Die Gartenlaube (1879)/Heft 45

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1879
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 45. 1879.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 1 ½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig· – In Heften à 50 Pfennig.


Verheirathet.
Novelle von H. Wild.


Am Saume eines mexicanischen Urwaldes hielten, fackelbeleuchtet, zwei Reiter in klarer Nacht, der Eine ein europäisch gekleideter Weißer, die Linien des Gedankens auf der vergeistigten Stirn, der Andere, welcher die Fackel trug, ein Neger mit pfiffigem Gesichtsausdrucke.

„Ist’s hier,“ fragte der Erstere, „wo wir rasten werden?“

„Ja, Herr,“ antwortete der Fackelträger.

Sie ritten auf ein Blockhaus zu, das wie eingeklemmt aus Baumgruppen hervorblickte, wohl eine Art Nothwirthshaus, das hier, fern von jeder anderen menschlichen Wohnung, wie Freundesgruß lockte. Es schien von Gästen überfüllt zu sein; denn Lärm, Lieder und das dumpfe Gerassel der Negertrommel schollen den Ankommenden schon von weitem entgegen, und zahlreiche dunkle Gestalten bewegten sich in dem innern Raume, der durch die rothe Lohe brennender Kienfackeln und die Gluth eines mächtig aufflammenden Herdfeuers hell erleuchtet war. Aus den Fugen der Wände und den Oeffnungen, die als Thür und Fenster dienten, strahlte dieser Schein grell in die Nacht hinaus und zeichnete das Gebäude scharf ab von den stillen, schwarzen Massen des Urwaldes, die es von drei Seiten umgaben.

Einen Augenblick zögerte der Weiße, sich dem Schutz dieses ihm völlig unbekannten Obdaches anzuvertrauen. Es war die Zeit des Secessionskrieges; die unteren Theile der Bevölkerung, weit über die Grenzen der Union hinaus, waren durch denselben aufgewühlt, die Leidenschaften wogten in bedenklicher Weise, und für einen Reisenden, namentlich einen, der dem Welttheile fremd und mit dessen Sitten und Bräuchen nur wenig vertraut war, mußte Vorsicht doppelt gerathen erscheinen. Doctor Edmund Walter, ein junger deutscher Botaniker, befand sich auf Streifzügen durch einen Theil von Mexico, um die Wissenschaft durch Forschungen auf dem Gebiete der dortigen Flora zu bereichern; er hatte seit Wochen kein menschliches Antlitz gesehen, jenes seines Negers ausgenommen, und da dieser, der das Blockhaus kannte, feierlich versicherte, daß auch Jäger und Reisende besseren Standes, welche Zufall oder Geschäfte des Weges führten, hier nicht selten einzukehren pflegten, und daß der Wirth ein ruhiger, zuverlässiger Mann sei, so entschied die Sehnsucht, einen mehr oder minder gebildeten Menschen zu finden, von dem man Nachrichten aus den bewohnten Theilen des Landes erhalten konnte, dazu die Aussicht auf eine heiße Bowle, die nach dem langen Ritt in der empfindlich kalten Nachtluft doppelt willkommen erschien.

Der junge Gelehrte sprang vom Pferde, dessen Besorgung er seinem Neger überließ, und betrat das Haus.

Was er suchte, fand er nur zur Hälfte. Zwar wimmelte es in dem von Rauch geschwärzten Raume von Gestalten der verschiedensten Art; alle menschlichen Färbungen, bis in ihre kühnsten Schattirungen, schienen daselbst vertreten zu sein, und die romantische Zerrissenheit der Anzüge hätte das Herz eines Malers mit Wonne erfüllt. Allein vergebens spähte der Botaniker nach einem Repräsentanten der weißen Rasse, außer dem Wirthe, dessen scheue, abgeängstigte Physiognomie nicht darnach angethan war, besonderes Vertrauen einzuflößen. Es blieb ihm daher nichts übrig, als sich mit seiner eigenen Gesellschaft zu begnügen.

Er setzte sich in einen Winkel, bestellte sich die Bowle und ein Abendessen, so gut es eben zu haben war, und während er auf beides wartete, betrachtete er ausruhend das ihn umgebende Bild. Schwatzend, lachend und singend, auf wackligen Bänken und Stühlen sitzend oder auf dem Fußboden kauernd, essend und trinkend oder mit Karten und Würfeln beschäftigt, hatte die Gesellschaft ihrerseits nicht sonderlich auf den neuen Ankömmling geachtet. Ein Einziger hatte eine Ausnahme davon gemacht, und gerade dieser war es, der nach der ersten Umschau auch Walter’s Aufmerksamkeit ausschließlich fesselte.

Es war ein großer, wohlgebauter Mulatte mit auffallend kräftigem Körper, dessen intelligente, aber finstere und leidenschaftliche Gesichtszüge sich gelegentlich verzerrten unter den Zuckungen der Spielwuth, mit welcher er dem wechselnden Glücke seiner Würfe folgte. Besser gekleidet als alle Uebrigen, sogar mit unleugbarem Geschmack, wenn auch in den schreienden Farben, welche sein Stamm mit Vorliebe trägt, schien er ebenso an Geldmitteln wie an Nichtachtung derselben seinen Mitspielern überlegen zu sein; nach der Art, wie er bei Verlusten aus einem großen netzartigen Beutel, der an seinem Gürtel befestigt war, die Geldstücke den Gewinnern hinwarf, und wie er sie einstrich, wenn er gewann – was meistens geschah – galt seine leidenschaftliche Aufregung offenbar nicht sowohl dem Gewinn oder Verlust, als vielmehr dem Spiel selber.

Das hätte schon genügt, um Walter’s Interesse zu wecken. Auffallender noch war es, daß der Mann trotz seiner Aufgeregtheit keinen Augenblick die Verbindung mit der nicht beim Spiel betheiligten Umgebung verlor. Kurz, doch stets mit befriedigender Deutlichkeit beantwortete er jede der zahlreichen Fragen, die von dem Einen und Andern, welcher zu ihm trat, an ihn gerichtet wurden, und warf oft ganz unerwartet blitzartige, entscheidende Bemerkungen in die Gespräche hinein, die zwischen verschiedenen Gruppen in seiner näheren Umgebung gehalten wurden. Und überall [746] wurde, was er sprach, mit der zustimmenden Unterwürfigkeit entgegengenommen, die den Untergebenen gegen den Vorgesetzten ziemt.

Der Mann war unzweifelhaft eine erste Autorität unter seines Gleichen.

Während Walter sein Nachtmahl verzehrte und dazu seine Bowle schlürfte, überkam ihn plötzlich ein Gefühl, als habe er den Menschen schon früher gesehen, dieselbe hochragende Gestalt, dasselbe gebieterische Tragen des Kopfes und die meist von den langen Lidern verdeckten Augen, die, plötzlich sich öffnend, Blitze zu schleudern schienen. Hier und da auf den Marktplätzen der Städte durch die Menge streifend, im Dunkel des Urwaldes rasch verschwindend oder unversehens auftauchend aus den hohen Gräsern der Prairie – irgendwo an solchen Orten, und zwar öfters, mußte ihm der Mann begegnet sein, und jetzt dachte er daran, daß ja auch bei seinem Eintreten der Blick des Mulatten sich langsam von den Würfeln erhoben und ihn gestreift hatte mit einem Ausdruck – Walter konnte nicht sagen mit welchem, aber ein angenehmer war es keinesfalls gewesen. Es lag überhaupt nichts Anmuthendes in der glühenden dunklen Tiefe dieses Blickes, der selbst in seiner Ruhe an den des Königstigers erinnerte, wenn dieser, übersättigt und in sicherem Versteck hingelagert, das scheue ahnungslose Wild ungefährdet herankommen und vorbeistreifen läßt, zu träge, um eine Klaue zu rühren – nur der blinzelnde Blick folgt nach, als berechne er schon jetzt an dem Lebenden den Werth des ihm sicher zufallenden künftigen Fraßes.

Und wie Walter es dachte, hoben sich wieder jene düstern Augen, und wieder hefteten sie sich auf ihn mit demselben unerklärlichen Ausdruck, der dem jungen Manne jetzt ein beklommenes Gefühl erregte. Er stand auf und trat in’s Freie hinaus, um aus dem Gesichtskreise des Mulatten zu kommen.

Es war eine wundervolle, wenn auch herbstlich kalte Nacht. Durch die dichte Finsterniß der Tropen leuchtete der wolkenlose gestirnte Himmel mit bezaubernder Pracht. In die flammende Herrlichkeit über ihm verloren, saß er auf einem Baumstumpfe und hatte bald den sonderbaren Mulatten und sogar sich selbst vergessen.

Ein schwaches Geräusch vom Hause her weckte ihn aus seiner Versunkenheit, und den Blick dahin wendend sah er unter der weiten Thüröffnung den Mulatten stehen, deutlich von dem erhellten Hintergrunde sich abhebend, die Hand über die Augen gelegt, als spähe er aufmerksam in die Finsterniß hinaus. Neben ihm stand ein Neger, mit dem er gesprochen zu haben schien, doch huschte dieser eben in das Haus. Walter glaubte seinen Diener erkannt zu haben, nur war die Erscheinung zu flüchtig gewesen, um einen sichern Anhalt zu bieten. Der Mulatte mußte sich jetzt genügend orientirt haben, denn raschen sichern Fußes schritt er vorwärts durch die Finsterniß und blieb, als sehe er Walter, in Gesprächsweite von ihm stehen.

„Seid Ihr der kräuterkundige Fremde, der seit einiger Zeit sein Wesen in dieser Gegend treibt?“ fragte er im correctesten Französisch und mit einer Stimme, deren eigenthümlicher Wohllaut, trotz der herrischen Betonung, dem Botaniker schon vorhin aufgefallen war.

„Ja,“ antwortete er verwundert. „Wollt Ihr etwas von mir?“

„Ihr kehrt in Eure Heimath zurück, und zwar bald, sowie Ihr den Zweck dieser Reise erreicht habt?“

„Allerdings,“ versetzte Walter, nicht wenig überrascht, den Farbigen in seine Absichten so gut eingeweiht zu sehen.

Der Mulatte schwieg eine Weile.

„Wohl dem, der eine Heimath hat!“ sagte er dann.

„Ja wohl,“ stimmte Walter dieser unerwarteten, fast lyrisch gefärbte Bemerkung zu.

„Wollt Ihr heirathen?“ fragte plötzlich der Mulatte.

Walter stutzte. Der Mann schien es darauf abgesehen zu haben, ihn von Ueberraschung zu Ueberraschung zu führen.

„Nein,“ sagte er endlich, und dann mußte er lachen. Ein blondes Bäschen fiel ihm ein, das ihm stets als der Inbegriff aller weiblichen Abgeschmacktheit erschienen war und mit dem seine gute Mutter verfängliche Pläne gegen die Freiheit ihres Sohnes geschmiedet. Diese mütterlichen Bestrebungen, denen er nicht schroff begegnen wollte, hatten ihr gutes Theil dazu beigetragen, ihm die Reise über’s Meer als eine angenehme Abwechselung erscheinen zu lassen.

„Ihr seid ein junger Mann und bedürft einer Hausfrau,“ fuhr der Mulatte fort, „vielleicht seid Ihr schon verheirathet?“

„Auch das nicht. Die Wissenschaft ist bis jetzt meine einzige Geliebte gewesen, und nie wird sie mein Herz mit einem irdischen Weibe theilen. Ich denke, Ihr versteht mich,“ setzte Walter gutlaunig hinzu. Die Sache amüsirte ihn.

Vielleicht verdroß der leichte Spott den Mulatten. „Des Menschen Schicksale werden noch durch andere Einflüsse geleitet, als den eigenen Willen,“ bemerkte er scharf.

„Gewiß,“ versetzte Walter. „Allein gerade im Punkte des Heirathens erfreut sich der Mann, wenigstens bei uns, einer glücklichen Freiheit, die Keiner sich so leicht wird entwinden lassen.“

„Es kommt auf die Macht der Umstände an. Denkt Euch, Ihr hättet keine Wahl, als die Frau –“

„Ich würde einfach Nein sagen.“

„Auch um den Preis Eures Lebens?“

Walter verlor die gemüthliche Stimmung.

„Das Leben ist Jedem eine kostbare Sache,“ sagte er ernst. „Hat man doch nur das eine. Und eben darum hat der Staat diese kostbare Sache unter den Schutz des Gesetzes gestellt.“

Ueber die Lippen des Mulatten kam ein Laut, von dem es schwer war zu entscheiden, ob er mehr Zorn oder Verachtung ausdrücken sollte. Walter erhob sich. Das Gespräch, in dem er nichts als eine rohe Verhöhnung sah, fing an, ihm lästig zu werden, und er wollte in das Haus zurück. Der Farbige vertrat ihm den Weg.

„Bleibt!“ herrschte er den Deutschen an. „Ihr sollt meinen Willen thun, ob Ihr nun wollt oder nicht. Ich habe nicht umsonst Tage und Wochen und meiste besten Kundschafter daran gewendet, bis ich Euch hierher gelockt. Zwingt mich nicht, Mittel anzuwenden, vor denen all Euer Widerstand vergebens wäre. Das Mädchen, für das ich Euch bestimmt, vereinigt Alles, was ein Mann Eurer Art sich wünschen kann.“

„Ich aber will sie nicht!“ rief Walter, dem der Zorn nachgerade zu Kopfe stieg.

„Sie ist schön.“

„Meinetwegen.“

„Sie ist reich.“

Walter antwortete nicht und machte ein paar Schritte dem Hause zu. Der Mulatte blieb dicht neben ihm.

„Ihr sucht mir umsonst zu entkommen,“ sagte er. „Ueberlegt es nochmals! Ihr seid in meiner Gewalt. Wollt Ihr das Mädchen heirathen oder nicht?“

„Ich habe es Euch schon gesagt – nein!“ rief Walter, um so ärgerlicher, als er zu seiner Beschämung fühlte, daß er immer mehr die Geduld verlor, während sein Gegner vollkommen ruhig blieb.

„Nun gut, so seid Ihr mein Gefangener,“ sprach der Mulatte und hatte im selben Moment Walter’s Arm mit eisernem Griffe gefaßt.

Der junge Botaniker war den gewöhnlichen Vorfällen des Lebens gegenüber weit mehr ein Träumer, als ein Mann der That. In seiner Wissenschaft, wie in einer unbezwinglichen Festung, verschanzt, hatte er sich von den Leidenschaften und Wirren der außerhalb sich bewegenden Wirklichkeit bisher nur wenig berührt gefühlt. Dennoch stählte der rohe Angriff, der ihn so unerwartet traf, seine Nerven blitzartig zu ihrer ganzen, von ihm selbst kaum geahnten Kraft. Mit einem raschen Rucke machte er sich frei, sprang zwei Schritte zurück und hatte im nächsten Augenblicke auch schon den Revolver gefaßt. Aber mit der Waffe in der Hand und dem Bewußtsein der damit verbundenen Uebermacht, kehrte ihm auch sogleich die gewohnte Mäßigung zurück. Er war überzeugt, er habe es mit einem Wahnsinnigen zu thun, und einen Kranken niederschießen wegen der Aeußerung seiner Krankheit, das war für sein Gewissen weit ärger, als ein gewöhnlicher Mord. Er trat daher noch etwas weiter zurück, und den Revolver in Bereitschaft haltend, sagte er ruhig, aber fest: „Ich kenne Euch nicht und weiß nicht, was Ihr wollt. Laßt mich in Frieden! Ich habe nichts mit Euch zu thun –“

„Ihr sollt mich kennen lernen,“ zischte der Mulatte, und in seiner Stimme, obgleich sie jetzt verhalten war, grollte es wie drohendes Gewitter. „Ja, Ihr sollt Melazzo Guizcoa kennen lernen, und daß er noch nie vergebens gedroht –“

Und plötzlich, wie rasend und blind, drang er von Neuem auf den jungen Gelehrten ein.

