Geschichtliche Einleitung. (Woermann 1887)

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Autor: Karl Woermann
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Titel: Geschichtliche Einleitung
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aus: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Dresden (1887)
Herausgeber: Generaldirection der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Druck von Wilhelm Hoffmann
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Erscheinungsort: Dresden
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[1]
Geschichtliche Einleitung.




Die Königlich Sächsische Gemäldegalerie zu Dresden ist im Wesentlichen eine Schöpfung der beiden kunstsinnigen und prachtliebenden Kurfürsten des vorigen Jahrhunderts, welche als solche Friedrich August I. und Friedrich August II. hiessen, in ihrer Eigenschaft als Könige von Polen aber August II. (der Starke) und August III. genannt wurden. Es ist daher selbstverständlich, dass der Sammlergeschmack des achtzehnten Jahrhunderts, welcher, ausser den damals lebenden Künstlern, nur die reifen Meister des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts gelten liess, die früheren Schulen aber geringschätzte, sich heute noch in der Mehrzahl der Bilder unserer Sammlung ausspricht. Indessen besass das sächsische Fürstenhaus in seiner „Kunstkammer“ und in seinen Schlössern schon vor dem Beginne des achtzehnten Jahrhunderts einen gewissen Grundstock von Gemälden, in dem auch ältere Meister vertreten waren; und das neunzehnte Jahrhundert ist zum Teil mit Erfolg bestrebt gewesen, nicht nur eine zeitgenössische Abteilung der Königlichen Gemäldegalerie zu schaffen, sondern auch die Lücken in den älteren Schulen auszufüllen.

Die Geschichte der Dresdener Galerie lässt sich für unser heutiges Auge daher in drei deutlich unterschiedene Zeitabschnitte einteilen, deren erster, welcher eigentlich nur ihre Vorgeschichte enthält, das sechzehnte und siebzehnte, deren zweiter das achtzehnte und deren dritter das neunzehnte Jahrhundert umfasst.

Den Anfang des ersten dieser Zeitabschnitte können wir in’s Jahr 1560 setzen, in welchem Kurfürst August über seiner Wohnung im Schlosse zu Dresden eine „Kunstkammer“ jener [2] älteren, nicht nur Kunstwerke, sondern auch „Curiositäten“, wissenschaftliche Instrumente und Naturalien umfassenden Art anlegte, wie sie damals in keinem Fürstenschlosse fehlen durfte. An eigentlichen Gemälden war diese alte kursächsische „Kunstkammer“ in welcher 1569 eine besondere „Bilderei“ erwähnt wird, noch keineswegs reich. Die Angabe, dass sie schon einige bedeutende italienische Bilder der gegenwärtigen Galerie und später gar die beiden grossen Landschaften Claude Lorrain’s besessen habe, hat sich bei näherer Untersuchung nicht bestätigt. Selbst die Mehrzahl der Werke der beiden Lukas Kranach, von denen besonders viele in den Besitz der kurfürstlichen Familie übergegangen waren, befand sich Anfangs noch zerstreut in den Schlössern und wurde erst allmählich in die Kunstkammer übergeführt. Nach dem im Archiv der Generaldirection der Königlichen Sammlungen erhaltenen Inventar der Kunstkammer von 1587 besass diese, ausser den damals neuerworbenen „16 schön gemalten Täflein“ von Hans Bol, von denen sich nur neun erhalten haben (N. 822–830 des gegenwärtigen Katalogs), in jenem Jahre nur erst „Adam und Eva“ von Lukas Kranach d. ä. (N. 1911–1912), zwei Bildnisse des Kurfürsten und der Kurfürstin, wahrscheinlich diejenigen von Hans Krell (N. 1956 und 1957), und eine Reihe schwer zu bestimmender, weil nur ganz allgemein beschriebener anderer Bildnisse und religiöser Darstellungen. Im Jahre 1640, aus dem ein zweites Kunstkammer-Inventar stammt, waren von den noch erhaltenen bekannten Bildern auch erst einige andere Hauptwerke des älteren Kranach (N. 1909, 1910, 1918, 1919), die sieben Bilder aus der Passionsgeschichte (N. 1875–1881) in der Art Dürer’s, und die fünf Bilder aus der Kindheitsgeschichte des Heilands (N. 1896–1900), welche der schwäbischen Schule angehören, hinzugekommen. Doch füllten sich seit dieser Zeit die Schlösser, später auch einige Amtsgebäude und Kirchen, allmählich immer mehr mit Bildern. Um die Mitte des Jahrhunderts finden wir bereits den Hofmaler Kilian Fabritius als Aufseher über sämmtliche Gemälde im kurfürstlichen Besitze mit dem Titel „Malerey-Inspector“ bedacht.

Dass seit der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts der Gemäldeschatz der Kunstkammer nach und nach bereichert [3] wurde, beweist der Zusatz „aus der Kunstkammer“ hinter 284 Bildern des ersten Galerie-Inventars von 1722. Doch werden die meisten dieser Bilder erst nach dem Regierungsantritt August des Starken (1694) erworben worden sein, so dass auch ihre Erwerbung genau genommen der zweiten Epoche der Galerie angehören würde. Immerhin mögen sie, da wir den Zeitpunkt ihrer Erwerbung nicht genau nachweisen können, schon an dieser Stelle besprochen sein. Auch unter ihnen befanden sich immer noch auffallend wenig Werke von Bedeutung. Die italienischen Bilder waren fast alle unecht und sind mit Ausnahme der „Justitia“ des Simone Pignoni (N. 507), der dem Caravaggio zugeschrieben gewesenen Madonna (N. 106) und der „Ehebrecherin“ nach Lotto (N. 197) auch nicht mehr in der Galerie erhalten.

Von den deutschen Bildern aber befand sich seit 1687 Dürer’s Wittenberger Altar (N. 1809), befanden sich nunmehr fast alle besten Bilder Kranach’s, eine bedeutende Reihe der Frucht- und Blumenstücke Mignon’s, Elsheimer’s „Judith“ (N. 1975), Jos. Heinz’ „Ecce homo“ (N. 1973), und das Selbstbildniss des Chr. Paudiss (N. 1995) in der Kunstkammer; und wenn von den niederländischen Meistern des 17. Jahrhunderts auch die bedeutendsten, wie Rubens, Rembrandt und Ruisdael, noch nicht vertreten waren, dagegen die zu Anfang des XVIII.[WS 1] Jahrhunderts lebenden Maler, wie Jakob Toorenvliet und Arnold van Boonen, die Mehrzahl bildeten, so fehlten ihr doch keineswegs einzelne Bilder von Meistern wie G. van Coninxloo (N. 857), Joach. Beukelaar (N. 831), Jan Brueghel (N. 883 und 891), Dav. Teniers d. j. (N. 1073), Ger. Dou (N. 1714), A. v. d. Velde (N. 1656), Jan Both (N. 1271), N. Berchem (N. 1488), F. v. Mieris (N. 1740) und Ph. Wouwerman (N. 1419 und 1451).

Uebrigens blieb die Kunstkammer, obgleich ihre alten Räumlichkeiten 1701[WS 2] ein Raub der Flammen wurden, auch nach der Begründung der Galerie (1722) bestehen; im Kunstkammer-Inventar von 1741 stehen noch eine Anzahl von Bildern verzeichnet, zu denen besonders die schwächeren Werke der Kranach und ihrer Werkstatt gehören, welche sich heute in der Galerie befinden, ihr damals aber noch nicht übergeben waren.

