RE:Egnatius 42

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Victor Lollianus, L., Legat in Galatien, Stadtpraefekt in Rom 254 n. Chr.
Band V,2 (1905) S. 20012003
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42) L. Egnatius Victor Lollianus, a) Diesem Namen begegnen wir in der ersten Hälfte des 3. Jhdts. n. Chr. in einer Anzahl von Stellungen, deren Aufteilung unter zwei Persönlichkeiten häufig den Gegenstand gelehrter Untersuchungen gebildet hat. Der Altmeister der Prosopographie, Borghesi, ist viermal auf diese Frage zurückgekommen (Oeuvr. III 413ff. IV 519ff. V 409f. IX 382ff.), seither haben sich Henzen Ann. d. Inst. 1866, 131ff., Waddington Fast. d. prov. As. nr. 173, de Vit Onomast. II 696f., Liebenam Forsch. z. Verwaltungsgesch. I 343f., Mommsen zu CIL III 6058.[1] 12270, Dessau Prosop. imp. Rom. II 33 nr. 29f., Ritterling Arch.-epigr. Mitt. XX 38f. und Chapot Prov. Rom. d’Asie 309f. damit beschäftigt. Es sei zunächst der Sachverhalt festgestellt (die Belegstellen findet man unter b): Im J. 207 verwaltet Egnatius Victor die consularische Provinz Pannonia superior (s. Nr. 41); im J. 213 wird L. Egnatius Victor Loll[ianus] in eine Priesterschaft aufgenommen; im J. 218 ist L. Egnatius Victor Lollianus Legat der praetorischen Provinz Galatien, unter Kaiser Philipp (244–249) ein Gleichnamiger, den einige Inschriften nur Egnatius Lollianus (CIG II 2870. 3516. Athen. Mitt. XXV 122) oder Lollianus (CIG II 3517. CIL III 468.[2] Athen. Mitt. VIII 316) nennen, Proconsul von Asia, der Nämliche im J. 254 Stadtpraefect von Rom. Chronologisch unbestimmt sind: die praetorisehe Stellung eines Legaten von Arabia (ἐπὶ Ἐγνατίου Ὀὐίκτορος Λ[ολλιανοῦ]), die consularischen eines Legaten von Pontus und Bithynien (Λ. Ἐγνάτιον Οὐίκτορα Λολλιανόν) und eines Correctors von Achaia (in den Inschriften stets der vollständige Name).

Zweifellos ist der Legat Pannoniens von dem Proconsul von Asia und Stadtpraefecten verschieden; der eine offenbar der Vater des anderen, dieser in abgekürzter Nomenclatur Egnatius Lollianus, jener vielleicht ebenso Egnatius Victor genannt. Galatien kennen wir nur als praetorische Provinz; die Möglichkeit, daß es in einem so bewegten Jahre wie 218 ausnahmsweise einem Consular unterstellt wurde, ist zu vag, als daß mit ihr zu rechnen wäre. Demnach wird man Lollianus den Sohn für den Legaten Galatiens zu halten haben (Ritterling a. a. O.). Wenn es auffällt, daß ein Mann, der im J. 218 bereits eine wichtige praetorische Provinz verwaltete, erst 23 Jahre später (s. unter b) Proconsul von Asia, 36 Jahre später Stadtpraefect wurde, so mangelt es doch für einen Cursus honorum von so langer Zeitdauer nicht an Analogien (vgl. z. B. o. Bd. I S. 253 und Suppl.-Heft I S. 8 Nr. 22. Bd. III S. 1202 Nr. 64 oder die Laufbahn des Lollianus Mavortius). Ist der Legat Galatiens eine Person mit dem Proconsul Asiae, dann wohl gleichfalls der fünf Jahre vorher kooptierte Priester. Daß der Corrector von Achaia nicht der Vater, sondern der Sohn war, geht meines Erachtens daraus hervor, daß anscheinend auch letzterem, eben wie dem Corrector, Rednergabe nachgerühmt wird (s. unter b). Bezüglich der Statthalterschaften von Arabia und Pontus-Bithynien ließe sich zugunsten des Sohnes nur geltend machen, daß dessen mehr als vierzigjährige Dienstzeit auf eine große Zahl von Beamtungen schließen [2002] läßt und daß der vollständige Name L. Egnatius Victor Lollianus vorläufig nur für ihn sicher bezeugt ist. Dies vorausgesetzt, erhalten wir folgendes Bild seines Lebenslaufes:

b) Lollianus Vaterstadt war vielleicht Prusa (doch fragt sich, ob in der dem οἰκιστὴς τῆς πατρίδος in Prusa gesetzten Inschrift IGR III 33 πατρίς auf Lollianus zielt; s. u.), sein Vater L. Egnatius Victor (Nr. 41). Im J. 213 wurde er in ein Priestercolleg – wie Borghesi vermutete, das der Sodales Antoniniani – aufgenommen (CIL VI 2001).[3] Im J. 218 verwaltete er als Legat des Kaisers Elagabal Galatien (CIL III 6058[4] = 6900 = Dessau 467 Meilenstein), in unbestimmter Zeit Arabien (Rev. bibl. 1899, 13 = Rev. arch. XXXIV 1899, 318 nr. 22 Gerasa). Nach seinem (Suffect-) Consulat, dessen Jahr unbekannt ist, finden wir ihn als Corrector in Achaia (vgl. v. Premerstein o. Bd. IV S. 1646); von den Denkmälern, die ihm der Areopag in Athen (IG III 632), die Plataier (IG VII 2510) und Thespier (IG VII 2511) errichteten, sind die Inschriften erhalten. Ferner bekleidete er die Statthalterschaft von Pontus und Bithynien; in dieser Zeit ehrte ihn Prusa durch eine Statue (IGR III 33; die Verwaltung der Heimatprovinz war damals nicht mehr unzulässig, vgl. o. Bd. III S. 2725f. Nr. 182. 203). Die (neben Africa) ranghöchste proconsularische Provinz Asia regierte Lollianus nicht weniger als acht Jahre lang (die Iterationsziffer fehlt: CIG II 3516 [Thyatira]. CIL III 14195[5] 34 [Ephesus]. VI 1405 [Rom], Athen. Mitt. XXV 1900, 122 [bei Sardes]; das zweite Jahr wird CIG II 2870 = Le Bas-Waddington III 232 [Milet]. 3517 [Thyatira], das dritte CIL III 468.[6] 12270 = Kern Inschr. v. Magnesia 257 [Meilensteine]. Athen. Mitt. VIII 1883, 316 [Tralles] erwähnt; ein milesischer Stein nennt ihn ἀνθύπaτ[oς] πολλάκις [‌S.-Ber. Akad. Berl. 1901, 908]; endlich heißt es in einer noch unpublizierten, von Heberdey mir freundlichst mitgeteilten Inschrift aus Ephesus: Λ. Ἐγνάτιον Οὐίκ[τορα] Λολλιανὸν τὸν λαμπρότατον ἀνθύπατον .ΤΟ. \ usw. und bezüglich der Ziffer bemerkt Heberdey: ,kaum Γ oder E, fast nur I oder H möglich‘; zehnjährige Dauer ist jedoch ausgeschlossen, s. u.). Zum drittenmal bekleidete Lollianus den Proconsulat unter Kaiser Philipp, wie die Meileninschrift CIL III 12270[7] lehrt (vgl. auch Waddington bei Borghesi Oeuvr. IX 384, 1), und zwar, da dieselbe den jungen Philippus noch Caesar nennt, spätestens im J. (10. Dez.) 246–(28. Aug.) 247, in welchem dieser Augustus wurde. Hieraus läßt sich mit Rücksicht darauf, daß im J. 249/250 bereits ein anderer Proconsul (Iulius Proculus Quintilianus, s. Prosop. imp. Rom. II 209 nr. 335) fungierte, das dritte Jahr des Proconsulates auf 243/244, seine Dauer demnach auf 241/242–248/249 berechnen. Lollianus hat also sein Amt unter Gordian III. angetreten und während der ganzen Regierung Philipps behalten (in einer Inschrift Gordians III. [Bull. hell. I 1877, 107] ist sein Name, da sie vor das J. 241 gehört, nicht zu ergänzen, wohl aber CIL III 14191[8] in der Erledigung einer Bittschrift kaiserlicher Colonen an Philippus). Nach Sterretts Annahme (Athen. Mitt. VIII 317) wäre er der in [2003] den Märtyrerakten des Leo und Paregorius genannte proconsul Lollianus, electus ab imperatoribus (?), bis zu dessen Ankunft der Procurator die Geschäfte führte (Acta SS. Febr. III p. 58).