War es das Knacken des Hahnes an dessen Revolver oder [747] der gleichzeitige Schrei eines Condors, der, wie aus der Ferne, und doch scharf und deutlich über den Wipfeln hin zu den Beiden drang, was ihn plötzlich in seinem Anlaufe inne halten ließ? Er war jetzt Walter so nahe, daß dieser sein rasches heftiges Athmen vernehmen konnte, während er die dunkle Gestalt, sich schwarz abzeichnend von der umgebenden Finsterniß, in gespanntem Horchen regungslos stehen sah. Noch einmal ertönte der Schrei – und noch einmal, diesmal in schneller Wiederholung – der Mulatte wich zurück. Doch auch im Hause mußte der Schrei seine Wirkung thun, denn unter den Leuten drinnen entstand plötzlich eine jähe, sich überstürzende Bewegung.

„Ich muß fort,“ sagte der Mulatte, tief aufathmend. „Denkt an Melazzo Guizcoa – vergeßt den Namen nicht, denn ich habe beschlossen, daß er mit Euch bis an das Ende Eures Lebens gehen soll! Lebt wohl! Wir werden uns wiedersehen –“

Und er war verschwunden, als habe der Boden ihn verschluckt.

Walter kehrte in das Haus zurück; es war leer. Er sah sich nach seinem Neger um und entdeckte ihn nach kurzem Suchen, fest eingeschlafen, im Stalle neben den Pferden. Der Mensch, welcher ihm durch eine erstaunliche Kenntniß der Wege in der Gegend bisher sehr nützlich gewesen, war ihm plötzlich verdächtig geworden, und er faßte den Entschluß, ihn am andern Morgen zu entlassen.

Als er wieder in die Wirthsstube trat, fand er dieselbe von neuem Leben erfüllt. Ein zahlreicher Trupp Männer, welche eben von den Pferden gestiegen waren, zwängte sich lärmend zur Thür herein, während draußen Pechfackeln, welche der Schaar den Weg beleuchtet, auf der Erde ausgestoßen wurden. Es waren reiche mexikanische Pflanzer und Sclavenbesitzer, zu denen sich einige der nahe angrenzenden Union gesellt hatten, durchweg Weiße und von den verschiedensten Altersstufen, vom unbärtigen Jüngling bis zum silberhaarigen Greise, aber Alle rüstig, Alle bis zu den Zähnen bewaffnet, Alle auch, ohne Unterschied, von wüstem, zügellosem Aussehen und mit jenem unverkennbaren Gepräge, welches nur die lange Gewohnheit des Befehlens den Gesichtern eingräbt. Mit ihrem rücksichtslosen Hereinstürmen, ihrem Rufen, Lachen und Schreien und dem harten Auftreten ihrer hohen schweren Stiefel bildeten sie einen scharfen Gegensatz zu der dunklen, wilden, dürftig beschuhten Schaar, die so gespensterhaft flüchtig in die Nacht verschwunden war.

Ein alter Neger, der dem Wirth gehörte, hatte alle Mühe, dem ungeduldigen Begehren der herrischen Gäste nach heißen Getränken mit genügender Schnelle zu entsprechen, und auch die junge Wirthin war erschienen, um bei ihrer Bedienung behülflich zu sein. Die ganze Gesellschaft befand sich in der größten Aufregung. Walter war kaum eingetreten, so brachte man gewaltsam den Wirth geschleppt, und auf das Haupt des todtbleichen zitternden Mannes fuhren von allen Seiten Fragen und Flüche nieder, wie Schloßen auf ein Weizenfeld, während er, trotz der Angst, die ihn sichtbar schüttelte, starrsinnig dabei blieb, daß er nichts wisse, Niemand gesehen habe und sich überhaupt um seine Gäste nur so weit kümmere, als es bei seinem Beruf als Wirth unerläßlich sei.

Auf sein Befragen erfuhr Walter, daß die Herren sich auf der für sie interessantesten aller Jagden befänden, nämlich auf einer Menschenjagd. Man hatte vor einigen Monaten den Besitzer einer großen mexikanischen Plantage mit Weib und Kindern und einem Theile seiner Sclaven ermordet gefunden; die Anderen waren entflohen, und auf diese fiel natürlich der Verdacht. Noch stärker fiel er auf einen gewissen Melazzo, den nachgelassenen Bastard eines vornehmen Mexikaners, dem sein Vater, aus unbegreiflicher Eingenommenheit für den malpropren, aber begabten Sprößling, eine ungewöhnlich sorgfältige Erziehung hatte angedeihen lassen.

Viel war dabei die Rede von der Raubgier und Grausamkeit des wilden Gesellen, und eine Reihe ruchloser Thaten wurde zur Bekräftigung erzählt, besonders wie er seine Laufbahn damit begonnen, den eigenen Bruder und Erben seines Vaters zu erdrosseln, als dieser ihn einst mit der Peitsche geschlagen. Seitdem treibe er sich flüchtig umher, habe bei allen bösen Streichen seine Hand im Spiele und spotte dabei jeder Verfolgung, da er über die farbige Bevölkerung des Landes und leider nicht minder über die herabgekommene weiße eine geradezu zauberhafte Macht besitze. Deshalb hatten denn zuletzt die Herren selbst sich verbunden, und dem Treiben des Burschen, den sie offenbar in gewissem Sinne für gefährlicher hielten, als die ganze unionistische Armee, sollte ein Ende gemacht werden um jeden Preis. Sichere Kundschafter wollten ihn in der Nähe gesehen haben; in dieser Posada sollte er sein Lager aufgeschlagen haben, und so hatten sie sich in der prächtigsten Jagdlaune aufgemacht, um den dunkelhäutigen Bösewicht abzufangen und ihm ohne weiteren Proceß an einem der nächsten Bäume den Garaus zu machen.

Dabei war es ihnen nun gegangen, wie schon oft Anderen vor ihnen: sie hatten das Nest leer gefunden, und der gesuchte Vogel saß Gott weiß wo und sang ihnen sein Spottlied nach.

Seltsamer Weise kam Niemand auf den naheliegenden Einfall, Walter wegen eines vermutheten Besuchs des Mulatten im Wirthshause zu befragen. Von selber aber der Gesellschaft mitzutheilen, wie nahe er noch vor wenigen Minuten den Gesuchten vor dem Revolver gehabt, dazu verspürte er im Hinblicke auf den unglücklichen Wirth keine Lust. Er lehnte auch die Einladung, sich an der weiteren Hetze zu betheiligen, die ihm von mehreren Seiten gemacht wurde, unter dem Vorwand von Ermüdung mit ruhigen, höflichen Worten ab und zog sich bald in die Kammer zurück, welche die Wirthin, dankbar für sein Schweigen, ihm in der Eile zurecht gemacht hatte. Die Männer hatten unterdessen stehend ihre Gläser ausgetrunken; jetzt zündeten sie ihre Fackeln wieder an, und gleich darauf hörte Walter sie unter wildem Hallo davonbrausen, froh, der unheimlichen Verwickelung nach beiden Seiten hin in so guter Art entkommen zu sein.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als er am nächsten Morgen mit seinem Neger bereits wieder auf der Wanderung war. Die Absicht, seinen verdächtigen Begleiter zu entlassen, hatte er aufgegeben, seit der neue Morgen ihm die Ruhe der Ueberlegung und das gewohnte Phlegma wiedergegeben hatte. So trabten sie denn weiter zusammen in friedlicher Vereinigung, und wenn der Schwarze wirklich Grund hatte, mit dem Ausgang der gestrigen Begegnung unzufrieden zu sein, so war er klug genug, es nicht merken zu lassen.

Um vor jeder Möglichkeit einer neuen Begegnung mit Melazzo gesichert zu sein, hielt es der Botaniker für das Klügste, ein Land zu verlassen, wo die Gesetze nur dem Namen nach existiren, und sich und seine Mission sobald wie möglich unter den Schutz der nordamerikanischen Flagge zu stellen.

So hatte er sich denn wohlgemuth der nahen Grenze zugewendet, und in seinem Herzen bat er dem Neger die ungerechte Verdächtigung ab, als er diesen in einer wahrhaft kindlichen Freude über die veränderte Reiseroute sich ergehen sah.

Es mochte der dritte Nachmittag nach jenem ereignißreichen Abend sein, als Walter, der sich bereits wohlbehalten auf dem Boden der Union befand, nach einer ungewöhnlich erfolgreichen botanischen Streiferei, behaglich im Schatten einer weit ausgebreiteten Platane hingestreckt, seine wissenschaftliche Ausbeute zu besserer Einsichtnahme vor sich ausgebreitet hatte.

In freudige Betrachtungen über die günstigen Erfolge des Tages versunken, hörte er plötzlich einen Gegenstand pfeifend durch die Luft sausen, und fast zu derselben Zeit hatte sich die Schlinge eines Lasso fest um den Hals des jungen Mannes gelegt. Ohne einen Laut von sich zu geben, sank er rücklings auf den Boden zurück, von dem er sich eben erhoben hatte. „Nicht tödten!“ hörte er noch den in spanischer Sprache ertheilten Befehl und verlor dann für einen Augenblick die Besinnung.

Als er erwachte, fühlte er sich an Händen und Füßen gebunden; dunkle Gestalten bewegten sich um ihn; der Lasso wurde von seinem Halse genommen und ein Knebel zwischen seine gewaltsam geöffneten Zähne geschoben. Dann hoben ihn zwei Neger in die Höhe, warfen ihn wie einen Sack Getreide über ihre Schultern, und fort ging es unter Lachen, Johlen und Singen, quer durch den Wald, daß die Aeste der Bäume und die dornigen Zweige der Lianen dem Gefangenen empfindlich in das nach aufwärts gewendete Gesicht schlugen.

Eine Stunde etwa dauerte der Marsch; dann lichtete sich der Wald; ein weiter Wiesenraum dehnte sich vor ihnen aus, und zugleich schlugen die Laute einer größeren Menschenmenge an Walter’s Ohr. Er versuchte den Kopf zu wenden: Lagerfeuer brannten an vielen Stellen über die Lichtung verstreut, und um dieselben wimmelte es von abenteuerlichen Gestalten, alle der farbigen Race angehörend, in einer Anzahl, die dem Deutschen in seinem jetzigen halbbetäubten Zustande geradezu unübersehbar erschien.

[748] Bei dem Erscheinen des Trupps, welcher den Gefangenen brachte, bemächtigte sich dieser Strolche eine unbeschreibliche Aufregung. Wer in der Nähe war, warf unter Fluchen und Verwünschungen weg, was er gerade in den Händen hielt, um mitzugehen, und von den entfernteren Punkten liefen die Anderen herbei und schlossen sich an. Dazwischen erscholl das Bellen der Hunde, das Weinen und Schreien der gestoßenen und getretenen Kinder, das schrille Rufen der Weiber.

Die Träger hatten noch nicht Halt gemacht, als eine mächtige, wohlbekannte Stimme an Walter’s Ohr schlug.

„Habt Ihr ihn endlich?“

„Ja, Herr!“ lautete die Antwort.

Dann noch einige Schritte, und mit einem plötzlichen Rucke sah sich der unglückliche Gelehrte dicht neben einem riesigen offenen Feuer auf die Erde versetzt.

Seine erste Bewegung deutete auf den, freilich vergeblichen, Versuch, sich der gefährlichen Nähe der züngelnden Flammen zu entziehen. Ein rohes Lachen der ihm zunächst Stehenden antwortete hierauf, und schon hoben sich ein paar nackte braune Füße in der unverkennbaren Absicht, ihn dem feindlichen Gluthherde noch näher zu schieben, als ein leiser drohender Laut der soeben gehörten befehlenden Stimme im Momente rings umher lautlose Ruhe schuf. Aufblickend, erkannte Walter die hohe Gestalt und die grausamen kalten Augen des Mulatten Melazzo, die in aufmerksamer Beobachtung auf ihn gerichtet waren.

„Pedro!“ rief der Mulatte jetzt.

Ein junger Mestize trat vor, der die Leitung des Unternehmens gehabt zu haben schien.

„Es ist der Spion, Herr, der Deinen Zufluchtsort verrathen hat. Heute trafen wir ihn, als er eben seine Zaubermittel vor sich ausgebreitet hatte. Möge ihn die verdiente Strafe treffen!“

Der Mulatte nickte. Seine unheimlichen Augen verließen den Gefesselten nicht einen Augenblick.

„Ja, er ist es,“ sagte er dann mit der eigenthümlich wohllautenden Stimme, die für Walter das Entsetzliche seiner Erscheinung womöglich noch erhöhte. „Er ist der Mann, der nicht nur mich, sondern uns Alle dem Strick der weißen Schufte ausliefern wollte. Was werden wir mit ihm beginnen?“

Ein Zucken zweideutigen Erstaunens lief über all die gaffenden, in höchster Spannung stierenden dunklen Gesichter; dann folgte ein Murmeln, welches ungefähr die Meinung kundgab, daß der umliegende Wald Bäume genug enthalte, um die ganze Sclavenhalter-Armee an ihren Zweigen baumeln zu sehen, und daß daher nichts leichter sei, als diesen einzelnen wehrlosen Deutschen mit einem passenden Galgen zu versorgen.

Der Mulatte nickte auf’s Neue. Ueber seine bronzenen Gesichtszüge glitt es wie herber Hohn, doch nur für die Dauer einer Secunde. Er erhob den Kopf, und die frühere athemlose Stille trat wieder ein.

„Er hat den Tod verdient,“ sagte er mit laut erhobener Stimme. „Wir stehen indessen nicht allein. Der Union, den Befreiern der Sclaven sind unsere Dienste gewidmet, und General Grant zahlt mit freigebiger Hand jede Kundschaft, die wir ihm bringen. Die Aussagen dieses Menschen können ihm und dadurch auch uns von Nutzen sein. Ueberlaßt ihn daher mir! Ich werde ihn auszuforschen wissen, und Ihr sollt alle mit mir zufrieden sein.“

Wieder durchlief ein Murmeln die Versammlung; nach kurzem, unsicherem Zögern erfolgte endlich die einstimmige Einwilligung. Der Mulatte schien es nicht anders erwartet zu haben. Ruhig winkte er ein paar Leute heran.

„Bringt den Gefangenen in Sicherheit!“ sagte er. „Die Nacht ist da; Ihr werdet müde und hungrig sein; ein Fäßchen Rum steht für Euch bereit. Geht und laßt es Euch schmecken.“

Ein tobender Jubel antwortete dieser Rede. Wieder wurde Walter aufgehoben und wenige Minuten darauf befand er sich in einer Art von Verschlag, der, roh aus ungeschälten Holzstämmen ausgeführt, zur Aufbewahrung von Kisten und allerhand Vorräthen diente. Die schwere Thür wurde geschlossen, und eine eiserne Stange von außen davor befestigt; der junge Mann war allein und hatte ungestörte Muße, seine Lage zu übersehen, so weit nämlich die traumartige Betäubung, von der er sich noch immer nicht befreien konnte, und das schmerzende Einschneiden seiner Bande ihm die Fähigkeit dazu ließe.

Walter glaubte nicht, daß Melazzo es auf seinen Tod abgesehen – und doch – wenn es kein anderes Mittel zur Rettung gab, als eines, das offenbar der Wahnsinn erfunden hatte – Walter’s Seele bäumte sich schaudernd auf bei dem Gedanken. Sollte er ein Weib aus dieser blutgetränkten Hand empfangen, dann dünkte ihm selbst der Tod eine Erlösung.

Allein der Tod ist kein Gast, den man mit offenen Armen und lächelnder Lippe zu empfangen pflegt, und Walter hatte so Vieles, was ihm das Leben theuer machte: eine segensreiche Wirksamkeit, den Ruhm des Gelehrten, und vor Allem die Heimath, von der er jetzt erst fühlte, wie stark sie seine Seele fesselte.

Sie war ihm kein Paradies gewesen, diese Heimath, denn Walter war armer Leute Kind und hatte sich durchkämpfen müssen durch des Lebens Noth – es war ihm gelungen – und wie Vieles enthielt diese Heimath nicht sonst noch, wie Vieles, das ihm theuer war! Der letzte Brief, den er der Mutter geschrieben, er sollte nun der letzte bleiben für alle Ewigkeit.

Walter stöhnte auf im grimmen unaussprechlichen Schmerze. Und dazwischen kamen immer wieder die körperliche Leiden und steigerten sich zur unerträglichen Qual. Er konnte nicht schreien; denn der Knebel riß seinen Mund aus einander und drückte ihm die ausgedörrte Zunge gegen den trockenen, brennenden Gaumen – ach! und er hätte Alles gegeben, was er auf Erden besaß, für einen einzigen labenden Trunk.

