RE:Emblema
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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kunsthandwerklicher Begriff, kleiner Gegenstand an einem Größeren | |||
Band V,2 (1905) S. 2487–2490 | |||
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Emblema (auch im Plural, und ἐμβεβλημένα, was Harpokration und Suidas durch ἐγκεκεντρισμένα erklären, emblematum opus Schol. Iuvenal. 1, 76, hoc emblematum, huius emblemati Prisc. VI 201 K.) ist zunächst jeder kleinere Gegenstand, welcher an einen größeren meist aus verschiedenartigem Material angebracht wird, z. B. das in den wilden Obstbaum eingepfropfte Edelreis (Poll. I 241. ἐμβολάς Aristoteles bei Harpokration) oder der Holzpflock, welcher die eiserne Spitze des römischen Pilum mit dem Schafte verbindet (Plutarch Mar. 25), oder auch eine in einen Schuh eingelegte Sohle (Philon mechan. synt. V 102, 39 Schöne).
In der römischen Zeit wird E. sicher nach griechischem [2488] Vorgange zum künstlerischen Terminus technicus, zunächst noch für die eingesetzten Steinchen des Mosaik (Lucil. sat. II frg. 56 Baehrens quam lepide λέξεις compostae ut tesserulae omnes arte pavimento atque emblemate vermiculato. Varro r. r. III 2, 4 num quod emblema aut lithostrotum?). Seit Ausgang der Republik, als die Modeliebhaberei für kunstvolle Gefässe aus Edelmetall immer mehr zunimmt, beschränkt sich dann der Gebrauch von E. bei römischen Schriftstellern auf die Einsätze in hohem Relief oder Rundskulptur an Silbergefässen, namentlich in Silberschalen, wie sie uns mehrfach, besonders in dem Hildesheimer Funde (E. Pernice und F. Winter Hildesheimer Silberfund Taf. Iff.) und in dem Schatze von Bosco Reale (Monuments Piot V 46 Taf. Iff.) erhalten sind. Sie sind deutlich eine Weiterbildung des in der einfacheren Schalenform ohne Fuß oft in der Mitte als Fußersatz und dekorativ angebrachten ὀμφαλός (φιάλη μεσόμφαλος) und zeigen durch ihre Größe, teilweise Vergoldung und äußerst feine Ausarbeitung, daß sie Prunkgerät waren und zum Trinken nur wenig benutzt wurden, vgl. Plin. n. h. XXXIII 147. Gefässe wie die Hildesheimer Minerva- und Herculesschale oder die Schalen von Bosco Reale mit der Afrika und zwei naturalistischen Büsten als Mittelschmuck veranschaulichen Stellen wie Iuvenal. 1, 76 argentum vetus et stantem extra pocula caprum, vgl. Anth. Plan. IV 248. Plin. n. h. XXXIII 156. Martial. VIII 51, 5ff. und Friedländer z. St. Anth. Lat. 152 Riese u. a. Diese Einsätze sind immer besonders, und zwar meist von anderen Künstlern (caelator oder argentarius anaglyptarius CIL VI 2243)[1] als die eigentlichen oft gegossenen Gefässe (vascularius, vasclarius, purum argentum) getrieben (caelatores ac vascularios Cic. in Verr. IV 54, vascularius aut faber argentarius Iavol. Dig. XXXIII 2, 39, vgl. CIL VI 2226.[2] 9390ff. 9952ff.), aber nie massiv, sondern aus dünnem Blech, welches mit Treibekitt oder Blei ausgefüllt ist. Auch die sogenannten disci, wie der ,Schild des Scipio‘ in Paris mit der Rückgabe der Briseis (Mon. d. Inst. I Taf. X), der mit Phaedra in Neapel (Antichità di Ercolano V 267), endlich der von Aquileia in Wien mit Triptolemos (v. Arneth Gold- und Silbermonum. Beilage II) sind E. verloren gegangener Gefässe. Sie sind daher der wertvollere Teil und werden, wie noch heute bei Restaurierungen, so schon im Altertum z. B. von Verres herausgenommen (Cic. in Verr. IV 49. 52, vgl. Monuments Piot V 22. 45). Verres tat dies, einmal um nur den eigentlichen Kunstgegenstand zu rauben, während er das Gefäß seinem Besitzer zurückgab (ebd. 48), dann aber, weil zu seiner Zeit in Rom an Stelle des silbernen Tafelgerätes goldenes modern zu werden anfing. Deshalb errichtete er in Syrakus die große Werkstätte, in welcher unter seinen Augen goldene Gefässe angefertigt und die silbernen E. darin angebracht wurden (ebd. 54).
Gegen diesen später immer mehr einreißenden Luxus wandte sich der Kaiser Tiberius in Edikten, welche den Gebrauch von rein goldenen Gefässen, außer für Kultzwecke, verboten und auch den der silbernen mit goldenen E. regelten. Zugleich befahl er die Ersetzung des Wortes ἔμβλημα durch [2489] ein passendes lateinisches (Cicero gebraucht dafür sigilla ebd. 48, scyphos sigillatos 32) oder eine Umschreibung. Vgl. Cass. Dio LVII 15. Suet. Tib. 71. Dementsprechend sagt Seneca epist. I 5, 3 non habeamus argentum, in quo solidi auri caelatura descenderit, d. h. Silbergefässe mit massiven goldenen E. Trotzdem hielt sich die Vorliebe für rein goldenes und mit Gold verziertes Geschirr (Plin. n. h. XXXIII 55. Martial. XIV 95. II 43, 11. VI 94, 1. XIV 97 Lemma. Paul. Dig. XXXIV 2, 32, 1. Anacreont. 4, 18. Hist. Aug. XXX tyr. 14, 5; Claud. 17, 5. CIL III 4806[3] phialam argent. p. II, embl(emata) Noreiae aurea uncias duas d. d.). Ein erhaltenes Goldgefäß, die Schale von Rennes, ist aus massivem Golde ziseliert und stammt nach den daran angebrachten Kaisermünzen, welche das in niedrigem Relief ausgeführte E. umgeben, etwa aus dem J. 210 n. Chr., s. Babelon Cabinet des antiq. à la Biblioth. Nat. Taf. VII S. 25ff. Das Verfahren der Anbringung des Goldzierates an den Silbergefässen hieß auro inluminare (CIL VIII 6982[4] scyphi dependentes auro inluminati n. VI, cantharum auro inluminatum), die Gefässe selbst chrysendeta (Martial. a. a. St., das Wort zuerst bei Philemon frg. 70 II 496 Kock σπάθην παραφαίνων δηλαδὴ χρυσένδετον).
