Rosen-Monate heiliger Frauen/Theresia
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LII.
15. Oktober.
Theresia.
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Theresia hat äußerlich viel gewirkt, aber hervorragender ist die Geschichte ihres inneren Lebens, von dem wir durch ihre eigene Hand Nachricht haben. So vortreffliches sie hin und wieder in ihren Büchern nicht bloß von ihrem inneren Leben, sondern von dem inneren Leben überhaupt schreibt, und so leicht es auch wäre, Menschen, die das innere Leben kennen und lieb haben, aus ihren Schriften einen köstlichen Strauß voll Wohlgeruchs zu binden; so könnten wir doch hier, bei unserem beschränkten Raume, und bei der Art und Weise, wie alle diese Lebensläufe gehalten sind, uns damit nicht befaßen. Es wäre aber gewis ein herrliches Stück Arbeit, wenn ein dazu befähigter Mann mit echt protestantischem, aber auch echt katholischem Geiste das Leben und die Schriften der heiligen Theresia kennen lernen, sichten, und protestantischen Christen unter Uebung eines rechten Gerichtes vorlegen möchte. Wir begnügen uns nach dieser Einleitung, welche zur Genüge Theresia von Avila auszeichnet,| ihren äußerlichen Lebensgang in kurzen Zügen vorzulegen..
Der Vater Theresia’s, von deßen Charakter und Christenthum, von deßen Leben und Sterben sie mit der größten Hochachtung und Liebe erzählt, war Alphonso Sanchez von Cepeda, ein Mann von angesehener adelicher Familie. Ihre Mutter war deßen zweite Frau, Beatrix von Ahumada, gleichfalls adelichen Geschlechtes. Von dieser, einer kinderreichen Mutter, ist sie am 28. März 1515 zu Avila in Altcastilien geboren. – Schon in früher Jugend beschäftigte sie sich in Gemeinschaft mit einem ihrer Brüder sehr viel mit der Geschichte der Heiligen und Märtyrer: ihre Sehnsucht nach dem Martyrium wurde dadurch bei der südlichen Gluth ihrer Seele dermaßen angefacht, daß sie einmal mit dem Bruder beschloß, unter die Mauren zu gehen, und durch Bekenntnis des Namens Jesu sie dermaßen zu reizen, daß sie ihnen die Märtyrerkrone reichen müßten. An der Ausführung, in welcher die beiden Kinder schon begriffen waren, wurden sie nur durch die Dazwischenkunft eines Oheims, welcher sie beim Ausgang aus der Stadt traf, verhindert. Als nun das Martyrium nicht gelungen war, wollten sich die| beiden Kinder im Garten eine Einsiedelei herrichten; aber auch das gelang nicht, weil die Steine, die sie auf einander schichteten, nicht halten wollten. Ihre Mutter, von welcher jedoch die Tochter selbst manch edle Tugend rühmt, war eine Verehrerin und eifrige Leserin der Ritterromane, und zog bei der Lektüre auch ihre Tochter und die übrigen Kinder bei, in der Meinung, sie dadurch zu Hause zu halten und mehr unter ihre mütterliche Leitung zu bekommen. Die Sache mußte aber heimlich getrieben werden, weil man den Vater zu scheuen hatte, der die Gefahren einer solchen Lektüre wohl erkannte und daher die Romane nicht dulden wollte. Demselben entgieng es auch nicht, daß seine Theresia die alte Frömmigkeit nicht mehr besaß, daß die Auswahl ihrer Gesellschaft nicht mehr den wahren Bedürfnissen ihrer Seele entsprach, und er brachte sie daher in ihrem 15ten Jahre in das Kloster der Augustinernonnen von Avila, um sie dortselbst mehr nach seinem Sinne reifen zu laßen..