Endlich nahm die fieberhafte Betäubung immer mehr überhand und versenkte ihn in einen Zustand halber Vergessenheit. Da weckte ihn ein Geräusch, das vor dem Verschlage entstand. Die eiserne Stange wurde von der Thür weggenommen; diese öffnete sich; Licht drang herein, und Melazzo erschien auf der Schwelle. Ein junger Neger hinter ihm trug eine Fackel, die er, vortretend, an der Mauer in eine rohe Klammer befestigte; dann bückte er sich zu dem Gefangenen nieder, löste den Knebel aus seinem Munde und rückte ihn in sitzende Stellung, worauf er sich schweigend entfernte.

Melazzo hatte dem ganzen Vorgehen stumm mit verschränkten Armen zugesehen; nun trat auch er vor, stieß mit dem Fuße einen großen Holzblock in die gehörige Lage und setzte sich nieder. Dann zog er mit Gelassenheit ein höchst zierlich gearbeitetes silbernes Etui hervor, das schwerlich auf gesetzlichem Wege in seinen Besitz gelangt war, entnahm ihm einige Cigaretten und begann mit größter Gemüthsruhe zu rauchen, indem er dabei mit offenbarer Befriedigung seinen Gefangenen betrachtete.

Walter wandte die Augen weg, um sich den verhaßten Anblick zu ersparen. Melazzo rauchte unbekümmert weiter. Endlich hatte er seine Cigaretten zu Ende geraucht, und Walter fühlte, daß nach der Komödie jetzt der Ernst sich geltend machen werde.

(Fortsetzung folgt.)




Berliner Bilder.
3. Der Berliner Gänsemarkt.

„Eine jute, jebratene Jans und ein juter Jurkensalat ist eine jute Jabe Jottes,“ sagt der richtige Berliner. In der That ist die Gans der Lieblingsvogel unserer modernen Weltstadt und genießt eine größere Popularität nach ihrem Tode als mancher berühmte Mann bei seinem Leben. – In welcher Gestalt sie auch erscheinen mag, ob als knuspriger, goldbrauner Braten, mit Borsdorfer Aepfeln gefüllt, als herzhaftes Gänseweißsauer, von delicater Gallerte umgeben, oder als zarte, rosige Spickgans, immer ist sie Allen ein willkommener Gast. Jeder einzelne Theil, das Gänseklein, die Leber, das Schmalz und die Grieben erfreuen sich einer besonderen Verehrung und haben ihre Liebhaber.

Bei ihrem Anblick verklären sich die Gesichter der Kinder, lächelt die Hausfrau, schmunzelt der Vater und begrüßt die selige Freundin, deren saftiges Fleisch nun des zerlegenden Messers

[749]

Berliner Gänsemarkt. Von Albert Conrad.
Nach einer Photographie aus dem Verlage der „Photographischen Gesellschaft“ in Berlin.

[750] wartet, mit zärtlichen Blicken und einer Libation von Rothwein oder Kümmel, die um so reichlicher fließt, je fetter und saftiger die Gans ist. – Dem bürgerlichen Magen erscheint sie als der Inbegriff der höchsten culinarischen Genüsse und als die Zierde des häuslichen Tisches an Sonn- und Feiertagen wie bei allen sonstigen festlichen Gelegenheiten. Kein Geburtstag, keine Hochzeit, keine Kindtaufe, keine Fröhlichkeit, kein Vergnügen, keine Heiterkeit ohne Gänsebraten! – Die Gans ist die Freundin des Mittelstandes, die Wohlthäterin der bürgerlichen Familie. Noch nach langen Jahren erinnern wir uns mit wehmüthiger Wonne der Sonntagsgans im elterlichen Hause und gedenken dabei der schönen Zeit, wo wir sehnsuchtsvoll die Edle erwarteten, wo ihr bloßer Duft uns schon entzückte. – Aber auch der aristokratische Feinschmecker und Lebemann liebt und verehrt sie, allerdings nur, so lange noch alle Reize der Jugend sie schmücken.

Kein Wunder, daß die Gans in Berlin ein sehr begehrter Artikel ist, und daß die Nachfrage öfters das Angebot übersteigt, Millionen dieser bescheidenen, nützlichen und angenehmen Geschöpfe werden jahraus jahrein hier gekauft und verzehrt. Der Berliner Gänsemarkt genießt eines wohlverdienten Rufes und wird ebenso stark und noch stärker als die Börse besucht. Auch hier giebt es Tage, wo das Geschäft eine Schwindel erregende Höhe erreicht und Tausende in wenigen Stunden umgesetzt werden, und wieder stillere Zeiten, wo der Absatz stockt und die Preise erheblich fallen.

An bestimmten Tagen der Woche kommen die Verkäufer aus der Nähe und Ferne, die ländlichen Gänsezüchter von den Ufern der Spree und Havel bis aus dem fernen Pommern und Mecklenburg zu Fuß und zu Roß, meist in großen Planwagen, und bieten ihre gesuchte Waare auf den dazu angewiesenen Plätzen aus, unter denen der frühere Gensd’armenmarkt, jetzt Schiller-Platz, den ersten Rang einnimmt. Dort, wo sich vor dem königlichen Schauspielhaus, dem Tempel der Musen, das Standbild des idealsten deutschen Dichters erhebt, zwischen der französischen und deutschen Kirche, entwickelt sich jeden Mittwoch und Sonnabend ein ebenso interessantes wie eigenthümliches Schauspiel – der größte „Berliner Gänsemarkt“.

Wie durch einen Zauber verwandelt sich der würdige, sonst der Kunst und Religion hauptsächlich gewidmete Schiller-Platz in einen lärmenden, wogenden Markt. Die Musen weichen vor den Hökerinnen, und statt der frommen Predigt und der heiligen Orgeltöne hört man nur das Schreien und den Ruf der Händler und der Käufer.

Damen aus den mittleren Ständen, Handwerkerfrauen, Dienstmädchen und Köchinnen drängen sich durch das tobende Gewühl, handeln und feilschen um die Wette. Hier ladet eine dicke Hökerin mit lauter Stimme die Vorübergehenden ein, ihre frische Butter zu kosten, „süß wie Mandeln“; dort schimpft eine rothhaarige Fischhändlerin mit der diesen Damen eigenen scharfen Zunge in drastischen Ausdrücken über das niedrige Angebot einer Käuferin, die sich eilig aus dem Bereich der gefährlichen Gegnerin zurückzieht. Galante Schlächtergesellen scherzen und lachen mit artigen Dienstmädchen zum Aerger ihres Meisters oder der eifersüchtigen Meisterin. Concurrenten oder übervortheilte Kunden gerathen in Streit und drohen, mit einander handgemein zu werden. Ein Marktdieb wird auf frischer That ertappt und der Polizei zur Bestrafung übergeben. Dazwischen drängen sich genäschige Kinder, Straßenjungen, alte Weiber, Träger und Trägerinnen, die sich zum Fortschaffen der gekauften Waaren, der Körbe und Taschen anbieten, besonders aber zahlreiche Landleute aus der Umgegend, die ihre Erzeugnisse nach der Residenz bringen. Da wird gehandelt und gekauft, geschäkert und gelacht, geklagt und geschimpft, geliebt und gehaßt, ein Stelldichein gegeben und ein Rendezvous verabredet, ein Portemonnaie gestohlen und ein heimlicher Händedruck gewechselt.

Ebenso interessant und bunt wie das Bild der wimmelnden Menschen, ist das der mannigfach feilgebotenen Waaren: In großen Wassertrögen und Bütten zappeln und springen Hechte, Karpfen, Zander und Aale, Krebse und Hummern. In den Körben der Obsthändler und Grünzeugkrämer liegen die schönsten Aepfel, Birnen, Pflaumen, Weintrauben und Melonen, reizen die riesigen Köpfe des zarten Blumenkohls, die dicken Spargelstangen, die würzigen Suppenkräuter den Appetit der Feinschmecker. – Eine Fülle von blühenden Rosen, Camellien, Azaleen und schlanken Palmen zieren die Tische der Gärtner und verleihen, vereint mit einfachen Blumensträußen und eleganten Bouquets, mit großen und kleinen Kränzen, dem Ganzen einen poetischen Anblick und Duft, mit dem sich allerdings die weniger angenehmen Gerüche von altem Käse, Häringen und Flundern vermischen.

Daneben stehen alte und junge Liebhaber vor den Käfigen der Vogelhändler und bewundern die bunten Tauben mit schillernden Hälsen und Köpfen, all die singenden, zwitschernden und pfeifenden Canarienvögel, Finken, Amseln, Drosseln, Staare und Hänflinge. In einiger Entfernung sitzen stämmige Schlächter in weißen Schürzen, am Gürtel den herabhängenden Stahl zum Schärfen der Messer, und bieten mächtige Ochsenviertel, Kalbskeulen und Hammelrücken zur Auswahl, während die feineren Geflügel- und Wildprethändler Hasen, Rehe, Hirsche, Fasanen und Schnepfen für die vornehmen Kunden aushängen.

Doch vor Allem übt die bürgerliche, bescheidene und doch so nützliche Gans ihren unwiderstehlichen Zauber auf das Herz oder vielmehr auf den Magen des Berliners.

Dort, wo von der Treppe des königlichen Schauspielhauses die Götter des Olymp auf das prosaische Treiben zu ihren Füßen niederblicken, steht der Wagen mit Gänsen, der in diesem Augenblicke eine größere Anziehungskraft für die Menge hat, als der geflügelte Pegasus und der poetische Thespiskarren.

Von der schützenden Leinwand bedeckt, liegen und hängen die Lieblinge des Volkes, umgeben und umworben von ihren kauflustigen Verehrern. Die dralle Köchin prüft mit Kennerblicken und wiegt in ihrer Hand vorsichtig den Vogel, bevor sie der wohlgenährten, ihrem Geschäft gleichsam zum Aushängeschild und zur Empfehlung dienenden Händlerin ein Angebot macht. Jeder Blick, jede Miene der würdigen Frau verkünden das Lob der Gans, und ihr rundes, lächelndes Gesicht scheint für die Güte, Schwere und Gediegenheit der Waare zu bürgen.

„Wo jiebt es noch eine Jans, die sich mit dieser verjleichen läßt! Der reine Speck, und frisch, wie die Semmel aus dem Ofen kommt. Davor steh ich Sie, und wenn Sie mich nich jlauben, brauchen Sie nur zu riechen. Ein wahres Prachtstück! Wenn man sie nur ansieht, läuft Einem das Wasser im Munde zusammen. So ’ne Jans finden Sie nich auf dem janzen Markt. Mit der können Sie Staat machen und Ehre einlegen bei Ihrer Madam.“

„Was soll sie denn kosten?“

„Unter zehn Mark kann ich sie nich lassen. Aber weil Sie immer bei mich kaufen, sollen Sie die Jans für neun haben.“

„Ich denke, daß sieben genug sein werden. – Die Madame schilt, daß ich zu theuer einkaufe.“

„Sie dienen wohl in dem billigen Jeheimrathsviertel, wo man Alles jeschenkt haben will? – Da können Sie mich wirklich leid thun. Das bloße Schmalz ist ja unter Brüdern sechs Mark werth. Wo bleibt das Fleisch und das Klein? Da müßt’ ich ja aus meiner Tasche noch Jeld zulegen.“

„Mit acht Mark will ich sie nehmen, mehr aber kann ich wirklich nicht geben.“

„Na, meinetwegen! Sie sollen sie haben, nur weil Sie es sind und wir uns schon so lange kennen. Aber vor der Madame müssen Sie sagen, daß die Jans neun Mark kostet. Sie haben mich doch verstanden?“

Lächelnd und von der Aussicht auf einen kleinen Nebenverdienst erfreut, hebt die Köchin triumphirend ihre Gans, um die sie von ihrer Umgebung, besonders von dem alten Mütterchen beneidet wird, dessen einziger, aber leider unerreichbarer Wunsch ein ähnlicher Braten ist.

Unterdessen hat der Besitzer des Wagens ein großes Geschäft mit einem bekannten Restaurateur abgeschlossen und ihm acht Gänse verkauft, womit er jetzt einen zuverlässigen Träger beladet, der unter der Last fast zu erliegen droht. – Der alte, arme Mann hat noch nie in seinem ganzen Leben eine Gans gekostet, obgleich er jahraus jahrein viele Hunderte auf seinem gebeugten Rücken trägt und dabei im Stillen über die Ungerechtigkeit des Schicksals nachdenken mag, das dem Einen den Braten und dem Andern nur die Last und die Knochen bescheert.

Da um ein Uhr der Markt polizeilich geschlossen wird, beeilen sich Käufer und Verkäufer, noch in der letzten Stunde handelseinig zu werden. Schnell wird der Vorrath bis auf einige alte oder gar schon anrüchige Exemplare losgeschlagen und der Wagen geleert.

Gewöhnlich scheiden Händler und Kunden vergnügt und zufrieden von einander, doch fehlt es auch nicht an schmerzlichen [751] Enttäuschungen und schweren Klagen, wenn die gekaufte Gans bei genauerer Prüfung nicht die Probe aushält und sich bald zu mager, bald zu zäh erweist. Dann giebt es statt der gehofften Freuden Trauer und Zwist, und nicht selten wird der Borsdorfer Apfel im Innern der Gans zum Erisapfel zwischen der Hausfrau und ihrer Köchin.

Auch zum Gänsekauf gehört Glück und Verstand, wie folgende kleine Geschichte zeigt, die sich hier vor Kurzem zugetragen haben soll.

Da die Gans nicht nur den Beifall und die Liebe der Christen, sondern fast noch mehr die Verehrung Israels genießt, so wollte eine jüdische Hausfrau zum Sonnabend auf dem Markt von einer Bauerfrau eine noch lebende Gans kaufen. Nach langem Hin- und Herhandeln einigen sich endlich Beide über den Preis.

Schon zieht die erfreute Jüdin ihr Portemonnaie aus der Tasche, um das Geld der Bäuerin zu zahlen, als diese sich schmerzbewegt zu der Gans herniederbeugt und von dem Thier traurig Abschied nimmt:

„Zehn Jahre habe ich dich gefüttert, und nun sollen dich die Juden essen!“

So leise diese Worte auch geflüstert werden, entgehen sie nicht den scharfen Ohren der Käuferin. Schnell steckt sie ihr Portemonnaie wieder in die Tasche.

„Gott bewahre mich vor Ihrer Gans! Wenn sie so alt geworden ist, werden sie die Juden nicht essen.“




Der deutsche Schiller-Preis.[1]

Der hundertjährige Geburtstag Schiller’s, der 10. November 1859, gab die Veranlassung zum Entstehen des Schiller-Preises. Der damalige Prinzregent von Preußen, der jetzige Kaiser Wilhelm, betheiligte sich an dem großen Schiller-Feste durch eine seiner edelsten Thaten: er bestimmte „tausend Thaler in Gold und eine goldene Denkmünze für das beste in dem Zeitraume von drei Jahren bekannt gewordene Werk der deutschen dramatischen Dichtkunst“.

In elf Paragraphen wurden ursprünglich die Preisbestimmungen niedergelegt. Eine laut Paragraph 1 durch den Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten alle drei Jahre neu zu ernennende Commission von neun Mitgliedern sollte über gewissenhafte Ausführung der übrigen zehn Paragraphen wachen.

Dreimal ward statutenmäßig der Schiller-Preis ertheilt.