[4] Der zweite Abschnitt der Geschichte der Dresdener Galerie, während dessen sie als solche und unter diesem Namen überhaupt erst begründet wurde, beginnt mit dem Regierungsantritt August des Starken (1694) und schliesst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts. August der Starke hatte von den weiten Reisen durch alle Kunstländer, die er in seiner Jugend zu seiner Ausbildung unternommen, bedeutende Gemäldekenntnisse und einen feinen Geschmack mit heimgebracht. Gleich nach seinem Regierungsantritt begann er zu sammeln. In Dresden leitete sein Oberhofmaler Samuel Bottschild (geb. um 1642 zu Sangershausen, gest. zu Dresden 1707) die Erwerbungen; aber auch im Auslande liess er bedeutende Ankäufe machen; 1708 z. B. kaufte er vom Kunsthändler Lemmers in Antwerpen eine ganze Reihe vlämischer und holländischer Cabinetsbilder, von denen sich Hauptwerke des jüngeren David Teniers (N. 1072 und 1076), Ph. Wouwerman’s (N. 1419 und 1451), G. Dou’s (N. 1711), F. van Mieris’ (N. 1750), Kaspar Netscher’s (N. 1352 und 1353) noch heute m der Galerie befinden; 1709 schloss er durch seinen „Premier Commissaire“ Raschke einen zweiten grösseren Ankauf in Antwerpen ab; und unter den damals erworbenen Bildern befanden sich Rubens’ Kniestück der von der Jagd heimkehrenden Diana (N. 979), Jak. Jordaens’ grosse Darstellung der Auffindung der Ariadne (N. 1009), sowie vorzügliche Bilder von de Heem (N. 1261 und 1267), Wouwerman (N. 1437 und 1452), Dou (N. 1715), Netscher (N. 1345), F. v. Mieris (N. 1742, 1745, 1746, 1749) und anderen.

Ferner gehörten der Geheime Cabinetsminister Graf von Wackerbarth und der General-Feldmarschall von Flemming zu den eifrigsten Sammlern für den König. Auch sie sammelten jedoch fast ausschliesslich niederländische Bilder. Dem ersteren verdankt die Galerie z. B. die beiden Jugendbildnisse van Dyck’s (N. 1022 und 1023), welche in den neueren Katalogen irrtümlich dem Rubens zugeschrieben wurden, eine Reihe so guter Bilder des jüngeren David Teniers, wie N. 1066, 1082, 1085, 1088, und Wouwerman’s. wie N. 1413, 1427, 1428, 1433, den Terborch N. 1830, den Dou N. 1706, den Metsu N. 1736, den Berchem N. 1485. Flemming [5] aber verschaffte ihr z. B. den „Rembrandt“ (wohl eher Sal. Koninck) N. 1529, den F. Bol N. 1606, den de Heem N. 1262, die beiden Verelst N. 1341 und 1342, den Mignon N. 2021, den Verkolje N. 1672. Die italienischen Bilder, welche August der Starke erwarb, gingen meist durch die Hände eines gewissen Kindermann: so von älteren Bildern die ihrer Zeit berühmte, in den neueren Katalogen ungerechtfertigter Weise herabgesetzte Venus (N. 185), in welcher wir mit Giov. Morelli das von Giorgione begonnene, von Tizian vollendete Werk wiedererkennen, welches der anonyme Reisende des ersten Drittels des 16. Jahrhunderts in Venedig sah; so der Christuskopf von Cima da Conegliano (Nr. 62); so die Galatea von Fr. Albano (N. 340); so aber hauptsächlich die Bilder der damals modernen Meister, wie Luca Giordano (N. 474, 479, 483, 491), Fr. Migliori (N. 573–576), P. Liberi (N. 529), Andr. Celesti (N. 542) und G. B. Pittoni (N. 578 und 579); – den Ankauf einiger guter französischer Bilder, z. B. des „Reiches der Flora“ von Nic. Poussin (N. 719), aber vermittelte der Baron Raymond Le Plat, welcher den Titel eines „Churfürstlich Sächsischen Oberhofarchitekten“ führte.

Es würde zu weit führen, auf alle Ankäufe bis zum Jahre 1722 einzugehen. Genug, es hatten sich um diese Zeit bereits so viele Gemälde in Dresden und in anderen königlichen Residenzen angesammelt, dass August der Starke beschloss, sie alle inventarisiren und die besten von ihnen zu einer eigentlichen Gemäldegalerie vereinigen zu lassen.

Zur Ausführung dieses Beschlusses bediente der König sich seines genannten „Premier Architecte“ Le Plat und des „Geh. Cämmeriers“ Steinhäuser. Beide werden als die „ersten bekannten Inspectoren“ der Galerie genannt; und Beide behielten ihre Stellen bis nach dem Tode August des Starken. Unter Baron Le Plat’s Leitung wurden die Gemälde, welche bestimmt waren, die Galerie zu bilden, 1722 in den eigens dazu hergerichteten Räumen des zweiten Stockwerkes des „Stallgebäudes“ am Jüdenhofe aufgehängt; und hauptsächlich unter seiner Leitung standen von dieser Zeit an auch die ferneren Ankäufe für die Galerie. Steinhäuser genügte mehr dem wissenschaftlichen Teile der Directionspflichten. Sein Hauptverdienst ist die Anlegung [6] der ausserordentlich übersichtlichen Inventare, welche nicht nur alle in die Galerie aufgenommenen, sondern überhaupt sämmtliche Bilder des kurfürstlich-königlichen Besitzes ihren Meistern, ihrem Gegenstande, ihren Maassen und ihrer Herkunft nach sorgfältig verzeichneten. Zwei dieser Inventare sind wohl erhalten. Das eine, in Folio, wurde zuerst 1722 „bey gehaltener Commissarischen Inventirung“ abgeschlossen, dann aber bis zum Jahre 1728 in der Weise fortgesetzt, dass die neuen Bilder in der Reihenfolge ihrer Erwerbung nachgetragen wurden. Das andere, in Octavo, ist nach Materien geordnet; doch sorgen verschiedene Register auch hier dafür, dass die Herkunft der Bilder und die Zeit ihrer Erwerbung leicht ersichtlich sind. In diesem kleineren Inventar wurden die bis gegen Ende des Jahres 1741 erworbenen Bilder ebenso sorgfältig weiter verzeichnet; die Fortsetzung von 1742 bis 1747 führt zwar noch im allgemeinen die Herkunft der Bilder an, bezeichnet diese aber nicht mehr den Meistern und den Gegenständen, sondern nur noch ihren Inventarnummern nach, so dass sie heutzutage nicht mehr zu identificiren sein würden, wenn diese Inventarnummern selbst, mit Oelfarbe rechts unten auf die Bildfläche gesetzt, sich nicht auf den meisten von ihnen erhalten hätten. Dieser letztere Umstand, durch den allein es möglich wurde, die bisher unrichtig oder gar nicht angegebene Herkunft einer Reihe von Bildern festzustellen, war bisher nicht genügend berücksichtigt worden.

Le Plat war auf’s eifrigste bemüht, die Galerie zu vermehren. Gleich 1723 erwarb er 21 Bilder auf einmal aus dem Besitze der Gräfin Wrzowecz (Warsowitz) in Prag; unter ihnen die grossartige Copie nach Michelangelo’s Leda (N. 71), das schöne Brustbild G. Flinck’s (N. 1601) und das feine Küchen- und Blumenstück, welches Dav. Teniers d. j., N. Verendael und Chr. Luyx gemeinschaftlich gemalt haben (N. 1091); – 1725 erwarb er 62 hauptsächlich italienische Bilder, unter ihnen Palma Vecchio’s Heil. Familie N. 191 und Varotari’s Judith mit dem Haupte des Holofernes (N. 525); – 1727 kaufte er 68 vornehmlich niederländische Bilder, unter ihnen Berchem’s italienisches Hafenbild (N. 1479) und eine Reihe der schönsten Bilder der de Heems: – 1731 lieferte er 52 [7] italienische und französische Bilder, unter ihnen das Poussin’sche Martyrium des hl. Erasmus (N. 723) und Vouet’s heiligen Ludwig (N. 714), die Tizianische „Venus mit dem Lautenspieler“ (N. 177) und Guido Reni’s schöne „Venus mit Cupido“ (N. 324). – Andere italienische Bilder hatte ein gewisser Lorenzo Rossi aus Venedig geschickt, z. B. schon 1723 Vaccaro’s Erscheinung Christi (N. 464), 1728 Palma Vecchio’s herrliche ruhende Venus (N. 190).

