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Der verzauberte Frosch

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Textdaten
Autor: Franz Bonn
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Titel: Der verzauberte Frosch
Untertitel: Ein Märchen-Lustspiel in 2 Akten für Kinder
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1869
Erscheinungsdatum: [ca. 1875]
Verlag: Breitkopf und Härtel
Drucker: Breitkopf und Härtel
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Jugendblätter für christliche Unterhaltung und Belehrung, Jahrgang 1869, München, Braun & Schneider, S. 481–508 Google (mit Bild von Joseph Watter [1838–1913])
Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch Carl Greith
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[1]
Der
verzauberte Frosch.


Ein Märchen-Lustspiel in 2 Akten für Kinder
von
Franz Bonn.

Text zur gleichnamigen
Musik
von
Carl Greith.


Mit Genehmigung der Originalverleger, Herren Braun & Schneider
in München, abgedruckt aus den Münchener Jugendblättern.

Leipzig.
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel.


[2]
Personen.

Hans, ein verzauberter Frosch.

Linchen, seine Schwestern.
Gretchen,
Mariechen,
Waldmann, ein Förster, ihr Vater.

Knöpfle, ein wandernder Schneider.[1]
Hocuspocus, ein Zauberer.
Silberlicht, eine gute Fee.
Zwei Gnomen im Dienste des Zauberers.
Chor der unsichtbaren Waldgeister.
Kinder.


[3]
Erster Aufzug.
Ein dichter, tiefer Wald. Rechts ein Stein, links ein Baumstamm.

Erste Scene.
Hans (als Frosch gekleidet[2] kommt von der Seite.)
Hans.
Lied Nr. 1.

Quack, quick, quack, quack, quack, quick quack quack!
Wie drückt mich doch des Lebens Sack,
Vermag ihn kaum zu tragen!
O traurig Loos! o harte Pein!
In einen Frosch verwandelt sein –
O Jammer, nicht zu sagen!

Quack, quick, quack quack, quack quick quack quack!
Das ist nun gar nicht mein Geschmack
So grün umher spazieren.
Im Grase sitz’ ich stundenlang,
Vertreib’ die Zeit mir mit Gesang
Und feinem Musiciren. –

[4]

Quack quick, quack quack, quack quick, quack quack!
Es trägt wohl Jeder seinen Pack
Von Leid und Noth auf Erden.
Das schwerste Loos ist meines doch!
O dürfte ich nur einmal noch
Zum Menschen wieder werden.

(Spricht.)

Ja, meine lieben Leutchen! Das ist kein Spaß, so als Frosch den lieben langen Tag im Sumpf und Gras herumzusitzen und quacken und Schnacken und Fliegen fangen. Was war ich einst für ein talentvoller Knabe! Ich mein’, ich seh’ mich noch im Spiegel, der in der Kammer meines lieben Vaters in der Ecke hing. Hinter dem Spiegel drohte die Ruthe hervor, aber ich schaute doch gern hinein und bewunderte mich in meinem blonden Locken und meinen großen Stiefeln und meinen ersten langen Hosen. O, das war ein Stolz und eine Freude! Mein gutes Mütterlein – Gott hab’ sie selig! – hat zwar oft mich gewarnt und mir zugerufen: „Eitler Hans, geh’ weg vom Spiegel und schau in dein Buch,“ aber ich gefiel mir gar zu gut und folgte nicht, bis ich den Vater kommen hörte, den guten strengen Vater, der jetzt um seinen Hans trauern und weinen wird, weil er nimmer heim kam. O, wie war’s daheim so schön in der behaglichen Stube bei meinem guten Vater! Und jetzt ein Frosch sein und nimmer heim dürfen und nimmer heim finden! – Aber es ist die gerechte Strafe für meine Eitelkeit, und darum will ich’s tragen mit Geduld; vielleicht wird’s doch einmal wieder anders und ich darf wieder heim zu meinem guten Vater. Aber still! da kommt wer. Schnell in’s Gebüsch! wer weiß, es ist vielleicht ein böser Bube, der mich mit einem Steinwurf tödten könnt’, oder ein [5] armer Mann, der mich zu fangen Lust hätte, um mich mit einem halben Dutzend unglücklicher Kameraden an einem Weidenring morgen auf den Markt zu bringen. Vorsicht ist die Mutter der Weisheit, also husch, Hans! hinter den Busch!

(Er versteckt sich.)


Zweite Scene.
Knöpfle (als reisender Schneider kommt herein gesprungen).
Knöpfle.
Lied Nr. 2.

Hopsa hopsa, immer weiter, immer heiter durch die Welt;
Sticht die Nadel, hält der Fade, dann ischt Alles wohl beschtellt.
Bin i gleich ein Schnick-Schnack Schneider,
Hört’ i sage doch, daß Kleider
Leute machen dann und wann.
D’rum bin i befugt zu lache,
Weil i Kleider weiß zu mache,
Sind mer alle unterthan!

(Spricht.)

Indesse scheint mir beinah’, i hab’ mi vom richtige Weg verirrt. I woiß nit, da sieht’s a Bisle seltsam aus. Ma könnt’ wirkli vor lauter Bäum’ de Wald nimmi sehe, wenigschtens nit, wo er aufhöre thuat. – Und lauter Nadelholz! A passende Gegend für einen Ritter von der Nadel, aber doch bei untergehender Sonn’ onheimli g’nug, um schier a Bisle Herzklopfe z’kriege. I woiß nit, mir isch so elektromagnetisch z’ Muth, als wär’ i in einem Zauberrevierle, mei luschtig Schneiderblut kommt in so a eigenthümliche Stockung, – i könnt’ [6] mi fascht fürchte – (singend) hopsa hopsa, immer weiter, immer heiter – durch – die Welt. – Zum Guckguck, mir bleibe die Tön’ im Hals stecke; i ka nimmi singe! Am beschte isch, i fang a zu laufe, denn i hab’ immer saga höre, me ka nit tiefer in de Wald neinkomme, als bis zur Hälfte, dann kommt mer wieder raus, wenn ma grad ausgeht. – Aber da isch schwer Gradausgehe über all’ die Wurzeln und durch des Dickicht, und doch bleibt mir nix über, als mitte durch.

(Wie der Schneider hinaus will, tritt Hocuspocus mit zwei Gnomen auf.)