Ein Proconsulat von dieser Zeitdauer ist singulär. Was Gordian und namentlich Philipp veranlaßte, Lollianus, der ihnen offenbar für zuverlässig galt, so lange auf diesem Posten zu verwenden, wissen wir nicht; kein Autor gedenkt seiner (für den sechsjährigen Proconsulat des M. lunius Silanus soll der Anlaß gewesen sein, daß durch das Schreckensregiment des Tiberius die Zahl der Consulare zusammengeschmolzen war [Dio LVIII 23], für den dreijährigen des Eprius Marcellus, daß Vespasian diesen seinen vielen Feinden in Rom entziehen wollte [‌Waddington Fast. nr. 96]). Auch in diesem Amte ist Lollianus als ,Wohltäter‘ asianischer Städte durch Standbilder geehrt worden (in Ephesus, CIL III 14195[9] 34: omni ius[titia praestanti oder ähnlich] und die oben erwähnte, noch ungedruckte Inschrift; in Tralles, Athen. Mitt. VIII 316; in Milet, S.-Ber. Akad. Berl. a. a. O.). Endlich erstieg er – wohl schon in vorgerücktem Alter – die Spitze der senatorischen Laufbahn als praef(ectus) [urbi] (CIL VI 1405);[10] er ist ohne Zweifel der im J. 254 unter Valerian und Gallienus fungierende Stadtpraefect Lolliamts, mit dem der Chronograph vom J. 354 seine Liste eröffnet (Mommsen Chron. min. I 65). Wie meist üblich, mag er zugleich mit der Praefectur den zweiten Consulat (als suffectus) erlangt haben. Wenn man den Ehreninschriften glauben darf, bewährte er sich, wie als Verwaltungsbeamter, so auch als Redner; ὁ ῥήτωρ wird er in der athenischen Inschrift genannt (IG III 632); entsprechend ist in einer stadtrömischen Ehreninschrift (CIL VI 1405) wohl zu ergänzen: in omni or[atoris munere] serv[ienti reip. oder ähnlich]. Borghesi (Oeuvr. IV 519ff.) sah in ihm den Ungenannten, dessen Horoskop und Lebenslauf in des Firmicus Maternus mathesis (II 29, 10 Kroll-Skutsch) beschrieben wird: wie Mommsen (Herm. XXIX 1894, 470f.) gezeigt hat, mit Unrecht, da die Stelle vielmehr auf Ceionius Rufius Albinus zu deuten ist. Darin jedoch wird Borghesi Recht behalten, daß der Mann, dem die Schrift des Firmicus Maternus gewidmet ist, Q. Flavius Maesius Egnatius Lollianus Mavortius, eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der constantinischen Zeit (s. Lollianus), ein Nachkomme (Enkel?) des Lollianus war.

Anmerkungen (Wikisource)[Bearbeiten]

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 6058.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 468.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2001.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 6058.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 14195.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 468.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 12270.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 14191.
  9. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 14195.
  10. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1405.