Man sieht, dass die Dresdener Galerie im Todesjahre August des Starken (1733) bereits eine beträchtliche Anzahl erlesener italienischer und französischer und eine noch grössere Anzahl hervorragender vlämischer und holländischer Gemälde besass. Von den letzteren gehören, ausser den erwähnten, z. B. noch Rembrandt’s „Simson“ (N. 1560) und sein „Selbstbildniss mit dem Buche“ (N. 1569), van Dyck’s „Trunkener Silen“ (N. 1017) und Jordaens „Alt and jung“ (N. 1014) hierher.

Gleichwohl folgte die eigentliche Glanzzeit der Entstehungsgeschichte der Dresdener Galerie erst unter dem Nachfolger August des Starken, unter dem Kurfürsten Friedrich August II. (König August III. von Polen), der während seiner dreissigjährigen Regierung (1733−1763) den grössten Teil jener Meisterwerke in seiner Hauptstadt zu vereinigen wusste, auf denen der Weltruhm der Dresdener Galerie beruht.

August III. hatte das Glück, bei seinen Bestrebungen, die Gemäldesammlung, welche er ererbt hatte, zu erweitern und zu vergrössern, durch thatkräftige Männer unterstützt zu werden. Le Plat, welcher bis an sein Lebensende Galeriedirector blieb, und Steinhäuser, welcher später in den Ruhestand versetzt wurde, traten jetzt mit ihrer Leitung und ihren Leistungen thatsächlich in den Hintergrund zurück. Des Königs allmächtiger Minister Graf von Brühl, dessen Name, was auch seine persönlichen Beweggründe bei der Ausnutzung des Kunstsinnes seines Herrschers gewesen sein mögen, doch nicht von der Entstehungsgeschichte der Dresdener Galerie getrennt werden kann, nahm die Fortsetzung der Bilderankäufe jetzt in seine eigene, starke, im Geben wie im Empfangen gleich gewandte Hand. Wie weit Brühl’s Kennerschaft gegangen, lässt sich heute schwer feststellen. Sicher ist, dass sein Privatsecretär seit [8] 1733, Carl Heinrich von Heinecken, der berühmte Verfasser der „Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen“, der „Idée générale“ und des, von vier gedruckten Bänden abgesehen, nur als Manuscript im Dresdener Kupferstich-Cabinet erhaltenen „Dictionnaire des artistes“, der eigentliche Kunstkenner am sächsischen Hofe und als solcher auch das Auge Brühl’s war. Brühl selbst schrieb ihm am 23. Nov. 1748 aus Warschau: „La gallerie est votre production et j’en ay que l’honneur, mais a vous appartient la gloire.“ Sicher aber ist andererseits auch, dass Brühl nicht nur mit den Künstlern und Kennern aller Länder, wenn auch gewiss oft genug durch die Feder Heinecken’s, im Briefwechsel über Gemäldeankäufe stand, sondern auch die sächsischen Gesandten oder Gesandtschaftssecretäre der Städte, in denen Kunstwerke feil waren, fortwährend im Interesse der Galerie in Bewegung erhielt.

Der sächsische Gesandte Graf Villio in Venedig, der für Erwerbungen besonders günstig gelegenen Stadt, überliess die Auswahl der Bilder freilich den Kennern, die von Dresden aus mit den Ankäufen betraut worden waren, wie 1741 dem Ventura Rossi, 1743 dem Grafen Algarotti, 1744 abermals dem Ventura Rossi, 1747 dem bekannten Kupferstecher und Kunstschriftsteller Ant. Maria Zanetti. Der Legationssecretär de Brais in Paris aber war im Jahre 1742, wenn ihm auch der berühmte Maler Hyacinthe Rigaud zur Seite stand, selbst die Seele ausserordentlich wichtiger Ankäufe. Weniger glücklich war der Legationssecretär Talon in Madrid, dem ein grosser, 1744 in Spanien bewirkter Gemäldeankauf, von dem so gut wie nichts würdig war, in der Galerie zu bleiben, bittere briefliche Vorwürfe des Grafen Brühl und Heinecken’s eintrug. Auch der berühmte Graf Gotter, welcher, als er preussischer Gesandter in Wien und Regensburg war (also wohl vor 1736), eine grosse Anzahl von Gemälden für den sächsischen Hof erworben hatte, erwies sich nicht als Kenner. Die Liste der von ihm gekauften Gemälde hat sich erhalten; aber nur ganz wenige von ihnen konnten dauernd in der Galerie aufgestellt bleiben. Einen weit besseren Geschmack bewies gegen Ende der Regierungszeit August’s III. der Legationssecretär von Kauderbach in Haag. Dieser erwarb 1763 eine Anzahl der besten Bilder des Cabinets Lormier für [9] seinen königlichen Herrn; musste den Ankauf aber rückgängig machen, als der letztere gleich nach dem Abschluss der Verhandlungen starb.

Wir müssen die Haupterwerbungen während der Regierungszeit August’s III. der Reihe nach kurz zu würdigen suchen.

Zunächst war Italien ein Hauptschauplatz der Thätigkeit der Unterhändler des Königs. In Venedig hatte Lorenzo Rossi dem Ventura Rossi Platz gemacht; der letztere hatte schon 1738 nicht weniger als 44 Bilder nach Dresden geschickt, unter denen sich z. B. Ribera’s „hl. Franciscus auf den Dornen“ (N. 685) und „Befreiung Petri“ (N. 684) befanden; im Jahre 1741 liess er 70 andere, in Florenz, Rom, Bologna und Venedig erworbene Bilder folgen, unter ihnen Paolo Veronese’s „kleine Kreuzigung“ (N. 231) und Paolo Farinati’s grosse „Darstellung im Tempel“ (N. 223). Im Ganzen waren diese Sendungen aber so schwach, dass wir die Entrüstung des feinsinnigen und geistreichen Schriftstellers Grafen Algarotti darüber, dass man sich 1744, statt an ihn, noch einmal an Rossi, wandte, begreiflich finden. Rossi’s Sendung von 1744 war allerdings im Ganzen besser, als die vorhergehenden. Sie enthielt unter 65 Bildern z. B. Sassoferrato’s „Madonnen“ N. 430 und 431, die beiden Bildnisse Leandro Bassano’s N. 281 und 282 und Paolo Veronese’s „Leda mit dem Schwan“ (N. 234). Aber es lässt sich nicht leugnen, dass Algarotti, welcher 1743 eigens zu dem Zwecke, Bilder für den sächsischen Hof zu kaufen, nach Italien zurückgegangen war, sich als ein viel feinerer Kenner erwies, denn sein verhasster Nebenbuhler. Ist die Zahl der durch ihn erworbenen Bilder auch nur klein, so ist ihr Wert um so grösser. Befanden sich unter ihnen doch die Holbein’sche „Madonna“ (N. 1901), die „drei Schwestern“ des Palma Vecchio (N. 189), die beiden grossen Schlachtenbilder Jaques Courtois’ (N. 744 und 745), die beiden kräftigen Bilder Strozzi’s (N. 657 und 658) und die beiden schönen grossen „Stilleben“ des Jan Weenix (N. 1666 und 1667).

