RE:Firmicus
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Maternus, Iulius, verfasst astrologische und religiöse Schrift um 335 n. Chr. | |||
Band VI,2 (1909) S. 2365–2379 | |||
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Firmicus. Iulius Firmicus Maternus, der Verfasser von zwei für die Kulturgeschichte des sinkenden Altertums sehr wichtigen Werken, ist uns nur aus diesen bekannt; jede literarhistorische Notiz fehlt. Er sagt uns math. I pr. 4, daß er aus Sizilien stamme und dort wohne (gute Kenntnis Siziliens auch in de err. 7, 1f.); Syrakusaner war er nach Skutschs (Hermes XXXI 646) sehr wahrscheinlicher Herstellung einer Stelle im Horoskop des Archimedes p. LXXVII b col. 2 der princeps. Er war Senator (Iulii Firmici Materni iunioris V. C. in den Subskriptionen der Hss. von math. und de err.; viri consularis, wie der Urbinas am Ende von math. IV und die Aldina haben, ist Mißdeutung von V. C.). Aus math. I pr. ergibt sich, daß er geraume Zeit vor 335 Lollianus Mavortius (s. u.), den damaligen Statthalter von Campanien, kennen lernte, von der Erschöpfung durch eine Winterreise bei ihm sich erholte und dem Freunde, der in den Gesprächen mit ihm von Sizilien und Archimedes auf astronomische und geographische Fragen gekommen war, damals das Versprechen gab, ein großes astrologisches Werk zu schreiben. Als er dieses verfaßte, hatte er bereits die Anwaltstätigkeit aufgegeben, auf deren Gefahren und Stürme er IV pr. 1f. zurückschaut. Daß er Heide war, als er sein astrologisches Buch schrieb, ist keine Frage. Der Annahme, er habe an Mysterienkulten teilgenommen (Friedrich In Iul. Firmici de err. prof. relig. lib. quaest., Diss. Giss. 1905, 55), widerspricht die scharfe Warnung an den Astrologen II 30, 10 (nunquam nocturnis sacrificiis intersis, sive illa publica sire privata dicantur); jedenfalls hat er sie, wie sich aus de err. ergibt, sehr genau gekannt (selbst dies scheint von Cumont Relig. orient. 19, jedoch kaum mit Recht, in Zweifel gezogen zu werden). Vor der etwa 345–347 erfolgten Abfassung seines christlich-polemischen Werkes, wohl nicht lange zuvor, ist er Christ geworden (de err. 8, 4 sacrarum lectionum, institutione formatus). Wann er gestorben ist, wissen wir so wenig wie das Jahr seiner Geburt.
1. Die acht Bücher der Mathesis, des astrologischen Werkes, sind vom Verfasser wohl selbst als acht bezeichnet, aber der primus liber nur als verteidigendes Vorwort gedacht, dem sich dann die übrigen sieben nach der ,Ordnung und Zahl‘ [2366] der Planeten, anschließen (s. das Schlußkapitel des Ganzen: das einführende Buch II würde danach dem Sol als dux omnium et princeps [I 10, 14] entsprechen, Buch III der Luna, die vielleicht nur deshalb noch am Schluß behandelt wird; weiter läßt sich das Spiel dieser ,Ordnung‘ kaum verfolgen). Die Abfassungszeit ergibt sich ziemlich genau aus verschiedenen Anspielungen. Die Sonnenfinsternis des 17. Juli 334 (o. S. 2362) ist I 4, 10 als neues Ereignis erwähnt; Constantin I. regiert noch (I 10, 13 lies Constantii filius; vgl. ferner I prooem. 7); die Caesares kommen neben Constantin I 10, 14 vor. Buch I ist also nach dem 17. Juli 334, vor dem 22. Mai 337 geschrieben. Das Horoskop II 29, 10ff. hat Mommsen (Hermes XXIX 470ff.) als das des Ceionius Rufius Albinus, Stadtpraefecten vom 30. Dezember 335 bis 10. März 337 erkannt. Danach ist Buch II zwischen dem 30. Dezember 335 und dem 22. Mai 337 geschrieben. Gewidmet ist das Werk dem Freunde, auf dessen Aufforderung und wiederholte Mahnung es begonnen und vollendet wurde, dem Q. Flavius Maesius Egnatius Lollianus mit dem Beinamen Mavortius, dessen Ämterlaufbahn durch Inschriften und Schriftsteller, am besten letzt durch die von Seeck (Röm. Mitt. XX 283ff.) glücklich zusammengefügte Inschrift CIL VI 1723[1] + 1757 bekannt ist. Ihm, proconsuli provinciae Africae et ordinario consuli designato, erfüllt F. sein Versprechen, das er dem consularis Campaniae gegeben und dem comes Orientis noch nicht gehalten hatte (I pr. 8). Die Designation zum Consul – die übrigens nicht auch VIII 15 p. CVI a 2 der princ. bezeugt ist, denn dort steht nicht Lollianus, sondern Tullianus in der Princeps und in allen Hss.; gemeint ist, wie mir Seeck schreibt, der Consul von 330, der bald Symmachus bald Tullianus genannt wird, De Rossi Inscript. Christ. Urbis Romae I 37. Mommsen Chron. min. III 520. Seeck Herm. XLI 533; Symmachus p. XLI –, macht Schwierigkeiten, denn Lollianus war erst 355 ordentlicher Consul. Da schon wegen der christlichen Schrift die Mathesis nicht erst 354 vollendet sein kann und ebensowenig die Sätze über den lebenden Constantin I. dicht neben dem Datum 354 stehen könnten, so ist entweder an die bloß adulatorische Bezeichnung eines Versprechens des Consulates durch Constantin I. als Designation zu denken (so Mommsen) oder aber mit Friedrich (a. O. 53) eine wirkliche Designation durch Constantin anzunehmen, der zunächst kein Amtsantritt unter Constantius folgte. Für Buch I und II bleibt also die Entstehung vor Juni 337 unzweifelhaft; die späteren Bücher werden wohl ebenfalls vor Constantins Tode vollendet sein, da sonst der Bezug auf Constantin beim Abschluß getilgt worden wäre.
