas ließen in ihrer Unterhaltung mit Vidocq ein wahres Feuerwerk von Geist und Witz prasseln.“ –

Das Gespräch kam nun auf das Benehmen der Verurtheilten, die man zum letzten Gange führt.

„Das ist sehr verschieden,“ bemerkte Duval. „Die meisten sind durch die lange Haft und durch die Procedur so abgestumpft, daß sie in der verhängnißvollen Stunde mehr todt als lebendig sind. Andere suchen sich aufzuregen und wollen muthig scheinen. Nur selten aber geht ein Verurtheilter kalten Blutes dem Tode entgegen. Es kommen auch Fälle großer Feigheit vor. So mußte Verger, der Mörder des Erzbischofs von Paris, mit Gewalt vom Lager gezogen und angekleidet werden. Er war von seiner Begnadigung überzeugt, und der Tod traf ihn unvorbereitet. Als ihn der Geistliche zur Fassung ermahnte, rief er: ‚Ich wollte, Sie wären in meiner Lage‘. Noch ehe er die Richtstatt erreicht hatte, waren seine Züge bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Anders freilich benahmen sich Orsini und Pieri, besonders der Erstere. Beide wußten, was ihnen bevorstand, und trafen ihre Anstalten. Orsini wünschte in einem Sarge bestattet zu werden.“ –

„Werden die Hingerichteten nicht in einen Sarg gelegt?“ unterbrach man:

„Nein! Sie werden, sobald das Schwert der Gerechtigkeit das Verbrechen gesühnt, nach dem Kirchhof Montparnasse gebracht und dort sogleich in die Gruft gethan. Orsini sprach nun in seinem kurzen, aber gut abgefaßten Testamente den Wunsch aus, nach seiner Hinrichtung in einen Sarg gethan, nach London gebracht und dort an der Seite seines Freundes Ugo Foscolo begraben zu werden. Der Sarg wurde ihm ausnahmsweise bewilligt; seine Leiche wurde aber nicht ausgeliefert. Er äußerte in seinem Testamente noch einen dritten Wunsch, daß man nämlich seinem Vertheidiger Jules Favre zum Andenken an ihn eine goldene Uhr im Werthe von achthundert Franken kaufe. Auch diesen Wunsch ließ der damalige Generalprocurator Chaix-d’Estange erfüllen, und ich glaube, daß Jules Favre die Uhr beständig trägt. Ruhig und besonnen, wie er sich während seiner Haft gezeigt, zeigte sich Orsini auch in der furchtbaren Stunde. Als ‚Königsmörder‘ mußten er und Pieri barfuß und mit schwarzverhülltem Haupte das Schaffot besteigen. Auf dem Wege zu demselben fing Pieri an, die Worte ‚Mourir pour la patrie‘ zu singen, Orsini verwies es ihm aber mit sanften Worten und ermahnte ihn zu ruhiger stiller Fassung. Das Haupt Pieri’s fiel zuerst. Orsini betrachtete dasselbe einen Augenblick, und mit den Worten: ‚Vive l’Italie! Vive la France!‘ legte er sich unter das Fallbeil und zwar sehr vorsichtig, um nicht von dem noch warmen Blute seines Schicksalsgefährten befleckt zu werden.“

„Erlauben Sie mir, diese eben nicht heitere Unterhaltung durch die Erzähluug eines merkwürdigen Falles zu beschließen,“ sagte ein Künstler, der sich in unserer Gesellschaft befand. „Sie haben gewiß schon oft von dem Sänger Lays reden hören. Dieser Sänger, der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts eines sehr großen und wohlverdienten Rufes genoß, hinterließ eine Tochter, die den Geschichtsmaler Dupavillon, einen Schüler David’s, heirathete, und einen Sohn, welcher auf der Laufbahn seines Vaters Ruhm und Reichthum zu erwerben hoffte. Der Maler Dupavillon, ein sehr wackerer Künstler, fing bald an zu kränkeln, und da er seiner Kunst nicht mehr obliegen konnte, gerieth er in eine sehr bedrängte Lage, die ihm indessen die Gesellschaft der bildenden Künste, zu deren Mitgliedern auch ich gehöre, so viel wie möglich zu erleichtern suchte. Sein Schwager Lays, der seine Kunst liebte, aber kein Talent hatte, gerieth ebenfalls in schwere Bedrängniß und obgleich kein bildender Künstler, wurde er dennoch, als Mitglied der Familie Dupavillon’s, von unserer Gesellschaft unterstützt. Bald sollte indeß diesen schwer heimgesuchten Mann ein noch härteres Geschick treffen. Es verbreitete sich nämlich das Gerücht, daß er in früheren Jahren dem Scharfrichter der Schreckenszeit auf dem Schaffot als Gehülfe beigestanden. Man ließ ihm zwar nach wie vor die Unterstützung zufließen, kein Künstler aber wollte ihn sehen; Niemand wollte mit ihm in persönliche Berührung kommen. Er hatte bereits mehrere Briefe an unsern Präsidenten und Gründer der Kunstvereine, an den Baron Taylor, geschrieben, in denen er diesen um ein Zwiegespräch bat, der Baron konnte es jedoch, trotz seiner bekannten Gutmüthigkeit, nicht über sich gewinnen, einen Mann zu besuchen, auf welchem ein solcher Verdacht ruhte. So vergingen viele Jahre, bis Taylor, durch die herzzerreißenden Briefe des alten kranken Sängers auf’s Tiefste ergriffen, sich endlich entschloß, ihn zu besuchen.

‚Ich bin das Opfer eines entsetzlichen Verdachtes,‘ sagte er zu dem Baron, ‚und ich weiß, wodurch er hervorgerufen worden. Mein Vater stand in freundschaftlicher Beziehung zu Sanson, der bekanntlich ein großer Musikfreund war. Sanson gab häufig Soiréen und mein Vater sang in denselben, ohne jemals ein Honorar von seinem Freund anzunehmen. Die Familie Sanson’s und die meinige waren in ununterbrochenem Verkehr, und nach dem Tode Sanson’s und meines Vaters wurde ich, als ich in Noth gerieth, von Sanson’s Sohn oft unterstützt. Ich schwöre aber zu Gott, daß der Verdacht, der seit so vielen Jahren auf mir lastet und mich der trostlosesten Vereinsamung preisgiebt, in keiner Beziehung gerechtfertigt ist.‘

Der Baron Taylor war zwar von der Aufrichtigkeit des unglücklichen Mannes überzeugt, er wollte aber noch andere, noch unwiderlegbarere Beweise. Er begab sich daher am 24. August 1854 zu Sanson, der, wie wir bereits wissen, im Jahre 1847 entlassen worden, und dieser schrieb sogleich ein Certificat, in welchem er erklärte, daß Lays niemals in seinen Diensten gestanden, daß überhaupt die Gehülfen des Scharfrichters von dem Justizminister ernannt werden, vom Justizministerium ihr Gehalt beziehen und daß man dieselben nur aus der Familie des Scharfrichters wähle.

Auf dem Justizministerium sagte man dem Baron dasselbe, und so war endlich der unglückliche Mann von der Schmach befreit, die mehr als zwanzig Jahre ihn verfolgt hatte.

Paris ist die interessanteste Stadt der Welt,“ schloß der Künstler. „Kein Romandichter vermag so ergreifende Begebenheiten zu erfinden, wie sie hier tagtäglich in Wirklichkeit sich ereignen, und man kann mit Recht behaupten, daß hier gar oft das Wahre nicht wahrscheinlich ist.“

E. Roderich.



[282]
Der Componist des Arndt’schen Vaterlandsliedes.
Ein Burschenbild.