Alle vorhergehenden und nachfolgenden Gesammterwerbungen aber übertraf der durch Ventura Rossi, Zanetti und den Grafen Villio vermittelte, 1745 abgeschlossene Ankauf der hundert bedeutendsten Bilder der damals weltberühmten Sammlung des Herzogs Franz III. von Modena. Durch ihn gelangte der [10] sächsische Hof um den Preis von 100,000 Zecchinen, zu dem freilich sehr bedeutende Nebenkosten hinzu kamen, mit einem Schlage in den Besitz einer so herrlichen Auswahl von Bildern grosser italienischer Meister, wie sie nördlich der Alpen noch nicht gesehen worden war. Befanden sich doch alle Correggio’s unserer Sammlung, fast alle ihre Dosso Dossi’s und Garofalo’s, sowie die grossen Bilder Ann. Carracci’s und die Hauptbilder Guido Reni’s, Guercino’s, Fr. Albano’s, Tizian’s „Zinsgroschen“ (N. 169) und die vorzüglichsten Bildnisse dieses Meisters, Paolo Veronese’s vier grosse Bilder aus dem Palaste Cuccina (N. 225 bis 228), Andrea del Sarto’s „Opfer Abrahams“ (N. 77), Giulio Romano’s „Madonna della Catina“ (N. 103) und Parmegianino’s „Maria mit dem hl. Stephanus“ (N. 160) in diesem Schatze! Aber auch einige bedeutende Werke nicht italienischer Meister gelangten 1746 mit der Modeneser Sammlung nach Dresden: z. B. Holbein’s Bildniss des Morette (N. 1890), das schöne männliche Bildniss von Velazquez (N. 697) und Rubens’ trefflicher hl. Hieronymus (N. 955).

König August III. und Graf Brühl waren jedoch weit entfernt davon, ihre Ankäufe in Italien mit diesem glänzenden Erfolge für abgeschlossen anzusehen. Gleich im folgenden Jahre, 1747, erwarb Zanetti in Venedig noch so bedeutende Werke für die Dresdener Galerie, wie die grosse „Santa Conversazione“ Tizian’s (N. 168) und wie Paolo Veronese’s „Hauptmann von Kapernaum“ (N. 228) und „Findung Mosis“ (N. 229); 1748 schickte Bernardo Benzoni unter andern Bildern Gessi’s „Magdalena“ (N. 355); 1748 und 1749 aber hielt sich auch der damalige Dresdener Galerie-Inspector Pietro Guarienti zu dem ausgesprochenen Zwecke in Italien auf, um Ankäufe für die Galerie zu machen; und er erwarb damals dort so wichtige Bilder, wie die beiden Altarstaffeln Ercole di Roberto Grandi’s (N. 45 und 46), wie Palma Vecchio’s Heil. Familie mit der hl. Katharina (N. 188) und wie Bordone’s Heil. Familie mit dem hl. Hieronymus (N. 205). Gleichzeitig (1749 und 1750) trat der Maler Siegm. Striebel, über dessen sonstige Thätigkeit sich keine Nachrichten erhalten haben, als sächsischer Agent für Gemälde-Ankäufe in Rom auf. Das einzige hervorragende Bild, welches die Galerie ihm verdankt, ist jedoch die grosse Heilige [11] Familie Garofalo’s (N. 134). Dann folgten (1749 bis 1752) zwischen dem Grafen Brühl und dem bekannten Kunstschriftsteller und Canonicus Luigi Crespi in Bologna längere Verhandlungen über Bilderankäufe, deren Ergebniss die Erwerbung von Parmegianino’s „Madonna della Rosa“ (N. 161) und von Guido Reni’s damals ausserordentlich hochgeschätzter Darstellung „Ninus und Semiramis“ (N. 325) war.

Am glücklichsten von allen diesen Vermittlern aber war der bolognesische Maler Carlo Cesare Giovannini. Durch seine Bemühungen erlangte die Dresdener Galerie im Jahre 1753 für 20,000 Dukaten ihr berühmtestes Bild, Raphaels „Madonna di San Sisto“ (N. 93), welche bis dahin die Wand hinter dem Hochaltar der Klosterkirche San Sisto zu Piacenza geschmückt hatte; und Giovannini’s Eifer verschaffte der Dresdener Galerie in den folgenden Jahren (1754 und 1755) noch Bilder, wie Bagnacavallo’s grosses Heiligenbild (N. 113) und Franceschini’s Magdalena (N. 389). Hiermit waren die Erwerbungen aus Italien in der That so ziemlich abgeschlossen.

Aber nicht nur jenseits, auch diesseits der Alpen wussten Graf Brühl und seine Unterhändler an den verschiedensten Orten verkäufliche Sammlungen und Einzelwerke aufzutreiben: und aus diesen nordischen Quellen wurden vor allen Dingen die niederländischen Schulen der Galerie bereichert.

In Sachsen gaben die Leipziger Messen alljährlich Gelegenheit zu Bilderankäufen; besonders liebte die Königin es, hier Bilder zu Geburtstagsgeschenken für ihren königlichen Gemahl kaufen zu lassen.

In der nächsten Nachbarschaft Sachsens aber war Böhmen eine Hauptfundgrube von Gemälden. Zunächst trat Johann Gottfried Riedel, ein geborner Böhme, welcher 1739 als Hofmaler nach Dresden berufen war, als Vermittler des Ankaufs der Gräfl. Waldstein’schen (Wallenstein’schen) Sammlung auf. Sie enthielt 268 Bilder, welche für 22,000 Gulden in den Besitz des sächsischen Hofes gelangten und unter Riedel’s Leitung im Mai 1741 glücklich von Dux aus über die Grenze geschafft wurden. Diese Wallenstein’schen Bilder stehen in den erhaltenen Inventaren nicht mehr ihren Meistern und Gegenständen nach, sondern nur ihren Nummern nach verzeichnet, konnten aber nach diesen, die auf [12] den Bildflächen erhalten sind, neuerdings zum grossen Teil wieder nachgewiesen werden. Zu ihnen gehörten Vermeer van Delft’s Meisterwerk N. 1335, unsere beiden echten kleinen Bildnisse von Fr. Hals (N. 1358 und 1359) und van Dyck’s Bildniss eines Geharnischten (N. 1026), als dessen Herkunftsort im bisherigen Katalog irrtümlicher Weise Modena angegeben wurde. Im folgenden Jahre, 1742[WS 3], erwarb Riedel 84 Bilder in Prag, unter ihnen z. B. ein männliches Bildniss von Mierevelt (N. 1318), die Rubens’sche Escorial-Ansicht (N. 983) und das grosse Stilleben mit dem Schwan von Fr. Snyders (N. 1192). Ankäufe aus Prag spielen auch in den nächsten Jahren eine gewisse Rolle in den Verzeichnissen der Galerie. Die bedeutendste Erwerbung aus dieser Stadt aber erfolgte erst in den Jahren 1748 und 1749. Unter der Vermittlung Pietro Guarienti’s, der sich der Eigenheit der Angelegenheit wegen hinter dem Pseudonym Placido Gialdi vorsteckt zu haben scheint, wurden damals 69 Bilder der kaiserlichen Galerie zu Prag für 50,000 Thaler erworben und nach Dresden übergeführt; unter ihnen z. B. Rubens’ prächtige „Schweinsjagd“ (N. 962).