Dritte Scene.
Hocuspocus, seine Begleiter und Knöpfle.
Hocuspocus.

Halt an! Wer ist der freche Wicht? Steh stille, halt!

(Knöpfle sieht sich um und wirft sich laut schreiend auf die Erde.)
Ein Wandersmann scheint mir der Bursch zu sein.

Hebt ihr mir auf, ihr Gnomen, daß er rede,
Was ihn hieher in meinen Bann geführt!

Knöpfle
(schreit, wie sich ihm die Gnomen nah’n, und springt auf).

Alle gute Geischter lobe Gott de Herre! Apage Satanas.

(Schlägt mit dem Fuß aus.)
Hocuspocus.

Ein drollig Bürschlein! Stehe Rede mir.
Wie kommst Du hier in meinen Zauberhain?

Knöpfle
(vor dem Hocuspocus auf die Kniee fallend).

Verehrteschter Herr Zauberwaldbesitzer, habe Sie mit mir Erbarme!

Hocuspocus.

Vor Allem sprich, was führt Dich her zu mir?

[7]
Knöpfle.

Was mi herführe thuet? O Herr Zauberer, oder wie i Ihna schelte muß, des woiß i wärli selbscht nit. I bin auf der Wanderschaft und hab’ mi da im Wald in der Dunkelheit verirrt. Wenn Sie vielleicht so freundli wäre, mir de Weg z’ weise, so wollt i mit Vergnüge mi entferne.

Hocuspocus.

Ich glaub’ es gern; doch wisse, frecher Wicht!
In diesem Walde herrsche ich allein
Und mir verfällt, wer sich zu kühn mir naht.
Sahst Du die Marken nicht an meines Reiches Grenze?

Knöpfle.

Vergebung, edler Herr Zauberer oder Geischterkönig. Aber meine Auge sind schwach durch die viele Nachtarbeit, und zudem han i a Gläsle über Durscht trunke.

Hocuspocus.

Also ein Trunkenbold, und welcher Profession?

Knöpfle.

Des Schneiderhandwerks, hoher Geischterkönig!

Hocuspocus.

Dein Alter?

Knöpfle.

War ein Schneiderle, so wie i!

Hocuspocus.

Wie alt Du bist?

Knöpfle.

Auf künftige Oschtern wird’s drei Jahr, daß i hab’ spiele müsse bei der Conscription.

Hocuspocus.

Glaubst Du an Geister?

Knöpfle.

Sie, hörend Se, des ischt mit Verlaubniß z’sage, a einfältige Frag! Sehend Sie denn nit, wie i zittre thu’?

[8]
Hocuspocus.

Du hast auch allen Grund zu zittern, Menschenkind!
Denn wisse, wer in meinen Bann gerathen,
Dem geb’ ich eine Probe zu bestehen.
Besteht er drin, so kann er weiterzieh’n;
Besteht er nicht, so ist mir Kraft gegeben
Ihn zu verwandeln mit dem Zauberstab
In einen Frosch, in eine gift’ge Kröte,
Blindschleiche, Eidechs, Unke, Salamander –
Je nach Belieben, wie mir’s just gefällt.

Knöpfle.

O du lieb’s Herrgöttle von Biberach! da han i mi in a schön’s Revierle verirrt! Wie isch mer denn? I und a Salamander?

Hocuspocus.

So mache Dich zu Probe gleich bereit,
Doch erst noch nenne Deinen Namen mir.

Knöpfle.

I hoiß Bartholomäus Knöpfle! Wisset Se, eigentli hoiß i Joseph, aber mei Väterle hat die lange Name nit leide könne und hat mi drum immer Bartholomäus g’hoiße.

Hocuspocus.

Notirt den Namen in mein Fremdenbuch
Und schreibt dazu, daß er ein Schneider ist.

(Einer der Gnomen notirt etwas in ein Buch, das er bei sich führt.)
Und nun zur Probe. (Für sich.) Die Enthaltsamkeit

Scheint seine schwächste Tugend mir zu sein;
So wähl’ ich die. (Laut.) Nun halte Dich bereit.
Bestehst Du sie, die Probe, die ich wähle,
So kannst Du fort, wohin es Dir beliebt;
Bestehst Du nicht, so wandl’ ich Dich zur Kröte.
Kommt, Ihr Begleiter, zieh’n wir uns zurück.

(Geht mit den Gnomen ab.)
Es wird Nacht.


[9]
Vierte Scene.
Knöpfle allein.
Knöpfle.

Daß di ’s Moisle beiß! Was ischt jetzt des für a saubere G’schicht! I werd auf die Prob geschtellt! Und ’s isch ganz finschter ringsom, wie in an Habersäckle. O du liebs Herrgöttle von Biberach, verlaß mi nit.

(Es donnert.)

Jetzt kracht’s schon! – O, i armselige Schneiderseel’; jetzt kommt mei letzt’s Sterbschtündle!

(Es donnert wieder, und ein gedecktes Tischlein mit Speisen und Wein kommt von unten, wo das nicht sein kann, von der Seite herein; auf demselben steht ein brennendes Licht.)
(Wie es stärker donnerte, ist Knöpfle zu Boden gefallen vor Schrecken. Nach einer Pause richtet er sich langsam auf und schaut um sich.)