Den großen Interessen des Vaterlandes und der Menschheit gewidmet, ist die Gartenlaube stets bemüht gewesen, auf die Männer hinzuweisen, welche eben diesen höchsten und edelsten Ideen ihr Leben und Streben in hervorragender Weise geweiht haben, und ihnen nach ihrem Dahinscheiden ein ehrendes Andenken für alle Zeiten zu sichern. Ein leuchtendes Denkmal, dauernder als Erz, setzt sie ihnen in den Herzen ihrer hunderttausend und aber hunderttausend Leser, in Stadt und Dorf, in Palast und Hütte, diesseits und jenseits des Oceans. In diesem Sinne sei auch das Andenken eines edeln deutschen Mannes gefeiert, dessen patriotisches Wirken in den Spalten dieses Blattes bereits wiederholt die rühmlichste Anerkennung gefunden hat. –

Wer jemals die alte Landgrafenstadt Eisenach besuchte, hat sicher auch das „Lutherhaus“ unweit des Marktes mit Theilnahme betrachtet. Noch wohlerhalten, erinnert es in seiner mittelalterlichen originellen Bauart an die ältesten Häuser Nürnbergs. Aber es führt seinen Namen mit Unrecht. Nicht Lutherhaus, sondern Cotta-Haus müßte es genannt werden, denn hier wohnte die begüterte Frau Cotta, welche im Jahre 1498 den von Magdeburg gekommenen, als Schüler vor den Thüren singenden vierzehnjährigen Luther liebevoll bei sich aufnahm und als Mutter fast drei Jahre lang für ihn sorgte, bis er die Erfurter Universität bezog. Eine alte Tradition sagt, daß in alten Zeiten die Familie Cotta aus Italien, ihrer ursprünglichen Heimath, nach Frankreich und von da nach Thüringen gewandert sei und hier in Eisenach und Ruhla sich niedergelassen habe. Ein Abkömmling von ihnen war der „Versilberer und Vergolder“ Johannes Cotta, der in dem romantisch schön gelegenen Ruhla in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und bis in den Anfang dieses Jahrhunderts lebte.

Der älteste Sohn der mit zwölf Kindern gesegneten Familie, am 24. Mai 1794 geboren und Johannes Cotta wie sein Vater genannt, entwickelte sich an Geist und Körper auffällig rasch und zeigte schon in seinen frühesten Jugendjahren einen Drang zu geistiger Ausbildung. Deshalb kam er im Jahre 1809 auf das Gymnasium in Eisenach, von dem er fünf Jahre später mit den besten Zeugnissen seiner Lehrer zur Universität Jena abging, um hier Theologie zu studiren. Auch hier mußten wie vordem in Eisenach neben dem von seinem Oheim Cotta gestifteten Stipendium, das er als Nachkomme dankbar bezog, Privatstunden ihm die Existenzmittel schaffen. Mit Ernst und Begeisterung widmete er sich seinem Studium, vergaß aber auch darüber nicht seine Liebe zur Musik und vor allem zur Orgel. Mit besonderem Behagen wußte er noch als Greis ein auf sein Orgelspiel bezügliches Erlebniß zu erzählen, welches zwar erst seiner folgenden Lebensperiode angehört, aber gleich hier Erwähnung finden mag. Ein Ausflug führte den jungen Mann mit einigen Freunden nach Banz, der ehemaligen Benedictiner-Abtei in Baierns Oberfranken. Er stand auf der Terrasse und schwelgte in der wonnigen Aussicht in das weithinaus prangende Mainthal; er besuchte auch die prächtige Kirche und betrachtete vor Allem die berühmte Orgel mit höchstem Interesse. „Wenn sie in ihrer vollen Stärke,“ so lautet eine Beschreibung derselben, „mit der ganzen Fülle anhaltender Accorde erschallt, da erzittern die Betstühle, da erzittert des Hörers Brust von des Schalles erschütternder Kraft und der Macht der Töne; doch einschmeichelnde Melodien der die verschiedensten Stimmen nachahmenden Register besänftigten auch wieder den Sturm, welchen ein kecker und kräftiger Spieler mit diesen gewaltigen Tönen zu erheben vermag.“

Ein solcher kecker und kräftiger Spieler war aber unser Cotta. Er setzte sich zur Orgel und spielte in jugendlichem Uebermuth die schöne Schnoor’sche Melodie des schon damals in den akademischen Kreisen so beliebten Liedes der Freude: „Vom hoh’n Olymp herab etc.“ Aufmerksam hörte ein katholischer Geistlicher zu und bat, als Cotta geendet, mit vielem Lobe über sein wackeres Spiel, noch um ein zweites Lied. Rasch entschlossen begann er von Neuem, und mit hinreißender Gewalt brausten die Töne des Liedes, das einst vor nun dreihundert Jahren da drüben auf Veste Coburg entstanden, des energischen protestantischen Schlachtgesangs durch die Kirche der alten Benedictiner-Abtei. Tief erschüttert lauschten die Jugendfreunde und Reisegenossen, tief erschüttert war auch der katholische Geistliche.

„Wie heißt das Lied?“ fragte Letzterer, und als ihm Cotta bemerkte: „Es ist ja das Lied, das Ihr das Ketzerlied nennt, das Lied unseres Luther: Ein’ feste Burg,“ klopfte er ihm auf die Schulter und sprach: „Was, Ketzerlied?! nicht Ketzerlied’, ein schönes, kräftig Lied!“

In die Studienzeit Cotta’s fiel jene große, ewig denkwürdige Bewegung in der deutschen Universitätsjugend, welche nicht nur eine durchgreifende Reform des akademischen Lebens erstrebte und schuf, sondern zugleich und vor Allem das deutsche Nationalbewußtsein bewahrte, den deutschen Einheitsgedanken festhielt, pflegte und vorbereitete und so zum Ausgangspunkte der ganzen nationalen Bewegung Deutschlands geworden ist.

Die deutsche Burschenschaft wurde gegründet, und aus vollem Herzen, mit ganzer jugendlicher Begeisterung für Vaterland und Freiheit schloß sich Cotta dieser neuen Richtung an. Aber eben dieser Enthusiasmus, verbunden mit dem ihm innewohnenden und mit aller Liebe gepflegten und ausgebildeten musikalischen Talent, trieb ihn zu einer besonderen Bethätigung desselben. Zwei Jahre vorher, im April 1813, hatte Ernst Moritz Arndt sein kerniges Lied: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ der Deutschen Zeitung zur Aufnahme überlassen. Der Dichter hatte dabei bescheiden bemerkt, daß ihm das Lied nicht verfehlt erscheine. Indem es aber in Wirklichkeit der treue Ausdruck der Zeit war, in welcher es entstanden, indem es dem sich gegen die Unterdrückung aufbäumenden, nach nationaler Einigung ringenden Volksgeiste den entsprechenden energischen Wortlaut gab, wurde es überall und namentlich auch in akademischen Kreisen, mit Theilnahme aufgenommen und erweckte überall Begeisterung. Aber noch fehlte ihm der Ton, die Weise, wodurch es recht von Mund zu Mund, von Herzen zu Herzen klingen konnte. Dem schönen kräftigen Lied die entsprechende Weise zu geben, war der Gedanke unsers burschenschaftlich gesinnten Cotta. Er ging rasch an’s Werk, und auf seinem einfachen, stillen Studentenstübchen schuf er aus jugendlich begeistertem Herzen heraus eine dem Arndt’schen Text sich innig anschließende, ihn musikalisch wahrhaft reproducirende, kräftige, schwungvolle Melodie. Wir verkennen keineswegs die eigenthümlichen Schönheiten der weit später entstandenen Reichardt’schen Weise, welche übrigens die ältere Cotta’sche Melodie augenscheinlich benutzt hat, aber unbestreitbar ist es, daß die Cotta’sche Weise es ist, die zum eigentlichen Volksliede geworden, und mehr als zweifelhaft bleibt es, ob das schöne Arndt’sche Lied jemals zur Volkshymne geworden wäre, wenn es nicht damals durch die Cotta’sche Composition eine volksthümliche, leicht singbare Weise erhalten hätte. Die vollendete Composition theilte Cotta seinem Universitätsfreund Georg Friedrich Hanitsch mit, einem ebenfalls mit musikalischem Talent erfüllten Jüngling, der damals zu Arndt’s Bundesliede „Sind wir vereint zur guten Stunde“ die erhebende Melodie componirte. Er ging ihm beim Instrumentiren und Einüben des Vaterlandsliedes wacker zur Hand, und am 12. Juni 1815, als im Gasthof zur Tanne bei Jena die Burschenschaft gegründet wurde, als die landsmannschaftlichen Fahnen zum Zeichen der Auflösung der Landsmannschaften sich senkten und Alle sich brüderlich umarmten, erscholl zum ersten Mal in Deutschland das Lied: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ Wie begeistert sangen die Jünglinge hier bei ihrer Einigung in nationalem Geiste das gewaltige Lied der deutschen Einheit! Wie innig sangen sie:

„Das ganze Deutschland soll es sein!
O Gott vom Himmel sieh darein
Und gieb uns echten deutschen Muth,
Daß wir es lieben treu und gut!“

und wie schlug dem jungen Cotta, dem Mitgründer der Burschenschaft, das Herz bei diesem Gesange, bei dieser Wirkung seines Liedes!