Den ersten Preis erhielt 1863 einer der hervorragendsten deutschen Dramatiker, Friedrich Hebbel, für seine „Nibelungen“-Trilogie. Den zweiten empfing 1866 ein damals noch unbekannter junger hoffnungsvoller Dramatiker, Albert Lindner, für seine Tragödie „Brutus und Collatinus“. Die dritte Krönung ward 1869 dem beliebtesten deutschen Lyriker, Emanuel Geibel, für seine poesievolle dramatische Schöpfung „Sophonisbe“ zu Theil. Durch diese Dichterkrönungen hatten die betreffenden Commissionen den Intentionen des hohen Stifters zu entsprechen gestrebt, welche namentlich in Paragraph 6 der Statuten ihren Ausdruck finden:

„Zur Auswahl werden nur solche in deutscher Sprache verfaßte Originalwerke der dramatischen Literatur zugelassen, welche durch eigenthümliche Erfindung und gediegene Durchbildung in Gedanken und Form einen bleibenden Werth haben. Dabei sind solche Werke besonders zu berücksichtigen, welche zur Aufführung auf der Bühne sich vorzugsweise eignen, ohne doch dem vorübergehenden Geschmacke des Tages zu huldigen.“

Die Commissionen von 1872, 1875 und 1878 fanden keine deutsche Dichtung der Krönung würdig, obschon die Mitglieder der letztgenannten Commission durch Einberufungsschreiben des hohen Ministeriums dahin verständigt wurden:

„daß jene Worte (des Paragraphen 6) nicht in einer Strenge zu fassen seien, welche vielleicht selbst hervorragende Werke unserer classischen Literatur zur Zeit ihrer Entstehung von dem Preise ausgeschlossen haben würde. Sei der bleibende Werth dramatischer Werke nur in seltenen Ausnahmen unmittelbar nach ihrem Erscheinen mit vollkommener Zuversicht zu constatiren, so werde man immerhin dem, was in seiner Zeit nach dem Urtheile ernster und sachverständiger Männer eine hervorragende Bedeutung habe, in gewissem Sinne einen bleibenden Werth unter allen Umständen anerkennen dürfen.“

Trotz dieser einsichtsvollen Verständigung fand die Commission keine deutsche Dichtung der Krönung würdig, doch hat sie in Folge derselben einstimmig den Beschluß gefaßt:

„nicht drei Stücke zur Krönung vorzuschlagen, sondern drei dramatische Dichter, die sich wiederholt und auch im laufenden Triennium um die deutsche Bühne verdient gemacht.“

So wurden die Herren Franz Nissel, Adolf Wilbrandt und Ludwig Anzengruber gekrönt. Nissel und Anzengruber sind Oesterreicher; Wilbrandt ist Mecklenburger, wurzelt aber mit seinem dichterischen Schaffen ebenfalls in Oesterreich.

Das Urtheil der Commission ist viel angefochten worden. Vielleicht daß man nur nicht verstand, was es verblümt sagen will. Die Commission krönt statt dramatischer Dichtungen drei Dichter wegen wiederholter Verdienste um die deutsche Bühne „auch im letzten Triennium“. Welche Verdienste? Ich wüßte nicht, worin sie bestehen sollten, wenn nicht in den dramatischen Arbeiten der genannten Dichter. Nun aber: sind diese Arbeiten auch die im „laufenden Triennium“, verdienstvoll, warum krönt man dann nicht statutengemäß diese Arbeiten? Wozu dann die neue Form der Motivirung?

Das ganze Verfahren kann keinen andern Zweck haben, als den: die Commissionen von 1872 und 1875 auf eine möglichst unverfängliche Weise zu desavouiren. Denn thatsächlich desavouirt sind dieselben durch die letzte Commissionsentscheidung; die „wiederholt erworbenen Verdienste“ der gekrönten Dichter fallen eben in die Jahre 1869 bis 1875. War es doch 1875, daß der nämliche Adolf Wilbrandt von anderer Seite her als „krönungswürdig“ erkannt wurde, indem er für sein Trauerspiel „Gracchus der Volkstribun“ den ersten „Grillparzer-Preis“ empfing.

Wie dem auch sei: daß die beiden Commissionen von 1872 und 1875 verkehrt gehandelt, ist zweifellos. Ein „bestes Stück“ aus dem für jede Commission in Frage kommenden Triennium war vorhanden, und mochte es ästhetisch eine Höhe haben, welche es wollte: den Absichten des Stifters war mit der Verweigerung jeder Krönung sicher am allerschlechtesten gedient.

Wenn der Schiller-Preis einen Zweck haben soll, so kann es nur der sein: das deutsche Drama zu beleben, indem er einmal dem erfolgreichen Streben zur Belohnung, der tüchtigen Kraft zum Sporn und zum Läuterungsmittel für ihre künstlerischen Ziele wird, dann aber auch, indem er durch den Hinweis auf die werthvollsten neueren Ausführungsobjecte die Bühne bereichert. Jene Commissionen sind weder der ersten noch der zweiten Absicht gerecht geworden.

Aber wie steht es in dieser Hinsicht mit den anderen Commissionen?

Was Punkt Eins betrifft, so verdienen die ersten drei Commissionen, von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet, volle Anerkennung. Auch die letzte hat sich, angesichts der vorliegenden Schwierigkeiten, mit Anstand aus der Sache gezogen.

Anders verhält es sich mit Punkt Zwei. Die von den ersten drei Commissionen gekrönten Stücke sind kaum noch auf dem Repertoire der ersten deutschen Bühnen zu finden. Unter den drei Helden der letzten Preisvertheilung haben Wilbrandt und Anzengruber ohne Zweifel Lebensfähiges geschrieben, während in

Wenn wir den obigen Artikel in der zu Schiller’s Geburtstag erscheinenden Nummer der „Gartenlaube“ zum Abdruck bringen, in welcher wir alljährlich dem Andenken an unseren Dichter ein Blatt zu widmen pflegen, so geschieht dies, weil auch mit dieser Mahnung im Interesse eines Schiller-Instituts ein Wort zu unseres großen Dichters Ehre ausgesprochen wird. Was seinen Namen trägt, sollte stets auch in seinem Geiste vor der Welt erscheinen.

Die Redaction.      

[752] Bezug auf Nissel die Acten noch nicht geschlossen sind. Wilbrandt’s „Gracchus“ ist freilich todt, ebenso wie es zwei, allerdings auch nicht mit dem Schiller-Preise, sondern von anderer Seite gekrönte Stücke sind: Schauffert’s „Schach dem König“ und „Gaßmann’s „Schwabenstreiche“.

Mir scheint aus alledem hervorzugehen, daß in der bisherigen Praxis und – vielleicht auch in der Zusammensetzung der Preisrichtercommissionen etwas faul war.

Mag man es der letzten Commission hingehen lassen, daß sie sich darauf beschränkte – wie sie durch ihren Schrift- und Wortführer Julian Schmidt offen erklärt hat – „durch ihre technischen Mitglieder, die Intendanten und Directoren der größeren deutschen Theater, ‚amtlich constatiren‘ zu lassen, daß sie von den aufgeführten oder zur Aufführung vorgelegten Stücken keines zu nennen wüßten, das einer so hohen Auszeichnung würdig wäre.“

Ihre Lage war eine sehr schwierige; sie mußte sich den Boden schaffen, um zugleich die Fehler der beiden Vorgängerinnen zu corrigiren und ihrer eigenen Aufgabe gerecht zu werden. Aber mich will bedünken, als ob gerade in der eben wiedergegebenen Erklärung der faule Punkt, die Wurzel aller bisherigen Mißgeschicke in Sachen des Schiller-Preises angedeutet liege.

Die Praxis, den Ausschlag durch die Intendanten und Directoren unserer großen Theater geben zu lassen, also unter den „aufgeführten“ Stücken zu wählen, diese Praxis muß aufgegeben werden.

Man prüfe doch das Repertoire sämmtlicher deutscher Bühnen, und – eine schmerzliche Ueberzeugung wird sich Jedem, der sehen will, alsbald aufdrängen: daß es wenige, sehr wenige Bühnenleiter giebt, welche die Befähigung oder den Muth besitzen, die Initiative zur Aufführung eines anderswo noch nicht aufgeführten Stückes zu ergreifen. Die Meisten warten ruhig ab. Einige blicken höchstens in gespannter Erwartung nach – Delphi, und was man dort „Neues“ verkündet, das bringen sie nach kürzerer oder längerer Frist ebenfalls – oder auch nicht; es müßte denn – ein neues französisches Sittendrama sein.

Ferner: Haben der geringen Zahl von Muthigen unter den Bühnenleitern sämmtliche beachtenswerthe deutsche Stücke des Trienniums vorgelegen? Und wenn – sind sie auch alle mit dem nothwendigen fachlichen Ernste geprüft worden? Die oben angeführten Thatsachen verneinen es. Dennoch aber hing bisher im Grunde nur von jenen Wenigen die Entscheidung einer Schiller-Commission – das Schicksal einiger Hunderte deutscher Dramatiker ab, die während des Trienniums ein Stück geschrieben hatten.

Es kann nicht der Zweck dieser Zeilen sein, eine künftige Schiller-Commission belehren zu wollen, wie es anders und besser zu machen sei, allein – übernehmen die Herren Preisrichter einmal ein so hohes Ehrenamt, so müssen sie selbst diesen besseren Weg zu finden wissen; sie müssen sich von vornherein der übernommenen schweren Verantwortung bewußt sein; sie müssen die dramatische Production des letzten Trienniums selbst prüfen, zu prüfen fähig sein, oder für die zugedachte Ehre danken, nicht aber auf unzuverlässige Berichte sich verlassen und darauf hin – über die Geister einer Nation entscheiden.

Werthvolle Stücke werden dann sicherlich zur Krönung gelangen – ob auch bühnenfähigere, als bisher? Hier ist der Punkt, welcher eine Schwäche der ursprünglichen „Statuten für Ertheilung des Schiller-Preises“ kennzeichnet, und dieser Umstand wirkt einigermaßen entlastend für Mängel in der Wahl seitens der ersten Commissionen.

Ein Stück liest sich oft anders, als es sich spielt; erst die Aufführung kann den Grad seiner Bühnenfähigkeit feststellen. Will man also durch Preisausschreibungen den praktischen Hauptzweck erreichen, dem deutschen Repertoire neue werthvolle Bühnenstücke zu gewinnen, dann muß auch in den Commissionen vor Allem die Bühne, der wirklich dramatische, nachhaltige Bühnenerfolg die ausschlaggebende Stimme haben. Bühnenkundige, ästhetisch-literarisch gebildete Männer haben zunächst, umsichtig und gewissenhaft, eine Anzahl beachtenswerther Stücke zu bezeichnen und auszuwählen, diese haben dann die Feuerprobe der Bühne auszuhalten, und je nachdem sie solche vor einem urtheilsfähigen Publicum mit Auszeichnung bestanden, erfolgt die Bestätigung des nunmehr bereits fertigen Urtheils: die Preiskrönung!

Daß nur die Aufführung eines Stückes der richtig entscheidende Factor für eine Preiskrönung sein kann, hat auch die Intendanz der Münchener Hofbühnen erkannt, welche durch Munificenz des kunstsinnigen Königs von Baiern bereits zwei Jahre nach einander Preisausschreibungen erließ, auf Grund deren erst nach erfolgter dreimaliger Aufführung der ausgewählten Stücke die endgültige Entscheidung über eine Dichterkrönung getroffen werden soll.

Möchte alles Mögliche aufgeboten werden, um den Segen des Schiller-Preises der Nation vollauf zu Gute kommen zu lassen! Daß derartige Preisausschreibungen einen hohen nationalen Werth in sich tragen, wenig sichtbar vielleicht für den Augenblick, doch segensreich für die Zukunft der deutschen Bühne, segensreich für die deutschen Dramatiker, segensreich für die Nation – das ist zweifellos. Durch sie zunächst können Fürsten, können die deutschen Bühnenleiter einer durch zahlreiche dramatische Ablaßverkäufer von der Kanzel der Bühne herab schamlos feilgebotenen „importirten“ Frivolität und Sittenverderbniß wirksam entgegentreten; durch sie zunächst kann eine leider schon weit verbreitete deutsche Fremdenseuche wirksam bekämpft werden, und durch sie vielleicht können so manche kritische Verherrlicher des unsittlichen Imports gebessert, kann vielleicht so mancher ungläubige Saulus ein Paulus werden!

Karl Fiedler.      




In der Nacht.

Durch’s Waldthal unter den Bäumen
Im Mondlicht schreit’ ich dahin;
Ein altes vergessenes Träumen
Umspinnt mir lockend den Sinn.

5
Die dunklen gespenstigen Säulen

Ragen am Berghang dort,
Den Käuzlein nur und den Eulen
Ein heimlicher Zufluchtsort.

Aus den Felsen klingt’s; in den Zweigen

10
Gelinde säuselt der West,

Und goldene Thürme steigen
Aus Schutt und Mauerrest.

Aus wallendem Nebel leise
Die todte Liebe taucht;

15
Sie bannt mich in ihre Kreise,

Vom Glanz der Jugend umhaucht.

Wie selig wir damals waren,
Weißt Du’s? so flüstert sie drauf;
Und was mir versunken seit Jahren,

20
Lebendig leuchtet es auf.


Doch wie es gekommen, so balde
Zerrinnt mir das Wundergesicht!
Wo ich sie küßte im Walde,
Die Holde – ich weiß es nicht.

25
Das luftige Bild ist zerstoben,

Der duftige Traum ist verweht!
Nur das wüste Gemäuer da droben
Gespenstig noch vor mir steht.

Im Frühlicht unter den Zweigen

30
Vereinsamt irr’ ich umher…

Die Sonne dort seh’ ich steigen;
Die Herrliche schau’ ich nicht mehr.

 Wilhelm Buchholz.



[753]

Das Reichs-Postmuseum in Berlin.
Mit Illustrationen von Wilhelm Claudius.


„Näher gerückt ist der Mensch an den Menschen,
– – es umwälzt rascher sich in ihm die Welt.“

Schiller: „Spaziergang“.

Mehr und mehr unterzieht sich der Culturhistoriker der Aufgabe, unserer schnelllebenden Mitwelt den mächtigen und in seiner Unvergleichbarkeit geradezu einzig dastehenden Einfluß zu vergegenwärtigen, den die großartige Entwickelung der Verkehrsmittel auf die Gestaltung unseres gesammten öffentlichen und privaten Lebens ausübt. Heutzutage, wo „der Mensch an den Menschen“, wie Schiller in ahnungsvollem Voraussehen so schön sagte, näher gerückt ist, wo der elektrische Funke blitzschnell die Botschaft des Gedankens von Erdtheil zu Erdtheil durch die brausenden Wogen des Oceans trägt und wir es bereits mit Unwillen empfinden, wenn wir nicht Abends in der Zeitung lesen, was Mittags in Paris, London oder New-York oder „weit hinten in der Türkei“ sich zutrug, können wir es kaum begreifen, wie dürftig es mit den Verkehrsmitteln in der guten alten Zeit bestellt war.

Und doch sind es nur wenige Jahrzehnte, welche uns von dem Bilde der Hogarth’schen Reisekutsche trennen, die sich mühselig und beladen durch den Märkischen Sand wälzte, begleitet von den oft in afrikanischer Sonnengluth zu Fuß schleichenden Passagieren. Damals erschien die Einführung der Schnellposten in Preußen durch den Generalpostmeister von Nagler bereits als eine rettende That, an die sich große Erwartungen knüpften; denn, während z. B. die Nachricht von dem siegreichen Einzuge der verbündeten Monarchen in Paris (31. März 1814) bei der Unzulänglichkeit der damaligen Verkehrsmittel erst am 12. April, also nach 13 Tagen, in Berlin angelangt war, hoffte man, es werde mit Hülfe von Herrn von Nagler’s Schnellposten die Hälfte jener Zeit genügen, um die Entfernung von Paris nach Berlin zu durchmessen.

In den dreißiger Jahren wurden sodann die ersten Eisenbahnen gebaut, welche die Nagler’schen Schnellposten weit überflügelten, bis endlich, dank den Forschungen eines Gauß, Steinheil, Ampère, Oerstedt und Anderer, der Telegraph mit einem Schlage die lästigen Begriffe von Raum und Entfernung mit [754] Hülfe der gezähmten Himmelskraft des Blitzfunkens über den Haufen warf.

Gegenüber einem so beispiellosen Siegeslaufe des menschlichen Geistes muß es als eine lohnende und dankbare Aufgabe erscheinen, die Denkmäler, welche den Zustand früherer Culturstufen in dieser Beziehung vergegenwärtigen, zu einer Sammlung, zu einem Gesammtculturbilde zu vereinigen.