Hat’s nit eig’schlage? Noi wärli nit! Aber was isch denn da? A Tischle, und auf dem Tischle a Tüchle, und auf dem Tüchle a Tellerle, und auf dem Tellerle die beschte Sache, und a Fläschle Wei und a hoimlichs Lichtle in der grausame Finschterniß! Noi, i muß sage, wenn der Zauberer solche Sache macht, da ischt er nit gar so arg fürchtig. Was wohl in dem Schüssele sei’ mag, und was des für a Weinle sei wird? I woiß nit, i spür auf oinmal a mörderisch Dürschtle und Hüngerle; mir is so appetitlich z’ Muth, wie em deutsche Schulbüble, wenn’s aus der Schul hoikomme thut! I moinet, i probir’s. Aber halt! Am End isch des die Prob! Hat er nit g’sagt, i muß a Prob beschtehe? So a Esse schteha sehe, und so a Weinle, und nix dergleiche thun; des wär schon a Pröble. Halt, Knöpfle, jetzt hoißt’s schlau sein! A hungerigs Schneiderle bleibe, oder a Krötle werde, des ischt jetzt die Frag! A Krötle ischt zwar a garschtigs Thierle, aber im Grund g’nomme hat’s es doch besser, als a hungerigs [10] Schneiderle! A Krötle hat doch a Bäuchle, a Schneiderle isch spindeldürr; a Krötle find’t überall was z’esse und z’trinke, a Schneiderle isch meistentheils hongrig und durschtig; dem Krötle ischt älles reacht, ema echte Schneiderle ischt aber gar nix reacht. I ha koi Väterle und koi Müaterle, koi Schwesterle und koi Brüderle me uf der Welt! I ka’s rischkire. Freili woiß mer nit, wie lang i a Krötle bleibe muß! A paar Jährle wollt’ i mir’s schon g’falle lau; aber mein ganz Lebtag lang, des will überlegt sei! Ach, wie die Speise dufte, so süß wie Neckar und Ambrosius, und des Weinle! Knöpfle! Knöpfle, i glaub’, Du bischt die längste Zeit a Schneiderle g’wese!

(Er nähert sich dem Tisch.)

Rieche werd mer wohl dürfe, ohne daß oim glei des G’sicht verwandelt wird! O des ischt herrli! A gozig’s Bröckle kann mer uf koin Fall schade. I probir’s!

(Er will an den Tisch und essen. In diesem Augenblick springt Hans aus dem Dickicht. Knöpfle fährt erschrocken zurück.)


Fünfte Scene.
Knöpfle. Hans.
Hans.
Quack!
Knöpfle.

Ja, was isch denn des für a grüner Leibhusar?

Hans
(leise).
Quack, quack!
Knöpfle.

A Fröschle! Noi, des is scho a Frosch, und a g’waltig großer no dazu! Am End’ au a verzaubert’s Schneiderle!

[11]
Hans
(leise).

Schneiderlein, ich bitt’ Dich, rühr’ die Speisen nicht an!

Knöpfle.

Und Deutsch kann’s au des Fröschle! Des muß i sage, des is g’späßig.

Hans
(sieht sich ängstlich um).
Knöpfle.

Was hascht denn, Fröschle? Warum soll i denn die Speise nit anrühre?

Hans
(ängstlich, leise).

Weil Dir’s sonst geht, wie mir’s gegangen ist.

Knöpfle.

Und wie isch Dir gange, wenn ma frage därf?

Hans.
(immer leise und von Zeit zu Zeit sich umsehend).
Lied Nr. 3.

Ich war wie Du ein Menschenkind
Und kam in dies Revier,
Die Eitelkeit, die macht’ mich blind,
Und ach, ich folgte ihr.
Der Mann, der Dir die Speisen schickt,
Zeigt’ einen Spiegel mir,
Ich hatte kaum hineingeblickt,
Ward ich ein häßlich Thier.
Ein Frosch, wie Du mich springen siehst,
Ein Frosch, o bitt’re Noth!
D’rum rath’ ich, Schneiderlein, Du fliehst
Die Speisen wie den Tod.
Ein Schluck von diesem Zauberwein,
Von dieser Speis’ ein Biß,
So wirst Du eine Kröte sein –
Glaub’ mir, es ist gewiß.

[12]
Knöpfle.

Des muß i sage, wenn die Fröschle da so schöne Liedle singe könne, da ka a Krötle am End au no a Musikant wera. Hör’, Fröschle, mir scheint, Dir geht’s nit gar so miserabl! I will Dir G’sellschaft leischte, und damit i au a Krötle werd, den Wein wenigschtens verkoschte.

Hans
(sich auf die Kniee werfend).

Hab’ Erbarmen, Schneider, hab’ Erbarmen; trink’ nicht.

Knöpfle.

Jetzt ruft mi des Fröschle um Erbarme a! I moinet, Du solltescht froh sein, wenn d’ an Kamerade kriegscht, der au luschtig ischt und Dir die Zeit vertreibt. Geh weg, laß mi trinke, i hau Durscht.

Hans.

Es ist mir nicht um mich zu thun, Knöpfle! Es gilt meinem Vater, meinem armen Vater, der sich um mich bis in den Tod betrübt, und meinen lieben Schwestern!

Knöpfle.

Ja so, Du hascht a Väterle und Schwesterle! Ja, des is freili was andersch! Aber was kann i Dir helfe? I ha ’s Zaubere nit g’lernt und ka Di nit verwandle.

Hans.

Aber meinem Vater kannst Du Botschaft bringen.

Knöpfle.

Botschaft! So, no der wird a Freud habe, wenn i ihm sag’, daß sei Söhnle a Fröschle worn isch.

Hans.

O scherze nicht. Wer weiß, Du kannst mich retten. Mein Vater wird Dir’s reichlich lohnen.

Knöpfle.

Jetzt hör’, Fröschle. Sag mer nix vom e Lohn. I will Dir’s glaube, daß Du an arm’s Büeble bischt [13] und an traurige Vater hascht, und wenn i Dir z’ Lieb kei Krötle wer und mein Hunger und Durscht überwind, no so thu i’s, weil i a gutmüthiger Kerle meiner Lebtag war; aber an Lohn begehr i nit, des icht mei Sach nit. Verschtande?

Hans.

Nichts für ungut, lieber Knöpfle, braves Herz. Aber der Dank –

Knöpfle
(rasch).

Vom e Dank will i au nix wisse, i bin nit verintressirt. I seh, daß Du unglückli bischt in Deiner Froschmontur und d’rum will i Dir helfe. Da hascht mei Hand d’rauf – i laß die Speise und den Wei onb’rührt, so schad s’ ischt. Aber jetzt sag’ mer nu, wo bischt denn derhoim?

Hans.

Im Mühlthal ist mein Vater Förster.

Knöpfle
(freudig).

Was? im Mühlthal? Du bischt am Förschter sei Hänsle, den mer schon seit viele Jahr vermisse thut und nirgends finde ka? ’s Hänsle bischt Du, dem i die erschte Hösle g’macht hau? Kennscht mi denn nimma? Hänsle? O Du gut’s Förschterhänsle, ja warum hascht denn des nit glei g’sagt? Dir z’ Lieb wollt i ja glei 40 Täg faschte. Woischt, Dei Mütterle, Gott hab sie selig! die hat mir ihr Lebtag viel Gut’s tha, und hat mir oft was z’esse bracht, wie i no a Lehrbua im Mühlthal g’wese bi und mir der Moischter nix gebe hat, als Schläg! – Ja, Hänsle – Du bischt des Försters Büeble? ja laß Di nur anluge, i hätt’ Di wärli nimmi kennt!