Rasch ging das Lied von Mund zu Mund und wurde bald auch in nichtakademischen Kreisen mit Enthusiasmus gesungen. Im Jahre 1817 zogen mit eben diesem Liede die Jenenser zum Wartburgsfest in Eisenach ein. Aber Cotta war nicht mehr darunter. Schon im Jahre 1816, ein erst zweiundzwanzigjähriger Jüngling, wurde er in Anerkennung seines reinen, edeln Sinnes, seiner hohen, wissenschaftlichen Bildung und seiner tief ergreifenden [283] Rede zum Pfarrer der thüringischen Gemeinde Alperstedt bestellt. Seit diesem Jahre und bis zu seinem letzten Athemzuge hat er – zuerst in Alperstedt, dann lange Jahre in der Gemeinde Nieder-Zimmern, die ihn zum Pfarrer erwählte, endlich seit dem Jahre 1851 in Willerstedt bei Buttstädt – sein geistliches Amt unermüdlich verwaltet.

Ein allzeit treuer Anhänger des freisinnigsten Nationalismus, ein geistvoller Jünger des unvergeßlichen, von ihm hochverehrten Röhr, ein Priester echter, wahrer Humanität hat er durch mehr als einundfünfzig Jahre in seinem geistlichen Amte segensvoll gewirkt. Er war seiner Gemeinde und in ihr auch dem Aermsten ein wahrer Freund und Berather und, drei Mal verheirathet, seiner Familie ein liebevoller Vater. Wenn man den ganzen idyllischen Reiz eines patriarchalischen thüringischen Pfarreilebens genießen wollte, mußte man in dem jederzeit gastfreien Pfarrhause von Willerstedt einkehren. An schönen Frühlings- oder Sommerabenden, in Unterhaltung mit einem Freunde auf der Bank der Freitreppe, die zum Pfarrhaus hinaufführt, oder in der Rosenlaube des Gartens, im Kreise der Seinen, das schwarze Käppchen auf dem Haupt und die Pfeife mit dem meerschaumnen „Lutherkopf“, den ein kunstgeübter Verwandter in „der Ruhl“ ihm geschnitten und verehrt hatte, gemüthlich schmauchend, pflegte der gute Alte aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen und Erinnerungen die anziehendsten Mittheilungen zu machen und entwickelte die seltenen Gaben seines Geistes und Gemüths und seine große, freisinnige Lebens- und Weltanschauung in ebenso schlichter wie geistvoller Weise. Und wenn er gar an die neue schöne Orgel seiner Kirche sich setzte und in gewaltigen Tönen eine eigene Phantasie über das Lutherlied erbrausen ließ, da begriff man das Erstaunen des katholischen Geistlichen von Banz, da begriff man auch, daß Cotta es gewesen, der schon als Jüngling mit langem, lockigem Haar die deutsche Volkshymne componirt hatte. Wohl wurde sie auch in seinem Dörfchen gesungen; er hörte sie oft genug und lächelte still vergnügt, wußten die Sänger doch nicht, wem sie die kräftige Melodie zu danken hatten. Erst durch die Gartenlaube ist seine Autorschaft bekannter geworden.

Das Jahr 1858 brachte das Jubiläum der Universität Jena. Auch Cotta wanderte zur alten theuern Musenstadt und feierte das fröhlichste Wiedersehen mit so manchem seiner Jugendfreunde. Es war ihm dies einer der glänzendsten Lichtpunkte in seinem Greisenalter, ein zweiter das Burschenschaft-Jubiläum 1865 in Jena, welches ihm all’ die lieben Jugenderinnerungen wieder wach rief. Ein Jahr später, am 16. October 1806, kam sein eigenes Amtsjubiläum. Er mochte es nicht als rauschendes Fest, sondern nur im traulichen kreise der Seinen beim Schwiegersohn in Weimar begehen; als aber, nachdem der Vater, der Freund gefeiert war, dem deutschen Mann der burschenschaftliche Trinkspruch gebracht wurde:

Sind wir vereint zur guten Stunde,
Noch einmal stoßet fröhlich an.
Noch einmal kling’ es in die Runde:
Es lebe hoch der deutsche Mann!
Der Mann, der uns das Lied gegeben,
Das deutsche Lied voll Macht und Kraft,
Noch einmal soll er jubelnd leben,
Der Mann der deutschen Burschenschaft!

und in diesem Augenblicke, Allen unerwartet, ein Musikchor mit den Jubelklängen seines Vaterlandsliedes einfiel, wurde sein Auge von Thränen der Freude und Rührung feucht.

Und noch einmal sollte er, der immer noch lebensfrische Greis, im Geiste seiner Jugend und seines ganzen Lebens öffentlich hervortreten. Der October 1807 brachte jene „drei unvergeßlichen Octobertage“, die erst neulich ein Wartburgsjubilar in den Spalten dieses Blattes mit so wahren, frischen Farben geschildert. Cotta war es, der als Mitglied des Festcomités, als Alterspräsident an der Spitze des Ganzen stand. Er war es, der als Kneipwart den Vorcommers am Abend des 17. October im Erholungssaal zu Eisenach eröffnete und sich, bei fröhlichem Wiedersehen alter treuer Jugendfreunde, dem gemüthlichsten Verkehre hingab. Er war es endlich, der am 18. October vom Treppenaltan des Landgrafenhauses auf der Wartburg jene herzige Begrüßungsrede hielt, welche die soeben in Jena erscheinende Erinnerungsschrift der Gebrüder Keil „die burschenschaftlichen Wartburgfeste von 1817 und 1867“ veröffentlicht.

Als er seine Thüringer Berge, sein heimathliches Ruhla dort hinter den grünen Höhen, die Stadt Eisenach, in welcher einst seine Ahnin Cotta den Knaben Luther gepflegt und in welcher er selbst seine Bildung gewonnen hatte, als er die alten treuen, nun ergrauten Universitätsfreunde, die blühende akademische Jugend, die zum ersten Mal hier oben wieder wehende burschenschaftliche Wartburgfahne begrüßte, ihrer Verfolgung und endlichen Wiedererstehung und Wiederentfaltung gedachte und die jungen Burschen mahnte, der Fahne und ihren deutschen Farben allezeit treu zu bleiben, – da flatterte die Fahne und zeigte stolz ihren goldenen Eichenzweig, ihre schwarz-roth-goldenen Farben, da klirrten die Schläger der Präsides an einander, da blieb im großen, weiten Kreise in tiefer Bewegung wohl kein Auge trocken. Noch erlebte der wackere Alte die Freude, daß die Feier am flammenden Holzstoß auf dem Watenberge, der historischen Stelle der einstigen Bücherverbrennung, mit seinem Liede schloß, und entzückt lauschte er darauf vom Fenster des Gasthofes zum Rautenkranz dem „Gaudeamus igitur“ auf dem mit bengalischen Flammen erleuchteten Markte.