Die Überlieferungsgeschichte der Mathesis kann vor dem Erscheinen der zweiten Hälfte von Krolls und Skutschs Ausgabe nicht unternommen werden; es muß genügen, in Kürze auf das einstweilen vorliegende Material hinzuweisen, das erst durch die zu erwartende Praefatio der neuen Ausgabe sicher verwertbar werden wird. Die älteren Hss. – keine älter als saec. XI – reichen alle nur bis höchstens p. 269, 19 Kr.-Sk., gehen also nicht über IV 22 hinaus. Vgl. über [2367] sie die Vorbemerkung von Kroll-Skutsch, dann über die Hs. in Montpellier saec. XI Bonnet Rev. de philol. N. S. VIII (1884) 187ff.; über den interpolierten, aber nicht durchaus wertlosen Monac. 560 saec. XI vgl. Keller Zu J. F. M., dem Astrologen, Progr. Erlangen 1881. Sittl Praef. seiner Ausgabe p. X. Mommsen Hermes XXIX 618f. Für die vollen acht Bücher gibt es nur jüngere Hss. aus humanistischer Zeit, von denen eine Anzahl bei Kroll-Skutsch p. VI verzeichnet ist; sie werden von den Herausgebern in eine deutsche und eine italienische Gruppe geteilt. Von einer Anzahl nicht mehr nachweisbarer Hss. haben wir Kenntnis, so von einer aus Monte Cassino, die auch den Frontin enthielt und von Poggio 1429 für diesen benützt wurde; vielleicht hängt der Monacensis 560 mit ihr zusammen oder ist ein Teil davon. Hartmann Schedel kannte einen Codex mit stichometrischen Angaben, für Buch II 1825 Zeilen (Sittl Arch. f. Lexik. IV 611. v. Winterfeld DLZ 1896, 69f.). Über weitere verschollene Hss. s. Lessing Werke XII 271ff. L.-M. Sittl Praef. p. XIIff. v. Winterfeld a. O. 70. Vgl. im allgemeinen noch Montfaucon Bibl. Bibl. I 88 C u. ö. Heilbronner Hist. Math. Univ. in den beigegebenen Auszügen aus Montfaucon Index unter F. Von den alten Ausgaben ist die princeps (Venet. 1497 per Symonem Bivilaqua) ein im ganzen treues Bild der Überlieferung, jedoch mit Lücken namentlich im sechsten und siebten Buch (vgl. auch Lessings Ergänzungen a. O.). Stilistisch sehr stark dem klassischen Latein näher gebracht ist die Aldina (1499), die Pescennius Franciscus Niger nach einem ad extremam Scytharum faecem verschlagenen und von ihm heimgebrachten Codex herausgab, vgl. die Beispiele von Textänderung, die Sittl Arch. f. Lexik. IV 608 beibringt; das Verhältnis zur hsl. Überlieferung ist erst noch aufzuhellen. Auf der Aldina beruhen die beiden Ausgaben des Astrologen und Arztes Pruckner (Bas. 1533 und 1551). Erst 1894 ist durch C. Sittl die erste Hälfte einer kritischen Ausgabe erschienen, deren völlige Unzulänglichkeit (vgl. Kroll und Skutsch Hermes XXIX 517ff.) eine neue Bearbeitung durch die zwei Genannten herbeiführte (fasc. prior., Lips. 1897).
2. Die Mathesis ist eine Einführung in die Astrologie von ihren Anfangsgründen bis zu den Geheimnissen der Sphaera barbarica. Sie ist das umfangreichste Handbuch der Astrologie, das wir aus dem Altertum haben, obgleich große Gebiete, besonders die καταρχαί, darin fehlen. Da die Arbeiten der letzten zwei Jahrzehnte die Erkenntnis der Arbeitsweise und der Quellen des F. bedeutend gefördert haben, eine Übersicht über die Ergebnisse aber noch nicht vorliegt, so soll sie im folgenden in Kürze versucht und einige neue Hinweise hinzugefügt werden. Das erste Buch ist lediglich der Verteidigung der Astrologie bestimmt. Gegen wen sich die Verteidigung richtet, ist aus den Wendungen contradicendi studia sollicitant ut certis ac definitis rebus ... argumentatione pugnacis licentiae resistatur deutlich zu erkennen (I 1, 1 vgl. auch 2, 12): es sind die Neuakademiker, deren Haupt Karneades die einschneidendsten Argumente gegen die Astrologie formuliert hatte (Schmekel Philos. der [2368] mittl. Stoa 155ff. Wendland Philo über die Vorsehung 24ff. Boll Studien über Ptol. 133ff. 181ff.). Die Berufung auf die Kontroversen über das Wesen der Götter I 1, 3–4 (mit stellenweise wörtlicher Benützung von Cic. de nat. deor. I 2–4), über die Unsterblichkeit und über das Gute und Böse dienen dazu, die Argumentation der Gegner von vornherein zu verdächtigen. Dann werden die Karneadeischen Argumente von den Völkersitten, von der Aufhebung alles ethischen Urteils, aller Strafen, auch allen Gebetes zu den Göttern (vgl. jetzt Valens IX 8, Catal. cod. astr. V 2, 123, 23) zunächst nur ohne Widerlegung angeführt. Weiter wird dann ganz wie bei Philo und Sextus (Wendland a. O. 26) der ungeheuren Schwierigkeiten, die sich aus der unermeßlich raschen Bewegung der Gestirne ergeben, gedacht. Die Antwort des F. (von 3, 3 an) legt die Irrtümer in der Voraussagung dem Ausübenden, nicht der Kunst zur Last (wie in Cic. de div. I 124 und bei Ptolem. Tetrab. p. 6, beide nach Poseidonios, Boll a. O. 138; mit Cicero 118 berührt sich F. in dem Wort inscientia p. 11, 7). Die großen Schwierigkeiten astrologischer Voraussagung werden zugegeben, wie von Ptolemaios (Boll a. O. 139), aber, anders als dort, in platonisierender Weise, auf die Schwäche der in die Bande des Körpers verstrickten Menschennatur geschoben, sogleich aber die Erhabenheit des seines göttlichen Ursprungs sich bewußten Menschengeistes und seiner Erkenntnisse – non didicit sed agnovit, also ἀνάμνησις – gepriesen, teilweise ähnlich wie Manilius II prooem., aber schwerlich daraus entnommen; letzte Quelle ist, wie sich aus den Berührungen von 4, 1f. mit Cic. de div. I 129 ergibt, der dort zitierte Poseidonios; das non didicit sed agnovit wie die recordatio stammt aus Cic. Tuscul. I 57f.; ähnlich übrigens auch Hermes Trismeg. p. 115, 16 οὐ διδάσκεται, ἄλλ' ἀναμιμνήσκεται, Kroll De orac. Chaldaicis 59. Die Art der Beispiele, die mehr ein Hymnus auf die Astronomie als auf die Astrologie sind (Verherrlichung der Vorhersagung von Sonnen- und Mondfinsternissen 4, 10; s. o.), hat F.s Vorlage vielleicht auch aus Poseidonios. Mit der wissenschaftlichen Astronomie sind die principia der Astrologie, die nur ein Teil von ihr sein soll, gegeben. Dann wird c. 5 der Einwurf de coloribus et moribus, von den ethnographischen Eigentümlichkeiten, ohne Eingehen auf die astrologische Geographie, vielmehr zunächst mit Hinweis auf das Argument des Chrysipp von der notwendigen Verschiedenheit aller Individuen abgetan (Boll a. O. 183 Anm.), dann aber auf die Seele und den νοῦς der Gestirne und die Verwandtschaft des Menschengeistes mit diesem göttlichen Geiste hingewiesen, ähnlich wie bei Cic. somn. Scip. 3, 7 (zum Teil wörtlich danach 5, 11) oder de nat. deor. II 39ff.; Tusc. I 62ff.; poseidonianisch (Rohde Psyche 609, 1) ist auch der Glaube an descensus und ascensus der Seelen 5, 9, wo übrigens ein neuplatonischer Einschlag nicht auszuschließen ist (vgl. z. B. Porphyr. de antro nymph. 