[14]
Hans.

Guter Freund! O wie freu’ ich mich, endlich einen Menschen zu finden, dem ich mein Leid klagen, durch den ich meinem Vater und meinen lieben Schwestern Grüße schicken kann.

Knöpfle.

Ja, so red’ nur und sag’ mir’s, wie Du a Fröschle worn bischt, Du lieb’s Förschterhänsle. Wenn mer Di g’fragt hat, was D’ wern willscht, hascht immer g’sagt, a Professerle, und jetzt bischt a grüns Laubfröschle! Und a Spiegel hat Di so weit bracht! Ja verzähl nur, wie isch denn g’wese mit dem Spiegel?

Hans.

O Knöpfle! Du weißt, ich war immer so eitel und hab’ nichts lieber gesehen, als mein Bild im Spiegel. So oft mir’s auch mein Mütterlein verboten hat, immer hab’ ich wieder in den Spiegel geguckt. O, ich hab’ mein Schicksal tausendmal verdient, weil ich meinem guten Mütterl nicht gefolgt und ihr so viel Verdruß gemacht hab’.

Knöpfle.

Laß jetzt Dei moralisch Katzejämmerle und sag mer nur, wi i Dir helfe ka!

Hans.

Führ’ meine Schwestern daher an die Grenze des Zauberwaldes, damit ich sie wiederseh’ und mit ihnen plaudern kann und sag’ meinem Vater – doch still, der Zauberer kommt! Wenn er bei Dir mich träfe, wär’ ich des Todes. – Lebe wohl!

(Ab.)
Knöpfle.

Da springt er fort. I muß saga, i hätt’ nit glaubt, daß mer si mit ama oifache Fröschle so gut unterhalte ka. Aha! da kommt der Herr Geischterkönig.


[15]
Sechste Scene.
Knöpfle. Hocuspocus. Seine Begleiter.
(Hocuspocus mit seinen Begleitern tritt ein.)
Hocuspocus.

Hat er die Speisen nicht berührt?
Vom Weine nicht genippt? Fürwahr erstaunlich!
Der Erste bist Du, seit ich hier regiere,
Der nicht in seinen Lieblingsfehler fiel. –
Du hast die Probe siegreich überwunden.
So nimm zum Lohne diesen Wanderstab,
Er führet Dich aus diesem Waldrevier
Und trägt Dich hin, wohin Du willst, im Fluge.

Knöpfle.

A Zauberstäble? Isch des Ding koi Hinterlader, der mir losgeht, wenn i ihn anrühre thu?

Hocuspocus.

Sei ohne Furcht und geh!

Knöpfle.

Ja, Herr! I dank Ihne, i geh scho, aber mit dem Stöckle isch es g’schpäßig, des reißt mi ja fort in alle Luft. (Er bewegt sich, als würde er in die Luft gehoben.) Adjes beisamme! Pfi Gott!

(Rasch ab.)
Hocuspocus.

Ein selt’ner Kauz! Notirt Euch in dem Buche:
Ein Schneider hat die Probe stark bestanden,
Der mancher stolze Held schon unterlag.
Doch seht, die Sonne senkt sich schon im Westen,
Ich habe heut’ genug mir schon gezaubert,
D’rum will zur Ruh’ ich mit der Sonne geh’n.
Laßt Abendläuten durch den stillen Wald,
Und früher töne heut der Nachtgesang.


[16]
Siebente Scene.
Hocuspocus. Seine Begleiter. Die Fee.
(Hocuspocus schickt an zum Abgehen, da tritt ihm die Fee in den Weg.)
Fee.

Wohin, Herr Hocuspocus? Stehet still!

Hocuspocus.

Ah, Madame Silberlicht! Ihr kommt des Weg’s?!
Was wünscht Ihr noch, was soll mir der Besuch?

Fee.

Ein Schneiderlein, so hab’ ich just vernommen,
Hat Eure Probe siegreich überstanden,
Euch gratuliren will ich d’rum zu solchem Sieg.

Hocuspocus.

Ich weiß, Ihr freut Euch, geht mir Etwas schief,
Und Eures Hohnes war ich schon gewärtig;
Doch daß den Abend Ihr mir noch damit versüßt,
Das ist zu freundlich, Madame Silberlicht! –

Fee.

Ich wißt, ich hass’ Euch, denn in mein Gebiet
Seid Ihr mit schnöder Herrschsucht eingedrungen.
Im Walde wohnt der Menschen Lust und Glück,
Da dehnt sich froh die schwer beladene Brust.
Nach jeder Arbeit fühlt der Mensch erquickt
Sich durch des Waldes wunderbare Weihe.
Ihr aber spannet Eure Netze hier,
Die armen Menschenkinder drin zu locken
Und unbarmherzig prüfet Jeden Ihr,
Der sich in Euer Zauberreich verirrt.
Der Menschen Fehler kenn’ auch ich gar wohl,
Doch sind die meisten wahrlich nicht so schlimm;
Ihr aber freut Euch, wenn der Leidenschaft
Im Kampf der Schwache machtlos unterliegt,
Und weidet Euch mit Lust an seiner Strafe.

[17]

Mich schmerzt der Mensch, wenn sich sein Herz verirrt,
Und kann ich führen auf den rechten Pfad
Ein irrend’ Kind, so bin ich froh bewegt.

Hocuspocus.

Wer selbst nicht irret, hält die Tugend streng.

Fee
(spöttisch).

Ihr irrtet nicht? O weiser Zauberer,
Habt Ihr des braven Schneiderleins vergessen,
Der Eurer Speisen Lockung widerstand?

Hocuspocus.

Die Menschenkinder haben freien Willen;
Nur sie zu prüfen ist mein Lebenszweck.

Fee.

Die armen Menschen sind geprüft genug!
D’rum stellet Eure Zauberarbeit ein
Und gebet endlich die Bestraften frei.

Hocuspocus.