Die Anregung zu diesem bei ernster Auffassung überaus weitschichtigen, aber um so bedeutsameren Plane gab der durch seine Schöpfungen auf dem Verkehrsgebiete zu einer wohlverdienten Weltberühmtheit gelangte deutsche Generalpostmeister Dr. Stephan. Nach seinen eigenen Worten wollte er, kühn genug, ein Museum begründen, das eine Uebersicht über das Verkehrswesen aller Zeiten und aller Völker liefern sollte. Die praktische Ausführung dieses umfassenden Planes wurde 1873 begonnen, als in dem damals vollendeten Neubau des Central-Postgebäudes zu Berlin geeignete Räume zur Aufnahme der Sammlungen bereit gestellt worden waren.

Natürlich bedurfte es zahlloser Anstrengungen und Mühen sowie des Zusammenwirkens günstiger Umstände, vor Allem aber der regen Betheiligung vieler Gönner und Förderer des Werkes, um in wenigen Jahren eine Sammlung in’s Leben zu rufen, welche schon heute der Verwirklichung der Idee, der sie dient, nahe gekommen ist.

Treten wir eine kurze Wanderung durch die – freilich noch provisorischen, weil nicht ausreichenden – Räume des Museums, Leipziger Straße Nr. 15 in Berlin, an.

Zunächst bietet das Museum interessante Denkmäler zur Geschichte der Schrift. Es ist sehr lehrreich, das Material zu vergleichen, auf dem in ältester und in neuester Zeit geschrieben wurde. Der Unterschied ist gar kein so gewaltiger, wie man wohl glaubt; denn der altägyptische Papyros, den man aus den am Nil wachsenden Schilfstauden der Papyrospflanze gewann, hat sich, wie die in den Museen befindlichen, mehr als viertausend Jahre alten Papyrosrollen beweisen, als ein vortrefflicher Beschreibstoff bewährt. Heute ist die Pflanze am Nil ausgestorben; sie findet sich dagegen in einer Abart noch auf den Gefilden des alten Syrakus vor, wo sie mit palmenartigen Kronen 12 bis 16 Fuß hoch aus dem Flusse Anapo hervorragt (il Papiro di Siracusa).

Im alten Aegypten – Taaut oder Thaut wird dort als Erfinder der Schrift bezeichnet – hatte der Brief die Rollenform, wohl die älteste, welche in der Culturgeschichte vorkommt; denn wir sehen, wie auf einem ägyptischen Relief aus Benihassan (2000 v. Chr.), dessen Abbildung das Postmuseum besitzt, ein Diener dem Chef der Provinz einen Rollenbrief asiatischer Einwanderer überreicht; auch eine Bronzestatuette aus der Zeit der sechsundzwanzigsten Dynastie in Aegypten (700 bis 600 v. Chr.) zeigt uns einen Briefschreiber, der, eine Papyrosrolle über sein Knie ausbreitend, schreibt.

Ebenso alt mag die in Indien und China übliche Sitte gewesen sein, Blätter der Palme zum Schreiben zu benutzen. Gegenwart und höchstes Alterthum knüpfen hierbei merkwürdig an einander an, indem uns ein im Postmuseum befindliches Palmblatt aus Orissa mit eingeritzten indischen Schriftzügen lehrt, daß noch heute in Ostindien, wie von altersher, die Palme das Material liefert, worauf geschrieben wird.

Der Orient bietet indeß weitere große Mannigfaltigkeiten im Gebrauch der Beschreibstoffe dar. Assyrien und Babylon haben eine ungeheure Anzahl von Thonscherben hinterlassen, die eine großartige Bibliothek bilden und uns einen Theil der Regierungsthätigkeit der alten Herrscher Assyriens in unvergänglicher Frische vergegenwärtigen. Wie dauerhaft der Thon als Beschreibstoff ist, zeigen die wohlerhaltenen, in den Stein eingegrabenen Schriftzüge einiger dieser im British Museum zu London aufbewahrten Actenstücke, von denen Abbildungen für das Postmuseum beschafft sind. Da ist z. B. ein auf Terracotta geritzter Brief des Königs Assur-Beni-Abla an Sinu-Akha-Utsar, ferner eine Bittschrift von fünf Bewohnern der Stadt Daratah an den König Assur; ein anderes Täfelchen, ebenfalls von Terracotta, enthält den Bericht über Fortschritte im Copiren aus Werken der königlich assyrischen Bibliothek, selbst die altassyrischen Standesregister sind auf Terracottastücken eingegraben.

Das Abendland hat ursprünglich gewiß dieselben Beschreibstoffe wie der Orient benutzt; noch in späterer Zeit verwendete der Stoiker Kleanthes Thonscherben zum Schreiben, weil er zu arm gewesen sein soll, sich Papyros zu kaufen, der z. B. zu Perikles’ Zeit in Athen ziemlich theuer war. In Sidon benutzte man Leinwand, in Persien Felle und später Seide zum Schreiben. Die ältesten Beschreibstoffe in Hellas waren Zinn und Blei. Hesiod’s Buch „Werke und Tage“ sah noch Pausanias im dritten Jahrhundert nach Christi Geburt auf Blei „geschrieben“, und Proben von Täfelchen aus Dodona in Epirus, von denen Copien sich im Postmuseum befinden, beweisen ebenfalls, daß man, um das Orakel in Dodona zu befragen, Täfelchen von Blei beschrieb. Ein solches Täfelchen, von unserem Zeichner getreu nachgebildet, hatte folgenden Inhalt:

„Mit Gott und günstigem Geschicke! Die Korkyräer fragen den Zeus Naios und die Diona, zu wem unter den Göttern oder den Halbgöttern sie opfern und flehen sollen, damit sie sich unter einander zum Guten versöhnen.“

Beschriebene Rollen von Zinn, auf denen das Ceremoniell des altmessenischen Gottesdienstes aufgezeichnet war, fand Epaminondas noch bei der Befreiung Messeniens vor. In späterer Zeit schrieb man in Griechenland auf Holztafeln, welche mit einer Wachsschicht bestrichen waren, in die man die Schriftzüge mittelst eines Griffels einritzte. Das Postmuseum verwahrt die Copie eines alten Täfelchens (griechisch pinax, pyxion, deltos, lateinisch tabula, pugillares) mit einem Briefe Cicero’s an Rufus auf. Auch in den Schulen wurden die Tafeln (Diptychen) beim Unterricht benutzt.

Die im Postmuseum befindliche Abbildung der altgriechischen Schreibscene von der berühmten Durisschale aus der Zeit des peloponnesischen Krieges zeigt einen hellenischen Lehrer, der, ein Diptychon haltend, mit einem Griffel Schriftzüge in die Wachstafel einritzt, während vor ihm sein Schüler steht und dem Lehrer lächelnd zuschaut. Sehr gebräuchlich waren die Diptychen in Rom zum Briefschreiben. Vornehme Römerinnen sandten sich täglich Täfelchen zu, die bisweilen aus Elfenbein bestanden, wie des römischen Dichters Martial anmuthiges Epigramm darthut:

„Daß Dir traurige Wachsschrift nicht düst’re die dämmernden Stunden,
Hüllet des Elfenbeins Schnee dunkele Lettern Dir ein.“

Vielfach sandten die Consuln und Prätoren Roms beim Antritte ihres Amtes Begrüßungstäfelchen an ihre Freude ab, woraus sich vielleicht der Gebrauch unserer Visitenkarten herleiten läßt. Später verdrängte der Papyros die Täfelchen; es gab zahlreiche Arten dieses Papiers, das in der Kaiserzeit charta Augusti, Liviae etc. genannt wurde. Das Claudische Papier, charta Claudia, ebenfalls aus Papyros gefertigt, übertraf an Größe alles Frühere, indem es die Länge von fünfundzwanzig römischen Zollen erreichte. Bis in’s dreizehnte Jahrhundert dauerte die Benutzung des Papyros fort; daneben war seit dem zweiten Jahrhundert das Pergament (Damascener Papier) im Gebrauche; im vierzehnten Jahrhundert nach Christi Geburt kam das schon lange im Orient heimisch gewesene Leinen- und Baumwollenpapier im Abendlande auf, bis endlich das moderne Papier von Lumpen und Holzstoff alle übrigen Arten verdrängte.

Eine überaus wichtige Person war im Alterthum der Schreiber. Zahlreiche Namen von „Schreibern“ bewahren uns die ägyptischen Denkmäler auf; die Hellenen betrachteten den Dienst des Schreibers als dem Hermes (Mercur) geweiht. Suidas und Julius Pollux berichten umständlich über das Geräth zum Schreiben, worunter selbst Blei, Zirkel, Lineal und Federmesser und das sogenannte Punctorium nicht fehlen. Das wichtigste Schreibgeräth war der Griffel und, für Papyros, das Rohr, wovon das beste in Asien wuchs; es wurde wie eine Gänsefeder geschnitten und wird noch heute im Orient ebenso benutzt wie im Alterthum. Federn brauchte man, wie Valesianus berichtet, erst zur Zeit des Ostgothenkönigs Theodorich.

Antike Tintenfässer, von denen das Postmuseum Proben enthält, bestanden aus Hölzern mit Vertiefungen, in denen sich theils eine schwarze, theils eine rothe verhärtete Masse befand, die jedenfalls beim Gebrauche angefeuchtet wurde. Zum Einritzen der Schrift in die Wachstafeln bediente man sich eiserner (Hiob) oder bronzener Griffel; von letzteren bewahrt das Postmuseum ein charakteristisches Exemplar auf, dessen Original von Professor Curtius in den altetruskischen Gräbern zu Orvieto aufgefunden worden ist und das unser Zeichner genau wiedergegeben hat. Der runde Aufsatz auf dem Kopfe des Knaben, der den Griffel (stilus) krönt, war [755] zum Glätten des Wachses bestimmt, wenn man die ältere Schrift verwischt hatte, um von Neuem zu schreiben. Mit Bezug hierauf sagt Horaz bezeichnend: „Saepe stilum vertas!“ (Kehre oft den Griffel um!) – wir würden sagen: „Feile fleißig an dem, was du schreibst!“ Einen ähnlichen Griffel zeigt die im Postmuseum befindliche Abbildung des lieblichen „schreibender Mädchens von Pompeji“ (Original in Neapel), das sinnend den Blick auf das vor ihr liegende Täfelchen richtet. Daß der Gebrauch des Siegelringes als Petschaft, sowie der kretensischen und asiatischen Siegelerde (malthe) zum Verschluß der Rollen und Diptychen in die ältesten Zeiten hinaufreicht, ist bekannt. Ein solches Siegel sieht man auf dem berühmten Wandgemälde eines antiken Papyrosbriefes in Pompeji, dessen Adresse wie folgt lautet: „M. Lucretio flam. Martis decurioni. Pompei,“ das heißt „An den Kriegshauptmann Lucretius in Pompeji.“

Zur Beförderung der Briefe bei den Alten dienten Läufer (Hemerodromen und Tabellarii). Eine interessante Erinnerung an einen griechischen Briefboten haben die deutscherseits ausgeführten Ausgrabungen in Olympia zu Tage gefördert. Dr. Treu fand dort die Basis einer Statue auf, welche zu Ehren des beim Wettlauf errungenen Sieges eines Kuriers und Briefboten Alexander’s des Großen, Philonides aus Kreta, auf dem geweihten Boden der Altis in Olympia aufgestellt worden war und deren auch der griechische Schriftsteller Pausanias bei seiner Beschreibung von Hellas erwähnt. Eine Nachbildung jener Basis, deren Inschrift den Philonides als „Durchschreiter Asiens“ feiert, ist, als denkwürdige Erinnerung an den glorreichen Sieg eines althellenischen Postbeamten bei den „Olympischen Spielen“, dem Postmuseum in Berlin einverleibt worden.

In ähnlicher Weise hat die Geschichte die That eines Straßburger Briefboten aufgezeichnet, dessen Figur, eine Copie des am Rathhause zu Basel befindlichen Originals, ebenfalls das Postmuseum ziert. Dieser Bote soll 1444 von Straßburg im Elsaß an den Rath von Basel abgesandt worden sein, um letzteren von dem drohenden Einfalle der Armagnacs zu unterrichten, die unter Ludwig’s des Elften Befehl nach Helvetien vordrangen. Der Bote hatte den Weg von Straßburg nach Basel in einem Laufe zurückgelegt, fiel aber, nach Abgabe seines Schreibens, daselbst todt nieder.

Ueberhaupt sind die „geschworenen“ Boten der Städte sowie die „Reisigen des Rathes“ und die „edlen Postjungen“ der Fürsten und Ritter nicht uninteressante Figuren in einem Culturbilde des Mittelalters. Bei dem Mangel an regelmäßigen Staatsposteinrichtungen, die in Deutschland erst 1517 und in den anderen Ländern noch später hergestellt wurden, waren die Boten die einzigen Verkehrsmittel. In oft malerischen, buntfarbigen Anzügen, mit Botenspieß und Wappenschildern, als Abzeichen ihrer Würde, versehen, zogen diese Boten von Stadt zu Stadt; überall gern empfangen, weil sie die neuesten Nachrichten überbrachten, sammelten sie, nach Ankündigung ihrer Ankunft durch Glockensignale, Briefe und Pakete ein.

Ein trefflicher Abdruck eines Kupferstichs im Postmuseum zeigt uns die behäbige Figur eines Nürnberger Postboten aus der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts, damals „Potten“ oder „Botten“, auch „allamodische Postpoten“ genannt; ein beigegebenes Lied charakterisirt in anschaulicher Weise den fahrenden Postritter der „guten alten Zeit“, in der es übrigens nach Garzonus’ Berichten nicht an zahlreichen Ueberfällen und Beraubungen der Postboten gefehlt hat.

Zahlreiche weitere Botenfiguren enthält die Glockendon’sche Bibel (in der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel), von deren Vignetten zu den Episteln hübsche Copieen sich im Postmuseum befinden; ebenso veranschaulichen die alten Botenordnungen, die von fast allen wichtigeren Städten, namentlich denen des Hansabundes, erlassen und veröffentlicht wurden, in getreuen Copieen den Botendienst und seine Attribute.

Ueber die Höhe des Portos im fünfzehnten Jahrhundert giebt die aufgefundene Rechnung des Guardians im Barfüßerkloster zu Frankfurt am Main vom Jahre 1487 Aufschluß. Damals kostete ein Brief von Frankfurt nach Mainz 4 Heller, während ein Huhn zu jener Zeit einen Werth von 7 Hellern, ein Buch Schreibpapier einen solchen von 9 Hellern und ein Hammel von 100 Hellern hatte.

Eine andere interessante Urkunde im Postmuseum belehrt uns über die Erfindung der Freimarken und Briefkasten, sowie über die Errichtung der ersten „Stadtpost“ zu Paris im Jahre 1653. Mr. Velayer, maitre des requêtes (Steuereinnehmer) in Paris, erlangte damals vom Könige das Privileg, Briefkasten in den verschiedenen Theilen der französischen Hauptstadt aufzustellen und zugleich ein Bureau zu errichten, in dem man für einen Sou Stempelmarken kaufen konnte, welche die Aufschrift „port payé le … jour du mois de … l’an 1653“ (das heißt: Porto bezahlt am … Tage des Monats … im Jahre 1653) enthielten. Diese Marken wurden den Briefen angeheftet, die man so frankirt in die Briefkasten Velayer’s hineinwerfen konnte, von wo die „Stadtpost“ sie täglich dreimal abholte, um sie in der Stadt zu bestellen. Anders eine zweite Ueberlieferung, welche die Erfindung der Briefkasten in die Jugendzeit Ludwig’s des Vierzehnten versetzt. Die Postbeamten, heißt es, trugen damals alle Briefe sorgsam in die dicken Postfolianten ein und zwar mit dem Namen des Absenders, weil der Polizeiminister Louvois dieser Angaben sich bediente, und so kam eine zärtliche Correspondenz des Königs zur Kenntniß Richelieu’s, welcher die Briefchen dem Könige am Morgen nach deren Absendung feierlich wieder zustellen ließ. Seitdem erhob sich ein wahrer Sturm in Paris wegen des Bruches des Briefgeheimnisses, und man setzte es durch, daß in den Straßen von Paris Briefkasten angebracht wurden, in welche Jedermann Briefe hineinlegen durfte, ohne seinen Namen bezeichnen zu müssen. – Das Postmuseum enthält übrigens eine hübsche Sammlung älterer und neuerer Briefkasten.