In dem Kloster erholte sich ihr Geist bald wieder. Achtzehn Monate verweilte sie daselbst sich zum großen Segen. Allein sie wurde von einer schweren Krankheit befallen, die ihren Vater veranlaßte, sie zu sich| zurück zu nehmen. Nach ihrer Genesung schickte man sie zu ihrer Schwester aufs Land, um sich dort zu stärken, und auf dem Wege zu ihr besuchte sie einen Oheim, der sie zum Lesen geistlicher Schriften ermahnte und dem zu Gefallen sie, trotz geringer Lust, sich dieser Lektüre auch hingab. Gott aber segnete ihr Lesen, daß es ihr allmählich zu einer Wonne wurde. Dabei beschäftigte sie auch immer ihre Standeswahl, ob sie ehelich werden, oder als Jungfrau leben und Nonne werden sollte. Da ihre Gesundheit immer schwächlicher und geringer wurde, so schien es, als würde sie die Anstrengungen des Klosterlebens nicht ertragen können. Die Briefe des heiligen Hieronymus aber begeisterten sie dennoch in dem Maße, daß sie ihrem Vater die Absicht aussprach, Nonne zu werden, und an diesem ihrem Ausspruch mit einer Art von Härtigkeit auch dann festhielt, als ihr Vater sich ihrem Begehren widersetzte, weil er ihre Nähe und ihren Umgang nicht missen wollte. Theresien schien es allmählich, wie wenn die Ausführung ihres Vorsatzes zu ihrem Seelenheil nöthig wäre, und sie wagte es daher einmal, das väterliche Haus heimlich zu verlaßen, und sich in ein Kloster ihrer Vaterstadt zu begeben. Es geschah dies| mit vielen Schmerzen, weil auch sie an ihrem Vater von Herzen hieng, und nicht die Meinung, dem Vater ungehorsam, sondern die, Gotte gehorsam sein zu wollen, sie beherrschte. Nachdem der Schritt geschehen, ergab sich ihr Vater darein, und so konnte sie auch im November 1534 die Gelübde ablegen. Allein die klösterliche Strenge und die Abtödungen, welche die Ordensregel vorschrieb, zerrütteten ihre Gesundheit wieder und sie verfiel in krankhafte Zustände, welche ihren Vater in die höchste Besorgnis versetzten. Da die Aerzte in der Nähe keinen Rath fanden, so sandte er sie in die Ferne. Alle Mittel wurden angewendet, aber anstatt daß es sich beßerte, wurde es immer übler mit Theresia, das Fieber verließ sie nicht mehr, und Nervenzuckungen ganz besonderer Art ließen dem gepeinigten Leibe Tag und Nacht keine Ruhe, während ihre Seele von Trübsinn belagert wurde. Ihr Vater brachte sie nun nach Avila zurück, und da kamen erst vier Monate unsäglicher Schmerzen, dann aber am 15. August 1537 eine viertägige Ohnmacht, die man für Tod zu halten geneigt war, so daß man ihr heißes Wachs auf die Augenlider tropfte und ihr das Grab bereitete. Endlich erwachte sie jedoch aus dem Todesschlafe,| war aber so elend, daß sie acht Monate lang zwischen Tod und Leben schwebte und drei Jahre an allen Gliedern gelähmt blieb. Dann brachte sie es zwar wieder dahin, sich mühsam fortzuschleppen, aber sie litt dennoch fortwährend grimmige Schmerzen. Dabei gieng es ihr jedoch wie andern Heiligen: sie litt durch all diesen Jammer an ihrer Seele keinen Schaden, sondern im Gegentheil, ihr inneres Christenthum nahm zu, daß sie wie ein Licht unter den Ihren leuchtete, und ihre außerodentliche Gabe der Contemplation und des innerlichen Gebetes wurde unter Leiden, welche nöthig waren, um von allem, was zeitlich war, absehen zu lernen, zu jener Höhe erzogen, die auch solche kann staunen machen, welchen Geschmack am klösterlichen Leben und der römischen Lehre, denen sich Theresia mit allem Willen ergab, vollkommen ferne liegt.