Sonst hat die holde Dame keinen Wunsch?
Kommt, Gnomen! Auf! begleitet mich zur Ruh,
Die holde Fee wünscht ihres Wegs zu geh’n.

(Wendet sich zum Gehen.)
Fee
(bewegt).

O sei nur stolz, Du bist mir doch gewiß.
Du hast nur Macht bis sich ein Mädchen findet,
Das ohne Neugier ist.

Hocuspocus
(rasch umkehrend).

D’rum hoffe nicht, daß meine Macht vergeht!
Es lebt kein Mädchen auf der weiten Welt,
Das nicht neugierig wär’ von Herzensgrund.

Fee.

Und wenn ich dennoch eines finden würde?

[18]
Hocuspocus.

Ihr habt mein Wort. – Dann ist mein Zauber aus,
Erlöst sind Alle, die ich hier verwandelt.
So lange sich jedoch kein Mädchen findet,
Das ohne Neugier ist, werd’ ich hier walten
Und meinen Zauber treiben, wie bisher.
Nun gute Nacht, ich bin des Plauderns müde –
Ihr Geister alle, singt den Nachtgesang!

(Ab mit den Gnomen.)


Achte Scene.
Chor (unsichtbar). Die Fee. Später Knöpfle.
Chor.
Lied Nr. 4.

Durch die schattenkühlen Hallen
Laßt uns weben, schweben, wallen
In des Mondes Zauberlicht,
In den Blättern lindes Säuseln,
Auf den Wellen leises Kräuseln,
Jeder übe seine Pflicht.

Fee
(spricht zur Musik).

Gut’ Nacht, ihr braven Menschenkinder all’!
Mit eurem Schlummer sei des Friedens Segen.
Euch aber grüß’ ich mit dem besten Gruß
Ihr schuldlos lieben Kinder. Gute Nacht!

(Ab.)
(Chor wird wiederholt.) Wie die Musik verhallt ist, tritt ein
Knöpfle.

So isch des Ding? Da wolle mer glei Mittl und Weg schaffe. Da brauch i koi Väterle und koi Schwesterle. Hänsle! Förschtershänsle, Du wirscht gerettet!

(Ab.)
(Der Vorhang fällt.)

[19]
Zweiter Aufzug.
Scenerie wie im ersten Aufzuge.

Erste Scene.
Fee und Hocuspocus.
Hocuspocus.

Nun ist die Reihe doch an mich gekommen,
Daß ich zum Siege gratuliren darf.
Ich fühle Eure Macht, verehrte Dame,
Und zitt’re, meine Herrschaft zu verlieren,
Wenn Ihr noch mehr so kluge Mädchen habt,
Die ohne Neugier sind, wie diese beiden,
Die Ihr mir schicktet, schlaue Königin!

Fee.

O spottet nur, ich gönne Euch die Lust.

Hocuspocus.

Es waren nette Dingchen – seine Schwestern,
Des Försterbubens Schwestern, wie Ihr sagt.
Das Brüderlein zu retten war ihr Zweck;
Ihr führtet sie in meinen Zauberkreis –
Nun sind sie Fröschlein, wie’s ihr Bruder ist,
Und können miteinander musiciren.

Fee.

Ihr weidet Euch am Unglück dieser Armen.

Hocuspocus.

Kann ich dafür, daß sie die Probe wagten?
Wie? oder Ihr, die Ihr sie hergeführt?
Ihr waret Eures Sieges ja gewiß!
„So brave Mädchen giebt’s nicht auf der Welt
Zum zweiten Mal, wie diese Mädchen sind.“

[20]

Wie, war’s nicht so? Ihr rühmtet ihre Tugend,
Die leider schon beim ersten Anlaß brach.
Denn kaum, daß sie mein Reich betreten haben,
Da fingen sie schon gleich zu fragen an
Und guckten rings umher mit hast’gen Blicken
Und öffneten aus Neugier all’ das Zeug,
Das wohl verschlossen zu der Prüfung Zweck,
Ich ihnen irgend in den Weg gestellt.
Ihr seid wohl eine Meisterin der Kunst
Die Mädchen zu erziehen; nur schade ist,
Daß Eure besten Schülerinnen nicht
Begreifen, was Ihr Gutes sie gelehrt.

Fee.

Unwürdig handelt, wer den Schmerz verlacht.
Ihr seht, wie mich die armen Mädchen dauern,
Die ihrem Bruder sich geopfert haben,
Um ihn zu retten aus dem Zauberbann,
Der nun sie selbst mit schwerer Strafe traf.

Hocuspocus.

Ich geb’ Euch nur zurück, was Ihr mir gabt.
Habt Ihr mich ob des Schneiders nicht verhöhnt?
Nun zahl’ ich Euch die Schuld mit gleicher Münze.
Doch daß Ihr seht, ich bin Euch gleichwohl gut,
Nehmt diesen Rath: Verlasset meine Grenzen
Und gebt den Kampf, den aussichtslosen, auf.
Lockt mir kein Mädchen mehr in diese Räume,
Ihr mehrt nur meiner Frösche bunte Schaar.
Wie es dem Linchen und dem Gretchen ging,
So geht es auch dem Röschen und den andern.
D’rum überlegt es Euch, stört fürder nicht mein Thun
Und sucht Euch eine andre Gegend aus,
In der Ihr walten möget nach Belieben.

(Ab.)


[21]
Zweite Scene.
Fee.