Wer konnte ahnen, daß jene Rede auf der Wartburg sein Schwanensang, jenes einzig-schöne Octoberfest seine letzte Freude sein werde?

Ein lange schon in ihm liegendes Leberleiden, verbunden mit heftigen Erkältungen, die er sich in pflichttreuer, aufopfernder Verwaltung seines geistlichen Amtes zugezogen, warfen ihn auf das Krankenlager, das er nicht wieder verlassen sollte. Am 18. März – gerade fünf Monate nach jenem 18. October 1807 und nur zwei Tage vor dem Tode Binzer’s, des Dichters der besten Burschenlieder – entschlief er und wurde am 22. März in die kühle, mit frischem Grün geschmückte Gruft gesenkt, zur Seite seiner heimgegangenen zweiten Gattin, der Schwester des berühmten Historikers Leopold Ranke.

So stirbt die „eiserne“ Jugend der Jahre 1813 und 1815, wie Gervinus sie nennt, die vaterländisch begeisterte alte Burschenschaft dahin. Wie viele sind schon abgeschieden! Auch ein Scheidler todt, – ein Hanitsch todt, – ein Binzer, ein Cotta todt, Einer geht nach dem Andern, aber nicht ohne eine große edle Verlassenschaft. Das Nationalbewußtsein, das sie wach gerufen und bewahrt, ist uns geblieben und hat das ganze deutsche Volk zu einer großen Burschenschaft gestaltet, welche der Verwirklichung ihrer heißen patriotischen Wünsche, der Erreichung ihres hohen nationalen Zieles mit jedem Tage näher rückt. Das von der Burschenschaft gewählte und geweihte Banner unserer großen nationalen Einigung, und auch das Lied dieser Einheit, die deutsche Volkshymne ist uns geblieben. So lange es ein deutsches Volk und deutschen Volkssinn giebt, wird auch das Kernlied unsers großen Patrioten Arndt erklingen, werden auch der Name Cotta und sein Andenken allezeit unvergessen und gefeiert sein und bleiben!
R. K.




Deutschlands große Industriewerkstätten.
5. Die Königin-Marienhütte bei Zwickau.

Engländer, nicht Deutsche, sprechen es offen aus, daß in England mit der Metallindustrie, dem ehernen Fundamente der englischen Industriemacht, letztere selbst sammt dem britischen Handel durch immer siegreichere Concurrenz gefährdet sei, und sie sehen neben der noch in der Wiege liegenden russischen und der riesig aufwachsenden nordamerikanischen vor Allem in der deutschen Metallindustrie ihren gefährlichsten Rivalen. Dieser große Triumph deutschen Geistes und Fleißes durch unsere Hütten- und Eisenwerke hat uns veranlaßt, ihnen bei der Darstellung unserer wichtigsten großen Industriewerkstätten die erste Stelle einzuräumen, und eben darum führen wir heute unsere Leser zu der Königin-Marienhütte, die zu diesem Triumph redlich beigetragen hat und

[284]

Maschinenbauwerkstatt.  Bessemerhütte.     Die Königin-Marienhütte bei Zwickau. Nach der Natur aufgenommen von Adolf Eltzner in Leipzig. 
Feineisenwalzwerk. 
 Schienen- und Grobwalzwerk.   Gießerei.       Ziegelei.   Kokerei.   Erzwäsche.  Laboratorium.
Gasanstalt.   Hohöfen.   Erzgerüst. 

[285] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [286] unter den sächsischen Unternehmungen dieser Art einen obersten Ehrenplatz behauptet. Unmittelbar an der Zwickau-Schwarzenberger Bahn und von der Zwickauer Mulde bespült, breitet in Kainsdorser Flur das Areal sich aus, über welchem seit nun sechsundzwanzig Jahren die rauchenden Thürme als Tempelschmuck dieser Werkstätte des Vulcan sich erheben.

Vor wenigen Wochen führte ein heiterer Tag mich in das essenstrotzende Thal von Zwickau und von da zur Marienhütte. Von alter treuer Freundeshand bewillkommnet, trat ich unter sachverständiger Führung durch das Hüttenwerk eine Wanderung an, von welcher ich den Lesern wenigstens das zur Erklärung unserer trefflichen Illustration Nöthigste im Allgemeinen mittheile, um den diesem Artikel vergönnten Raum hauptsächlich einer Glanzpartie des Werkes zu widmen.

Mit seinem ersten Roheisenabstich wurde das Werk am 30. Juni 1842 eingeweiht. Das Etablissement begann in bescheidenem Umfange, erweiterte sich aber rasch, namentlich seitdem es in den Alleinbesitz der Familie von Arnim übergegangen war, und gegenwärtig sehen wir auf dem gegen eintausend Quadratruthen fassenden und von einer hohen Mauer rings umschlossenen Hüttenplatze: drei Hohöfen mit dazu gehörigen Erzplätzen, eine Kokerei mit mechanischer Kohlenwäsche, eine Gießerei mit Schlosserei, Tischlerei und Emailhütte, eine Bessemerstachlfabrik, ein Schienenwalzwerk mit Appretur, ein Feineisenwalzwerk, eine Maschinenbauwerkstatt und ein chemisches Laboratorium; ferner eine Ziegelei, welche, um dies gleich hier zu erwähnen, jährlich etwa vierthalb Millionen Pfund Thon zu feuerfesten Ziegeln für Hüttenwerksbauten verarbeitet, und endlich eine Gasanstalt, zugleich für das nahe Steinkohlenbauern-Palastdorf Bockwa. – Die Zahl der Beamten, Vorarbeiter und Arbeiter übersteigt anderthalbtausend; die Knappschaftscasse derselben besaß am Schlusse von 1867 ein Vermögen von vierundsechszigtausend Thalern. Die zum Betriebe des ganzen Werkes thätigen einundvierzig Dampfmaschinen mit ihren einundfünfzig Dampfkesseln entwickeln eine Leistung von nahezu einhundert Pferdekraft. Auf dem Hüttenhofe liegen über eintausend Fuß Schienengeleise zum Betrieb für Eisenbahnwaggons und es gehören dazu dreiundzwanzig Weichen; außerdem liegen mehrere tausend Fuß Schienengeleise als Nebenbahnen für den Transport von Coak, Roheisen etc.

Unser erster Gang führte uns zu dem äußerlich imponirendsten Bau, den beiden Hohöfen, die, je 16,5 Meter (etwa sechsundfünfzig Fuß) hoch emporragen, und von welchen der eine jährlich fünfzehn Millionen Pfund weißes Roheisen zum Verpuddeln, der andere zehn Millionen Pfund graues Eisen zur Bessemerstahlfabrication erzeugt. Beide sind mit Apparaten zum Abfangen der Gase versehen und oben durch eine eiserne Brücke verbunden. Zu dieser stiegen wir auf der schiefen Ebene hinauf, auf welcher mittels Wasser täglich sechs- bis achthundert eiserne Wagen aufgezogen werden, in denen Coak und Eisensteine zur Füllung der Oefen einhaken sind. Wie von einer eisernen Hochwarte aus überschaut man hier das ganze Hüttenwerk mit dem wohlgeordneten Ineinandergreifen seiner vielverzweigten Thätigkeit. Noch weite, unbenutzte Räume für bedeutende Ausdehnung der Werke umschließt der Mauerkranz, und jenseits desselben erfreut überall den Blick die Anmuth eines Hügellandes, aus dessen lachendem Grün, in den Thälern wie auf den Höhen, der Fleiß für das Glück und das Glück für den Fleiß dampfende Werkstätten und friedliche Wohnungen gebaut hat. Besonders nach Zwickau hin bezeichnet, wie einst die Pappelalleen die Nähe von Residenzen, eine ganze Reihe von Essen den Weg zu einer Industrieresidenz.