29). Sodann wird der Einwand wegen des Determinismus behandelt (c. 6); F. erklärt, die Sterne verursachen, quae patimur, dagegen der göttliche Ursprung unseres Geistes, quod repugnamus, was auch auf stoischem, nicht nur auf neuplatonischem [2369] Standpunkt denkbar ist, vgl. Poseidonios bei Seneca ep. 113, 28 und Schmekel 244f. Es wird dann in c. 7 an zahlreichen Beispielen auseinandergesetzt, wie das Fatum oder die Fortuna (das wird nicht unterschieden) die Geschichte seltsam gestaltet; die ersten Beispiele § 2–7 verraten offenbar die überreizte Atmosphäre der Rhetorenschule und das Studium der Deklamationen mit ihren romanhaften Themen, die auch 10, 10 und in Buch VIII ihren Einfluß nicht verleugnen (viel einfacher über das gleiche Manil. IV 69ff.). Aber auch die folgenden zahlreichen historischen Beispiele aus der griechischen und römischen Geschichte sind die in den Rhetorenschulen für das Tychethema üblichen, so daß die Verwandtschaft mit Manil. IV 23ff., auch mit Varros Marius de fortuna u. a. wenig zu pressen ist (vgl. Edwin Müller Philol. LXII 82ff.); daß Cornelius Nepos die Quelle für F.s griechische Beispiele war, ist von Moore Julius Firmicus Maternus, der Heide und der Christ, Münch. Diss. 1897, 38f. durchaus nicht bewiesen. Eingelegt ist die sehr interessante Stelle über Plotin (7, 14–22), die nicht aus Porphyr. vit. Plot. c. 2 stammen kann, da sie ausführlicher über die Krankheit spricht (Boll a. O. 234, 1) und den Aufenthalt in Campanien etwas anders motiviert. Die lange Ausführung über Sulla (§ 25–38), die Usener in Maurenbrechers Sallust ediert hat, scheint mehr noch von einer Epitome des Livius beeinflußt (analysiert bei Moore 38ff.); Manilius IV 43ff. hat hier kaum merklich den Ausdruck gefärbt. In c. 8 widerlegt F. die vermittelnde Meinung, daß zwar Lebensbeginn und Tod dem Schicksal unterliege, unser Leben aber ἐφ' ἡμῖν sei, mit der Erwiderung, daß auch das Leben doch dem Zufall (mortis repentino casu steht p. 32, 23) – er meint aber dem Schicksal – unterliege; eine begrifflich sehr wenig scharfe Beweisführung, deren stoische Herkunft aus Serv. Aen. VIII 334 (v. Arnim Stoic. vet. frg. II 281) klar wird. Fortuna und εἰμαρμένη erscheinen auch hier immer identisch. Das 9. Kapitel ist wesentlich Zusammenfassung. Kap. 10 behandelt die Frage nach dem Grund der Völkertypen (colores et mores gentium), die den Einfluß der Sterne zu widerlegen scheinen, nicht vom Gesichtspunkt der astrologischen Geographie aus, sondern vielmehr aus der Lehre von den fünf Zonen, von denen aber nur die zwei gemäßigten bewohnt erscheinen (die Parmenideische und altstoische Zonenlehre, vgl. Berger Geschichte d. Erdk. II 37. 69. III 123), sowie aus den großen körperlichen und seelischen Verschiedenheiten unter den Angehörigen der gleichen Nation. 10, 12 a. E. ist wohl polemische Anspielung auf Manil. IV 773ff. Für den Kaiser Constantin I., dessen Gebart in Naissos die These beweisen muß, daß ab Italis frequenter dominationis imperia translata sunt, und für die Caesares wird an alle sieben Planeten, mit Sol beginnend, ein Gebet gerichtet, das das erste Buch schließt (vgl. für solche Planetengebete einstweilen Reitzenstein Poimandres 75, 4. Catal. cod. astrol. VII 4); dieses ganze Gebet des F. ist übrigens vollständig aus Cic. somn. Scip. 4, 9 zusammengeflickt.
Kürzer lassen sich die folgenden Bücher besprechen. Das zweite Buch ist das eigentliche Lehrbuch der Elementarbegriffe der Astrologie, [2370] die primae institutiones, wie sie ähnlich die griechischen Ἐἰσαγωγαί in die Astrologie geben; eine große Lücke entstellt gerade das zehnte Kapitel, aus dem man am ehesten die hier übrigens minder wichtige Quellenfrage entscheiden könnte (II 10 näher mit Rhetorios, Catal. cod. astrol. VII 194, als mit Valens und Hephaestio verwandt). Genannt werden, wie auch vielfach sonst im Werke, die Graeci, auch die Babylonii und Aegyptii (auf Nechepso-Petosiris geht wohl auch hier manches, aber sicher nicht alles zurück); nur im Vorbeigehen, in der Praefatio, ein uns unbekannter Fronto und Hipparch als dessen Quelle, die Verse des Iulius Caesar (Germanicus) und Cicero (beide auch zitiert VIII 5 neben Arat), dann, mit Zustimmung, Ptolemaios und ein unbekannter Navigius(?), was kaum in Nigidius zu ändern ist. Für die antiscia-Lehre c. 19 werden außer Ptolemaios auch noch der Dichter Antiochos von Athen (s. o. Bd. I S. 2494 und Suppl. I S. 92) und besonders rühmend der Dichter Dorotheos von Sidon (s. Kroll Catal. cod. astr. VI 89ff.) genannt. Am Schluß dieses vorletzten Kapitels ist das Horoskop des Albinus (s. o.) eingelegt, ähnlich wie etwa Antigonos von Nikaia das Horoskop des Hadrian oder Palchos das des Leontios als Beispiel bringt. Besonders anziehend erscheint das Schlußkapitel qualis vita et quale institutum esse debeat mathematicis, über das u. S. 2373. Der Kaiser wird als Gott hier selbst von der Möglichkeit, über sein Leben zu forschen, ausgenommen. Das dritte Buch behandelt die Wirkungen jedes einzelnen der sieben Planeten an den zwölf Örtern (starke wörtliche Berührungen mit dem Dichter Antiochos von Athen, Catal. cod. astr. I 108ff.; Parallelen zu Manetho sind Berl. Phil. Woch. 1898, 203f. notiert); sodann die Verbindungen des Merkur mit anderen Planeten. Zitiert sind hier nur gelegentlich die Babylonier und Ptolemaios (13, 14). Dem Prooemium liegt für die Darstellung der Lehre vom Makrokosmos und Mikrokosmos wohl Manil. IV 888ff. direkt zu Grunde. Das Thema mundi III 1 ist nach F.s Angaben aus Petosiris-Nechepso genommen, die sich auf Aeskulap und Anubis berufen, denen Mercurius die Geheimnisse dieses Wissens anvertraut habe (vgl. Manetho V 1ff.); diese genitura mundi wird mit Kataklysmos und Ekpyrosis zusammengebracht, die auch Berossos (Sen. qu. n. III 29, 1) behandelt hatte; die fünf Weltalter werden nach den Planeten geordnet (vgl. Bouché-Leclercq L’astrol. gr. 498ff. Catal. cod. astr. IV 114. 