Da geht er hin mit seinem stolzen Spott –
Der unbeugsame, zaubermächtige Mann.
Wie hab’ ich doch umsonst auf euch vertraut,
Ihr holden Schwestern aus dem Försterhaus,
Die ich schon lang erblüh’n mit Freude sah.
Wie war’t ihr sittsam, tugendreich und fromm!
Oft, wenn die Sonne euch in’s Fenster schien –
Im hellen Mittag lag das Försterhaus,
Die Fenster standen offen, und der Duft
Der Blumen stieg in’s traute liebe Haus,
Das euch, ihr schöner’n Blümchen, berg’ in Ruh’ –
Oft schaut’ ich da in euer Kämmerlein;
Da sah ich fleißig euch die Spindel dreh’n,
Die Hände falten manchmal zum Gebet.
Ich sah euch lesen oder sonst ein Werk
Des frohen, frommen Kinderlebens thun.
Und immer dacht’ ich mir in meinem Herzen,
Wenn ich unsichtbar eurem ird’schen Blick
Im Sonnenlicht in eurem Garten stand:
Nicht bessere Kinder gibt es auf der Welt
Als euch, des braven Försters ältere Mädchen!
Und nun bestandet ihr die Probe nicht,
Verscherztet eures Bruders Rettung wohl
Und theiltet mit ihm seines Elends Last.
Noch ist ein kleines Schwesterlein daheim;
Die Kleinste ist’s, die Jüngste, doch von allen
Die Schlimmste auch, ein halber Bub’ an Muth,
An Leben, Tollheit und verweg’nem Spiel.
Versuch’ ich’s noch mit ihr? Sie ist noch jung,
Acht Jahre kaum ist mein Mariechen alt –
Sie ist des guten Vaters letzte Freude,

[22]

Seit ihm die treue Gattin ward entrissen
Und Hans und Linchen, ach! und Gretchen auch
Dem Zauber dieses Waldes sind verfallen!
Und doch, auf diesem Kinde ruhet noch
Die letzte Hoffnung, daß ich brechen kann
Den Zauberbann, der diesen Wald beherrscht.
Ich will sie lenken, prüfen und erzieh’n,
Daß sie zum Retter aller andern wird.

Lied Nr. 5.

Meine Hände breit’ ich segnend
Hier im grünen Walde aus,
Daß dem lieben Kind begegnend
Dringt mein Wunsch in’s Försterhaus.
Wo sie wandelt, sagt, ihr Blüthen:
„Frage nimmer, stumm wie wir.“
Treue Vöglein sollen hüten
Ihre stille Einfalt mir.
Will ihr nah sein in Gefahren,
Sie begleiten aus und ein;
Wird sie rein ihr Herz bewahren
Wird sie stark zur Probe sein.
Dreimal herbstlich muß sich lichten
Dieses Waldes Finsterniß,
Dann, erstarkt in allen Pflichten,
Siegt das gute Kind gewiß.

(Zieht sich zurück.)


Dritte Scene.
Knöpfle als Mädchen. Später die Fee.
Knöpfle.

So, da bin i scho wieder. Bis i dem Förschter sei Häusle wieder find’ und dem Hans seine Schwesterle sag, daß sie ihn erretten solln – han i mir denkt, derweil verkleid’ i mi leichter selber in a kloins [23] Bauremädle, und weil i a gschickts Schneiderle bin, han i mir aus mein Tornischter a paar Hemdle und a paar Tüchle zuma Röckle schnell z’sammageknaudelt, und bin jetzt da, als des sauberschte Bauremädle, was mer sehe ka. I wollt, i hätt a Spiegele, daß i mi selber anschaue könnt. O du pfiffiger Zaubermeischter! Di will i scho kriege. I hab’ deine Finte los, und kenn mi aus in deine Schlich. Für was han i des ganze Gschpräch belauscht, als daß i jetzt wois, um was sich die Gschicht handelt. Nit neugierig sei, des ischt die ganze Kunscht. Und die Freud, wenn i dem Förschter sei Hänsle wiederbring! Mir soll koin Pröble zu schwer werde, i halt’s aus als a tapfers Mädle, die gar nit woiß, was Neugierd ischt.

(Die Fee wiederholt hinter der Scene ihren Gesang.)

Horch! was isch jetzt des wieder? Die kann a mal schö singe. Des isch die Fee, richtig, die den Zauberer nit leide ka! Mit dera möcht’ i glei a Wörtle reda, damit i woiß, ob mer in meiner Kleidung den Schneider no raus kennt. Des is gscheit, sie geht da grad na, auf mi zu. Wart, jetzt mach’ i mi recht niedli.

(Thut, als suche er Erdbeeren im Wald.)


Vierte Scene.
Knöpfle und Fee.
(Wie die Fee den Knöpfle erblickt, bleibt sie stehen und hält im Singen ein.)
Fee.

Was seh’ ich? Wiederum ein Menschenkind,
Ein Mädchen, das sich hier im Wald verirrt!

(Freundlich.)
Was suchst Du, Kleine – hier im tiefen Wald?

[24]
Knöpfle.

Was i such? Erdbeerle such i! Habe Sie vielleicht ebbes dagege einzwende?

Fee.

Ich will Dich warnen vor dem Unglück nur,
Das hier Dir droht!

Knöpfle.

A Unglück? Ja sage Sie, Madamle, wo isch denn des Unglück?

(Wendet sich zur Fee.)
Fee.

Was seh’ ich, nicht ein Mädchen ist’s!
Der Schneider Knöpfle! Wie kommt Ihr daher?

Knöpfle.

Was? Schneider Knöpfle! So hättet Ihr mi glei erkennt? Ja, woher wißt Ihr denn, daß i a Schneiderle bin?

Fee.

Was willst Du mit der tollen Mummerei?

Knöpfle.

Was Mummerei, i bin a Bauremädle, das hier im Wald die Frösch erlöse will!

Fee.

Und glaubst Du, daß der Zauberer getäuscht
Dich prüfen wird? Er, dessen heller Blick
Tief in die Herzen schaut. – Geh’, rette Dich;
Denn keinen Scherz versteht der strenge Mann.

Knöpfle.

Ja glaubt Ihr wirkli, Madamle, daß der Herr Zauberer glei merke thut, daß i koi Mädle bi, sondern nur a verkleidt’s Schneiderle?

[25]
Fee.

Ob ich es glaube, weiß ich’s doch gewiß!
D’rum rath’ ich Dir, entferne Dich mit mir,
Sonst büßest mit dem Leben Du den Scherz!

Knöpfle
(weinerlich).

Jetz isch mer au alle Freud verdorbe; wenn i des Förschters-Hänsle nit erlöse ka, no mag i gar nimmi lebe.

Fee.

Du braver Bursche, komm, komm, geh’ mit mir!
Ich will Dir sagen, was ihn retten kann,
Ihn und die andern all’. Du kannst mir helfen;
Durch Dich will ich Mariechen Botschaft bringen.

Knöpfle.

In Gottes Name! Wenn’s nit anderscht isch, will i Eu folge; aber i hätt’ halt gar zu gern sell de Retter g’spielt.

Fee.