Während der ferne Orient, wie die von Herodot und Xenophon mit Recht gerühmten persischen Reitposten, sowie die seit uralter Zeit in China eingeführten reitende Kuriere der Regierungspost des himmlischen Reiches bekunden, die Briefbeförderung durch Verwerthung der Schnelligkeit des Pferdes bereits vervollkommnet hatte, fügte die von Augustus in’s Leben gerufene römische Staatspost, cursus publicus, ein neues Transportmittel in den öffentlichen Verkehr ein: die Wagen.

Meistentheils bedienten die Römer sich zum Reisen der zweiräderigen Wagen (birotae, bigae oder rhedae). Die vierräderigen (carpenta) dienten zum Gütertransport. Caligula ließ einmal seine ganze Hofhaltung mit dem cursus publicus nach Gallien senden; unter Constantin (361) wurden selbst große Heeresabtheilungen mit der Post von Rom aus nach dem Euphrat und Tigris befördert.

Bei der Wichtigkeit des Wagens als Beförderungsmittel ist es von Interesse, im Postmuseum zahlreiche Modelle und Abbildungen zu finden, welche den Gang der Entwickelung des Wagens und seiner Bestandtheile von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis auf die Gegenwart veranschaulichen. Den Anfang machen die Kriegswagen der alten Assyrier und Babylonier nach Mustern der Reliefs aus Niniveh, wie sie Layard und Julius Oppert entdeckten, sodann Wagen der alten Aegypter nach Reliefs aus dem Palaste Medinet Abu, ferner Wagen der Phönicier, Hebräer und Perser. Zwei Modelle von Bronzerädern, die aus den unteren Erdschichten bei Arona in Oberitalien ausgegraben und von denen getreue Copien seitens des Turiner städtischen Museums mit freundlichem Entgegenkommen dem Postmuseum in Berlin gewidmet worden sind, vergegenwärtigen den Wagenbau aus altetruskischer oder altitalischer Zeit. Die Räder sind von einfachster Scheibenform gearbeitet, ähnlich wie die Räder der grusinisch-armenischen Arba, die noch heute im Kaukasus in der antiken, von Jahrtausend zu Jahrtausend überlieferten Form des Entdeckers der Räder, Erichthonius, benutzt wird. Auch die althellenischen Kriegswagen nach Mustern vom Fries des Pantheon in Athen zeigen noch die einfachste Kastenform der asiatischen Streitwagen, die natürlich der Federn entbehrten, sodaß der Kasten lediglich auf der Achse lag und beim Fahren in ähnlicher Weise die Insassen erschüttert haben mag, wie es die von Ochsen gezogenen Wagen im afrikanischen Caplande noch heutzutage mit vielem Erfolge leisten. Ein bei den Ausgrabungen in Pompeji aufgefundenes Wandgemälde, dessen Copie dem Postmuseum einverleibt ist, zeigt die Form des altrömischen vierräderigen Lastwagens, wie er beim Transport von Wein (in Schläuchen) etc. benutzt wurde.

Im frühen Mittelalter änderte sich die Form der Wagen nur unwesentlich, wie uns unter Anderem die Abbildungen aus Landsberg’s Hortus deliciarum (zwölftes Jahrhundert) und Brant’s Narrenschiff (1478) lehren. Der traurige Zustand der Wege zur Zeit des Mittelalters wird uns durch eine humoristische [756] Skizze veranschaulicht, welche den auf einer Reise in Tirol am Arlberge umgestürzten Wagen Papst Johann’s zeigt. Letzterer kann sich trotz seiner geistlichen Würde des Ausrufs nicht enthalten: „Hier liege ich in Teufels Namen.“

Erst im fünfzehnten Jahrhundert machte der Wagenbau einen bedeutenden Fortschritt, indem in Ungarn die Kunst erfunden wurde, den Kasten des Wagens (ungarisch Gutsche) in Riemen zu hängen. Doch wurde dieses Mittel zur Milderung des Stoßens zunächst nur bei den Carossen und Staatswagen der Fürsten und Großen angewendet, und selbst die Postwagen im siebenzehnten und zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts entbehrten, wie die Modelle im Postmuseum uns zeigen, in der Regel noch gänzlich des Verdecks und der Riemengehänge, die erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts in allgemeineren Gebrauch kamen.


1. Brief von Cicero an Rufus,[WS 1] auf Bleiplatten. – 2. Bronzegriffel zum Einritzen der Schrift in Wachstafeln; aus einem altetruskischen Grabe in Orvieto. – 3. Schreibende Pompejanerin; Original in Neapel. – 4. 5. 6. Ostindische Postbeamte.


Es läßt sich denken, welche Annehmlichkeiten das Reisen in solchen Wagen ohne Verdeck und Federn für die Passagiere gehabt haben mag. Die abschreckendsten Fahrzeuge dieser Art waren die sogenannten Häringspostwagen, welche zwischen Hamburg und Berlin cursirten und in denen zahlreiche Häringsfässer, welche bisweilen in den Sitzraum der Reisenden hineinrollten, als sinnige Symbole der Geschicklichkeit der Posthalter gelten konnten, die Passagiere auf dem kleinsten Raum gewissermaßen „einzupökeln“.

Wie langsam selbst hohe Personen damals reisten, bekundet die Thatsache, daß die Königin Elisabeth auf der Mailcoach zwischen Edinburg und Glasgow, trotz eines Vorspanns von sechs Pferden, sechs Tage unterwegs war, eine Entfernung, deren Zurücklegung heute kaum sechs Stunden Zeit erfordert. Palmer, ein ehemaliger Theaterdirector, und Mr. Pitt erwarben sich große Verdienste um Verbesserung des Coachsystems in England, sodaß man diese Postkutschen später „flyings“ (fliegende) nannte. Die farbenreichen Genrebilder Henderson’s im Postmuseum veranschaulichen in lebensvoller Weise die romantische, von Walter Scott und Lord Byron besungene Postkutschenzeit, an der man mit pfeilschnellen Rossen die grünen Gelände Old-Englands durchfuhr, geleitet von einem Lenker, dem niemals der Cylinderhut des Gentleman fehlte und der die Gasthäuser seiner Linie in unwiderstehlichem Wortschwalle zu rühmen verstand. England war übrigens im Wagenbau allen übrigen Ländern voraus; denn es hatte statt der Riemen zuerst die Federn bei den Wagen angewandt.

Die Sammlung der Transportmittel des Postmuseums vervollständigen noch Abbildungen der Norwegischen Skyds (zweiräderigen Kariolposten), ferner der archangelschen Rennthierpost sowie der russischen Hundepost in den Tundren und Steppen Sibiriens; endlich sind von besonderem Interesse die Modelle ostindischer Briefboten, Postwagen, Sänften und Trajecteinrichtungen, bei welchen letzteren wir große indische Kürbisse und Krüge als Unterlage zum Tragen von Flößen verwendet sehen, mittels deren die Posten die zahlreichen Ströme und Flüsse der ostindischen Halbinsel überschreiten. Andere Abbildungen vergegenwärtigen uns die südamerikanischen correos (Couriere), welche, den Briefsack im Arme haltend, den Amazonenstrom durchschwimmen, ferner die orginellen Landbriefträger im französischen Departement les Landes, welche bei der Briefbestellung die sandigen Steppen ihrer Heimath auf Stelzen durchschreiten (fracteurs échassiers); endlich die Schneeschuhe des lappländischen oder samojedischen Postboten – in der That eine Fülle von Eindrücken, welche die Verschiedenartigkeit und Mannigfaltigkeit der Sitten und Gebräuche im Verkehrswesen der einzelnen Völkergruppen uns in lebendigen Bildern widerspiegeln.

Es würde zu weit führen, alle postalischen Merkwürdigkeiten des Museums zu schildern, von dessen Gesammtbilde unser Zeichner die am meisten charakteristischen Züge vorgeführt hat; wir beschränken uns daher darauf, nur noch die sehr interessanten Geräthschaften für den Feldpostdienst, die sich im Kriege von 1870 und 1871 so trefflich bewährt haben, ferner die Staatsexemplare wichtiger Postverträge, in prachtvollen Einbänden und mit Staatssiegeln aller europäischen Mächte versehen (darunter ein Vertrag mit dem verflossenen Kirchenstaate), sodann die Urkunden und Karten des Weltpostvereins, endlich die kostbare Markensammlung mit Tausenden von Postwerthzeichen aller Länder der Erde (Jahrgang 1879) und die prächtigen Modelle der von Dr. Stephan erbauten Postgebäude des Reichs hier kurz hervorzuheben.

Die zweite Abtheilung des Museums ist dem Telegraphenwesen, der Darstellung seiner historischen Entwickelung und der

[757]

Ein Blick in das Reichs-Postmuseum zu Berlin.
Nach der Natur aufgenommen von Wilhelm Claudius.

[758] Vorführung der verschiedenen Systeme von Telegraphenapparaten von Gauß’ und Sömmering’s ersten Versuchsapparaten ab bis zu den neuen Morse- und Hughes-Systemen, ferner der Materialien für den Bau von oberirdischen und unterirdischen Leitungen sowie submarinen Kabeln, der Bell- und Edison-Telephone, des Phonographen und des Mikrophons, jenes Sammlers und Ueberbringers der leisesten und zartesten Töne, endlich der Rohrpost gewidmet.

Das Modell der Rohrpost vergegenwärtigt uns eine Lebensader der großen Hauptstädte. Dr. Stephan ließ, weil „der Straßen quetschende Enge“ immer gefahrvoller wurde, 1875 die Stadt Berlin mit einem unterirdischen Netze von pneumatischen Tuben versehen, das am 1. December 1876 in einer Ausdehnung von 25,9 Kilometern mit 15 Stationen dem Betriebe übergeben wurde, und das jetzt (1879) bereits auf circa 40 Kilometer Röhrenlänge mit 23 Rohrpostämtern gestiegen ist. Das Rohrpostnetz entlastet den Telegraphenverkehr in erwünschter Weise und ermöglicht es, Depeschen in wenigen Minuten von einem Ende Berlins an das andere zu befördern. Innerhalb einer Stunde kann man auf jedem von der Rohrpost berührten Punkte Berlins Frage und Antwort ausgetauscht haben. Jeder Rohrpostzug legt etwa 1000 Meter in der Minute zurück; zur Beförderung dienen Blechcylinder mit Lederausfütterung von außen; die bewegende Kraft ist entweder comprimirte oder verdünnte Luft. Im Jahre 1878 sind innerhalb Berlins 1,087,826 Depeschen und 386,966 Rohrpostbriefe mittelst der Rohrpost befördert worden.

Der jüngeren Schwester der Post, der Telegraphie, welche während früherer Jahre in Deutschland eigentlich die Rolle einer Treibhauspflanze oder eines Schmerzenskindes spielte, weil ihre Einnahmen nicht hoch genug waren, um die beträchtlichen Ausgaben zu decken, hat erst die Verbindung mit der altbefestigten Post wieder neues Leben eingeflößt und seit 1876 hat sie unter Dr. Stephan’s kraftvoller und reformatorischer Leitung einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die wichtigste, von Dr. Stephan in’s Leben gerufene Verbesserung des Telegraphen in Deutschland besteht in dem Bau unterirdischer Telegraphenlinien zwischen allen in strategischer, politischer oder commercieller Hinsicht wichtigen Punkten des deutschen Reiches, also den Hauptstädten, den Festungen und den Handelsplätzen. Mit dieser bedeutsamen Neuerung ist Deutschland allen übrigen Ländern weit vorausgeeilt; seine unterirdischen Linien erstrecken sich bereits in einer Länge von 3660 Kilometer durch das Reich. Dank diesen von allen Witterungseinflüssen unberührten Leitungen ist den häufigen Störungen des Telegraphenbetriebes durch Stürme, Schneewehen und andere elementare Kräfte gänzlich vorgebeugt und der Werth der telegraphischen Verbindungen ungemein erhöht worden.

Sehr interessant ist es, die Durchschnitte der Kabel, welche in die Erde versenkt werden, mit ihren starken Schutzdrähten und Compoundhüllen, innerhalb deren die feinen Kupferadern tief versteckt schlummern und der Botschaft harren – „als Inbegriff der allerfeinsten Kräfte“ – näher anzuschauen; sie sind ein schöner Beweis der Beharrlichkeit des Menschen, der sich die gewaltigste Naturkraft dienstbar zu machen verstand. Ein riesiger „Kabelschrank“, in dem beigegebenen Hauptbilde rechts sichtbar, zeigt uns Abschnitte der großen submarinen Kabel, welche, auf dem Grunde des Oceans ruhend, den elektrischen Strom von Welttheil zu Welttheil hinüberführen. Wir scheiden für heute von dem Museum, dessen Besichtigung wir Allen empfehlen, welche sich an jenen bedeutsamen Einrichtungen erfreuen können, die der friedlichen Annäherung der Nationen, der endlichen Verbrüderung aller Völker geweiht sind.




Ehestandsgeschichten unter Pelz und Federn.


Wir glauben auf den Beifall einer großen Zahl von Lesern rechnen zu dürfen, wenn wir im Folgenden Einiges aus den Aushängebogen einer interessanten Schrift mittheilen, welche Ludwig Büchner unter dem Titel „Liebe und Liebesleben in der Thierwelt“ (Berlin, Hoffmann) [2] soeben der Oeffentlichkeit übergiebt. Unter den zahlreichen Beispielen nämlich, welche der Autor für seine Beobachtungen beibringt, sind gerade die interessantesten dem Verfasser in Folge einer öffentlichen Aufforderung in der „Gartenlaube“ (siehe Jahrgang 1875, S. 780) mitgetheilt worden. Von den mannigfachen Capiteln des Buches, das einen Gegenstand behandelt, dem auch die „Gartenlaube“ von jeher ihr besonderes Interesse zugewandt hat, wählen wir dasjenige aus, welches die Ehe und das Eheleben bei den Thieren als eine der entsprechenden menschlichen sehr nahe verwandte Einrichtung bespricht. Wohl wird gar mancher Leser verwundert den Kopf schütteln und sich fragen, ob es bei den Thieren überhaupt eine Ehe gäbe oder geben könne? ob bei ihnen mehr als blos ein regelloser, nur der Eingebung des augenblicklichen Triebes folgender Verkehr der Geschlechter unter einander denkbar oder möglich sei? Die Antwort auf diese Frage lautet: Es kann kein Zweifel darüber sein, daß die „Thierehe gerade so gut eine festbestimmte Einrichtung der thierischen Gesellschaft ist, wie die Menschenehe eine solche der menschlichen. Zahlreiche, gut verbürgte Beispiele und Thatsachen haben es dem Verfasser des obengenannte Buches möglich gemacht, mit Ehestandsgeschichten unter Pelz und Federn nicht weniger als 42 enggedruckte Seiten zu füllen.

„Es braucht kaum gesagt zu werden,“ bemerkt der Verfasser, „daß die Thierehe keineswegs eine blos zu Fortpflanzungszwecken geschlossene Vereinigung ist, sondern daß es, wie sich W. Wundt (Vorlesungen über Menschen- und Thierseele) ausdrückt, „ein gewisses sittliches Gefühl ist, welches dieselbe zusammenhält.“ Auch ist es nicht richtig, daß, wie man gewöhnlich annimmt, die Familienbande zwischen Eltern und Kindern bei den Thieren mit dem Selbstständigwerden der letzteren immer und gänzlich zerreißen, denn Büchner führt schlagende Beispiele für das Gegentheil an.

Als eigentliches Ideal und Vorbild der Thierehe bezeichnet derselbe die Vogelehe. Die meisten Vögel leben in geschlossener Ehe auf Lebenszeit, und nur verhältnißmäßig wenige von ihnen in Vielweiberei (einige auch in Vielmännerei) Manche Vögel halten zum Zwecke der Verehelichung oder Paarung förmliche Versammlungen, in denen der Bund auf Lebenszeit in gemeinschaftlicher Verständigung geschlossen wird. So berichtet Darwin von der „großen Elsternhochzeit“, zu welcher sich die gemeine Elster aus allen Theilen des Delamerewaldes alljährlich im Frühjahr an besonderen Orten zu versammeln pflegt. Man sieht die Vögel in Haufen eifrig schwatzend, zuweilen kämpfend und geschäftig zwischen den Bäumen hin- und herfliegend. Wenn sie sich trennen, bemerkt man, daß sie sich Alle zu Paaren zusammen gethan haben.