Paris wurde besonders durch den Legationssecretär de Brais und den sächsischen Agenten Le Leu, die sich, wie schon erwähnt, des Beirates des berühmten Malers H. Rigaud zu erfreuen hatten, seit 1742 zu einem der Mittelpunkte der Dresdener Bilderankäufe. Im April dieses Jahres wurde zunächst für den Preis von 86,346 Livres eine Anzahl wertvoller Gemälde aus dem Nachlasse des Prinzen Carignan erworben; unter ihnen Werke italienischer Meister, wie unsere beiden Hauptbilder Carlo Dolci’s (N. 509 und 510), wie Albano’s „Erschaffung der Eva“ (N. 343) und „Ruhe auf der Flucht“ (N. 345) und wie die beiden grossen Castiglione’s (N. 659 und 660), Werke niederländischer Meister, wie der Rubens’sche „Liebesgarten“ (N. 976), und Adr. van der Werff’s Selbstbildniss mit seiner Familie (N. 1813). Ihnen folgten gleichzeitig durch dieselben Vermittler Rubens’ „Löwenjagd“ (N. 971) und „Jo“ (N. 964), Rembrandt’s Bildniss seiner Gattin mit der roten Blume (N. 1562), Poussin’s „Anbetung der Könige“ (N. 717) und van der Meulen’s Fahrten Ludwigs XIV. (N. 1114 und 1115). Etwas später, aber immer noch 1742, erstanden de Brais und Ricaud aus der Sammlung [13] Dubreuil in Paris Bilder wie Al. Turchi’s „Venus und Adonis“ (N. 521), Albano’s „Anbetung des Kindes“ (N. 344), Poussin’s „Syrinx“ (N. 718), das Rubens’sche Bildniss der Söhne des Meisters (N. 975) und Netscher’s Bildniss der Montespan mit ihrem Söhnchen (N. 1351). De Brais starb noch in demselben Jahre 1742. Le Leu trat dadurch mehr in den Vordergrund; Rigaud aber entzog auch ihm seine Unterstützung nicht; 1744 z. B. schickte jener abermals eine Anzahl Bilder nach Dresden, zu deren Ankauf der berühmte Maler geraten hatte: z. B. Maratta’s „Heil. Nacht“ (N. 436), Paolo Veronese’s „Susanna“ (N. 237) und einige Hauptbilder Guercino’s (N. 361, 364 und 368). Nach diesen Erfolgen blieb Le Leu noch längere Zeit der sächsische Hauptagent für Bilderankäufe in Paris. Nach 1749 z. B. erwarb er hier noch David Teniers’ des jüngeren „grosse Dorfkirmess“ (N. 1081), Rembrandt’s Selbstbildniss mit seiner Frau auf dem Schoosse (N. 1559), Dou’s „Violinspieler“ (N. 1707), die beiden Hauptbilder Berchem’s (N. 1483 und 1486) und eine Reihe der schönsten Wouwerman’s, wie N. 1417, 1424, 1444, 1447, 1449, 1457, 1463, 1464. Ihnen reihten sich noch 1754 die Bilder an, die er, wie Inspector G. Müller nachgewiesen hat[1], aus der Sammlung des Mr. de la Bouexière erstand. Aber es würde uns viel zu weit führen, auf alle Ankäufe, die unter August III. stattfanden, einzugehen. Der Ueberblick, den wir uns verschafft haben, muss um so mehr genügen, als im Texte unseres Kataloges die Herkunft aller Bilder, die sich ermitteln liess, angegeben ist.

Der Siebenjährige Krieg machte erklärlicher Weise den Bilderankäufen des Königs ein jähes Ende. Dass er aber sofort nach dem Hubertusburger Frieden (1763) seine alte Liebhaberei wieder aufnahm, beweist der schon erwähnte Ankauf der Bilder aus dem Cabinet Lormier, den am 27. September 1763 noch unter den Auspicien Brühl’s und Heinecken’s der Legationsrat von Kauderbach im[WS 4] Haag abschloss. Leider mussten die meisten dieser Bilder, da der König im nächsten Monat starb, sein Nachfolger Kurfürst Friedrich Christian aber aus an sich berechtigter Sparsamkeit die Bilder nicht übernehmen wollte, [14] gleich darauf wieder veräussert werden. Als nach der kurzen Regierung Friedrich Christian’s der neue Regent sich bereit erklärte, den Ankauf anzuerkennen, war es zu spät. Nur wenige der Bilder, wie z. B. Rembrandt’s „Grablegung“ (N. 1566), gelangten nach Dresden. Die Geschichte der grossen sächsischen Bilderankäufe des vorigen Jahrhunderts aber hatte damit so ziemlich ihr Ende erreicht.

Werfen wir nun einen Blick auf die Verwaltung der Dresdener Galerie während der Regierungszeit August’s III., so muss zuerst erwähnt werden, dass der Director Le Plat am 3. Mai 1742 starb und nun der, wie gesagt, bereits 1739 als Hofmaler nach Dresden, berufene böhmische Meister Johann Gottfried Riedel (geb. 1691 in der Nähe von Eger) neben dem alten Steinhäuser als Inspector der Königl. Gemäldegalerie angestellt wurde. Die massenhaften Ankäufe, besonders diejenigen der Jahre 1741 und 1742, durch welche der sächsische Gemäldeschatz um nicht weniger als 715 Nummern bereichert wurde, liessen einen Erweiterungsumbau der Galerieräume im „Stallgebäude“ unabweislich erscheinen. Der Umbau, während dessen die Gemälde im „Japanischen Palais“ untergebracht wurden, fand in den Jahren 1744 bis 1746 statt. Der obere Teil des Stallgebäudes wurde nun zu dem eigentlichen Galeriegebäude (dem jetzigen Museum Johanneum) ausgebaut, in welchem die Sammlung bis über die Mitte unseres Jahrhunderts hinaus blieb. Zur Eröffnung der neuen Räume trafen denn auch gerade die hundert Meisterwerke der Modenesischen Galerie ein. Der alte Steinhäuser gönnte sich noch die Freude, den Schatz mit in Empfang zu nehmen; dann trat er in den Ruhestand. An seiner Stelle wurde am 10. September 1746 der venezianische Künstler und Kenner Pietro Guarienti (geb. zu Verona um 1690) neben Joh. Gottfried Riedel als Inspector in Pflicht genommen; und an demselben Tage wurde auch der Maler Benedict Kern, wie es scheint unter der Oberaufsicht des berühmten Hofmalers C. W. E. Dietrich (Dietericy), als Gemälderestaurateur an der Galerie angestellt. Pietro Guarienti starb jedoch schon am 27. Mai 1753[2], in demselben Jahre also, in welchem [15] seine Neubearbeitung von Orlandi’s Abecedario erschien; und an seiner Stelle wurden nun infolge der immer grösser werdenden Geschäftslast neben Joh. Gottfr. Riedel noch zwei Unterinspectoren angestellt; des letzteren Sohn Joh. Anton Riedel (geb. zu Prag 1733) und der bereits seit kurzem im Kupferstich-Cabinet angestellte Matthias Oesterreich, der ein Enkel des berühmten, in Lübeck geborenen Malers Gottfried Kneller und ein Vetter Heinecken’s war.[3] Der alte Riedel starb aber schon am 12. December 1755, und Oesterreich wurde 1757 nach Berlin berufen und zum Director der Galerie von Sanssouci ernannt. Von diesem Jahre an bis in unser Jahrhundert hinein behielt Joh. Anton Riedel, der es, da er die Erbschaft seines Vaters angetreten, ungewöhnlich jung zu etwas gebracht hatte, die alleinige Leitung der Galerie.

Was die gedruckten und ungedruckten Verzeichnisse der Bilder der Galerie betrifft, so hörten die Inventare Steinhäuser’s natürlich mit dessen Rücktritt auf. Vom Jahre 1747 ist nur ein Bild mehr in dem Octavo-Inventar verzeichnet. An seine Stelle trat das in italienischer Sprache geschriebene „Inventar Guarienti“, welches sich im Besitze des Sammlungs-Archivs erhalten hat. Dieses ist etwas ausführlicher in der Beschreibung und Würdigung der Gemälde, als die früheren, und giebt allein über die Herkunft mancher Bilder (z. B. derer aus der Prager Galerie) Auskunft; doch ist es, da es keine fortlaufende Nummern hat, nicht mühelos zu benutzen; und von Vollständigkeit ist es, da Guarienti bereits 1753 starb, weit entfernt geblieben. Es folgte nun das Inventar von 1754, dessen Urheber Matth. Oesterreich ist. Dasselbe umfasst die 1446 Bilder, die damals die eigentliche Galerie bildeten. Leider giebt es über ihre Herkunft keinen Aufschluss; doch ist es in dieser Beziehung wenigstens selbst ein Zeugniss für die Erwerbung mancher Bilder vor dem Jahre 1754; und seine Bilderbestimmungen, welche sicher nicht ohne Heinecken’s Zustimmung entstanden [16] waren, sind so genau, wie der Stand der kunstgeschichtlichen Forschung des vorigen Jahrhunderts es zuliess. Es verdiente daher immerhin eine eingehendere Berücksichtigung, als ihm bisher zu teil geworden war.