Komm, komm, ich höre Jemand sich dem Orte nahen!

(Gehen ab nach links.)


Fünfte Scene.
Hans (als Frosch kommt traurig von der rechten Seite.)
Hans.

O ich unglücklicher armer Frosch! Hätt’ ich nur dem Schneider nicht gesagt, daß er meinen Schwestern Botschaft bringe! Die Aermsten sind nun selber in Frösche verwandelt worden und so unglücklich, wie ich. Mir möchte das Herz im Leibe vor Leid vergehen, denk’ ich an die armen Schwestern und an den armen Vater, der jetzt vergeblich warten wird auf ihre Heimkehr. Könnt’ ich nur den Schneider wiederfinden, daß [26] er wenigstens mein liebes Mariechen daran hindert, mich im Walde zu besuchen; denn sicher treibt auch sie ihr Herz bald zu mir, und es wird ihr gehen, wie meinen beiden ältern Schwestern. Könnt’ ich nur hinaus aus diesem verzauberten Wald und sie warnen!

Lied Nr. 6.

Hätt’ ich Schwingen, hätt’ ich Flügel,
Flög’ ich in der Heimath Thal;
Ueber Wälder, Fluß und Hügel
Schwebt’ ich froh im Sonnenstrahl.
Wollt’ mich an ihr Fenster setzen
An dem theuern Vaterhaus,
Am Gesims das Schnäblein wetzen
Immer rufend: „Schau heraus.“
Wollte ihr dann Grüße bringen,
Manchen süßen Liebesreim,
Wollt ihr warnend sagen, singen:
„O Mariechen, bleib’ daheim!“

(Setzt sich auf einen Stein rechts.)


Sechste Scene.
Hans und Mariechen.
(Mariechen kommt von der linken Seite mit einem Körbchen am Arm.)
Mariechen.

Wo nur meine Schwestern sind? Sie sagten mir, ich solle an dem Wege auf sie warten, bis sie wieder aus dem Walde kämen, sie wollten Blumen suchen. Ich blieb stehen und wartete. Aber es verging Stund’ um Stunde und meine Schwestern kamen nicht. Gewiß ist ihnen ein Leid begegnet! O wenn ich nur nicht [27] so müde wär’. (Setzt sich auf einen Stamm links.) Sie redeten auf dem ganzen Wege heimlich miteinander und sagten auch, sie brächten vielleicht ein Brüderlein mit aus dem Walde. Ein Brüderlein! ich hab’ es nicht gekannt. Man hat mir erzählt, es sei aus dem Vaterhause fort, als ich noch in der Wiege lag, und seitdem ist es nicht mehr heimgekommen. O, könnt’ ich mein Brüderlein nur einmal sehen, wie freut’ ich mich darauf! O Gott! wo nur die Schwestern bleiben? Die Sonne beginnt schon sich zu neigen und es wird Abend. Die Angst trieb mich herein in den Wald, meine Schwesterlein zu suchen, und nun hab’ ich den Weg verloren. O heilige Mutter Maria! laß mich meine Schwestern wiederfinden und den Weg nach Hause zu meinem Vaterle, ehe es Nacht wird. Ich will nur wieder umkehren, wo ich herkam; denn wird es dunkel, so find’ ich den Weg gar nicht mehr.

(Steht auf und will gehen.)
Hans
(der Mariechen bemerkt und stille beobachtet hat, ruft):
Mariechen!
Mariechen
(sich nach der entgegengesetzten Seite wendend und den Frosch nicht bemerkend).

War mir’s doch, als rief mich wer beim Namen! Es ist so unheimlich hier, man sieht kaum ein Stücklein vom lieben blauen Himmel. Ich muß fort, ich will heim und dem Vater sagen, daß er die Schwestern suche.

Hans.

Mariechen, liebes Schwesterlein! Flieh, flieh was Du kannst!

[28]
Mariechen.

Seltsam, schon wieder ruft’s und doch entdeck’ ich nichts, ich fürcht’ mich schier; doch was befürcht’ ich denn? Ich hörte doch immer den Vater sagen, daß ein Schutzengel bei mir ist, der läßt mir kein Leids geschehen. Komm, lieber Schutzengel! führ’ mich jetzt aus dem Wald nach Haus. Aber die schönen Erdbeeren dort muß ich noch mitnehmen, daß ich doch dem lieben Vaterl was bringt’, der wird jetzt schön in Angst gewesen sein um seine Kinder!


Siebente Scene.
Mariechen. Hocuspocus.
(Während der letzten Worte ist Hocuspocus eingetreten. Bei seinem Eintritt hat Hans die Flucht ergriffen. Mariechen pflückt, ohne ihn zu bemerken, emsig im Hintergrunde links.)
Hocuspocus.

Ah sieh da, schon die dritte Schwester!
So rasch hätt’ ich die Kleine nicht erwartet.
Ich dachte mir, daß sie die holde Fee
Erst üben wollte in der strengen Zucht,
Daß sie die Probe sicherer bestehe.
Nun kommt sie schon heut Abend ins Revier; –
Wohlan, es sei, sie mag die Probe wagen.

(Zieht sich zurück.)
Mariechen.

So schöne Erdbeeren hab’ ich mein Lebtag nicht gesehen und leb’ doch schon acht Jahre auf der Welt! Den Platz muß ich mir merken. Wie macht’s der Vater nur? Er bricht ein Zweiglein ab, wenn er einen Platz im Walde wiederfinden will; so mach’ ich’s auch.

(Während sie sich streckt, um einen Zweig zu brechen, fällt aus dem Baum ein Brief. Mariechen schaut verwundert auf den Brief, läßt ihn aber liegen.)

[29] Ein Brief! Wie kommt der Brief nur her? Er fiel mir beinah’ auf die Nase! Vielleicht hat ihn wer in den Baum gestreckt, und durch das Ziehen am Zweig fiel er herunter. Wem er gehört, der wird ihn schon finden, mir gehört er ganz gewiß nicht. Aber es ist höchste Zeit, das Körbchen ist ganz schwer von Erdbeeren, jetzt lieb’s Schutzengerl, jetzt gehen wir.

(Wie sie zur linken Seite abgehen will, stellt sich ihr ein Kästchen in den Weg. Sie bleibt stehen.)