183). Das vierte Buch bespricht namentlich den Mond in Verbindung mit andern Planeten, nach einer noch nicht zu benennenden Mittelquelle: genannt werden am Anfang (pr. 5) außer Aesculapius Mercurius et Chnubis (so Reitzenstein Poimandres 125f.) Petosiris-Nechepso, Abraham, Orpheus und Kritodemos; über die orphischen Astrologica s. jetzt Heeg Die angeblichen orphischen Ἔργα καὶ ἡμέραι, Würzb. Diss. 1907; Kritodemos und der öfters zitierte Abraham sind auch von Valens (2. Jhdt.) gekannt und benützt. Von den übrigen Kapiteln zeigt das 19. über den οἰκοδεσπότης oder dominus geniturae Berührungen mit Stellen in Ptolemaios Tetrabiblon (Berl. Phil. Woch. 1898, 205), das 21. ebenso mit Ptolem. IV 4, beidemal ohne daß direkte Benützung des Ptolemaios [2371] vorläge. Für c. 18 ist Abraham, für c. 22, über die Dekane, Nechepso und Petosiris als Quelle genannt. Die Quellen des fünften Buches, das die vier cardines des Himmels (Aufgang, Untergang, Kulmination, Gegenkulmination) und die Wirkung der Planeten in den Zodiakalzeichen, Häusern, Dekanen, ὅρια bespricht, sind noch wenig bekannt; das Prooemium gibt wieder einen deutlichen Hinweis auf die Ägypter, d. h. Nechepso-Petosiris (ut quidquid divini veteres ex Aegyptiis adytis protulerunt ad Tarpeiae rupis templa perferret). Das sechste Buch ist, abgesehen von c. 1 über die hellen Fixsterne (vgl. VIII 31. Boll Sphaera 410 und Artikel Fixsterne), vierteilig. Auf den ersten Teil, über die Planeten im Gedritt-, Geviertschein usw. (p. LXVII b–LXXVI der princ.) ist ein helles Licht gefallen durch den Anonymus de planetis, den Kroll Catal. cod. astr. II 159ff. herausgegeben hat. Mit ihm berührt sich F. vielfach wörtlich, man sieht, wie er arbeitet: was er dazu gibt, sind schwungvolle Worte, Rhetorik. Die gemeinsame Quelle des Anonymus wie des F. ist der von ihm wohl in einer Prosaparaphrase gebrauchte Dichter Anubion, der die Astrologie in elegischen Versen besang; genannt hat ihn F. nicht, denn mit Hanubius, d. h. dem Gotte Anubis (III 1, 1), kann der Elegiker mit dem häufig vorkommenden Personennamen Anubion nicht wohl identisch sein. Übrigens wird die letzte Quelle des Anubion wie des Valens für diesen Abschnitt Nechepso-Petosiris sein (Kroll Catal. V 2, 62). Der zweite Teil des sechsten Buches beginnt dann mit den specialia apotelesmata, d. h. den Horoskopen einzelner Typen von Menschen, wobei auch für mythische und historische Persönlichkeiten (Oedipus, Paris, Demosthenes, Homer, Plato, Pindar, Archilochos, Archimedes, Thersites) Horoskope (natürlich alle ratione composita) gegeben werden. Der dritte Teil des Buches gibt eine Korrektur für nur platice ausgearbeitete Definitionen des zweiten Buches, die die τόποι patris, matris usw. bezeichneten; ein Hinweis auf bewährte Anschauungen von alii p. LXXXIIII verschweigt die Quellen. Der vierte Abschnitt p. LXXXVff. handelt über den Chronokrator (Bouché-Leclercq a. O. 492. Valens VI 6 im Catal. V 2, 118); es ist abermals eine feinere Durchführung eines schon II 26 behandelten Themas; er hatte also wohl für das Buch der εἰσαγωγή (II) andere Quellen als hier. Das siebente Buch, über dessen Vorrede u. S. 2373, fährt in den figurae caelestes oder speziellen Horoskopen einzelner Menschentypen und Lebensschicksale fort; mit dem Abschnitt de servili genitura (c. 3) berührt sich stellenweise genauer Valens II 34, mit c. 6 de ferinis et quadrupedibus genituris et etiam monstruosis Ptolem. III 9. Das achte und letzte Buch enthält nun als Krone des Ganzen, wie mehrfache Ankündigungen vorher erkennen lassen, die Sphaera barbarica; für die Analyse dieses Buches (auch für die ältere Literatur) s. Boll Sphaera 394ff.; für die Vorrede Boll Studien über Ptolem. 146ff. Es sind wieder Quellen zum Teil genannt: für Kapitel 1 Petosiris (freilich mit einem Vorwurf, den dem F. seine eigene Unklarheit eingibt, vgl. Bouché-Leclercq 414, 1); für Kapitel 2 Abraham, für Kapitel 3 Nechepso, den hier auch Teukros imitiert hat. Auf das kleine [2372] vierte Kapitel unbekannter Quelle, das wieder das platonisierende non didicit, sed agnovit animus aus I 4, 5 aufnimmt, folgt das besonders feierlich eingeleitete Hauptstück, die Apotelesmata Sphaerae barbaricae, die nach der Vorbemerkung nicht einmal die divini viri Petosiris und Nechepso gefunden haben sollen (vgl. dagegen Boll Sphaera 374ff.). Daß er diese Doktrin multis Graecis et omnibus Romanis incognitum nennt, ist ein starkes Stück, denn ihr erster Teil, über die (griechischen und einige ,barbarische‘) Sternbilder außerhalb des Tierkreises, ist zwar wohl Chaldaei operis disciplina, wie er am Schluß (c. 17) sagt, ihm aber, wie schon Scaliger, Bechert u. a. gesehen hatten, durch den Dichter Manilius vermittelt, den er lediglich durch ein fabulosi poetae einmal c. 6 versteckt andeutet. Er selbst hat für die Aufgänge wenig hinzugetan, aber die Untergänge der gleichen Sterne aus Eigenem gedeutet, im Verfolg der alten Parallele δύσις = Tod und mit Verwertung der aus den rhetorischen Deklamationen ihm geläufigen Schauerszenen; das mag ihm das Selbstbewußtsein gegeben haben, hier schöpferisch zu sein. Der zweite Abschnitt der Sphaera barbarica stammt dann vermutlich aus dem öfter genannten Abraham, der dritte aus Achilleus; beide sind IV 17, 2 als Quellen für die Sphaera barbarica genannt.