Ihr ganzes Leben hat von da an zwei Abtheilungen, nemlich die erste, welche eine Zeit der bloßen Abtödung und inneren Seelenpflege umfaßt, die andere aber die Zeit ihrer öffentlichen Wirksamkeit nach Außen.
In die erste Periode fällt eine Zeit der großen Freude für Theresia: sie durfte ihren besten Freund, ihren Vater, in das innere Gebetsleben einführen und| dem geheiligten Manne hernach in Krankheit dienen und ihm die Augen zudrücken. In dieselbe Periode fielen aber auch ganz andere Erfahrungen. Es gieng ihr geistlich, wie es ihr zuvor leiblich gegangen war; wie sich an ihrem Leibe umsonst alle Aerzte versucht hatten, bis es dem HErrn gefiel, ihr wieder aufzuhelfen; so erlitt sie auch von ihren Seelenräthen Marter genug durch verkehrten Rath, und es dauerte lange, bis sie den reichen Zufluß himmlischer Gnaden, der ihr zu Theil wurde, auf eine gedeihliche Weise annehmen und gebrauchen lernte. Sie hatte ein großes Bedürfnis, sich auf den inneren Wegen leiten zu lassen, wurde geleitet, lernte viel, erfuhr ebensoviel, jede innere Verlaßenheit, jede innere Freude, von der jemals innige Seelen zu berichten wußten, jede Entzückung und Verzückung, viele Gesichte, – so daß die Menschen, wie es zu gehen pflegt, an ihr bald irre wurden, bald das größte Wohlgefallen fanden. Man kann keinen innerlich bewegteren und reicheren Lebenslauf lesen, als den ihrigen. Dabei hatte sie dennoch einen großen Hunger nach dem ewigen Leben, welcher durch viele Leiden, welche sie innerlich und äußerlich zu bestehen hatte, Nahrung empfieng. Für diese Welt| erstarb sie und begehrte nichts mehr, als was sie hatte, nicht äußerliche Gesundheit, nicht Anerkennung und Freiheit von der falschen Beurtheilung anderer. „Entweder sterben, o HErr, oder leiden, sonst verlange ich nichts,“ das war ihr Gebet..
Kein Wunder, wenn ihre Seele durch so außerordentliche, jahrelange innere Führungen zu einer großen äußern Thätigkeit bereitet wurde. Sie hatte lange Zeit ein Verlangen, für das Heil anderer zu wirken, endlich aber konnte sie nicht mehr widerstehen, und ihr Entschluß war nun, ihren Orden wieder herzustellen, und die alte abgebrachte Strenge der ersten Stifter wieder einzuführen. So wurde sie denn auch wirklich die Stifterin der neuen Klöster der unbeschuhten Carmeliterinnen. Eine Menge Klöster richtete sie ein. Aber was für Noth, Leiden und Verkennung hatte sie in dieser Periode ihres Lebens auszustehen! Bis sie nur die Erlaubnis erhalten konnte, thun zu dürfen, was sie nicht glaubte laßen zu können, was kostete das ihr und andern für Mühe, ja für Streit und große Noth. Darnach aber gewann ihr Thun einen solchen Fortgang und Segen, daß auch ihr Ansehen je länger je größer wurde, und das Volk im Lande| stromweise zusammenlief, wenn sie sich irgendwo sehen ließ, oder vorüberkam. Es wäre hier vieles zu erzählen, was außerordentlich ist, wenn der Raum gegeben wäre. – Bei ihren vielen Reisen empfand sie aber auch den Nachlaß ihrer Kräfte und ihre Gebrechlichkeit oft recht schmerzlich. Dreimal brach sie den linken Arm. Von dem ersten Male blieb er ihr ihr ganzes übriges Leben hindurch gelähmt. Man fand niemand, der ihn einrichten konnte; als sich jemand fand, war er verwachsen. Nach dem dritten Bruch gieng es mit dem Einrichten besonders schwer. Es waren eben wieder Theresienleiden, ganz für sie gefügt, auch ganz geeignet, daß sie unter ihnen vollends zum ewigen Leben reifen konnte. Im