Sieh da, ein Kästchen hier im dichten Wald! Was soll das Kästchen hier? Und schmuck und schön polirt ist’s, wie aus Ebenholz. Hat’s wohl eine reiche Dame verloren; aber wie käme die hierher in den Wald, wo kein Weg mehr ist? Was kümmerts’ mich – ich muß nach Haus.

(Will fort. Hocuspocus tritt ihr in den Weg.)
Hocuspocus.

Halt an, mein liebes Kind. (Für sich.) Zwei Proben schon
Bestand die Brave, doch der schwersten jetzt
Erliegt sie sicher! (Laut.) Wohin eilest Du?

Mariechen.

Muß heim zum Vater, ehe es dunkel wird! Hab’ meine Schwestern suchen wollen im Wald und selbst den Weg verloren. Laßt mich, es ist schon spät!

Hocuspocus.

Die Schwestern Du im Wald verloren! Und wozu
Sind denn die Schwestern in dem dunklen Wald?

Mariechen.

Ich weiß es nicht, sie hießen drauß’ mich warten und sagten, sie brächten mir unser verlorenes Brüderlein mit.

Hocuspocus.

Euer Brüderlein! Ei sieh da, liebes Kind,
Weißt Du, was Deinem Bruder widerfuhr?

[30]
Mariechen.

Ich hörte nur erzählen, daß er eines Tags noch Abends spät in den Wald gegangen, um Beeren sich zu pflücken und daß er nimmer heimkam seit der Zeit. Ich sah ihn nie, ich kenne ihn nicht; aber doch thut mir’s um ihn von Herzen leid, und viele Thränen hab’ ich schon geweint, so lieb hab’ ich ihn.

Hocuspocus.

Du möchtest seh’n wohl Deines Bruders Bild?

Mariechen.

Haltet mich nicht auf, ich muß nach Hause, sonst wird’s Nacht.

Hocuspocus.

Du bist begierig nicht, sein Bild zu sehn?

Mariechen.

O freilich möcht’ ich ihn leibhaftig seh’n und wieder haben und ihn heimbrigen zu meinem Vater, der seinen Hans nicht verschmerzen kann.

Hocuspocus.

Sieh her, mein Kind, hier hab’ ich einen Spiegel,
In diesem siehst Du Deines Bruders Bild.

Mariechen.

O! hier auf Erden gibt’s kein Bild von ihm! Aber im Himmel werde ich ihn wohl einst sehen! Zeigt mir den rechten Weg nach Hause! Ich bitt’ Euch d’rum.

(Es donnert. Hocuspocus läßt den Spiegel fallen, der zerbricht.)


Achte Scene.
Die Fee mit Knöpfle tritt von links ein.
Fee.

So bist Du überwunden durch dies Kind!

[31]
Hocuspocus.

Der Sieg ist Dein – mein Zauber ist vorbei.

(Er versinkt.)
(Es wird hell. Von allen Seiten kommen Kinder, unter ihnen Hans, jetzt als Knabe, Linchen und Gretchen, als Mädchen, fröhlich hereingesprungen. Alle umgeben Mariechen, die sich kaum zu fassen weiß und ihre Geschwister umarmt.)
Chor der Kinder.
Lied Nr. 7.

Juheisa, juheisa, juheisa, juhei!
Der Zauber ist zu Ende, die Prüfung ist vorbei.
Heil Dir, Mariechen, Heil und Glück,
Du riefst in’s Leben uns zurück.
Du hast den Sieg errungen,
Den Zauber bezwungen.
Heisa, juheisa, juheisa, juhei;
Der Zauber ist zu Ende, der Hans ist wieder frei!

Fee.

Die Unschuld hat gesiegt mit Gottes Hülfe!

Knöpfle
(zu Mariechen).

O Du herzigs Poppele! Du bischt a Tausedsasa, a prächtigs Mädle – hascht dem Zauberer sei Spiel verdorbe und Deine Gschwistert gerettet und alle andern Kinderle, die lauter Fröschle g’wese sind und woischt sell nit, wie’s des Alles z’sammebracht hascht in Deiner herzige Eifalt. Des nennt ma Genie! Aber jetzt nimm’ i mei Zauberstöckle und bring Euer Väterle her, daß er au a Freud hat.

(Rasch ab.)
Hans.

O liebes, liebes Mariechen! Hab’ tausend Dank! Du hast mich, Du hast uns Alle gerettet.

[32]
Mariechen.

Aber so sagt doch nur, wofür Ihr mir dankt? Ich hab’ ja gar nichts gethan. Wußt’ ich denn, daß ich Euch retten konnte? Was hat Euch denn für eine Gefahr gedroht? Ich verstehe nicht, was das Alles bedeutet!

Hans.

O ich will Dir Alles sagen, aber laß Dich nur an’s Herz drücken, Du gutes, liebes Engelsschwesterlein.


Neunte Scene.
Vorige. Der Förster und Knöpfle.
Förster.

Wie? Meine Kinder! Soll ich Euch wieder haben?

Knöpfle.

Da schtand se beisamme, wie d’ Orgelpfeife.

Förster.
Hans! Kinder!
Kinder
(Linchen, Gretchen, Hans und Mariechen).
Vaterle, Vaterle!
(Umarmen sich.)
(Im Hintergrunde hat sich die Fee auf eine Felsenerhöhung gestellt und spricht in hellster Beleuchtung verklärt zur Musik.)
Fee.

Gesegnet sei der Unschuld stille Macht!
Ihr habt Euch wieder nach der Trennung Nacht,
Die Sonne siegt, der hellste Friede lacht.
Vergeßt in Eurem Glück der Mutter nicht,
Die segnend aus dem Himmel zu Euch spricht:
„O haltet fest den Blick zu Gott gewendet,
Der Euch dies Kind zur Rettung hat gesendet.“

(Gruppe.)
(Der Vorhang fällt.)

  1. Die Rolle des Knöpfle muß stark im schwäbischen Dialekt gesprochen werden.
  2. Das Kostüm muß möglichst naturgetreu und der Unterkiefer des Froschkopfes wo möglich so eingerichtet sein, daß es durch ein Schnürchen vom Darsteller unbemerkt und leicht bewegt werden kann. Auch darf es derselbe an möglichst naturgetreuen Bewegungen nicht fehlen lassen.