3. Die Zahl astrologischer Schriftsteller, die F. nennt, ist nicht gering, außer Babyloniern oder Chaldaeern, von denen mit Namen nur Abraham vorkommt, und den Ägyptern Anubis, Chnubis, Nechepso, Petosiris die Halbägypter Hermes und Asklepios und die Griechen Kritodemos, Hipparch, Ptolemaios, Achilleus, die Dichter Orpheus, Dorotheos, Antiochos, von Römern die unbekannten Navigius (?) und Fronto. Aber merkwürdiger ist es, daß er gerade die, deren Benutzung wir ihm sicher nachweisen können, verschweigt: die Dichter Anubion und Manilius; im letzteren Fall ist die mala fides kaum abzuweisen. Auch den Antiochos hat er gerade da, wo er ihn benützt (vielleicht nur in einer Prosaparaphrase) nicht genannt. Wie weit er die von ihm genannten Quellen direkt benützt hat, ist danach doppelt die Frage: für Nechepso und Petosiris, die dunklen divini veteres, deren Bücher er gewiß selbst besessen haben mag, wird er meist Mittelquellen gehabt haben, sogut wie etwa für das, was im ersten Buch und sonst in den Prooemien an Poseidonios erinnert. Ob wir diese Mittelquellen wieder finden, ist fraglich; immer mehr wird aber deutlich, daß ein weit ausgedehnter Grundstock an vielen Stellen dem F. mit Manetho, Ptolemaios, Valens gemeinsam ist (Köchly in der Praef. zur Didotausgabe des Manetho p. LXVIIIff. Boll Berl. Phil. Woch. 1898, 205f. und besonders Krolls reiche Zusammenstellung Catal. cod. astr. V 2, 143ff.): es liegt am nächsten, das von allen fortgesetzt gepriesene Buch des Petosiris-Nechepso als diese letzte Quelle zu vermuten. Aus dieser Benützung einer und in anderen Partien auch noch anderer, babylonisch beeinflußter Vorlagen hellenistischer Zeit (V 2 bezeichnet er sich selbst als Übersetzer) folgt eine Mahnung zur Vorsicht in der Benutzung des F. als kultur- und sittengeschichtlicher Quelle für die Kaiserzeit; vieles ist bei ihm angepaßt, aber der Grundstock aus [2373] der Ptolemaeer- und Seleukidenzeit ist geblieben, gerade wie etwa die stoisch-kynische Diatribe traditionelles Gut von Jahrhundert zu Jahrhundert weitergibt. Schon durch seine bloße Existenz ist freilich dieses Buch eines Senators des 4. Jhdts. ein eindrucksvolles Zeugnis für den ungeheuren Einfluß der Astrologie in dieser Zeit; und all das ausgesuchte Unheil, das nach ihm die Menschheit fortgesetzt bedroht, läßt den furchtbaren Druck empfinden, mit dem diese Sternenfurcht die Gemüter belastete.
Es ist auch sonst nötig, nicht zu viel Individuelles und Persönliches in dem Buch des F. zu suchen. Wenn er zur Geheimhaltung des Werks vor Uneingeweihten und Ungebildeten mahnt, den Mavortius dafür mit einem Eide bindet und dazu den Weltenschöpfer und Lenker anruft (VII pr.), so findet sich all das genau so auch bei Valens (VII pr. = Catal. V 2, 41f.), nur daß dort die Sterngötter angerufen werden, zu denen auch F. I 10, 14 betet. Vgl. auch schon Seldenius Synt. de diis Syr. prolegg. c. 3 und besonders das von Kroll bei Boll Sphaera 396, 1 Bemerkte; mit dem Eid ließe sich außer dem von F. selbst angeführten auch der Ärzteeid der Hippokrateer vergleichen. Daß er trotzdem an Leser auch außer Lollianus denkt, verrät z. B. in Buch V p. LIX b, 1. col. der Schlußsatz. Großen Eindruck macht auf neuere Leser das Schlußkapitel von Buch II, das dem Astrologen, qui cotidie de deis vel cum deis loquitur, schöne Ermahnungen gibt, aber durch die über ihm liegende religiöse und ethische Weihe, wenn man sie dem F. persönlich statt der ganzen Literaturgattung zuschrieb, zu Vorurteilen über seinen menschlichen Wert führen mußte; der derbe und sehr zur Polemik geneigte Valens spricht (z. B. V 6 a. O. 31, 3ff. und besonders IX 8 a. O. 122, 34ff.) nicht viel anders, als F. hier und in der Vorrede zu VIII. Doch tritt der Priester der Sternenreligion, antistes Solis et Lunae et ceterorum deorum per quos terrena omnia gubernantur, kaum irgendwo so würdevoll vor uns wie in dem Buch des vornehmen Sizilianers, der auch im Prooemium des V. Buches das divinum praesidium herbeiruft mit einem höchst merkwürdigen Gebet an den einen Weltengott, den Lenker von Himmel und Erde und Meer, der allem Vater und Mutter und sich selber Vater und Sohn ist (vgl. Dieterich Mithraslit. 155f.).
Was wir über die Bildung des F. aus der Mathesis und de err., das ich gleich heranziehe, entnehmen können, ist zunächst Kenntnis der nationalen Schriftsteller: aus Vergil, Terenz, Horaz, Ovid sind gerne Stellen zu poetischer Färbung des Ausdrucks verwertet (Wieck Sphaera Empedoclis, Greifsw. Diss. 1897, 8. Moore a. O. 49f. Skutsch Rh. Mus. LX 265. Ziegler ebd. 278. Zucker Philol. LXIV 471). Ciceros Aratea und Germanicus nennt er neben Arat. Von Sallust und Livius hat er manche Wendung entlehnt. Cicero de nat. deor. und somn. Scip. schreibt er gelegentlich aus; auch de divinat., die Tusculanen und wohl noch manches andere von Cicero (auch Catil. I 3, vgl. Skutsch zu de err. 6, 9 Ziegler) hat er gelesen. Seine rhetorische Schulung ist in ihrem starken Einfluß auf seine Darstellung schon oben betont worden: er lebt in der Romanwelt der Deklamationen, die ps.-Quintilianischen [2374] schreibt er direkt aus (Weyman Rev. de l’hist. et de litt. relig. III 383f. Becker Philol. LXI 476ff.), und rhetorische Figuren, wie Oxymora, Parechesen, Anaphern sind ihm geläufig. Daß man sich hüten muß, seine literarische Bildung zu überschätzen, lehrt von den Schriftstellerhoroskopen in Buch VI besonders das des Archilochos, den er unter denselben Sternen geboren sein läßt wie den Pindar und nur als Lyriker und religiösen Dichter für seine dulcissimi carminis modos preist. Das für Demosthenes ebd. gebrauchte Bild in modum fulminum ist das gleiche, wie bei Cic. orat. 234 und π. ὕψους 12, 4. Daß er irgend tiefere philosophische Studien gemacht habe, ist wenig wahrscheinlich; wenn er den Porphyrius noster nennt (math. VII pr.) und sein Buch περὶ τῆς ἐκ λογίων φιλοσοφίας kennt (de err. 13, 4), so beweist das sowenig ein näheres Verhältnis zum Neuplatonismus wie seine achtungsvolle Polemik gegen Plotin I 7, 14, über dessen Leben er gut unterrichtet ist. Näher führt an neuplatonische Regionen das von Sympathie und Ehrfurcht für den Mystiker und Theologen erfüllte Horoskop Platons (in Buch VI), das zugleich in fühlbarem Gegensatz gegen die neuakademische pugnax licentia (I 1, 1) die vera disputationum licentia preist, mit der Plato ad omnia secreta divinitatis accedat. Stoisch und zwar zumeist, aber nicht immer, poseidonianisch ist die Verteidigung der Astrologie in I; die Stoa wird VIII 15 mit Achtung genannt, aber ohne daß F. als ihr Anhänger erschiene.