Im Dienste der drei Hohöfen stehen drei Gebläsemaschinen mit zusammen dreihundertundvierzig Pferdekraft und mit vierzehn Dampfkesseln. Diese und noch neun Winderhitzungsapparate werden sämmtlich durch die Hohofengase geheizt. Von hier wanderten wir die schöne, auf schlanken Pfeilern ruhende Brücke entlang, auf welcher das meiste Coak von der Kokerei zugeführt wird. An dieser vorüber gelangten wir zu der mechanischen Kohlenwäsche, in welcher täglich dreitausend Centner Kohlen gewaschen werden, um sie zur Verkokung in den dreiundfünfzig bis jetzt vorhandenen Koköfen vorzubereiten; und wandten uns nun der Gießerei zu.

Diese liefert bei einer Jahresproduktion von über sechs Millionen Pfund mit einer Mannschaft von zweihundert und fünfzig Mann aus drei Cupolöfen und einem Flammofen: Maschinenteile (bis zu fünfunddreißigtausend Pfund), Walzen, Oefen, namentlich aber, und nur stehend gegossen, Gas- und Wasserleitungsrohre, deren Absatz auch im fernen Auslande zu suchen ist.

Von der Gießerei aus besuchten wir die mit ihr verbundene Schlosserei, die Modelltischlerei und die Emaillirhütte, in welcher Pfannen, Töpfe, Tiegel, Rohre mit einem weißen, bleifreien, daher gesundheitsunschädlichen Email versehen werden, welches sich z. B. zur Leitung von Mineralwasser in Bad Elster als gut erwiesen hat.

Alles bisher Gesehene ist, wie großartig an sich, doch, Gott Lob, in Deutschland keine Seltenheit mehr. Unser nächster Schritt führt uns dagegen zur erwähnten Glanzpartie in der deutschen Metallindustrie, die in Sachsen dermalen sogar hier einzig dasteht: die Stahlbereitung in der sogen. Bessemerhütte. Es ist dies die neueste und für die Zukunft wohl die wichtigste Anlage des ganzen Werkes. Die Bessemerhütte wurde erbaut, um durch den von Bessemer erfundenen Proceß graues Roheisen in flüssigem Zustande mittels Durchblasens eines bis auf dreihundert Grad erhitzten Windstromes von dem Kohlenstoff zu befreien und es dadurch in eine Stahlmasse zu verwandeln, welche ganz besonders ein festes, dauerhaftes Material für die Schienenfabrikation liefert. Ehe man hier zur Ausführung schritt, hatte man sich zuvor auf einer ähnlichen, in Kärnthen im Gange befindlichen Hütte vergewissert, daß das hier aus den besten Spath- und Rotheisensteinen erblasene Roheisen zu dieser Art von Stahlfabrikation sich vollkommen eigne. Mit derselben Vorsicht ging man bei der Einübung der Arbeiter zu Wege. Da bei diesem Verfahren die äußerste Pünktlichkeit jeder einzelnen Thätigkeit nöthig ist, die nur aus einem klaren Verständniß des Proeesses hervorgeht und durch ruhige Uebung gewonnen werden kann, so wurden die Arbeiter, wie die Soldaten, erst auf’s Genaueste in allen ihren Verrichtungen ohne Feuer exercirt und konnten dann um so sicherer in’s Feuer geführt werden.

An Feuer fehlt es ohnedies bei diesem Proceß nicht. Als ich die große Halle der Hütte betrat, strahlten mir deren drei entgegen. In einer höher gelegenen Seitenhalle wurde in einem Cupolofen eine Masse von siebentausend Pfund graues Roheisen zur Flüssigkeit gebracht, um seiner Veredelung zu Stahl fähig zu werden. In einer halbrunden Vertiefung in der Mitte der Halle, in welcher im Halbkreise die zur späteren Aufnahme des fertigen Stahls bestimmten sogenannten Coquillen, etwa vier bis fünf Fuß hohe, starke Eisenkästen, bereitstanden, befand sich im Winkel zur Linken ein großes Eisengefäß (Pfanne nannten’s die Fachleute) in einer Feuersgluth, die bestimmt war, dasselbe in einen der Flüssigerhaltung des Stahlstroms entsprechenden Hitzegrad zu erheben, und zur Linken über demselben prangte in einer Ofennische die Hauptfigur des Tages, der sogenannte „Converter“, eine ebenso wie die Pfanne mit feuerfestem Thonbeschlag ausgefütterte eiserne Riesenbirne, deren Hals in der Nähe des fehlenden Stiels ein wenig umgebogen war. „Converter“ heißt diese erst seit 1857 in England einheimische Retorte, weil sie mittels zweier in der Richtung ihrer Queraxe liegender Zapfen im Gleichgewicht hängt und durch ein Räderwerk um diese Zapfen gedreht werden kann. Letztens geschieht mit einer Ruhe und Würde, die unsere Bewunderung erregt. Der Couverter befand sich eben in der angenehmen Lage, mit einem Hitzgrad erfüllt und durchdrungen zu werden, der seiner hohen Bestimmung entsprechen sollte.

Die Feuer hatten ihre Schuldigkeit gethan. Das Eisen war zum Sprung in den Läuterungsschlund bereit, der Converter wurde von der Gluthmasse des Coakes gereinigt, das, von einem feuerfesten Mann mit langstieliger Harke herausgeholt, wie silbern glühende Riesenschneeflocken heraussprang, und die „Pfanne“ war zum Empfange des Stahlquells bereit. Nun wurde der Converter mit dem vieldurchlöcherten Boden für den Durchgang und der starken Decke für die Einsperrung des Luftstromes versehen, und das Werk der Umwandlung begann.

Auf einen Wink des Ingenieurs dieser Hütte neigte sich der Converter, um seinen offenen Rachen für die perlende Eisenquelle in die rechte Lage zu bringen. Zu gleicher Zeit stieß der Mann am Cupolofen oben den Zapfen aus, und mit tropfenaufjauchzendem Lauf schoß, einem Gebirgsbach gleich, die fluchende Eisenmasse in luftigem Sprung im Bette der Rinne hinab plätschernd in den glühenden Rachen des Converters.

Geduldig und wohlbehäbig nahm das wie auf dem Bauch liegende Ungeheuer den Labequell auf, bis die dunkler geröthete Gluth das Ende der Mahlzeit verkündete. Dann erhob es sich, wie von Geisterhänden aufwärts bewegt, und reckte den Hals in [287] die Esse hinein. Ein Wink, und das Fegefeuer hub an. Mit wildem Brausen stürmte der heiße Luftstrom (mit einer Pressung von achtzehn bis fünfundzwanzig Pfund pro Quadratzoll) in die Eisenmasse und brach sich Bahn durch die siebentausend kochenden Pfunde der Masse und trieb sie zum Brodeln auf, in langer Flamme des Kohlenstoffs Eisentropfen wie einen Regen von Feuerfunken in hohen Bogen hinaushetzend und wild hauchend und pfauchend, pochend und donnernd, wie ein Junges des Aetna in den üppigsten Flegeljahren.

Der Anblick war großartig schön und doppelt entzückend durch das Gewaltige seiner Erscheinung gegenüber der Ruhe und Sicherheit der Männer, welche der furchtbaren Kraft der gehetzten Elemente so kalt und still, so winkbereit und jedes Augenblickes Herr mit der Macht der vom Menschengeist ersonnenen Fesseln geboten.

Die Flamme, anfangs noch röthlich, läuterte sich zu immer stechenderem Weiß. Sie zwang uns, das Auge durch blaue Gläser zu schützen. Auch der Rauch, den sie erzeugte, verdiente seine besondere Beachtung. Wir eilten vor die Hütte, ihn aus der Esse aufsteigen zu sehen. Das war kein dunkles Qualmen, sondern ein durcheinanderspielendes Farbengemisch von hellem Grau mit rothen, gelben und violetten Streifen und Wölkchen durchzogen.