Die so viel bewunderte zärtliche und treue Liebe der Sperlings-Papageien ist allbekannt. Bonnet erzählt, daß, nachdem er ein solches Paar vier Jahre lang ernährt hatte, das Weibchen in Altersschwäche verfiel und nicht mehr zum Troge kommen konnte. Es wurde nun vom Männchen gefüttert, und als es schwächer wurde und nicht mehr die Sprosse zu erreichen vermochte, von demselben mit Anstrengung aller Kräfte heraufgezogen. Als es endlich starb, lief das Männchen mit großer Unruhe hin und her, versuchte ihm Nahrung beizubringen, blickte es zuweilen still an, gab ein klägliches Geschrei von sich und starb nach einigen Monaten. Ein Gleiches oder Aehnliches hat man übrigens bei allen sogenannten Gesellschaftsvögeln beobachtet, welche den Tod ihres Ehegenossen selten überleben; Brehm führt sogar ein Beispiel an, daß sich ein Uhuweibchen zu Tode grämte, als sein Gatte und langjähriger Genosse starb. Am nächsten kommt indessen in ehelicher Liebe dem Zwergpapagei der jetzt in Europa so viel gezüchtete, zierliche, in prachtvoll grasgrünem Kleid schillernde Wellensittich oder Wellenpapagei, welcher in seiner Heimath (Australien) ebenfalls in großen Gesellschaften lebt, ohne daß sich die einzelnen Pärchen jemals verlassen oder verlieren. Auch sind diese Pärchen, eben ihres treuinnigen Zusammenhanges wegen, leicht als solche zu erkennen. Freilich kommt so großer Liebe auch die Eifersucht dieser Vögel gleich. Neubert, welcher zwei Paare derselben besaß, verlor beide Männchen und erhielt erst nach geraumer Zeit Ersatz für eines von ihnen. Als das neue Männchen in den Bauer zu den beiden Wittwen gebracht wurde, welche sich bis dahin sehr gut vertragen hatten, erwachte deren Eifersucht; die nicht bevorzugte Wittwe wurde fast rasend, fuhr auf die beglückte Braut los, hing sich ihr an den Schwanz und riß ihr die Federn aus. Sie mußte entfernt und einem andern Bräutigam angetraut werden, mit dem sie aber – eine seltene Ausnahme – ein sehr mürrisches Leben führte, offenbar weil sie den ersten, ihr vor den Augen weggenommenen Bräutigam nicht vergessen konnte.

Unter unseren europäischen Vögeln sind es neben den Störchen besonders die Schwalben und die Haustauben, welche sich durch Innigkeit ihres Ehe- und Familienlebens auszeichnen. Um so tragischer pflegen sich bei ihnen auch die Conflicte zu gestalten, welche durch Zwist, Untreue oder Eifersucht in der Ehe dieser, wie es scheint, von starken Leidenschaften beherrschten Thierchen zeitweise gerade so hervorgerufen werden, wie in der menschlichen Ehe. Hier nur ein Beispiel!

In der Gaststube einer Brauerei des schlesischen Landstädtchens Lomnitz nistete 1871 ein Schwalbenpaar mit vier Jungen, ohne sich durch das Geräusch des Wirthshauslebens stören zu lassen; es benutzte die Momente des häufigen Thüröffnens zum Ein- und Ausfliegen. Im nächsten Jahre kamen sie wieder. Der Brauer Stein, welcher Interesse an den Thierchen nahm und sie genau beobachtete, sah, daß das Männchen eines Tages mit einem fremden Weibchen zum Neste kam, was der rechtmäßigen Gattin Veranlassung zu einem heißen Kampfe gab. Da derselbe aber schließlich ungünstig für sie ausfiel, wollte ihr der Brauer zu Hülfe [759] kommen, indem er die Störerin fing und in’s Freie versetzte. Irrthümlich ergriff er aber statt derselben das alte Weibchen, welches sofort seinen Flug wieder zum Neste nahm und dasselbe so energisch vertheidigte, daß das untreue Paar sich genöthigt sah, einen Neubau in der Nähe des alten Nestes anzulegen. Das verstoßene Weibchen, welches fortan seine Heimstätte nur auf Augenblicke verließ, wenn die anderen Beiden fort waren, sah dem still trauernd zu. Andere Schwalben fanden sich ab und zu ein, um die Situation zu beaugenscheinigen. Nach einigen Tagen der Einsamkeit indeß schien die anfängliche Energie von dem trauernden Weibchen gewichen zu sein; es wurde von dem neuen Paare angegriffen, jämmerlich zugerichtet und vollständig besiegt aus Nest und Zimmer getrieben, worauf die Sieger die Fortsetzung des Neubaues aufgaben und von dem alten Neste Besitz nahmen. Die neue Frau legte bald darauf Eier.

Wie viel schöner, als dieser untreue Schwalbengatte, benahm sich jener junge Tauber, über welchen Fr. Münch in der „Westlichen Post“ vom 26. September 1877 berichtet, und dessen Treiben er in dem Taubenschlage seines Elternhauses zu beobachten Gelegenheit hatte. Man hatte diesen Tauber mit einer bereits ältlichen Täubin gepaart, welche nach einiger Zeit unfähig zum Eierlegen wurde. Aber anstatt sie zu verlassen, fuhr er, ohne sich um andere Schönen zu kümmern, fort, seine Gattin zu schützen und zu pflegen, bis dem Tod der Alten das schöne Band löste.

Einen noch auffallenderen Beweis von Gattentreue legte die von Bennet in Macao beobachtete chinesische Ente ab, deren Gatte während der Nacht gestohlen wurde. Sofort konnte man an dem Weibchen die unverkennbarsten Zeichen des Schmerzes gewahren; es verkroch sich in eine Ecke und weigerte sich, Nahrung zu sich zu nehmen. Als ein anderes Männchen sich ihr näherte und sie zu trösten versuchte, stieß sie den neuen Liebhaber rauh zurück und fuhr fort, sich ihrer Trauer hinzugeben. Mittlerweile wurde ihr alter Gefährte wiedergefunden und zurückgebracht. Ueberraschend waren die lauten Freudenbezeigungen, womit das Paar seine Wiedervereinigung feierte, und, was mehr ist, das Männchen schien erfahren zu haben, daß es während seiner Abwesenheit einen Nebenbuhler gehabt, denn es suchte diesen auf und tödtete ihn.

Dem gegenüber fehlt es auch nicht an Fällen von Bigamie oder Doppelehe, wobei sich die beiden Nebenbuhlerinnen ganz gut mit einander vertragen. Dr. R. Meyer („Zoolog. Garten“ 1868, S. 77) sah eine solche Doppelehe einer männlichen Rauchschwalbe, welche um so bemerkenswerther ist, als bekanntlich Schwalben sonst jahrelang in sehr strenger Einehe leben. Die beiden Weibchen, deren jedes nicht weit vom andern in einem besonderen Neste brütete, vertrugen sich gut mit einander. Solche Fälle sind indessen Ausnahmen. In der Regel wissen die in Einehe lebenden Thiere ganz genau, daß fremder Umgang jedenfalls nicht unter den Augen der rechtmäßigen Ehehälfte betrieben werden darf.

Was die Gattenliebe und eheliche Anhänglichkeit der übrigen Thiere betrifft, so fehlt es auch hier nicht an zahlreichen Beispielen, welche zeigen, daß das von den Vögeln Berichtete auch von jenen in vielen Fällen erreicht, in einzelnen sogar noch übertroffen wird.

Interessant und belehrend ist, was der berühmte Löwenjäger Gérard über das Benehmen des Löwengatten in der Wildheit beobachtet hat. Nach ihm verläßt der König der Thiere seine Gattin niemals ohne die dringendste Noth und zeigt ihr fortwährend die größte Liebe und Rücksicht. Gehen sie zusammen auf Raub aus, wobei der Gatte stille steht, so oft es der Gattin gefällt, so bringt er ihr, indem er in den Douar eingebrochen ist, während sie sich niedergelegt hat, das Beste, was er finden konnte, und sieht ihr mit dem größten Behagen zu, während sie frißt. Erst wenn sie gesättigt ist, denkt er auch an sich. (Menault, „Die Mutterliebe der Thiere“.)

Männchen und Weibchen des Meerschweinchens behandeln sich überaus zärtlich, lecken sich gegenseitig und kämmen sich mit den Krallen der Vorderfüße das Haar glatt. Schläft das eine, so wacht das andere für seine Sicherheit. Währt es ihm zu lange, so weckt es den Gefährten mit Lecken und Kämmen und schläft dann seinerseits ein. Namentlich sucht das Männchen dem Weibchen auf jede Weise seine Liebe und Anhänglichkeit zu beweisen.

Den Nashörnern wohnt, wie Noll mittheilt, eine wahrhaft rührende Zuneigung gegen einander inne. Legt sich das eine nieder, so streckt sich auch das andere daneben hin, oft so, daß sein Kopf auf dem Leibe des Genossen ruht; steht das erste auf, so erhebt sich auch das zweite, geht dieses im Käfig auf und ab, so thut es auch jenes; beginnt das Männchen zu fressen, so verspürt auch das Weibchen Bedürfnis, etwas zu sich zu nehmen; ruft letzteres, so antwortet ersteres, und umgekehrt.

Einen merkwürdigen Fall von Gattentreue des Fuchses verzeichnet O. von Corvin. Ein Förster in der Nähe von Hanau, der bei einem Fuchsbau lauerte, schoß dem Fuchs absichtlich die Hinterläufe entzwei, um seinem noch jungen Hühnerhund Gelegenheit zu geben, einen Fuchs zu würgen, ohne durch dessen vielleicht zu großen Widerstand abgeschreckt zu werden. Kaum geriethen aber die beiden in Kampf, als auch sogleich die Füchsin herbeikam und ihrem Manne beistand, ohne sich durch die Anwesenheit des Jägers abschrecken zu lassen. Als derselbe näher hinzutrat, lief die Füchsin wohl etwas bei Seite, blieb aber sitzen und sah mit Angst dem Kampfe ihres verwundeten Mannes mit dem Hunde zu, bis der Jäger wieder geladen hatte und sie todt schoss.

„Hätte,“ setzt O. von Corvin hinzu, eine Frau so gehandelt, man würde ihren Namen in Gedichten feiern, allein die Füchsin trieb nur – der Instinct! Denn hätte sie Verstand gehabt, sie würde Hals über Kopf davon gelaufen und froh gewesen sein, daß sie einen verkrüppelten Mann los geworden.“

Auffallende Beispiele von ehelicher Liebe und Treue liefert unter den Vierfüßlern auch das dem Menschen so nahestehende Geschlecht der Affen, deren inniges Familienleben und große Kinderliebe ebenfalls sprüchwörtlich geworden sind. Beide Geschlechter halten bei den in Einehe lebenden Arten eng zusammen, trennen sich fast nie und schlafen auch gemeinschaftlich. Daß auf der andern Seite bei dem leidenschaftlichen Temperament der Affen auch die Eifersucht keine kleine Rolle in ihrem ehelichen Leben spielt, braucht kaum versichert zu werden.

Eine kostbare Eifersuchtsscene bei Affen hat O. von Corvin einst in einer Menagerie beobachtet. Hinter einem kleinen, sehr muntern Affenpärchen saß ein großer, melancholischer Affe, welcher seine kleine Nachbarin (sie war wohl fünf Mal kleiner, als er) ohne Einwand von Seiten ihres Gatten öfter in seine Arme nahm und zu erwärmen suchte. Was zu dieser Nachsicht vielleicht nicht unwesentlich beitrug, war der Umstand, daß der Gatte selbst eine Intrigue mit der kleinen koketten Frau seines Nachbars zur Rechten hatte, welcher letztere leichtsinnig genug war, mehr auf die Freßgeschirre seiner Nachbarn, als auf seine Ehehälfte zu achten. Als nun eines Mittags der Herr Beobachter in der Thierbude war und die kleine Frau in den Armen ihres großen Liebhabers schlief, unschuldig wie ein Kind an der Mutter Brust, war der naschhafte Mann der Frau Nachbarin beschäftigt, eine Birne wegzukapern, welche ein Besucher so hingelegt hatte, daß er nur mit Mühe zu ihr gelangen konnte. Diesen günstigen Augenblick benutzte der ungetreue Gemahl der kleinen schlafenden Frau, um seine Intrigue mit der koketten Nachbarin zum Austrag zu bringen, und beide begegneten sich einander auf halbem Wege, was um so nöthiger war, als sie Beide angekettet waren. Ihr Glück schien gesichert; aber –

„Zwischen Lipp’ und Kelchesrand
schwebt der finstren Mächte Hand!“

Wie ein Blitz stürzte plötzlich die kleine Frau aus den Armen ihres kolossalen Liebhabers auf das liebetrunkene Paar, maulschellirte – echt weiblich – zuerst die Nebenbuhlerin, nahm dann ihren Benedict am Ohre, schleppte ihn in’s häusliche Hauptquartier und demonstrirte ihm hier ad hominem oder vielmehr ad simiam, daß es für ihn gerathener sei, seine Liebe nicht an irgend eine Fremde zu vergeuden.




Blätter und Blüthen.


Schiller-Vereine und Schiller-Feste. Das „Mahnwort“, welches wir im vorigen Jahre „zum 10. November“ an die deutsche Nation richteten, ist nicht überhört worden, es hat, wie uns brieflich und mündlich vielfach versichert wurde, in gar manchen Herzen gezündet und gute Entschlüsse angeregt, und wenn überall sogleich Jemand zur Hand gewesen wäre, der dieselben hätte zur That machen helfen, so würde ohne Zweifel Vieles geschehen sein. Die That ist es, vor welcher bei uns selbst die größten Massen sich scheuen, wenn es ihnen an einem Führer gebricht.

Sollte es aber denn wirklich an Führern zu einem so nahen Ziele fehlen? Wir wiederholen hiermit, daß es sich um weiter Nichts handelt, als um die Stiftung von Schiller-Vereinen, welche alljährlich des Dichters Geburtstag mit einem Feste feiern und sich, wenn sie ihren Bestand gesichert fühlen, als Zweigvereine der „Schiller-Stiftung“ anschließen.

Unser Vorschlag vom vorigen Jahre hat diesen Weg, der hartbedrängten Casse der Schiller-Stiftung frische Hülfsquellen zu eröffnen, ausdrücklich nur darum gewählt, weil in allen Classen unserer Nation die Mehrzahl leichter für einen Fest-, als für einen bloßen Beisteuer-Verein zu gewinnen ist. Haben aber die Verehrer des großen deutschen Dichters – und sie fehlen nirgends, von der großen Stadt bis zum kleinsten Orte – sich zu einer Feier seines Andenkens zusammengefunden, so wird auch überall sich ein Mann finden, welcher im Stande ist, seiner Versammlung den höheren Zweck einer solchen Feier an’s Herz zu legen, den Zweck: zur Ehre des gefeierten Dichters Derer nicht zu vergessen, welche, treu wie er, Jeder nach dem Maße seiner Kraft, zur Förderung deutscher Bildung, zur Veredelung und Verschönerung des deutschen Lebens, zum Ehre des deutschen Namens mit ihren Werken beigetragen haben – ohne daß ihnen das Glück zu Theil geworden, den Lohn zu finden, der ihre eigenen Tage erhellt und sie in den Stand gesetzt hätte, für die Zukunft ihrer Lieben zu sorgen. – Man lese die Namen der vielen Wittwen und Waisen, welche jährlich die Listen der Schiller-Stiftung füllen, und es müßte traurig um das deutsche Ehrgefühl stehen, wenn nicht die Schamröthe so manche Wange färben sollte vor der Thatsache, daß schaffende Geister, deren Werke heute noch Tausenden erhebende Stunden edelsten Genusses bereiten, so arm im Leben da standen und daß ihre Nachkommen so karg vom Dank des Volkes bedacht werden, wie dies jetzt von Seiten der Schiller-Stiftung leider geschehen muß.