Auch auf dem Gebiet der Astronomie und Astrologie waren seine Kenntnisse nichts weniger als fachmännisch; schon Pico della Mirandola hat ihm grobe Fehler nachgewiesen (vgl. Heilbronner a. O.): er gibt eine Deutung für Merkurs Kulmination in nächtlicher genitura, obgleich sich ja der Planet nur höchstens 28° von der Sonne entfernt, und läßt ebenso die Venus um 90 und mehr Grad von der Sonne sich entfernen (p. 130, 12). Über die plumpen Mißverständnisse in II 11 vgl. Kroll Neue Jahrb. VII 568, 2. Auch die Widersprüche zwischen einzelnen Stellen wie VI 1 und VII 31 beweisen, wie wenig er sogar in der eigentlichen Astrologie zu Hause war. Dennoch hat er sich mit dem einen astrologischen Werk nicht begnügt; er zitiert IV 20, 2 einen singularis liber quem de domino geniturae et chronocratore ad Murinum nostrum scripsimus; VII 6 ein Buch de fine vitae ebenfalls als vorliegend. Beabsichtigt hat er (VIII 3) auch eine Übertragung der iatro-mathematischen Schrift des Nechepso und eine Myriogenesis in 12 Büchern nach Asklepios, dem sie ,der verehrungswürdige Stern des Merkur‘ mitgeteilt hatte (erwähnt als beabsichtigt V 2 p. LVIII 1 col. VI 1. VIII pr.).
Die Sprache des F. ist in ihren Gewohnheiten so feststehend, daß man sich wundern muß, daß die Identität des Verfassers der math. und von de err. verkannt werden konnte; bei der Emendation der beiden Werke leistet diese Konstanz des Sprachgebrauches die wesentlichsten Dienste. Schon Dressel (Lexikal. Bemerkungen zu F. M., Progr. Zwickau 1882), Kelber (Anfang eines Wörterbuches zu den libri matheseos [2375] des I. F. M., Progr. Erlangen 1883) und Moore in der genannten Dissertation haben, leider zum Teil ohne genauere Kenntnis der Überlieferung, viel Material gesammelt; dann vgl. bes. Kroll, Skutsch und Ziegler in verschiedenen vorher genannten Aufsätzen und für die Gleichheit des Sprachgebrauches in beiden Werken auch die Noten in Zieglers Neuausgabe von de errore; auf ein besonders charakteristisches Beispiel dieser ewigen Wiederkehr der gleichen Ausdrücke hat er praef. p. XLIII aufmerksam gemacht. Eine ausreichende Bearbeitung der Sprache des F. wird erst in den Indices der beiden Neuausgaben zu erwarten sein. Hier kann nur auf ein paar Eigentümlichkeiten hingewiesen werden, die zugleich die Identität des Verfassers von math. und de err. bekräftigen. Am hervorstechendsten ist die geradezu ungeheure Vorliebe des F. für den sog. Genitiv der Inhaerenz. Dafür gibt es in den beiden Schriften Tausende von Beispielen; auch wenn F. den Cicero ausschreibt, sagt er (I 1, 4) statt omni curatione et administratione vacent (de nat. deor. I 2) ab omni administrationis cuvra vacuos esse. Das bei F. sehr entwickelte Bedürfnis nach Abundanz des Ausdrucks führt in beiden Schriften zu Verbindungen wie immortalem aeternae perpetuitatis ordinem u. dgl. Die Konstanz des Ausdrucks äußert sich ebenso in gewöhnlichsten Worten wie constituere, das in der math., zum Teil aus sachlichen Gründen, ca. 400 Mal, in de err. aber ohne solchen Zwang ebenfalls ein dutzendmal vorkommt (Ziegler a. O. 283), wie auch in der Wiederkehr besonders erlesener Floskeln: das aus Quintil. declam. X 4 p. 216, 3 Burm. entnommene in mortem stringere venam (vgl. Becker Philol. LXI 478) kommt sowohl math. I 9, 1 wie de err. 18, 2 vor. Für Nichtbeachtung der Consecutio temporum vgl, Kelber 18; für Verschwinden von quisquam, Gebrauch von iste = hic Moore 14f.; Verbindung hic idem Kroll Rh. Mus. LII 586; quatenus = quomodo Moore 17. Bemerkenswert ist der Ersatz des Ablativus comparationis durch a schon in der heidnischen Schrift (Kroll ebd. 588, der wegen dieses Hebraismus frägt, ob F. schon vor Abfassung der Astrologie christliche Bücher gelesen habe; vielleicht ist auch der seltsame Ausdruck animo pauperes p. 98, 19, der sprachlich durch Plat. Soph. 251 C nicht genügend erklärt wäre, schon eine eigentümliche Umbiegung des biblischen Ausdrucks pauperes spiritu Matth. 5, 3). Kurz sei noch auf die von F. streng beobachteten Satzschlußgesetze hingewiesen, die besonders Skutsch und Ziegler bei ihm nachgewiesen haben; wiederum stimmen durchweg, auch in der Zulassung der selteneren Klausel — ◡ — ◡ —, die heidnische und die christliche Schrift völlig überein. Vgl. jetzt Genaueres in Zieglers Praefatio zu seiner Ausgabe von de errore p. XXIIff.