Ein Brausen und dumpfes Stoßen, mächtiger als vorher, zog uns in die Halle zurück. Es war das Anzeichen vom Ende des Processes. Der furchtbare Windstrom warf von der bereits geläuterten Masse ganze Sprühregen in blüthenweißen Funken, Tropfen und Güssen empor, und dazwischen zischte der heiße Luftstrom pfeifend aus jeder Ritze, die er sich auf seinem Sturmlauf irgendwo gebrochen halte.

Da, mit einem Wink, schweigt der Sturm, eine drehende Hand hat den Luftstrom abgesperrt, und der Converter neigt sich, er legt sich gehorsam auf den Bauch, um seinen kochenden Inhalt prüfen zu lassen. Mit langen Eisenstangen fährt man in den geduldig ausgesperrten Rachen, und die an ihnen hängenbleibenden Tropfen der sprudelnden Massen genügen, um die Reife des Ganzen zu erkunden.

Die prüfenden Männer hocken um eine Eisenplatte und hämmern auf den gewonnenen Stahlstückchen. Nur wenn der Rand der glattgehämmerten Plättchen vollkommen rißfrei ist, sind sie zufrieden, wenn nicht, so muß der Converter noch einmal sich erheben und den glühenden Luftstrom aufnehmen; aber mit der Minutenuhr stehen dann die Ingenieure auf dem Posten, denn jedes Zuviel wirkt hier ebenso bedeutend auf die Masse, wie das Zuwenig.

Hat der nun fertige Stahl die Prüfung bestanden, so beginnt die Arbeit der Entleerung in die Pfanne und der Füllung der Coquillen. Der Converter legt sich, nach überstandenem Fegefeuer, wieder auf den Bauch, und zwar tief genug, um seinen Inhalt aus demselben Rachen als Stahl ausfließen zu lassen, in welchen er ihn als graues Roheisen zu sich genommen hat. Der Stahlborn fließt in die früher in die nöthige „angenehme Temperatur“ gebrachte Pfanne, welche am Boden eine Oeffnung hat, die durch einen bis nach oben reichenden und beliebig zu öffnenden Thonstöpsel geschlossen wird. Die ganze Last dieser Pfanne und ihres Inhalts steht auf einem hydraulischen Krahn, der auf den Wink gehoben, gesenkt und gedreht wird. Wie spielend mit der Last und ihrem Inhalt dreht der Krahn das inhaltreiche Gefäß von Coquille zu Coquille, je eine überspringend, um, der Arbeiter und der Gefahr wegen, nicht zuviel Gluth neben Gluth zu setzen, der Stempel öffnet sich, wie strömendes Wasser sprudelnd und perlend ergießt der flüssige Stahl sich in die Abkühlungsgefäße und das Werk ist vollbracht, aus Eisen ist Stahl geworden vor unseren Augen, die sich noch lange freuen, ein solches Wunder mit angesehen zu haben.

Auf diese Weise werden abwechselnd in zwei Apparaten hier jährlich etwa zehn Millionen Pfund Stahl erzeugt. Beschäftigt sind in der Hütte zwischen siebenzig und achtzig Arbeiter. Daß zu all’ diesen Arbeiten große Vorrichtungen nothwendig sind, um sie mit Leichtigkeit auszuführen, liegt auf der Hand. Der Fachmann kennt sie, dem Laien aber hilft die Aufführung einer langen Reihe von Apparaten, deren Beschreibung uns hier doch unmöglich ist, zu nichts, und deshalb unterlassen wir sie.

Um das fernere Schicksal des Bessemermetalls kennen zu lernen, begeben wir uns nun in das Grobeisen-Walzwerk. Es gehören dazu eine Walzhütte, eine Puddlings- und Schweißhütte, eine Schienenappretur, Zünderwäsche und verschiedene andere Räume. Die Walzenstrecke arbeitet mit einer hundertundzwanzigpferdigen, der Schienentrain mit einer hundertpferdigen Dampfmaschine; im Ganzen hat das Walzwerk, mit einer Mannschaft von fünfhundertundfünfzig Mann, fünfzehn Dampfkessel im Betrieb, welche durch die abgehende Flamme der zwanzig Puddel- und ebenso viel Schweißöfen geheizt werden, drei Dampfhammer von je siebentausend Pfund und einen vierten von dreitausend Pfund Gewicht und verwendet zu einer jährlichen Production von fünfunddreißig Millionen Pfund Schienen, Handels- und Façoneisen über vierzig Millionen Pfund Roheisen und alte Schienen und dazu über hunderttausend Karren Kohlen.

Unser letzter Gang führte uns zu dem getrennt von dem Grobeisenwalzwerk stehenden Feineisenwalzwerk, in welchem jährlich vier Millionen Pfund kleineres Handelseisen, als Niet-, Quadrat-, Flach-, Band- und Winkeleisen, Grubenschienen etc. gewalzt werden, und schließlich zu der erst vor drei Jahren neu gebauten Maschinenbau-Werkstatt, welche bei einer Mannschaft von hundertundfünfzehn Mann, ausgerüstet mit allen möglichen Werkzeugsmaschinen neuester Construction, ebenfalls im Stande ist, allen Aufträgen zu genügen.

Wir sind am Ende. Wir würden aber eine erst neulich von M. M. von Weber in der Gartenlaube[1] ausgesprochene Rüge selbst verdienen, wollten wir nicht auch hier nach dem Mann und Meister uns umsehen, dem der Haupttheil der technischen Ehre dieser großen Leistungen gebührt. Herr Alexander Rühle von Lilienstern, aus Bedheim bei Hildburghausen, ein Zögling der Freiberger Akademie, ist der technische Director dieses Hüttenwerkes, dem er fast seit der Begründung angehört. Nach einem Urtheil der „Deutschen Industriezeitung“ (1867, Nr. 8) verdankt die Königin-Marienhütte es hauptsächlich seinen Kenntnissen, seiner rastlosen Thätigkeit und Energie, daß sie dermalen als das bedeutendste und lebensfähigste Eisenhüttenwerk im Königreich Sachsen dasteht. „Er war,“ sagt sie, „der Erste in Sachsen, welcher Roheisen mit Anwendung von Coak darstellte, die Gichtgase zu metallurgischen Zwecken mit Vortheil verwendete und in neuester Zeit der Bessemerstahlfabrikation Eingang verschaffte. Endlich richtete er auf der Königin-Marienhütte auch die Schienenfabrikation ein, von deren Ausdehnung und gutem Resultat das Gesammtnetz der sächsischen Eisenbahnen seit vielen Jahren glänzendes Zeugniß ablegt.“

Zum Schluß überzeugte uns ein Stündchen geselligen Zusammenlebens mit Director und Beamten der Hütte, wie trefflich ein Mann, der nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz auf dem rechten Fleck hat, die ernste Pflicht als Lebensfreude zuhöchst zu stellen, aber auch die Freude als eine Lebenspflicht für sich und seine Untergebenen zu ehren und mit jener in würdigste Verbindung zu bringen vermag.

Fr. Hfm.




Blätter und Blüthen.

Noch einmal Karl Schurz. Die „Gartenlaube“ brachte neulich einen längeren Artikel über den braven Deutschen Karl Schurz. Gestatten Sie, daß ich aus seinem reichen Leben Ihren Lesern noch einen Zug erwähle, der von der kühnen Unerschrockenheit und Geistesgegenwart des Mannes das glänzendste Zeugnis, ablegt.