Wir haben in unserer vorjährigen „Mahnung“ den damaligen Stand der Mittel der Schiller-Stiftung und die Ansprüche, die an sie gestellt worden sind, dargethan. Nach beiden Seiten hin hat sich seitdem nichts gebessert; ja es mußten noch weit mehr Bittende zurückgewiesen werden, um für die in die Listen Aufgenommenen durch immer weitere Beschneidung der Unterstützungen die Ehrengabe nicht völlig zum Almosen hinabsinken zu lassen. Die Zahl der Beisteuernden war die alte geblieben.

Unter den bei uns eingegangenen Zuschriften in Folge jener „Mahnung“ fanden sich mehrere, welche auf andere Hülfsquellen hinwiesen; die meisten vereinigten sich in dem Antrag: der Vorstand der Schiller-Stiftung möge die sämmtlichen Hof- und Stadttheater deutscher Zunge aufordern, alljährlich die volle Einnahme für die Aufführung eines Schiller’schen Stückes der Schiller-Stiftung zuzuwenden. Der Gedanke ist nicht neu. Wir geben auch zu, daß sämmtliche Theater aus den Stücken unserer Classiker, deren Autorrechte verjährt sind, bedeutende Einnahmen ziehen, ja daß dies selbst von Dramen solcher Dichter geschieht, deren Werke nicht mehr tantiemeberechtigt sind und deren Nachkommen die Hülfe der Schiller-Stiftung in Anspruch nehmen müssen; wir geben zu, daß die Bühnendirectionen wohl die Verpflichtung zu einem solchen Opfer fühlen und anerkennen dürften, und daß eine solche [760] Beisteuer unserer Schiller-Stiftung eine bedeutende Abhülfe gewähren würde. Immer aber bleiben wir bei dem Spruche: das Eine thun, das Andere nicht lassen! Das Publikum würde bei dieser Form der Hülfe die Last der Verpflichtung nur auf etwa fünfzig Schultern abwälzen und selbst dazu nichts thun, als für sein Geld ein Schiller’sches Stück genießen – wenn wir es nicht etwa gar erleben könnten, daß ein großer Theil desselben, wie das bei klassischen Theaterabenden nicht selten der Fall ist, das Haus leer ließe, um die Ausgabe für eine neue Offenbachiade zu sparen. Es ist Alles schon dagewesen.

Nein! Soll die Schiller-Stiftung ein nationales Werk, eine nationale Stiftung sein, so muß auch die Nation sich unmittelbar an ihr betheiligen. Bis jetzt gewährt die Art dieser Betheiligung einen fast kläglichen Anblick. Von den mehr als 3000 Städten, welche die vereinigten Schiller-Stiftungs-Länder Deutschlands und Oesterreichs zählen, besitzen nur 24 Zweigvereine dieser Stiftung. Von unseren 26 fürstlichen Residenzen haben nur 8 (Dresden, Berlin, Wien, München, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt und Weimar) sich zu solchem Besitze aufgeschwungen. Wo bleiben Oldenburg, Schwerin und Braunschweig? Wo Gotha und Coburg? Wo Meiningen, dessen Bühne durch die Aufführungen klassischer Dramen glänzt? Wo Altenburg, Gera und die anderen? Von den 29 Universitäten deutscher Zunge (denn auch die Schweiz sollte hier nicht fehlen!) sind, die der genannten Residenzen ausgenommen, gar nur 4 vertreten: Breslau, Königsberg, Leipzig und Graz. Selbst Jena hat keinen Schiller-Verein bei all seinen Schiller-Erinnerungen. Wir haben über 400 andere Städte von 8000 bis 100,000 Einwohnern, und alle zusammen haben es nur zu 12 Zweigvereinen gebracht – von den noch etwa 2000 kleineren Städten und den (40) Dörfern mit mehr als 6000 Einwohnern gar nicht zu reden.

Da ist Boden, der mit nur einigem guten Willen, bei nur einiger Opferfähigkeit für unsere nationale Stiftung überall fruchtbar gemacht werden kann, wo das deutsche Nationalgefühl nicht blos zu schimmernden Triumphfesten, sondern auch zu einer stillen, guten That stark genug ist. Hier vereinigen sich außerdem Fest und That.

Schiller-Feste erfordern keinen Luxusaufwand. Den Hauptpunkt des Programms bildet stets eine Festrede über Schiller, seine Werke und sein Wirken; beide strahlen nach so vielen Richtungen aus, daß in Leipzig schon dreißig Schiller-Festreden gehalten werden konnten, ohne daß die Redner auf Wiederholungen geriethen. Musik und Gesang, letzterer womöglich an Schiller’schen Dichtungen festhaltend, schmücken den Eingang und den Schluß eines solchen Abends, der gewiß allenthalben, wie in Leipzig alljährlich, den Verehrern des Dichters weihevolle und erhebende Stunden gewährt. Wo es sich eignet, schließt ein Festmahl sich der ernsten Feier an.

Daß in Deutschland solche auch in kleineren Orten und in Dörfern möglich sind, auch darauf ist die Probe gemacht. Im vorigen Jahre beging der nördlichste Marktflecken an Rußlands Grenze, Prökuls bei Memel, ein Schiller-Fest, bei welchem, wie uns geschrieben wurde, ein Samenkorn zu einem Schiller-Verein gelegt wurde, und in diesem Jahre begeht das Dorf Reudnitz bei Leipzig sein eigenes Schiller-Fest – und wird nicht anstehen, vom Fest zum Vereine überzugehen.

Möchte unsere Bitte diesmal nicht blos gehört, möchte sie beherzigt werden und zu freudigem Handeln anregen. Und wo in Städten und Ortschaften die Last des Berufs die Männer abhält von der Ausübung der nationalen Pflicht, zu welcher sie diese Worte auffordern, da mögen die Frauen für sie eintreten, sie, die den höchsten Dank dem Friedrich Schiller schulden, der in der Verherrlichung der Frauen und der Familie alle Dichter übertroffen hat.
Friedrich Hofmann.

Die Gans beim Martinsschmause. In Deutschland herrscht vielfach die Sitte, daß im November Gastwirthe ihre Stammgäste zum „Martinsschmause“ einladen, wobei in festlich geschmückten Zimmern einige Schoppen Bier oder Wein getrunken werden und die Gans oder seltener der Karpfen das Hauptgericht bildet. Jahr aus, Jahr ein füllen sich bei dieser Gelegenheit die Räume unserer Gasthäuser mit lustigen Zechern an – aber nur wenigen darunter dürfte die Thatsache bekannt sein, daß dieses Fest, wiewohl in anderer Form, bereits die alten Germanen gefeiert haben.

Die Religion unserer heidnischen Vorfahren befaßte sich wenig mit abstracten Ideen. Wie sie selbst in steter Wechselbeziehung mit der Natur standen, so waren ihre Gottheiten und ihre Feste mit großen Naturerscheinungen eng verbunden. Der in jedem Jahre wiederkehrende Wechsel zwischen Sommer und Winter wurde feierlich begangen. So sind uns noch aus dem Mittelalter die Feste: Maigreven, Abholung des Maigrafen, des Maikönig etc. überliefert worden, und die heutigen Maiausflüge oder Maigänge, an denen sich Alt und Jung mit gleicher Freude zu betheiligen pflegt, sind ohne Zweifel aus jener Sitte hervorgegangen.

Aber wenn der Sommer zu Ende war, wenn den Himmel graue Herbstwolken verhängten und zahllose Vögelschaaren sich auf den Fluren sammelten, um ihre Wanderung in warme Länder anzutreten, dann pflegten die Heiden, bei welchen die Jahreszeiten die zeitweilige Uebermacht gewisser Gottheiten bedeuteten, dem Spender der Ernte und der Früchte, des Glückes und des Reichthums ein Opfer zu verrichten.

Leider fehlen uns nähere Angaben über die Einzelheiten dieses dem Wuotan zur Ehre abgehaltenen Herbstdankfestes. Denn als das Christenthum bei den nordischen Völkern Verbreitung gefunden hatte, suchten die Bekehrer das Heidenthum im Volke dadurch zu schwächen, daß sie den alten Feierlichkeiten und Volksfesten einen christlichen Anstrich verliehen. So wurde auch für das Herbstdankfest der St. Martinstag festgesetzt. Von den auf dieses Fest bezüglichen alten Bräuchen haben sich (vergl. „Gartenlaube“ 1864, S. 734) nur die Martinsgans, das Martinshorn (ein Gebäck) und der Martinstrunk, bei welchem der neue Wein geprüft wurde, erhalten. Interessant erscheint dabei die Bedeutung der Gans.

Als unsere Vorfahren am Herbstdankfeste dem Sommer den Abschiedsgruß gaben, erwachte in ihnen bange Besorgniß, wie der herannahende Winter ausfallen werde. Um nun den Schleier der Zukunft ein wenig zu lüften, verlegten sie sich auf kleine Auspicien. Die Vögel, welche sich regelmäßig vor dem Einbruch des Winters entfernten, mußten ja auf irgend eine Weise eine Vorahnung der Strenge des herannahenden Winters haben. Da man aber in das Seelenleben der Thiere nicht einzudringen vermochte, so prophezeite man einfach aus der Beschaffenheit des Brustbeines der Gans. Grimm hat in seiner Mythologie folgende darauf bezügliche Stellen verzeichnet:

„. . . und was müssen nicht die brustbeine der capphahnen, gänse und enten vor prognostica herlehnen? sind dieselben roth, so urtheilen sie eine anhaltende kälte, sind sie aber weiß, klar und durchsichtig, so werde das wetter im winter erleidlich sein.“

Ferner:

„wie dann das bein in meiner brust,
das trag ich auch nit gar umbsust,
denn man darin kann sehen wol,
wie es im winter wintern soll,
und mancher sich danach fast helt,
und mich für einen propheten zehlt.“

Dieselbe Sitte des Schmauses und der Prophezeiung aus dem Gänsebrustbeine hat sich auch bei den slavischen Völkern, vornehmlich bei dem polnischen Volke erhalten. Auch in den Büchern Veda’s ist die Gans als prophezeiender Vogel beschrieben.

In vielen Städten Norddeutschlands erscheint bis heute das Martinsmännchen, wie am Weihnachtsabend der Knecht Ruprecht; es läßt die Kinder beten und beschenkt sie mit Aepfeln und Nüssen. – –

Wie sehr haben sich die Verhältnisse geändert! Nur auf der Bühne herrscht heute der einst so mächtige Wotan; die scharfe Kritik der Vernunft hat aus der Religion den Heiligencultus gestrichen – aber die alte Sitte der jährlichen Herbstzusammenkünfte dauert, wenn auch in verkümmertem Zustande, fort und fort.
St. v. J.

Der im Netze gefangene Nachhall und eine akustische Merkwürdigkeit bei der Regensburger Walhalla. In Betreff des im Briefkasten unserer Nr. 39 besprochenen Vorschlages, den störenden Nachhall einer Kirche durch kreuzweises Aufspannen dunkler Wollenfäden im obern Raume zu beseitigen, haben wir nachzutragen, daß dieses einfache Mittel sich in der Genfer St. Peterskirche und kürzlich im Versammlungssaal der städtischen Behörden von Bordeaux vorzüglich bewährt hat, wie in der Sitzung vom 26. Juni 1879 der dortigen naturhistorischen Gesellschaft mitgetheilt wurde. Mit Bezug auf die in demselben kleinen Artikel erwähnte Beobachtung, daß Metallgitter starke Schadwirkungen nicht nur erheblich vermindern, sondern in musikalische Klänge verwandeln, möchte ich noch auf eine analoge akustische Erscheinung hinweisen, die, obwohl sie an einem vielbesuchten Touristenziele Tausenden aufgefallen sein muß, doch meines Wissens noch nirgends beschrieben wurde.

Wenn man nämlich die erste große Treppe zur „Walhalla“ bei Regensburg heraufgestiegen ist und die erste Terrasse betritt, von welcher nunmehr zwei gegenüberliegende Treppenarme höher führen, so bemerkt man plötzlich, daß jeder Schritt ein metallenes Klingen hervorruft, als ob der ganze gewaltige dolomitene Treppenbau aus getriebenem Kupfer bestände. Stampft man in der Mitte dieses Absatzes mit dem Fuße oder der Stockspitze auf, so hört man einen hellen, lange nachsingenden, musikalischen Ton. Auch beim Weitersteigen vernimmt man eine Weile noch dieses eigenthümliche Klingen, bis es vor dem Erreichen des zweiten Treppenabsatzes immer schwächer wird und endlich aufhört.

Die Ursache ist ohne Zweifel dieselbe, welche den Schall auf Gitterbrücken in ein Singen, Summen oder Zischen verwandelt. An jeder einzelnen Treppenstufe eine theilweise Reflexion erleidend, erzeugt der ursprüngliche Schall in schnellster Folge soviel zurückkehrende Schallwellen zwischen den beiden einander zugekehrten Steintreppen, daß dieselben sich zu einem musikalische Tone von ziemlicher Höhe summiren. Die großartige Treppenanlage der „Walhalla“ ist wie dazu geschaffen, diese interessante akustische Erscheinung in großer Vollkommenheit hervorzubringen, und es müßte insbesondere ein an der bezeichneten Stelle abgeschossenes Pistol die eigenartigste Wirkung hervorbringen.
E. Kr.

Noch einmal: „Nur wer die Sehnsucht kennt“. Der Thüringerin, welche aus der Moldau sich in ihre Heimath zurücksehnte,[WS 2] hat ein Edler, von dem wir nur wissen, daß er eine nähere Auskunft über die arme Wittwe unter der Adresse „M. R. 50, postlagernd, Frankfurt am Main“ sich erbat, die Mittel zur Heimreise gewährt, und sie ist glücklich wieder bei den Ihrigen. Sie wird ihrem Wohlthäter selbst unter der genannten Adresse danken, wenn wir von ihm erfahren haben werden, daß er unter derselben auch ferner seine Anonymität wahren will.


Kleiner Briefkasten.

M. A. in Schw. Sie haben Recht; unter solcher Adresse konnte Ihr Brief nicht an’s Ziel gelangen. An der betreffenden Stelle (Jahrg. 1877, Nr. 5) liegt, wie wir zu unserm Bedauern sehen, ein Druckfehler vor. Die beiden dort empfohlenen Händler mit hederichfreiem Sommerrübsamen zum Füttern der Vögel heißen Karl Capelle in Hannover und A. Reinecke in Abbenrode bei Vienenburg – nicht: Appenrade bei Kynenburg.

A. R. Antwort finden Sie postlagernd in Altenburg.

O. Z. in Tr. Keine Verwendung!

F. K. von M. in Kassel. Der vollständige Titel des fraglichen Buches ist: „Tausend und Ein Gedanke. Aphorismen für Geist und Herz, zusammengestellt von Heinrich Weiß. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. Dresden 1879. Selbstverlag von H. Weiß, Holbeinstraße 2.“ –


Verantwortlicher Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. [751] Wenn wir den obigen Artikel in der zu Schiller’s Geburtstag erscheinenden Nummer der „Gartenlaube“ zum Abdruck bringen, in welcher wir alljährlich dem Andenken an unseren Dichter ein Blatt zu widmen pflegen, so geschieht dies, weil auch mit dieser Mahnung im Interesse eines Schiller-Instituts ein Wort zu unseres großen Dichters Ehre ausgesprochen wird. Was seinen Namen trägt, sollte stets auch in seinem Geiste vor der Welt erscheinen.
    Die Redaction.      
  2. Vergleiche in Nr. 16 und Nr. 21 des Jahrgangs 1877 der „Gartenlaube“ die Artikel „Sprache der Insecten“ und „Kleine Landwirthe“, welche sich auf die Schrift: „Aus dem Geistesleben der Thiere oder Staaten und Thaten der Kleinen“ von Dr. L. Büchner (Berlin, Allgem. Verein für deutsche Literatur) stützen.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „Brief der Korkyräer an das Orakel zu Dodona“, siehe Berichtigung
  2. siehe: Nur wer die Sehnsucht kennt –