4. Die Schrift de errore profanarum religionum ist nur in einem einzigen Codex erhalten, dem jetzigen Palatinus Vaticanus 165, mit der Subscriptio Iulii Firmici Materni V C de errore profanarum religionum explicit. Die Hs. ist nach Traubes Urteil (Rh. Mus. LX 265, 1) wahrscheinlich noch in Karolingischer Zeit in Deutschland geschrieben. Später sind vom 1. Quaternio die zwei äußeren Bogen verloren gegangen. Die [2376] Hs., die zweimal, vor und nach der Ed. princ., korrigiert wurde (Ziegler Rh. Mus. LX 422), ist von Matth. Flacius Illyricus für diese benützt worden (Argentor. 1562); die neuestens durch Theod. Friedrich a. O. verfochtene Annahme, daß Flacius eine von P unabhängige Hs. benützt habe, ist durch K. Ziegler Rh. Mus. LX 417ff. widerlegt worden. Die Hs., die in Minden lag, kam vielleicht durch Flacius selbst nach Heidelberg und von da nach Rom, wo sie Bursian wiederfand und für seine Ausgabe (Lips. 1856) benützte. Die von Bursian und später für Halm (Corp. script. eccl. lat. II) gemachten. Kollationen der zum Teil sehr schwer lesbaren Hs. sind als unzureichend zuerst aus Anlaß einer von Weyman (a. O.) gemachten Beobachtung über die Benützung einer ps.-Quintilianischen Deklamation erkannt worden; Skutsch und sein Schüler Ziegler haben darauf die Hs. genauer geprüft: das überraschende Ergebnis s. Rh. Mus. LX 263–296. Die darnach erforderliche Neuausgabe, durch Ziegler besorgt, ist bereits im Druck. Die Identität des Verfassers der Mathesis und der Schrift de errore wurde von Labbé, Fabricius, Bernhardy u. a. vertreten, auch von J. M. Hertz De I. F. M., Havniae 1817 und war früher die überwiegende Ansicht; die große Ähnlichkeit der Sprache – besser die völlige Übereinstimmung – ist unbegreiflicherweise von Münter, der die Schrift de err. 1826 mit Anmerkungen, herausgab (wiederholt in Mignes Patrol. lat. XII 971ff.) verkannt worden. Bursian hat diesen Irrtum nicht mitgemacht (p. VII); allein da er wegen der Designation des Lollianus die Vollendung der Mathesis erst auf 354 setzte, gleichwohl Verschiedenheit der Verfasser (wie früher Baronius, Lipsius u. a.) für sicher erklärt; er hielt sie, um die Übereinstimmung der Sprache zu erklären, für Verwandte, die die gleiche Schule erhalten hatten. Diese von Halm gebilligte Ansicht Bursians ist die herrschende geblieben, bis die Neubearbeitung der Mathesis durch Kroll und Skutsch die völlige Übereinstimmung der Sprache in einem Umfang aufdeckte, dem durch Bursians Erklärung nicht mehr genügt werden konnte. Moore hat dann in seiner Münchener Dissertation von 1897 die Identität des Verfassers beider Schriften weiter belegt; und seitdem haben sich die Beweise nur immer mehr gehäuft. Der Weg ,von dem milden weihevollen Ernste des Astrologen zu den fanatischen Ergießungen des ,christlichen‘ Pamphlets‘ (Weyman Wochenschr. f. kl. Philol. 1894, 602) muß viel weniger weit erscheinen, seitdem das weniger Persönliche als vielmehr Generelle dieser Haltung des Astrologen sich erkennen läßt (von dem Worte divinationem 1, 1, auf das Ebert Allg. Gesch. d. Lit. des MA. I2 130, 3 eine unwahrscheinliche Vermutung stützte, ist nach Zieglers Kollation a. O. 274 von erster Hand nur natione [so!] zu lesen, divinationem also unkontrollierbare Vermutung des ersten Korrektors). Verfaßt ist die Schrift de errore zwischen 343 und 350, da sie sich an die Kaiser Constantius und Constans († 350) wendet, die c. 20, 7 mit Namen angeredet sind, und der britanischen Expedition des letzteren (343) Erwähnung tut (28, 6); die 29, 3 auf den Beistand des christlichen Gottes zurückgeführte Demütigung [2377] der Perser kann auf das J. 346 (vergebliche Belagerung von Nisibis durch Sapor, s. Seeck o. Bd. IV S. 1060) oder 348 (Flucht des Sapor), aber auch schon auf den Erfolg des J. 343 (s. ebd. 1057) gehen: doch scheint der Ausdruck Persica vota conlapsa sunt am besten auf das Ereignis von 346 zu passen. Die 3, 5 erwähnten Erdbeben sind wohl die der J. 344 und besonders 345 (s. ebd. 1059); das Buch wird also kaum vor 345 und kann nicht lange nach 348 geschrieben sein, vermutlich 346.
Das Buch zerfällt in zwei Teile, von denen der erste die heidnischen Naturreligionen und Mysterienkulte bekämpft, der andere (von c. 18 ab) speziell die signa oder σύμβολα, die Losungsworte, an denen die Teilnehmer an den Geheimkulten sich erkennen, verdammt, als durch teuflischen Trug aus Bibelworten entstellt (21, 1), ebenso wie die heiligen Handlungen jener Mysterien, deren Ähnlichkeit mit christlichen Kultgebräuchen (Eucharistie c. 18) dem Verfasser nicht entgehen konnte, diese nur nachäffen sollen (22, 1); im ersten Teil überträgt er selbst das εὑρήκαμεν συγχαίρομεν des Isiskultes auf die vera via salutis (2, 9). Die Symbola, die von F. bekämpft werden, sind die der Kulte des Attis, des Ιakchos, des Mithras, des Dionysos, des Osiris oder Adonis. Die hohe religionsgeschichtliche Bedeutung dieses zweiten Teiles ist namentlich von Dieterich in seiner Mithrasliturgie beleuchtet worden (vgl. für die Seitenzahlen den Anhang ,Reste antiker Liturgien‘ 213ff.). Speziell erläutert sind diese Symbole in der öfters genannten Gießener Dissertation von Friedrich 42ff. Wichtig, ja ,einzig dastehend‘ (Dieterich 174) ist der auf einen bestimmten Kult leider nicht sicher zu beziehende Bericht des F. c. 22 über kultische Begehung von Tod und Auferstehung eines Gottes, etwa des Osiris oder auch des Attis, vgl. Hepding Attis 167 und Cumont Relig. orient. 