Es war zur Zeit der wilden Wahlbewegung, die über die letzte Besetzung des Präsidentenstuhls der Vereinigten Staaten entscheiden sollte. Die erste Amtsperiode Lincoln’s lief zu Ende. Mit jenem unerschütterlichen Humor, der den großen Märtyrer der amerikanischen Staatsidee keinen Augenblick verließ, hat er damals die Lage seines Vaterlandes, die Bedeutung des wogenden Wahlkampfes selbst gezeichnet. Als ihn ein Senator fragte, ob er sich denn die Kraft zutraue, den Staat in so schwerer Zeit zu lenken, erwiderte er: „Ob mir Gott diese Kraft verliehen hat, weiß ich nicht; ich habe aber einmal von einem deutschen Bauer gehört, daß, wenn man durch einen reißenden Strom reitet, es bedenklich sei, in der Mitte des Stromes das Pferd zu wechseln.“ In der That bedeutete schon der bloße Wechsel in der Person des Präsidenten in diesem Augenblick den muthwilligen Selbstmord der Union. Denn bis der neue Präsident sich in sein Amt eingelebt hatte, konnten die verzweifelten Offensivstöße des Südens den Staat Washington’s zertrümmern. Und die Wahl des Gegencandidaten [288] Lincoln’s vollends bedeutete schlechthin den Niedergang amerikanischer Freiheit, die Zerreißung des Staates, den bequemen Triumph der Sclavenhalterpartei. Denn schon an der Spitze des Heeres hatte Mac Clellan, jetzt Lincoln’s Gegencandidat, mit mehr als zweifelhaftem Zaudern dem Vordringen der südlichen Heere eine fortwährende Concentration nach rückwärts entgegengesetzt.

In diesem großen Wahlkampf, der sicherlich in demselben Grade, wie der kühne Zug Sherman’s nach Savannah, auf Jahrzehnte über das Schicksal der nordamerikanischen Union entschied, stand die große Mehrzahl der Deutschen in Amerika mit aller Kraft ein für die Wiederwahl Lincoln’s. Indessen gab es eine Anzahl Städte, wo nur wenige muthige Deutsche dem Terrorismus der „Demokraten“ gegenüber für ihre Ueberzeugung und ihren Candidaten einzutreten wagten. An diesen Orten galt es vorzugsweise, in die theils träge, theils wenig muthige Masse unserer Landsleute Leben und Energie zu bringen. Und diese Aufgabe hatte sich Schurz gestellt. Er reiste von Stadt zu Stadt. Ueberall, wo er aufgetreten war, hinterließ er mindestens unter seinen Landsleuten begeisterte Wiederwähler Lincoln’s. Jetzt nahte er sich seiner schwersten Aufgabe, seinem Auftreten in Chicago. Chicago galt bis dahin als das Bollwerk der „Demokraten“ oder „Copperheads“,[2] wie ihre Gegner sie nannten. Hier waren wiederholt jene „demokratischen“ Monstreversammlungen abgehalten worden, zu denen ganz Amerika Vertreter sandte und die stets mit der Ausstellung jener famosen „demokratischen“ Parteiprogramme („Plattform“) endigten, die in ihrer perfiden Vieldeutigkeit einem Talleyrand Ehre gemacht hätten. Der irische und amerikanische Pöbel der Stadt konnte in Hinsicht der Ungenirtheit und Rohheit seines Auftretens gegen politische Gegner durchaus als Muster „demokratischer“ Wahlagitation gelten. Und in diese Höhle des Löwen wollte Schurz sich wagen! Wenige muthige Deutsche hatten eine Volksversammlung ausgeschrieben. Durch Placate war den erstaunten Demokraten kundgethan, daß Karl Schurz heute Abend für die Wiederwahl Lincoln’s auftreten werde. Karl Schurz kam an und stieg in dem ihm von seinen Freunden bezeichneten Gasthofe ab. Er fand sie versammelt. Nach einem herzlichen Empfange konnten sie ihre Niedergeschlagenheit nicht mehr bemeistern „Sie dürfen heute nicht auftreten,“ riefen sie Alle.

„Warum nicht?“

„Die Copperheads werden in Massen erscheinen und haben alle Taschen voll Steine. Sobald Sie reden, Schurz, sind Sie ein Mann des Todes.“

„Ah bah,“ sagte Schurz, „das ist nicht zu fürchten. Ich werde sprechen.“

Er blieb fest, trotz aller Mahnung. Pünktlich zur bestimmten Stunde betrat er die Rednerbühne. Eine gewaltige Kriegserklärung gegen die Copperheads bildete den Anfang seiner Rede. Stürmische Unterbrechung, Beifall der Freunde, Johlen, Brüllen, Gelächter auf Seiten der Gegner. Einige derselben steigen auf die Bänke.

„Meine Herren Copperheads!“ fährt Schurz fort, „daß Sie johlen, lachen und brüllen können, weiß ich, daß Sie mich unterbrechen wollen, auch, ja ich weiß sogar noch ganz andere Dinge. Sie wollen auch Steine werfen! Sie haben alle Taschen voll. Aber ich weiß auch sicher, daß Sie das nicht thun werden, und zwar einfach deswegen, weil Sie Copperheads, d. h. zwar giftig, aber feige sind und sich der Ueberzahl meiner Freunde gegenüber niemals zum Kampf stellen werden. Der erste Stein, der geworfen wird, bedeutet den Tod des Werfers; beim Hinausgehen werden wir genau erfahren, wer mit mörderischer Absicht hier erschienen war mit Steinen in den Taschen. Der Lohn dafür wird draußen ausgetheilt werden. Denn heute haben wir die Macht.“

Lautlos hörte die Versammlung die große politische Rede, die dann folgte; unendlicher Beifall lohnte den Redner. Als aber die Versammlung sich verlaufen hatte, fand man Unter und auf jeder Bank ansehnliche Steinhaufen, genug, um die vierfache Anzahl der Freunde von Karl Schurz zu steinigen. Sie bezeichneten die Stätten, wo „demokratische Gesinnungstüchtigkeit“ gesessen hatte.




Die Deutschen – ein Räubervolk. Wir haben uns bisher immer, etwas auf unsere Civilisation zu Gute gethan Und glaubten wenigstens über den Mongolen und ähnlichen Völkern zu stehen. Daß dieses jedoch nicht der Fall ist, das zu beweisen, hat einer der berühmtesten slavischen Gelehrten, Herr Franz Palazky in Prag, unternommen, welcher von jeher die Deutschen auf das Gehässigste in seinen Schriften verunglimpft, hat und nun sich so weit versteigt, uns als „Räubervolk“ hinzustellen. Herr Palazky gehört einer Nation an, die von jeher bei ihren Nachbarn übel berüchtigt war, nämlich der czechischen. Man weiß, wie dieses Volk gern Mein und Dein verwechselt, Man kennt seine schmachvollen Judenhetzen aus der allerjüngsten Zeit, seine Schwärmerei für den Feudaladel, seine Vorliebe für das Concordat und seine Opposition gegen das liberale Ministerium. Ist so das Volk beschaffen, dann darf man sich nicht wundern, wenn seine Gelehrten in, ähnlicher Weise Vorgehen und gegen die Deutschen die gröbsten Schmähungen ausstoßen. Dieses that in einer historischen Streitschrift gegen Prof. Höfler kürzlich der genannte Palazky. Nach ihm giebt es zwei Völkergruppen: „Räubervölker“ und „friedliche, erwerbfleißige“. Zu den ersteren gehören die Deutschen, Mongolen, Türken, Hunnen, zu den letzteren vorzugsweise die Slaven. Bei uns floß das Recht aus der Quelle der rohen Gewalt, bei den Slaven aber aus dem vereinbarten Willen der Gesammtheit. Das allgemeine Merkmal der ursprünglich slavischen Zustände ist die Freiheit, das der deutschen die Herrschaft und Knechtschaft; ja dieser Historiograph beweist uns sogar, daß vom Standpunkte der Staatenbildung die Römer und die Deutschen tief unter den Russen, ja selbst unter den Mongolen stehen! Daß die Deutschen, welche den Slaven Städtewesen und Bürgerthum brachten, welche in Böhmen die Eisenbahnen bauten, Handel und Industrie begründeten, Anspruch auf Dankbarkeit der Slaven haben, leugnet der genannte Gelehrte, der auch die Erfindung machte, daß die Leibeigenschaft von den Deutschen bei den Slaven eingeführt wurde. Es möge dies genug sein, um die Phantasie des „größten slavischen Gelehrten“ zu charakterisiren. Aber noch Eines haben wir zu bemerken. Die Deutschen sind ein gemüthliches Volk und nur allzu gerecht gegen ihre Feinde. Als im Jahre 1858 die Universität Jena ihr dreihundertjähriges Jubiläum feierte, da schmückte sie die Häuser, in welchen hervorragende Männer als Studenten gewohnt, mit Gedenktafeln. Eine solche Tafel trägt auch den Namen Franz Palazky’s, der seine Bildung deutschen Hochschulen verdankt, aber voll des Undanks unsere Nation in unwürdiger Weise jetzt beschimpft. Wäre es nicht Ehrensache der Stadt und Universität Jena, diese Tafel zu entfernen? – Zur Zierde kann sie der freundlichen Musenstadt sicher nicht gereichen, und jeder Deutsche, der dort den Namen des haßerfüllten Czechen liest, wird sich mit Ekel von dem Hause abwenden müssen, in welchem ein Verunglimpfer unsers Volkes wohnte.