Neben diesen Inventarisirungen aber unternahm kein geringerer als C. H. von Heinecken selbst, dem die Oberaufsicht über die Galerie und das Kupferstich-Cabinet eingeräumt worden war, die Herausgabe des ersten eigentlichen grossen Galeriewerkes in Kupferstichen, welche von den berühmtesten Stechern der Zeit herrühren; die meisten wurden von auswärtigen Meistern nach den Zeichnungen gestochen, welche der Hofmaler Charles Hutin (geb. zu Paris 1715, nach Dresden berufen 1748, gest. daselbst 1776) zu dem Zwecke vor den Gemälden angefertigt hatte. Der erste Band dieses umfangreichen Werkes (Recueil d’Estampes d’après les plus célèbres tableaux de la Galerie Royale de Dresde) erschien schon 1753; der zweite folgte 1757; der dritte erst in unseren Tagen. Heinecken’s Text zu den beiden ersten Bänden ist sehr wertvoll; auch er giebt über die Herkunft mancher Bilder den alleinigen und sicher einen stets zuverlässigen Aufschluss.

Während der bangen Jahre des Siebenjährigen Krieges war man, statt an die Vermehrung der Galerie zu denken, natürlich froh, wenn man die vorhandenen Gemälde erhielt und rettete. Im Jahre 1759 wurden sie in Kisten verpackt und auf den Königstein gebracht. Joh. Anton Riedel’s Tagebuch, welches sich im Archiv der Generaldirection erhalten hat, giebt interessante Einzelheiten über diese Flüchtung der Bilder und über die Schicksale der Galerie während des Bombardements von Dresden im Jahre 1760.

Dass König August III. und sein Ratgeber Graf Brühl sofort nach Beendigung des Krieges Miene machten, die Bilderankäufe in der alten Weise wieder aufzunehmen, haben wir bereits gesehen. Doch war beiden keine lange Wirksamkeit mehr beschieden. Der König starb am 5. October 1763; und Graf Brühl, welcher sofort nach dem Hinscheiden seines Herrn fast alle seine Aemter hatte niederlegen müssen, folgte ihm noch innerhalb desselben Monats in’s Grab. König August des Dritten Nachfolger, Kurfürst Friedrich Christian, starb bekanntlich [17] schon, nachdem er zwei Monate segenverheissend, wenn auch nicht eben auf neue Bildererwerbungen bedacht, regiert hatte. Die darauf folgende lange Regierung Friedrich August des Gerechten, für den nur während der ersten vier Jahre sein Oheim Franz Xaver die Regentschaft führte, leitet auch die Geschichte der Dresdener Galerie bereits in’s neunzehnte Jahrhundert hinüber. Der höchste Chef ihrer Verwaltung während des grössten Teils dieser Zeit war der Cabinetsminister Graf Marcolini (gest. 1814), ihr thatsächlicher Leiter immer noch der Inspector Joh. Ant. Riedel, dem gleich 1764, nachdem Benedict Kern wegen Unfähigkeit entlassen worden war, auch die Restaurationsarbeiten allein übertragen wurden. Zur Katalogisirung der Gemälde aber wurde ihm, ebenfalls gleich 1764, der Inspector des Kupferstich-Cabinets Chr. Fr. Wenzel beigeordnet; und beide gemeinsam veröffentlichten 1765 den „Catalogue des tableaux de la galerie électorale de Dresde“, der in seiner Art vortrefflich war und lange maassgebend blieb. Auf der Grundlage dieses Kataloges (für die Bilderbeschreibungen), des Textes des Heinecken’schen Galerie-Werkes (für kunstkritische und die Herkunft der Bilder betreffende Anmerkungen) und der allgemeinen kunsthistorischen Schriften von v. Hagedorn, de Piles und D’Argensville (für den biographischen Teil) stellte dann, zum Teil wörtlich, aber geschickt compilirend, der Dresdener Generalstabssecretär Joh. Aug. Lehninger das 1782 erschienene „Abrégé de la vie des peintres dont les tableaux composent la galerie de Dresde etc.“ zusammen, ein Werk, welches als das erste „wissenschaftliche“ Verzeichniss der Dresdener Galerie gefeiert zu werden pflegte, bis Jul. Hübner[4] die mechanische Art seiner Entstehung nachwies. Trotzdem war es für seine Zeit ein sehr brauchbares Werk.

Bereichert wurde der Gemäldeschatz des sächsischen Fürstenhauses während des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts kaum noch. Nur gelegentlich wurde einmal ein Bild erworben. Doch wurden im Jahre 1778 nicht weniger als 87 Gemälde aus dem Nachlasse des Oberrechnungsinspectors Spahn als Ersatz veruntreuter öffentlicher Gelder für 5342 Thaler 4 Groschen [18] an Zahlungsstatt angenommen. Unter ihnen befanden sich z. B. viele der Gemälde C. W. E. Dietrich’s, die sich noch heute in der Galerie befinden.

Die dritte Periode der Geschichte der Kgl. Sächsischen Gemäldegalerie gehört ganz unserem neunzehnten Jahrhundert an. Doch lässt sich über die erste Hälfte dieses Zeitraums nicht viel berichten. Dem Inspector Joh. Anton Riedel war 1803 aufgetragen worden, ein neues Inventar der Galerie anzufertigen; 1804 begann er die Arbeit; 1809 war sie vollendet; das ausführliche zweibändige Manuscript, welches jedoch wenig Neues bringt, ist noch im Besitze der Galerie. Es bildet die Grundlage des gedruckten kurzen Katalogs von 1812.

Joh. Ant. Riedel fühlte nunmehr aber, da er älter wurde, das Bedürfniss, sich eine Hülfe zu verschaffen. Im Jahre 1811 wurde neben ihm der Maler Carl Friedrich Demiani als Unterinspector angestellt; und dieser rückte, als Riedel 1816 starb, zum ersten Inspector auf. Unter Demiani wurde, wie seine gedruckten Verzeichnisse von 1817, 1819, 1822 gegenüber demjenigen von 1812 beweisen, die Galerie immerhin um manche Gemälde bereichert; doch scheinen diese zum grössten Teile aus den Schlössern hereingebracht oder dem „Vorrat“ entnommen zu sein.