Nur ähnlich den E. sind die crustae, der Bedeutung des Wortes nach flache, in niedrigerem Relief getriebene oder auch nur in Ziselierung ausgeführte Platten, welche, im Gegensatz zu den als Mittelverzierung der Schalen angebrachten E., mehr friesähnlich die Außenseiten von Bechern, die Ränder von Platten u. a. geeignete Stellen der Geräte schmückten, s. z. B. Pernice und Winter Taf. XΙ. XIII. XVIII. XXII. XXIX. Monuments Piot V Taf. V–VIII. XV. XXΙ. Cicero in Verr. IV 52 (crustae aut emblemata detrahebantur) unterscheidet die beiden Reliefarten genau, und es läßt sich nicht nachweisen, daß, wie Daremberg-Saglio (Dictionn. des ant. I 801ff.) annehmen, in späterer Zeit der Unterschied zwischen den beiden Worten verschwand. Plinius n. h. XXXIII 157 erwähnt einen berühmten, deutlich noch der hellenistischen Zeit angehörenden crustarius Teucer (s. d.) und durch Inschriften kennen wir Handwerker, welche dieselbe Technik ausüben, einen brattiarius (CIL VI 9211)[5] und einen artifex brattiarius (ebd. 9210, vgl. Firmicus math. IV 15. VIII 16). Ferner kommen cymbia argentea aureis crustis illigata bei Paul. Dig. XXXIV 2, 32, 1 und vasa potoria crustata bei Fest. ep. p. 53, 6 vor.
Das Befestigen der E. an den Gefässen bezeichnet Cicero in Verr. IV 54 mit illigare und includere, und es geschieht durch Anlöten mit einer Bleilegierung (plumbatura Paul. Dig. VI 1, 23. 5, adplumbare Scribon. Larg. 271 extr. Ulp. Dig. XIX 1, 17, 8. XXVII 12, 2; argentum replumbatur bei großer Hitze, Senec. nat. quaest. IV 2, 18) und Verdeckung der Lötstelle durch einen schmalen Rahmen, wie die noch erhaltenen Silbergefässe bestätigen, vgl. E. Pernice Hellenistische Silbergefässe (58. Berliner Winckelmannsprogr.) 6. 26ff.
An die Stelle der E. und crustae aus Edelmetall können auch edle Steine und ähnliches wertvolles Material treten. Zuerst lassen sich [2490] die διάλιθα oder λιθοκόλλητα (ἐκπώματα) bei Menander frg. 503 Kock (vgl. Pollux X 187) und Eratostbenes bei Athen. XI 482 A nachweisen. Später nennt Seneca epist. mor. 110, 12 gemmeam suppellectilem als höchsten Luxus, und Plinius n. h. XXXIII 5 macht seinen Zeitgenossen den Vorwurf: turba gemmarum potamus et smaragdis teximus calices, ac temulentiae causa tenere Indiam iuvat; aurum iam facta accessio est, vgl. Art. Gemmen und Seneca de provid. 3, 13; nat. quaest. I 17, 8. Iuvenal 5, 48ff. Durch Cic. in Verr. IV 62 erfahren wir, daß mit Gemmen besetzte Goldgefässe hellenistisches und namentlich syrisches Königsgerät waren, und von Zenobia wird erzählt (Hist. Aug. XXX tyr. 30, 19): usa est vasis aureis ad convivia non nisi Cleopatranis; vgl. Sokrates von Rhodos bei Athenaios IV 147 F. Appian. Mithr. 115. Plutarch Anton. 28 extr. Daher werden manche der uns erhaltenen Gemmen, namentlich die größeren, welche nicht in Ringen oder ähnlichen Schmuckgegenständen gesessen haben können, und Kameen, welche dem Metallrelief besser entsprechen als Intagli, von derartigen Gefässen herrühren, z. B. Furtwängler Antike Gemmen Taf. XXV 4. 23. XXX 1–3. XXXII 15ff. XXXIX 3. 25. 29. XLVIII 7–9. 31. 36. LII. LIII. LVIIff. Doch beweisen Martial XIV 109 und Iuvenal 5, 43ff. (vgl. Corp. gloss. lat. II 32 gemma · λιθάριον, ψηφίον, ἔμβλημα), daß man auch aus Fingerringen die Steine herausnahm, um sie an den Gefässen anzubringen. In gleicher Weise werden endlich Bernsteinstücke verwendet, Iuvenal 5, 37ff., vgl. Martial ΙΧ 13, 6.
Literatur: Marquardt-Mau Privatleben d. Römer 683ff. A. Michaelis Das corsinische Silbergefäß 4ff. L. Friedländer Sittengesch. Roms III5 105ff. Η. Blümner Technologie u. Terminologie IV 248ff. Th. Schreiber Alexandrinische Toreutik, I Abhdl. sächs. Ges. d. Wiss. 1894, 275ff.