R. A.


Kleiner Briefkasten.

Nackwitz. Der eingesandte Beitrag von zwei Thalern ist an die hiesige Localsammlung abgegeben und im Leipziger Tageblatte quittirt.



Opferstock für Ostpreußen.

Es gingen ferner ein: Aus Boston 500 Thlr. und zwar: durch den Gesangverein Orpheus 206 Thlr., durch den Bostoner Turnverein 150 Thlr., Extrabeisteuer aus der Orpheus-Casse 100 Thlr. und Ueberschuß einer Sammlung für eine dem Orpheus von deutschen Frauen geschenkte Fahne 44 Thlr., in Summa 500 Thlr.; Sammlung durch Hrn. Buchhändler Berndt in Odessa 50 Thlr.; freie Spenden, gesammelt bei einem Vortrage des Hrn. Dr. Stern im handelswissenschaftlichen Verein in Dresden 30 Thlr. 25 Sgr.; H. D. in W. 10 fl. rhein.; Ertrag einer Abendunterhaltung Chemnitzer Sonntagsschüler und deren Gönner 3 Thlr.; Ertrag eines Gesang-Concerts von der Lehrer-Conferenz zu Dittmannsdorf bei Freiberg, durch Kirchschullehrer König (für die Lehrer) 10 Thlr.; C. A. Busch in Odessa 10 Thlr.; C. Rabe in Medzibosch (Rußland) 9 Thlr. 5 Sgr.; Garderobengeld von Oe. durch Ptr. 1 Thlr. 5 Sgr.; von denselben in Paris (45 Franken) 12 Thlr.; der Turnverein in Helgoland durch Cath Buse 15 Thlr.; A- P. in Zürich 3 Thlr.; L. in Sz. Hutta (Ungarn) 5 fl. ö. W.; K. T. 4 Thlr. 71/2 Sgr.; Ungenannt 5 fl. ö. W.; Georg Bodemer in Zschopau (für die Lehrer) 100 Thlr.; bei der Confirmation in Hebbelstedt ges. von Lehrer Werner 3 Thlr. 211/2 Sgr.; von Deutschen in Fellin (Livland) 38 Silberrubel; Expedition des Friedländer Wochenblattes 3 fl. ö. W. und 1 Thlr. ; Ertrag einer von sieben Schülern der Classe 2 B. des Teichmann’schen Institutes in Leipzig veranstalteten Lotterie kleiner Handarbeiten durch Margarethe Schmidt 5 Thlr.; Sammlung von J. Zeisberg in Freudenthal 4 fl. öster.; von Seibt, Fuhrath und Aettner in Antonoffka (Gouvernement Poltawa) in Rußland 15 Rubel; Pfennigsteuer des Turnvereins in Lützen 3 Thlr.; Daskow in Mürzzuschlag 1 Thlr.; der Theater-Dilettanten-Verein in Beuthen 15 Thlr.; von C. von Schoultz in Mohileff (Rußland) 3 Rubel; ein Ungenannter und eine Ungenannte 2 Thlr.; A. durch H. 3 Thlr.; H. in Bremen 1 Thlr.; Siegfried in Amsterdam 1 Thlr.; von zwei deutschen Mädchen E. B. und A. H. in Marseille 2 Thlr. und fünf Franken; ein Rheinpreuße in Oberitalien 1 Thlr.; Sammlung durch Herm. Wenige in Eliot House in Boston 25 Thlr.; aus dem Gouvernement Tambofs in Rußland (40 Rubel) 37 Thlr. 7 Sgr.; der Frauenverein in Manitowa (Wisconsin) durch Gesine Boquelle 48 Thlr.; Sammlung unter den Mitgliedern des Germania-Schützenvereins in Boston 100 Thlr.; Sammlung des Anzeigers in Crimmitzschau 128 Thlr. 23 Sgr. 1 Pfg.; Ertrag eines für die Hungernden veranstalteten Concerts in Hamilton (Ohio) durch Kaufmann Hermann 199 Thlr.; durch das Hülfscomité (durch Hauptmann Madlung) in Oldesloe (Holstein) 126 Thlr. 19 Sgr.; von der Liedertafel in Brüssel 135 Thlr. und nachträglich dort gesammelt durch Kießling u. Co. 5 Thlr., zusammen 140 Thlr; M. M. P. Mecklenburg 60 Thlr.; Sammlung in Lasalle (Illinois) durch Matthiessen und Hegelen 250 Thlr., und zwar: von H. Hallbauer, Miß Mohme, E. C. Hegelen, R. Graf, CH. Güngerich, Chr. Nenner, I. Weerth, H. Wertheim und Weyl, L. Leffman, M. Friedman, H. Fleischer, G. Lässig, Fr. Stuhl, John Hauschildt, E. Pagenstecher, I. Holby, Edmund Haug, Louis Pöschel, Paul Konschack, Franz Waschkawack, Waller, John Waschcoviack, Nic. Rungman, August Neps, Wilhelm Friedrich Neps, Alexander Berninger, J. Jacques, Lambert Joubens, I. Hasselmann, Eng. Mellerlein, Neureuther, Maurice Welsh, John Roß, Pet. Wagner, Louis Schwaderer, Louis Peterson, Louis Dehn, Joseph Pasque, John Zarkirka, Jos. Zarkirka, George Frost, Louise Bayrhoffer, F. Matthiessen, J. Eliel, John Trewitz, Orsinger, Conrad Bräutigam, Chas. Diesterweg, R. Eliel.

Von diesen neuesten reichen Gaben (nahezu 2000 Thlr.) gingen sofort ab: an den Bürger- und Bauernfreund in Gumbinnen 500 Thlr.; an den Hülfsverein für Ostpreußen in Berlin 500 Thlr.; an das Provincialcomité in Königsberg 500 Thlr.; an das Unterstützungscomité für Lehrer 300 Thlr.; den Hinterbliebenen der ihrem Berufe zum Opfer gefallenen neunzehn Aerzte 200 Thlr.

Die Redaction.



Inhalt: Im Hause der Bonaparte. Historische Erzählung von Max Ring. (Fortsetzung.) – Die Heiligen Hallen des Rheinweines und die Ruhestätte eines Volkskämpfers. Von Ferdinand Heyl. Mit Abbildung. – Pariser Bilder und Geschichten. Der Herr von Paris. Von U. Roderich. – Der Componist des Arndt'schen Vaterlandsliedes. Ein Burschenbild. - Deutschlands große Industriewerkstätten. 5. Die Königin-Marienhütte bei Zwickau. Von Fr. Hfm. Mit Abbildung, – Blätter und Blüthen: Noch einmal Karl Schurz. – Die Deutschen - ein Räubervolk. - Kleiner Briefküsten. – Opferstock für Ostpreußen.


  1. Jahrgang 1868, S. 73.
  2. Eine kleine, aber sehr giftige Schlange der nordamerikanischen Fauna. Sie hat einen kupferfarbigen Kopf. Daher der Name.