Als Demiani 1823 starb, wurde Johann Friedrich Matthäi, der schon seit 1810 Professor und zeitweilig Director der Kgl. Kunst-Akademie gewesen war, auch zum Director der Gemäldegalerie ernannt. Matthäi bekleidete dieses Amt, bis er am 23. October 1845 auf einer Reise in Wien starb. Unter ihm wurde 1826 der damals berühmteste Gemälderestaurator Pietro Palmaroli aus Rom nach Dresden berufen. Palmaroli kehrte, nachdem er einige für jene Zeit ausserordentlich glänzende Restaurationen ausgeführt hatte, in sein Vaterland zurück, fand jedoch in Dresden einen Nachfolger in Joh. Aug. Renner (geb. zu Dresden 1783), an den wieder Carl Martin Schirmer (geb. 1808 zu Greifswalde, gest. 1876 zu Dresden) sich anschloss. Der letztere wurde 1834 als Restaurator an der Galerie angestellt. Der Director Matthäi aber schrieb mehrere Galerie-Kataloge, von denen diejenigen von 1826 und 1833 zwar ebenfalls einige Bereicherungen enthalten, aber erst derjenige [19] von 1835, der einzige zugleich, auf dessen Titelblatt er seinen Namen setzte, so viele neue Bilder verzeichnete, dass er noch heute als ältestes Zeugniss für das Vorhandensein mancher Bilder in der Dresdener Galerie angeführt werden muss. Der Staatsminister B. von Lindenau, welcher 1830 die Generaldirection der Museen übernahm[5] und sich die grössten Verdienste um die Neuordnung ihrer Verwaltung erwarb, hatte nämlich 1834 eine Durchsicht des „Vorrates“ angeordnet; und bei dieser Gelegenheit wurden viel vorzügliche entweder bisher noch nie beachtete oder inzwischen nach und nach erworbene, zum Teil auch wohl in Schlössern und öffentlichen Gebäuden versteckt gewesene Gemälde an’s Licht gezogen und der Galerie überwiesen. Unter dem Staatsminister von Lindenau wurde 1836 auch die Galerie-Commission „behufs der genaueren Untersuchung des Zustandes der Gemäldegalerie und der Erörterung der geeigneten Mittel zur Abstellung der sich vorfindenden Uebelstände“ eingesetzt. Ihre ersten Mitglieder waren, ausser dem Galeriedirector Matthäi, als Maler die Professoren Hartmann und Vogel von Vogelstein, als Kenner der bekannte Kunstforscher J. G. von Quandt und der nachmalige Oberhofmarschall Hermann Frhr. von Friesen. In späteren Jahren, als Staatsmittel für Gemäldeankäufe flüssig gemacht wurden, fiel dieser Galerie-Commission, deren Mitgliederzahl allmählich erhöht wurde, neben der Mitbeaufsichtigung der Restaurationsarbeiten noch die Teilnahme an den Bildererwerbungen zu.

Nach Matthäi’s Tode wurde Julius Schnorr von Carolsfeld (geb. zu Leipzig 1794) zugleich als Director der Kgl. Kunstakademie und als Director der Kgl. Gemäldegalerie nach Dresden berufen. Im Jahre 1846 übernahm er beide Aemter; und jetzt erst begann die dritte Periode der Dresdener Galerie sich zu kräftigem neuen Leben, zu dem das vorhergehende Jahrzehnt freilich schon den Grund gelegt hatte, zu entfalten. Ein Neubau hatte sich längst als unabweisbar notwendig herausgestellt. Derselbe wurde nach längeren Beratungen dem damaligen Director der Dresdener Bauschule, Prof. Gottfried Semper, [20] übertragen und im Jahre 1847 begonnen; 1855 wurde das neue Gebäude, in dem die Galerie sich noch gegenwärtig befindet, dem Publicum übergeben. Unter Mitwirkung der Galerie-Commission leitete Jul. Schnorr von Carolsfeld die Uebersiedelung der Gemälde. Die notwendige Neukatalogisirung aber war dem damaligen Commissionsmitgliede und Akademie-Professor Julius Hübner (geb. zu Oels 1806) übertragen worden. Der Hübner’sche Katalog erschien 1856 in erster, 1880 in fünfter Auflage und wird, nachdem er noch 1884 neu gedruckt worden, erst durch den gegenwärtig vorliegenden abgelöst. Jul. Schnorr von Carolsfeld zog sich 1871 von der Leitung der Galerie zurück und starb im folgenden Jahre. Sein Nachfolger als Galeriedirector wurde Jul. Hübner, dessen Leitung die Sammlung zehn Jahre lang unterstellt blieb. Hübner nahm 1882 seinen Abschied und starb in demselben Jahre. An seine Stelle trat der Verfasser des gegenwärtigen Katalogs.

Der Zeitabschnitt seit Schnorr’s Uebernahme der Direction führte der Kgl. Gemäldegalerie nun aber auch nach und nach aus verschiedenen Quellen eine sehr bedeutende Anzahl neuer Gemälde teils alter teils moderner Meister zu. Bleiben wir zunächst bei den „alten“ Bildern, so mag vorweg hervorgehoben werden, dass mit dem sog. „Vorrat“ in den Jahren 1859, 1860 und 1861 gründlich geräumt wurde. Die Bilder, welche man dessen für würdig hielt, wurden damals der Galerie einverleibt, die übrigen verkauft. Die Neuerwerbungen alter Gemälde wurden im Jahre 1852 mit dem Ankauf des Hans Burgkmair’schen Altarwerkes (N. 1897) wieder aufgenommen; – 1853 aber wurden aus dem Nachlasse König Louis Philippe’s von Frankreich in London 15 Bilder der spanischen Schule erworben, durch welche die Dresdener Galerie um solche Meisterwerke, wie Zurbaran’s hl. Bonaventura (N. 696) und Murillo’s hl. Rodriguez (N. 704) bereichert wurde; – 1857 folgten nicht weniger als 27 Gemälde aus dem Nachlasse Prof. Moritz Müller’s, genannt Steinla; – 1860 wurden aus dem Nachlasse des Kunsthändlers S. Woodburne in London so bedeutende Bilder angeschafft, wie die Heil. Familie von Piero di Cosimo (N. 20), die damals dem Luca Signorelli, und wie die Heil. Familie Lorenzo di Credi’s (N. 1 3), die nachmals dem Leonardo [21] da Vinci zugeschrieben wurde; – 1865 wurde in Wien die herrliche kleine Kreuzigung Dürer’s (N. 1879) gekauft. In den siebziger Jahren und zu Anfang der achtziger flossen die Mittel besonders reichlich. Der Landtag hatte eine bedeutende Summe für Gemäldeankäufe aus der französischen Kriegsentschädigung bewilligt; und wenn diese Mittel auch in erster Reihe für den Ankauf moderner Bilder verwendet werden sollten und verwendet wurden, so wurde aus ihnen doch immerhin noch manches wertvolle alte Bild erworben: an italienischen Bildern z. B. 1873 der hl. Sebastian des Antonello da Messina (N. 52), 1874 die gemalten Pilaster von Luca Signorelli (N. 36), die Madonna von Lorenzo di Credi (N. 14) und die Heil. Familie des Previtali (N. 60), 1875 das prächtige Portrait Paolo Morando’s (N. 201), 1876 Mazzolino’s leuchtende Ausstellung Christi (N. 123) und Mantegna’s köstliche Maria mit Jesus und dem Johannesknaben (N. 51), 1883 die Santa Conversazione Lor. Lotto’s (N. 195); an niederländischen Bildern 1876 die Hagar des Jan Steen (N. 1736), 1880 die beiden Reiter des Th. de Keyser (N. 1543), 1883 die bezeichnete Landschaft des Jan van der Meer von Haarlem (N. 1507).

Vor allen Dingen aber entstand in dieser letzten grossen Anschaffungs-Periode die moderne Abteilung der Dresdener Galerie. Wenn auch früher schon einige neuere Gemälde vorhanden gewesen und im vorigen Jahrhundert die Zeitgenossen keineswegs übersehen worden waren, so hatte es in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, in welcher überhaupt kaum Bilder gekauft wurden, doch völlig an einer Entwickelung der Sammlung nach dieser Richtung hin gefehlt. Den ersten Schritt zur Förderung des Ankaufs moderner Bilder that der ehemalige Staatsminister von Lindenau, auf dessen hervorragende Verdienste um unsere Sammlungen bereits hingewiesen worden ist. Bei seinem Rücktritt im Jahre 1843 bestimmte er aus seiner Pension 700 Thaler jährlich zur Erwerbung von Gemälden lebender Künstler für die Galerie. Natürlich erlosch diese Zuwendung mit dem 1854 erfolgenden Tode Lindenau’s; doch verdankt die Dresdener Galerie der „Lindenau-Stiftung“ immerhin Werke wie A. L. Richter’s „Brautzug“ (N. 2221), C. G. Peschel’s „Heimzug Jakobs“ (N. 2216) und Jul. Hübner’s „Goldenes Zeitalter“ (N. 2227).