Jahre 1582 fühlte sie ihr Uebel ganz besonders; ihre Lähmung, welche sich nicht bloß auf den Arm erstreckt zu haben scheint, war ihr bei ihren häufigen Reisen sehr beschwerlich, zumal sich nach und nach ein häufiges Erbrechen damit verband. Auf einer Reise, welche sie zu der Herzogin von Alba gemacht hatte, fühlte sie sich unaussprechlich müde, und da ihre Uebel täglich zunahmen, ahnte sie das Herannahen ihrer Auflösung. Am 30. September bekam sie heftigen Blutsturz, nahm aber trotzdem noch einmal| das Sakrament in der Kirche und legte sich erst dann, um nicht mehr wieder aufzustehen. Am 1. Oktober beichtete sie, und da ihr Beichtvater sie ermahnte zu beten, daß sie noch nicht abgerufen würde, legte sie antwortend sich im Gegentheil voll Ergebung in die Hände des HErrn und nahm von ihren Klosterfrauen Abschied. Am 3. Oktober fühlte sie eine solche Schwachheit, daß sie noch einmal das Sakrament des Altars begehrte. Da sie zum Empfang auf ihren Betstuhl niederkniete, war es, als zöge sie noch einmal neue Kraft an; die Freude am Sakramente wurde ihre Stärke, und sie nahm es mit begeisterten Worten der Hoffnung, nunmehr den HErrn bald von Angesicht sehen zu dürfen. Bis sie die Sprache verlor, wiederholte sie die Psalmenworte: „Ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ Ihr Todeskampf dauerte lange. Als sie am Morgen des 4. Oktober in großer Schwäche ihr Haupt auf den Arm einer Gefährtin legte, blieb sie in dieser Lage bis Abends 9 Uhr unverrückt, indem ihre Augen fest auf einem Crucifix hafteten, das sie in den Händen hatte. In der Nacht vom 4. bis zum 5. Oktober 1582 entschlief sie in einem Alter von 67 Jahren.| Es war die merkwürdige Nacht, auf welche jener fünfte Oktober folgte, welcher zur Herstellung eines beßeren (gregorianischen) Kalenders der fünfzehnte genannt und von welchem seitdem der Kalender neuen Styls seine Tage zählt..
Das ist in kurzem, kleinem Abriß der Lebenslauf der Theresia von Avila, die, obwohl bereits der neueren Zeit angehörend, doch wie ein großer Abendstern des Mittelalters am Himmel untergieng. Die zwei Momente, welche in dem Leben so vieler Heiligen hervortreten: innere, abgeschiedene Beschaulichkeit, und damit verbunden eine mächtige Wirksamkeit nach außen, treten an ihrem Bilde hervor, wie an dem Bilde irgend einer mittelalterlichen Gestalt. Was man an irgend einer solchen Gestalt zu loben hat, leuchtet an Theresia im größten Glanze. Was man zu tadeln hat, wird auch an ihr erfunden. So viele Gnaden sie überströmten, Theresia ist doch auch eine Christin, welche auf dem Wege gewaltigen Ringens und eigener Arbeit bis an die enge Pforte kam, wo der HErr ihre geängstete und zerschlagene Seele umsonst, aus purlauterer Gnade zu der Heerde derjenigen heimnahm, die wie die Bäume des Paradieses mühelos ihre Früchte| bringen, und deren Werke eben deshalb so vollkommen sind, weil sie purlauterlich, ohne alle Werkerei und Selbstgerechtigkeit vom Geiste Gottes gewirkt sind. So großen Eindruck ein Leben, wie das Theresias, auf den Leser machen kann, das bleibt denn doch der letzte Eindruck, daß alle, die selig werden, auch eine Theresia, nur aus Gnaden selig werden, und daß alle an der schönen Thür des ewigen Tempels als nackte Bettler erscheinen, die, aller ihrer Werke vergeßend, auf die Wunden des Lammes Gottes allein sich berufen, indem sie Einlaß begehren.
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