73. Der erste Teil der Schrift bekämpft nach dem verlorenen Eingang zunächst die Anbetung eines der vier Elemente Wasser, Erde, Luft, Feuer (vgl. Cumont a. O. 248), d. h. die von Osiris und Isis, Magna Mater und Attis, Caelestis oder Iuno (Venus) Virgo, Mithras; dann nach der Lücke (in c. 5) die Kulte und Mythen des kretischen und thebanischen Dionysos, der eleusinischen Demeter, des Adonis, der kyprischen Aphrodite, des Sabazios, der Korybanten, des makedonischen Kabir, des mit dem ägyptischen Joseph als Σάρρας παῖς identifizierten Serapis, auch der Penaten, der Vesta, des Palladiums und der fünf Minervae. Überall soll die Unsittlichkeit und Menschenvergötterung der heidnischen Religionen gezeigt werden; das Hauptmittel liefert der Euhemerismus. Bemerkenswert ist die Scheltrede, die Sol 8, 1ff. an seine ihn mit sterbenden Göttern gleichsetzenden Anbeter halten muß; eine Ethopöie, wie F. selbst sagt, aber verständlicher bei einem, der einst den Glauben an den lebendigen Sonnengott geteilt und zu ihm gebetet hatte. Der Ton ist gegenüber den Geheimkulten weit erbitterter als gegenüber den verhältnismäßig wenig beachteten Gottheiten der Überwundenen griechisch-römischen Religion; das liegt vor allem an der noch nicht besiegten Lebenskraft, also Gefährlichkeit der Mysterien, aber auch das eigentümliche Verhältnis der Kaiser zur römischen [2378] Staatsreligion mochte mitwirken (vgl. Wissowa Religion d. Römer 84ff.). Doch mag immerhin auf den Hohn gegenüber dem Vestakult (14, 3) hingewiesen werden. Die Tendenz der Schrift ist nicht Belehrung oder Apologie des Christentums, sondern unverhüllt wird die Absicht ausgesprochen, die Kaiser zur Vernichtung der alten Religionen aufzurufen. Der Fanatismus, womit hier so wenige Jahrzehnte nach der Tolerierung des Christentums die Ausrottung des Heidentums, die Bestrafung seiner Anhänger, die Zerstörung der Tempel, die Einschmelzung und Konfiszierung der Weihgeschenke als Gott wohlgefälliges und seines Lohnes sicheres Werk verherrlicht wird (so bes. 28, 6 und 29, 2, wo wirklich Lieb’ und Treu wie ein böses Unkraut ausgerauft wird, unter Berufung auf Deut. 13, 13ff.), fühlt sich allerdings im Einklang mit der Politik der Kaiser Constantius und Constans, wie sie schon in der Verordnung von 341 (Cod. Theod. XVI 10, 2. Wissowa a. O. 85) hervortrat und später sich noch verschärfte. Die Polemik gegen die Penaten c. 14 ist im Hinblick auf Theodosius Verordnung von 392 (Cod. Theod. XVI 10, 12) von Interesse. Wir besitzen in dem mit leidenschaftlichem Hasse geschriebenen Buch des F. wohl das knappste und reichste Bild des antiken Heidentums kurz vor seinem Zusammenbruch.
Die Frage nach den Quellen ist bis jetzt mehr gelegentlich berührt als im ganzen genauer untersucht worden; vieles von dem, was bisher bekannt ist, findet sich schon in Wowers und Münters Ausgaben. Zitiert hat F. außer Homer nur den Porphyrius, der ihm einst noster Porphyrius hieß (s. o. S. 2374), jetzt als defensor sacrorum (d. h. der Mysterien: so die Hs.), hostis Dei, veritatis inimicus, sceleratarum artium magister beschimpft und nach des F. Gewohnheit persönlich apostrophiert wird; der Astrolog vermochte von einem bedeutenden Gegner noch mit Achtung zu sprechen, der Apologet hatte es verlernt. Von nicht zitierten Autoren ist hier wie in der math. unzweifelhaft Cicero de nat. deor. benützt: 17, 1–4 (stoische Etymologien der Götternamen) stammt aus de nat. deor. II 66–70 (Münter z. St. Skutsch Rh. Mus. LX 266); am Anfang und Schluß ist damit eine wörtliche Entlehnung ans der ps.-Quintilianischen Deklamation IV 13f. (mit dem Titel Mathematicus d. h. der Astrolog, also Reminiszenz an frühere Lieblingsinteressen) verbunden (Weyman und Becker a. O.). Auch die Etymologien 4, 1 und 14, 2 gehen auf die gleiche Cicerostelle zurück (II 66. 68). Für den polemischen Gemeinplatz 8, 4, der auf Xenophanes oder Heraklit zurückgeführt wird (Diels Vorsokr.1 p. 40, 13 und Heraklit frg. 127), hat Münter die Parallelen bei Clem. Alex. protr. II 24 und Minucius 22, 2 bereits notiert; Kenntnis von Plutarch de Is. 379 BC (oder anderer Plutarchstellen) kann also nicht mit Hauck (Herzogs R.-E. Art. Maternus) daraus gefolgert werden. Die Zurückweisung der physikalischen Auslegung des Osirismythus 2, 6ff. stammt wohl aus der gleichen Quelle wie Athenagoras c. 22 (Geffcken Zwei griech. Apologeten 210, 6). Die Parallelen mit Municius Felix (Moore 30) und Tertullian (Hauck a. O.) beweisen nur, daß diese Argumente zum eisernen Bestand der Apologetik gehören, [2379] vgl. beispielshalber mit 12, 8 (Belege für die Schwäche der Götter bei Homer) die Zusammenstellung bei Geffcken 203ff. Ziemlich sicher (trotz Moore 31) ist dagegen die direkte Entlehnung von de err. c. 10 aus Clemens Alex. protr. II 13, 4 und 16, 2 (s. Stählin zu diesen Stellen); ferner vgl. 12, 2 mit Clem. II 33; 12, 3 mit Clem. II 32; 12, 4 mit Clem. II 34, 3; 12, 7 mit IV 58. Die Stelle über die fünf Minervae c. 16 berührt sich näher mit Clemens II 28 als mit Cicero de nat. deor. III 59 und stammt wohl aus ersterem (vgl. auch Michaelis De orig. indicis deor. cogn., Berl. Diss. 1898, 16. 33f. und die Zusammenstellung 74ff.). Über Berührung mit Arnobius s. Ziegler zu p. 14, 10 seiner Ausgabe. Daß Euhemeros direkt, in Ennius’ Übersetzung, benützt sei, hat Moore a. O., der sich auf Nemethy Euhemeri reliquiae stützt, angenommen; dagegen s. Jacoby im Art. Euemeros oben S. 955 und Zucker Philol. LXIV 470ff. Ganz sicher ist die Benützung des Cyprian (Dombart Ztschr. f. wiss. Theol. XXII 375ff.); von sämtlichen 70 Bibelzitaten, die F. bringt, fehlen nach Dombart nur etwa 12 bei Cyprian, dessen Testimonia und ad Fortunatum F. als Repertorium biblischer Aussprüche benützt hat; das schlagendste ist, daß die Bibelzitate bei ihm vielfach in der gleichen Reihenfolge wie bei Cyprian vorkommen. Manche Bibelworte hat er aus dem Gedächtnis zitiert. Nach Maass Tagesgötter 23 Anm. soll Commodian die Schrift de err. benützt haben, aber die Belege sind nicht beweiskräftig. Vgl. für die übrige Literatur zu F. noch Teuffel-Schwabe5 § 406. Schanz Gesch. d. röm. Lit. IV 1, 119ff.