[22] Sodann beschloss der Akademische Rat am 31. März 1848 die Hälfte des Reinertrages jeder akademischen Kunstausstellung zum Ankauf ausgestellter Bilder zu verwenden; und dieser Quelle entstammen z. B. J. C. C. Dahl’s grosse norwegische Landschaft (N. 2204), Peschel’s „Kommet her zu mir“ (N. 2226), Grosse’s „Leda“ (N. 2268), Kummer’s „schottische Landschaft“ (N. 2237), Lier’s „Mondscheinbild“ (N. 2327), Oehme’s „Steinbruch“ (N. 2274) und Choulant’s „Peterskirche“ (N. 2263).

Auch aus dem mit Landesmitteln ausgestatteten „Oeffentlichen Kunstfonds“ wurden in den sechziger Jahren einzelne neuere Bilder angeschafft; z. B. 1867 Hübner’s „Disputation Luther’s mit Dr. Eck“ (N. 2229), 1869 Hofmann’s „Ehebrecherin vor Christus“ (N. 2254).

Erst seit der schon erwähnten einmaligen Bewilligung bedeutender Mittel für Kunstzwecke aber konnten hervorragende moderne Bilder in grösserer Anzahl angekauft werden; und so gelangten nach und nach, hauptsächlich unter der Oberleitung des gegenwärtigen Herrn Cultusministers, die meisten jener Bilder neuerer Meister in die Galerie, die schon heute die moderne Abteilung an Anziehungskraft mit der alten wetteifern lassen. Es würde zu weit führen, hier einzelne dieser Gemälde hervorzuheben. Es sei nur bemerkt, dass im Jahre 1884 als letztes Bild aus diesem Fonds E. v. Gebhardt’s „Waschung des Leichnams Christi“ (N. 2314) erworben wurde. Seit dieser Zeit ist die Galerie-Verwaltung für die Erwerbung von Gemälden auf die Mittel angewiesen, welche ihr in jeder Finanzperiode neu bewilligt werden.

Parallel mit diesen Erwerbungen aus öffentlichen Mitteln aber gingen seit 1880 die Anschaffungen aus den Zinsen der Pröll-Heuer-Stiftung. Der Maler Max Heinr. Ed. Pröll, welcher sich nach seinem Pflegevater, dem Farbenfabrikanten Anton Heuer, Pröll-Heuer nannte, hinterliess der Dresdener Galerie bei seinem 1879 erfolgten Tode ein bedeutendes Vermögen als Stiftung, aus deren Ertrag nach Auswahl des akademischen Rates Gemälde lebender deutscher Künstler, vorzugsweise auf den Dresdener Kunstausstellungen, erworben werden. Dieser Stiftung verdankt die Galerie in den letzten Jahren bereits an zwei Dutzend vorzüglicher Bilder lebender Meister.

[23] Die übrigen Quellen gelegentlicher Erwerbungen, sowie die zahlreichen Einzelschenkungen, deren die Galerie sich zu erfreuen gehabt, brauchen, da sie im Texte namhaft gemacht worden sind, hier nicht im voraus aufgezählt zu werden. Nur des Moritz Winkler’schen Vermächtnisses, durch welches 1884 neun Bilder, unter ihnen unser frühestes Bild Andreas Achenbach’s (N. 2297) und ein Hauptbild Oswald Achenbach’s (N. 2311), in die Galerie gelangten, und der Professor Bertrand’schen Schenkung, durch welche sie 1882 um fünf ausgezeichnete Bilder Anton Graff’s (N. 2173–2177) auf einmal bereichert wurde, sei schon an dieser Stelle dankbar gedacht.

Die gewonnene Uebersicht über die Erwerbungen der Dresdener Galerie seit dem Beginn der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts genügt, um zu beweisen, dass der Aufschwung, den das öffentliche Leben ganz Deutschlands und Sachsens seit dieser Zeit genommen, auch der Dresdener Gemäldegalerie in reichem Maasse zu gute gekommen ist.

Die Literatur über die Dresdener Galerie ist im Laufe des 19. Jahrhunderts mächtig angewachsen. So weit sie uns für die vorliegende Arbeit interessirt, wird sie im Texte genannt werden. Von den immer zahlreicher werdenden Vervielfältigungen nach Bildern der Galerie können hier im Voraus nur die wichtigsten Sammelwerke genannt werden.

An dem alten amtlichen in Kupfer gestochenen Galeriewerke wurde bis in unsere Tage herein langsam weitergearbeitet. Durch die Herausgabe eines vollständigen dritten Bandes fand es 1872 einen vorläufigen Abschluss.

An dieses Werk schloss sich aber seit 1881 unter dem Titel „Kupferstiche nach Werken neuerer Meister in der Kgl. Gemäldegalerie zu Dresden“ ein modernes Galeriewerk an. Wilh. Rossmann, der 1885 verstorbene vortragende Rat der Generaldirection, gab es heraus und schrieb den Text zu ihm; nach Rossmann’s Tode wurde es 1886 zum Abschluss gebracht.

Ein kleines Radirwerk über die vorzüglichsten Bilder der Dresdener Galerie, zu welchem Hübner unter dem Titel „Laienbrevier“ einen poetischen Text schrieb, gab Prof. H. Bürckner heraus.

[24] In grossem Umfange bemächtigte sich ferner schon in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts die Lithographie der Dresdener Gemälde. Die Hauptleistung in dieser Technik ist F. Hanfstängl’s grosses Werk: Die vorzüglichsten Gemälde der Kgl. Galerie zu Dresden, nach den Originalen auf Stein gezeichnet; nebst Erklärungen etc. von J. G. A. Frenzel.

Photographische Originalaufnahmen der Gemälde der Dresdener Galerie sind in grösserem Umfange nur zweimal gestattet worden: das erste Mal 1871 der Photographischen Gesellschaft in Berlin, deren Dresdener Werk 393 Nummern umfasst; das zweite Mal 1883 den Herren Ad. Braun & Co. in Dornach im Elsass. Das Dresdener Galeriewerk der letzteren, zu dem der Verfasser dieses Katalogs den Text geschrieben, ist das umfangreichste von allen in irgend einer Technik herausgegebenen. Es enthält 600 Original-Photographien nach Dresdener Bildern und erschien 1884–1887 in 15 Lieferungen zu 40 Blatt.

Auf andere Einzelheiten aus der Verwaltungsgeschichte der Dresdener Galerie während der letzten Jahrzehnte einzugehen, ist die Zeit noch nicht gekommen. Was in ihnen erreicht worden ist und was die Gegenwart erstrebt, wird die Zukunft würdigen müssen.






  1. Dresdner Journal vom 30. Mai und 1. Juni 1880.
  2. Nach den Acten des Archivs der Generaldirection Cap. VII. N. 11. Fol. 45. Die Angabe der Künstler-Lexika, dass Guarienti erst 1765 gestorben sei, ist also irrig.
  3. Näheres über ihn bei C. Justi: Winckelmann I. (1866) S. 293.
  4. In v. Zahn’s Jahrbüchern für Kunstwissenschaft VI, 1873, S. 131–135.
  5. Vgl. H. Freiherr von Friesen: „Ein Beitrag zur Geschichte der Dresdener Gemäldgalerie“ im „Neuen Archiv für Sächs. Geschichte“ etc. I. (Dresden 1880) S. 316–333.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Druckfehlerberichtigung siehe Druckfehler: Seite 3 Zeile 16 von unten lies des XVIII. Jahrhunderts statt „des Jahrhunderts.“
  2. Druckfehlerberichtigung siehe Druckfehler: Seite 3 Zeile 7 von unten lies 1701 statt 170.
  3. Druckfehlerberichtigung siehe Druckfehler: Seite 12 Zeile 7 von oben lies 1742 statt 1782.
  4. Druckfehlerberichtigung siehe Druckfehler: Seite 13 Zeile 4 von unten lies im statt in.